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Recensioner - Svenska samfundet för musikforskning

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Ibo Ortgies: Die Praxis der Orgelstimmung in<br />

Norddeutschland im 17. und 18. Jahrhundert und<br />

ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Musikpraxis.<br />

Diss. Göteborg: Institutionen <strong>för</strong> film- och<br />

musikvetenskap/GOArt, Göteborgs universitet,<br />

2004, 315 s., ill.<br />

Die Dissertation von Ibo Ortgies beschäftigt sich<br />

mit Fragen der norddeutschen Orgeltemperatur<br />

im 17. und 18. Jahrhundert. Ausgehend von der<br />

Hypothese, dass mindestens bis 1740 die mitteltönige<br />

Stimmung der Normalfall war, untersucht<br />

Ortgies einige besondere Fälle, darunter Lübeck<br />

und Alkmaar, sowie die Beziehungen zur Ensemblemusik<br />

der Zeit. Er kommt dabei zum Schluss,<br />

dass, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Ensemble-Intonation,<br />

die Stimmung der Orgeln unmittelbar<br />

von mitteltönig zu gleichstufig wechselte,<br />

ohne Umwege über wohltemperierte Stimmungen.<br />

Wenn hier über mitteltönig die Rede ist, so<br />

ist immer die strenge º-Komma-Mitteltönigkeit<br />

gemeint, also keine Modifizierungen. Um den<br />

Umgang mit wohltemperierten Stimmungen darzulegen,<br />

stützt er sich vornehmlich auf Werckmeister,<br />

der als Fallbeispiel herausgehoben wird.<br />

Werckmeister dient ihm dabei sowohl als Zeuge<br />

für das uneingeschränkte Weiterleben der Mitteltönigkeit<br />

bis ins 18. Jahrhundert hinein, als<br />

auch als Beispiel dafür, dass einem Theoretiker,<br />

der heute als besonders wichtig eingeschätzt wird,<br />

nicht unbedingt in seiner Zeit de facto zugehört<br />

wurde. Dass von mitteltönig sofort zu gleichstufig<br />

umgestimmt wurde, geht laut Ortgies u.a.<br />

aus den Zeiten, die man für das Stimmen benötigte,<br />

hervor. Dazu nimmt er die Zeit des Bälgetretens<br />

als Beleg. Er stellt die Behauptung auf,<br />

dass die durch Bezahlung der Bälgetreter bekannten<br />

Zeiträume, die manchmal mehrere Wochen<br />

umfassen, fur die Korrektur der mitteltönigen º-<br />

Komma-Stimmung verwendet wurden, nicht<br />

aber für Modifizierungen der Stimmung. Diese<br />

Behauptung lässt sich allerdings an keiner Stelle<br />

konkret nachweisen.<br />

Ortgies will in seiner Arbeit vor allem die<br />

Praxis in den Mittelpunkt rücken: Die Praxis des<br />

Stimmens, die Praxis des Ensemblespiels und die<br />

Praxis des Zusammenwirkens von Orgel und<br />

Ensemble. Die relativ kurze Zeit, in der seine<br />

Arbeit geschrieben werden musste, hat wohl auch<br />

<strong>Recensioner</strong><br />

dazu geführt, dass einige theoretische Aspekte<br />

weniger Berücksichtung fanden. Bedauerlich<br />

dabei ist, dass die Darlegungen im vierten<br />

Hauptstück ausschließlich auf Sekundärliteratur<br />

beruhen. Es geht hier um Archivstücke zu Orgelbau<br />

und -wartung in Norddeutschland (mit einigen,<br />

m.E. recht arbiträr gewählten Beispielen aus<br />

anderen Gebieten). Ortgies hat recht, wenn er<br />

behauptet, dass über die Stimmung sehr undeutlich<br />

gesprochen wird und vieles in verschiedene<br />

Richtungen ausgelegt werden kann. Dennoch<br />

hätten einige Stichproben in lokalen Archiven<br />

vielleicht noch mehr zu Tage gebracht.<br />

Den Kern seiner Überlegungen, dass „mitteltönig“<br />

immer nur die konsequente Mitteltönigkeit<br />

bedeuten solle, legt er dar anhand der<br />

Angaben für die Orgel der Bremer Kirche Unser<br />

Lieben Frauen, die 1641 von Jacob Praetorius<br />

und Heinrich Scheidemann gemacht wurden (es<br />

wäre gut, eine einheitliche Rechtschreibung der<br />

Namen zu verwenden). Der Orgelbauer Sieburg<br />

war mit der Kritik von Praetorius und Scheidemann<br />

höchst unzufrieden und bekam die Genehmigung,<br />

das Urteil eines dritten Sachverständigen,<br />

des Orgelbauers Adolph Compenius, hinzuzuziehen.<br />

Ortgies geht nun davon aus, dass<br />

spätestens durch das Auftreten von Compenius<br />

die Diskussion, ob hier von einer modifiziert mitteltönigen<br />

Stimmung die Rede sein könne,<br />

gegenstandslos wird (S. 180). Ich sehe das nicht<br />

ganz so, denn: erstens ist im Protokoll zum offiziellen<br />

Gutachten von Praetorius und Scheidemann<br />

– es ist eine der höchst seltenen Quellen, in<br />

der die Orgelstimmung etwas ausführlicher<br />

behandelt wird – eindeutig die Rede über eine<br />

Modifikation. Es heißt dort:<br />

will Er versuchen so viehl immer müghligen<br />

dieselbe Quinte zwischen a. vnd d. Rein zu<br />

stimmen vnd die tertien zu schärffen vnd die<br />

schwebende Quinte an andere Öhrter zu<br />

bringen.<br />

Mit „so viel immer müghlichen … Rein“ kann<br />

keine mitteltönige Quinte gemeint sein, denn<br />

eine º-Komma mitteltönige Quinte ist genau<br />

definiert. Wenn die Quinte d-a größer wird, werden<br />

die Terzen von selbst „geschärfft“, also höher.<br />

Dem nun widerspricht das Gutachten von<br />

Adolph Compenius nicht. Er findet, genauso wie<br />

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