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Zbornik Mednarodnega literarnega srečanja Vilenica 2004 - Ljudmila

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Daniela Kapitáňová<br />

Höfferling, unten in Bayern<br />

Über diese Frage habe ich lange nachgedacht ... obwohl hier lang oder<br />

kurz nicht mehr gilt, stimmt’s? Hier ist alles gleichzeitig lang und auch<br />

kurz...<br />

Wenn ich also nach einer beliebigen Sache aus meinem vergangenen<br />

Leben fragen darf...<br />

Es war in Deutschland, wir spielten da in einer Kleinstadt unten in<br />

Bayern, Höfferling hieß sie. So ein deutsches Musterstädtchen, saubergefegt,<br />

wie das nur die Deutschen können, auch der Besitzer war so ein<br />

Musterdeutscher, ein gutmütiger Kerl mit Bierbauch. Meinzl hieß er, Sepp<br />

Meinzl. Er freute sich über jeden Gast, ging von Tisch zu Tisch, leerte die<br />

Aschenbecher und fragte rundum, ob sich die Kundschaft wohlfühlt.<br />

Die ganze Kapelle bestand aus vier Mann: Klavier, Schlagzeug, Gitarre<br />

und ich mit der Trompete... ein ganz gewöhnlicher Haufen. Wir spielten<br />

alles, was ging und, ehrlich gesagt, waren wir nichts besonderes. Wir<br />

kamen alle aus der Slowakei, selbst mit Kost und Logis waren wir billiger<br />

als Einheimische. Die Gäste saßen an Tischen mit Holzbänken und sangen<br />

mit. Sie wissen schon, ihre Schrammelmusik, sie fassten sich bei der<br />

Schulter und schunkelten im Rhythmus. Wie Kinder.<br />

Den Job hatte uns einer von unseren Leuten zugeschanzt, Rudi Turek<br />

hieß er, er war irgendwoher aus dem Záhorie, aus Malacky oder aus Myjava,<br />

ich weiß nicht mehr genau. So was hat selbst der Herrgott noch nicht<br />

gesehen... Verzeihung, das ist mir so rausgerutscht... was das für ein Prolo<br />

war! Einer von den Typen, die schwarze Brillen mit verspiegelten Gläsern<br />

und das Hemd bis zum Nabel offen tragen, damit die Frauen seine behaarte<br />

Brust sehen; so ein Stier mit Eiern im Kopf, verzeihen Sie, dass ich mich<br />

so ausdrücke. Wissen Sie, wenn er diesen Gretchen zuzwinkerte, dann<br />

quietschten die vor Vergnügen... aber ein fürchterlicher Prolo war das!<br />

Aufgeblasen wie ein waschechter türkischer Pascha. Sogar mit uns sprach<br />

er nur deutsch, um zu zeigen, dass er nicht zu diesen armen Schluckern<br />

aus dem Osten gehörte.<br />

In der Küche war ein Zigeuner zur Aushilfe, so ein kleiner, schwarzer,<br />

unauffälliger, von dem man nicht wusste, wie er hieß, auch wenn man<br />

ihn drei Monate lang hintereinander gesehen hatte. Ein armer Teufel aus<br />

dem Kosovo, wo es schon angefangen hatte zu brodeln, als es ihm gelang<br />

zu fliehen und Schwarzarbeit zu finden. Wir arbeiteten ja auch schwarz.<br />

Aber er durfte sich draußen nicht blicken lassen, bei ihm sah man auf den<br />

ersten Blick, dass er kein Arier war und Meinzl wollte keine Scherereien.<br />

Und den hatte der Rudi Turek gefressen! Immer, wenn ihm etwas nicht<br />

passte, eine Gabel nicht genug glänzte oder der Aschenbecher nicht gut<br />

genug roch, dann würgte er dem Zigeunerlein eins rein.<br />

Na, und eines Tages fing die Edith bei uns zu arbeiten an. Sie war<br />

Holländerin. Die Ärmste hatte krumme Beine, wegen Kinderlähmung, und<br />

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