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Zbornik Mednarodnega literarnega srečanja Vilenica 2004 - Ljudmila

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Brigitte Kronauer<br />

<strong>Vilenica</strong>–Preisträgerin <strong>2004</strong><br />

Der Versuch, Werk und Schaffen Brigitte Kronauers diskursiv zu »erfassen«,<br />

in einige konzise Satzhäufchen bannen oder gar auf den Punkt bringen<br />

zu wollen, führt naturgemäß zum Scheitern. Freilich zu einem heiteren und<br />

stimulierenden Scheitern. Es schließt indes Verwirrung und Verwunderung,<br />

Ohnmachtgefühle und Irritationen nicht aus. Könnte man/frau es<br />

der Schriftstellerin gleichtun, ließe sich dieses Scheitern überspielen,<br />

umkehren oder auffangen in einer Reihung, Stapelung oder Ineinanderfügung<br />

von assoziativ verflochtenen und auseinanderfliehenden Bildern,<br />

den verfremdenden Blick ruhen lassend auf einzelnen Szenen, die der<br />

Weltliteratur oder der Kunstgeschichte entnommene werden, oder eigene,<br />

oft skurrile Vorstellungsräume eröffnend. Fünf Bücher hat Brigitte Kronauer<br />

bisher veröffentlicht, in denen sie ihre eigenwilligen Reflexionen,<br />

im mehrdeutigen Sinne des Wortes, Wahrnehmungsspiegelungen, Überlegungen<br />

und Resonanzen, auf »Menschen und Bilder«, Werke ihrer Kolleginnen<br />

und Kollegen, auf Ereignisse und Räume sowie zur Literatur im<br />

allgemeinen in Aufsatz-, Essay-, Reden- oder Tagebuchform notiert hatte. 1<br />

Den fröhlich Scheiternden dienen sie als Bojen und Auffangnetze im<br />

grenzenlosen Meer ihrer Erzählräume, wohl wissend, dass lediglich ihr<br />

Vertrauen in deren Beständigkeit ihnen zeitweiligen Halt verleiht.<br />

Das Denken und Schreiben in Widersprüchen und Zusammenhängen<br />

sei auf unserem Planeten eine ökologische Notwendigkeit geworden, das<br />

ganzheitliche, nicht abgeschlossene,’durchatmende’ Denken, »die<br />

Grenzenlosigkeit des Denkens als Methode« statt Optimierung eines<br />

einzigen Prinzips. 2 Was Brigitte Kronauer auf einen österreichischen Kollegen<br />

appliziert, benennt in hohem Maße ihr eigenes Vorgehen. Die Faszination<br />

und zugleich Irritation, die ihre in minutiöser Verdichtung sich übenden<br />

Kurzprosatexte und Erzählungen ebenso wie ihre in Ichseligkeit und<br />

Welthaltigkeit flutenden, pulsierenden Romane hervorrufen, sind Effekte<br />

jener Zweideutigkeit – so auch der Titel eines ihrer Essaybücher – und<br />

Ambivalenz, die sie für Literatur beansprucht. Die Entgrenzung und Auflösung<br />

von Bedeutungen, von figuraler Kontur und individueller Lebensgeschichte,<br />

der Sehnsucht nach Aufgehen in einer durchaus nicht naiv konzipierten<br />

»Natur« verbindet sich mit einer Relativierung von Werten, mit<br />

der Verknüpfung und Vervielfältigung von Sinn. Auf der Ebene der Figurenkonstellationen<br />

äußert Kronauer diese Ambivalenz und Ambiguität, diese<br />

Gültigkeit verschiedener, gegensätzlicher Positionen und Perspektiven<br />

häufig durch Doppelungen und Spiegelungen: im Zentrum ihrer Bücher<br />

stehen oft Frauen«paare«, häufig eine jüngere und eine ältere Frau (etwa<br />

Frau Mühlenbeck im Gehäus, Die Frau in den Kissen, Teufelsbrück), doch<br />

schreibt die Autorin mit großer Souveränität und bewundernswerter,<br />

1<br />

Vgl. Bibliographie<br />

2<br />

Brigitte Kronauer: Aufsätze zur Literatur, Stuttgart: Klett-Cotta, 1987 S.129.<br />

11

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