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Recensioner - Svenska samfundet för musikforskning

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die beiden von der Kirche bestellten Gutachter<br />

vor ihm, die Stimmung nicht so, wie sie sein<br />

sollte. Er löst das Problem auf unkomplizierte<br />

Weise, indem er die „octau“ (Octav 4') stimmt<br />

und dem Orgelbauer rät, das ganze Werk in diesem<br />

Sinne weiterzustimmen:<br />

Weil itziger Zeitt die quinten in der stimme<br />

octaua genandt so Viele alß müglich vnde sich<br />

leiden will/ nicht gahr zu böse Sein müssen/ da<br />

mit die harmoni nicht zu widerlich gehörett<br />

wirdt, vnde wir izo die octau gestimmet/ muß<br />

in Allen Stimmen turch alle 3 Clauier vnde pedahl<br />

nach gestimmet werden/<br />

(Quelle: Pape-Topp 2003, S. 182 – Praetorius/<br />

Scheidemann – und S. 183 – Compenius).<br />

Es kann hier also nicht die Rede von einer temporären<br />

Lösung sein. Dass die Empfehlung von<br />

Compenius die Vorschläge der beiden offiziellen<br />

ersten Gutachter entkräftet, kann ich beim besten<br />

Willen aus diesem Protokoll nicht herauslesen.<br />

Compenius äußerte sich entschieden ungenauer<br />

zur Stimmung als Praetorius und Scheidemann.<br />

Dabei ist er aber auch konkret, denn er stimmt<br />

einfach ein Register vor, und der Orgelbauer soll<br />

nun den Rest in gute Ordnung bringen. Aber<br />

auch hier ist die Rede von „nicht gahr zu böse“<br />

und eine nicht allzu widerliche Harmonie.<br />

Es ist klar, dass im ganzen 17. und in wesentlichen<br />

Teilen des 18. Jahrhunderts grundsätzlich<br />

die Rede von der Praetorianischen Stimmung,<br />

ergo von der Mitteltönigkeit die Rede ist. Nur: Es<br />

fragt sich hier tatsächlich, ob man mit „Praetorianisch“<br />

jede aus der Praxis geborenen Modifizierung<br />

ausschließen soll. Denn es gibt ja eindeutig<br />

einen Unterschied zwischen theoretischen<br />

Modellen und dem, was die Praxis daraus macht.<br />

Gerade beim Orgelbau sollte man nicht vergessen,<br />

dass es weder Stimmgeräte gab noch eine<br />

absolut gleichmäßige Windversorgung. Erschwerend<br />

kommt außerdem hinzu, dass Praetorius<br />

selbst sich der Fußangeln seines Modells (das sich<br />

wesentlich leichter in voller Konsequenz auf<br />

besaiteten Tasteninstrumenten realisieren lässt)<br />

bewusst war. Er weißt sinngemäß selbst auf<br />

Modifizierungen hin (Praetorius, Syntagma Musicum<br />

II, S. 155):<br />

… nicht so gar falsch/ vnd nicht so gar reine<br />

seyn/ sondern nur erzlicher massen/ doch dass<br />

144<br />

<strong>Recensioner</strong><br />

sie nicht so sehr wie andere Quinten schweben/<br />

damit es/ wann aus frembden Clavibus, vnd<br />

durch die Semitonia etwas geschlagen wird/<br />

nicht gar zu sehr dissonire, Wiewol etliche meynen<br />

die Quinta cis gis müsse gar rein seyn/ welches<br />

aber meines erachtens nicht passiren kan.)<br />

Und zum Wolf:<br />

… Vnd damit ihnen gleichwol in etas geholffen<br />

würde/ habensie allen andern Clavibus ein<br />

gar geringes abgebrochen/ vnd die Tertiam majorem<br />

e gis nicht zu gar reine/ sondern etwas<br />

weiter von einander gezogen [Anm: Praetorius<br />

und Scheidemann hätten gesagt: geschärfft],<br />

damit das gis ein wenig in die höhe dem a näher/<br />

dem f aber weiter kommen...<br />

Hier ist immer noch von der „Praetorianischen<br />

Temperatur“ die Rede.<br />

Es gibt in der Dissertation von Ortgies einen<br />

längeren Abschnitt über den Gebrauch von<br />

Subsemitonien. Diese sprechen eindeutig für eine<br />

rein mitteltönige Stimmung. Man sieht aber, dass<br />

sie schon relativ früh im Laufe des 17. Jahrhunderts<br />

verschwinden. Orgelbauer wie Stellwagen<br />

verwenden sie z.B. nicht. Spricht das für eine<br />

Modifizierung der Stimmung? Hier könnte man<br />

nun der Frage nach dem Zusammenwirken von<br />

Orgel und Instrumenten nachgehen. Diesem<br />

Zusammenwirken sowie der Intonation im<br />

Ensemble widmet Ortgies ein längeres Kapitel.<br />

Allerdings unterläuft ihm hier ein Fehler: Es<br />

stimmt natürlich, dass, wenn eine Orgel im<br />

Chorton in C spielt, die tiefgestimmten Holzbläser<br />

in Es spielen und Streicher und Sänger im<br />

Kammerton in D musizieren. Bloß: Streicher und<br />

Sänger musizieren nicht im Kammerton wenn sie<br />

in der Kirche sind, sondern im Chorton. Also:<br />

Drei unterschiedliche Tonhöhenstandards in diesem<br />

Sinn gab es nicht gleichzeitig in der norddeutschen<br />

Praxis. Viele Kirchen hatten eigene<br />

Instrumente, und bevor die französischen<br />

Holzbläser modisch wurden, gehörten dazu wohl<br />

auch „traditionelle“ Holzbläser im Chorton.<br />

Diese traditionellen Blasinstrumente sind<br />

womöglich sehr viel länger im Gebrauch gewesen<br />

als man gemeinhin annimmt. Man denke nur an<br />

die Freude, die Buxtehude 1685 verspürte beim<br />

Ankauf eines Großbasspommers.<br />

Leider fehlt in dem Absatz über die Ensem-

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