Igor Graovac - Centar za politološka istraživanja
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Zusammenfassung<br />
Holm Sundhaussen 63<br />
Für die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft sind nicht nur die<br />
Weichenstellungen in der Vergangenheit und die daraus resultierenden<br />
historischen Realia, sondern auch die Konstruktion von Vergangenheit,<br />
die Vergangenheitsbilder relevant. Aus dem Fluß der Ereignisse, Konstellationen<br />
und Akteure werden jene Elemente heausgefiltert, die der<br />
Existenz einer Gruppe Richtung und Dauerhaftigkeit verleihen. Diese<br />
Elemente werden Bestandteil des sog. historischen Gedächtnisses einer<br />
Gesellschaft. Zwischen dem kollektiven Erinnern einer Gruppe und<br />
dem, „wie es eigentlich gewesen“, klafft zumeist eine tiefe Diskrepanz.<br />
Umso notwendiger ist es, zwischen Vergangenheitsbildern und<br />
Geschichte (Geschichte als Ergebnis methodischer Forschung) zu<br />
differenzieren.<br />
Auch die Geschichte als Wissenschaft benutzt Filter, die sich aus den<br />
Fragestellungen des Forschers und den Methoden des Faches ergeben.<br />
Doch Historiker befinden sich in einer schwierigen und zwiespältigen<br />
Situation. Als Mitglieder einer Nation sind sie von den kulturellen<br />
Arrangements dieser Nation infiziert und untersuchen dabei, was sie<br />
selber geschaffen haben. Hier taucht aber das Problem der Distanz<br />
zwischen Forscher und Forschungsgegenstand auf, wobei Historiker als<br />
Deutungselite vielfach gesündigt haben. Die Historikerzunft zerfällt<br />
daher in zwei Gruppierungen: in diejenigen, die sich primär der Gesellschaft,<br />
bzw. der Nation – ihren Mythen und Erwartungen, und in<br />
diejenigen, die sich primär der Wissenschaft verpflichtet fühlen.<br />
Anders als die Abstammungsnation (d.h. der Prototyp der modernen<br />
geschlossenen Gesellschaft) versteht sich die offene Gesellschaft als<br />
Produkt der Veränderung. Die Nation ist aus dieser Sicht weder in der<br />
Zeit noch in der Zusammensetzung konstant und die Vergangenheit<br />
stellt sich auch gänzlich anders dar. Es gibt weder eine „nationale<br />
Wiedergeburt“, noch gibt es „historische Rechte“. Es gibt auch keine<br />
jahrhundertealten Gegnerschaften zwischen Nationen. Nationalbewegungen,<br />
die auf ein zyklisches Zeitverständnis, auf die Nation als<br />
Abstammungsgemeinschaft auf „historische Rechte“ rekurieren, haben<br />
deshalb andere Vorstellungen von „Gerechtigkeit“ und „Legitimität“<br />
als Nationalbewegungen, die dem linearen Zeitverständnis und dem<br />
Konzept der offenen Gesellschaft verpflichtet sind.