Paracelsus Today
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DAS MAGAZIN DER PARACELSUS PRIVATUNIVERSITÄT FÜR SALZBURG UND NÜRNBERG<br />
PARACELSUS<br />
TODAY<br />
1<br />
April 2021<br />
FORSCHUNGS-SCHUB<br />
Neue Hoffnung für<br />
Querschnitt-Patienten<br />
IM GESPRÄCH<br />
Ein Alumnus an der<br />
Eliteuni in Harvard<br />
PROST COVID<br />
Seelentröster Alkohol?<br />
Mammutaufgabe<br />
Pflege<br />
Franziska Moser stellt sich als<br />
Direktorin am<br />
Uniklinikum Salzburg den großen Herausforderungen<br />
in diesem Beruf
EDITORIAL<br />
Wir sind<br />
alle gefordert<br />
Die Titelseite dieser Ausgabe ziert eine Frau, die ihr berufliches<br />
Leben der Pflege widmet und als Pflegedirektorin<br />
des Uniklinikums Salzburg Verantwortung für rund 2500<br />
Personen in der Pflege trägt. Franziska Moser am Cover soll<br />
Symbolkraft haben für die vielen Pflegenden in Österreich,<br />
die in der Corona-Pandemie noch zusätzlich belastet werden.<br />
Dafür muss diesen Menschen höchster Respekt gezollt werden<br />
– in welcher Form auch immer. Viele sind nach einem<br />
Jahr Pandemie ausgelaugt, Tendenzen von einem „Pflexit“,<br />
dem Abwandern von Pflegekräften sind erkennbar trotz gestiegenem<br />
Interesse an diesem Beruf. Die Gedanken von<br />
Franziska Moser lesen Sie in einem Porträt.<br />
200 Jahre früher durfte – Sie lesen richtig! – ja, durfte<br />
eine gewisse Elizabeth Blackwell in den USA Medizin studieren,<br />
als erste junge Frau und nur deshalb, weil die Medizinstudenten<br />
in der Kleinstadt Geneva ihrem Wunsch entsprachen.<br />
Die Professoren wagten keine Entscheidung. Blackwell<br />
wurde wenige Jahre später die erste Ärztin der USA mit<br />
Hochschulabschluss. Was für eine Geschichte (ab Seite 28).<br />
Heute sind weibliche und männliche Studierende an der<br />
<strong>Paracelsus</strong> Universität physisch leider nur vereinzelt anzutreffen<br />
– Covid lässt vieles nicht zu und hat die jungen Leute<br />
von der Uni nach Hause vertrieben. Das schmeckt niemandem<br />
an der Universität, ist aber Realität. Redakteurin Sabine<br />
Salzmann hat mit einigen über Studieren ohne Hörsaal und<br />
Labor gesprochen.<br />
Die Campusbildung in Salzburg, die Verbindung Universität<br />
und Uniklinikum zu intensivieren, ist ein Ziel von Rektor<br />
Wolfgang Sperl und Paul Sungler, Chef des Uniklinikums<br />
und der Salzburger Landeskliniken. Im Interview mit <strong>Paracelsus</strong><br />
<strong>Today</strong> gab es einiges zu erzählen. Tolle Nachrichten<br />
sind aus Querschnittforschung zu berichten: unsere Wissenschafter<br />
haben (bahnbrechende) Erkenntnisse gewonnen.<br />
Redakteur Andreas Aichinger hat nachgefragt.<br />
Bleiben Sie gesund.<br />
Inhalt<br />
Ihr Dr. Gottfried Stienen<br />
Chefredakteur<br />
12<br />
20<br />
Spotlight Hohe Weihen für das Institut für Ökomedizin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4<br />
Research Aufsehenerregende Erkenntnisse in der Rückenmarksforschung an der <strong>Paracelsus</strong> Universität. . . . . . . . . . . . . . . . . .8<br />
Update Wolfgang Sperl und Paul Sungler: Zwei Chefs im Interview über die Universität, das Uniklinikum, Lehre, Forschung<br />
und Pflege am Standort Salzburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12<br />
Education Studierende der Pharmazie forschen bei namhaften Unternehmen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />
Education Die Covid-Pandemie hat die Studierenden aus den Hörsälen vertrieben. Wie lange ist das zu ertragen? . . . . . . .18<br />
Research In Pandemiezeiten ist das Immunsystem unseres Körpers besonders gefordert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
Very Personal Franziska Moser trägt seit einem Jahr als Pflegedirektorin am Uniklinikum Salzburg die Verantwortung<br />
über 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und will Entwicklungen in der Pflege forcieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
Outside Lernende in der Medizin und Pflege schon in der Ausbildung zusammen: Eher außergewöhnlich, doch am<br />
PMU-Standort Nürnberg Normalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Alumni Arvind von Keudell hat als Arzt und Forscher seit zehn Jahren an der berühmten Harvard Universität in den USA<br />
seine Heimat gefunden – ein Porträt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
Point of View Eine PMU-Tochter bietet kostengünstig PCR-Tests für Unternehmen an. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
3
SPOTLIGHT<br />
Impressum<br />
Autorin: Sabine Salzmann. Foto: <strong>Paracelsus</strong> Uni<br />
Ministerium<br />
adelt zwei<br />
EU-Projekte<br />
Die <strong>Paracelsus</strong> Medizinische Privatuniversität<br />
(PMU) hat sich mit<br />
der Arbeit ihrer Wissenschafter<br />
am Institut für Ökomedizin<br />
schon viele Meriten geholt. Nun<br />
adelt das Ministerium für Landwirtschaft,<br />
Regionen und Tourismus<br />
zwei Projekte zum Thema<br />
Nachhaltigkeit im Tourismus.<br />
gen wie der Lungenerkrankung COPD, Asthma<br />
oder Osteoporose auswirken kann.<br />
Die gesundheitsfördernden Auswirkungen<br />
im Alpinen Raum sind vielfältig: Die Palette<br />
reicht von Höhe, guter Luft, vitalisierender<br />
Wirkung bis zur Stärkung von<br />
Herz-Kreislauf beim Bergaufgehen bzw.<br />
Muskelaufbau. Nur fünfzehn von 166 Einreichern<br />
bekamen im Auswahlverfahren den<br />
Zuschlag für eines der internationalen Projekte,<br />
HEALPS2 ist mit einem Projektvolumen<br />
von 2,1 Millionen Euro dotiert.<br />
Beispiel Alpenraum. „Man kann sich den Alpenraum<br />
wie eine grüne Insel in einem Meer<br />
von Feinstaub vorstellen“, erklärt Arnulf<br />
Nicht ein Ansturm der Massen, sondern<br />
evidenzbasierter Gesundheit-<br />
EU-Ebene zunehmend stärker erkannt. Vor-<br />
Hartl. Das medizinische Potential wird auf<br />
stourismus sind die Rezepte für haben wie die UN-Agenda 2030 sollen das<br />
neue Wege nach Corona. Bundesministerin<br />
Elisabeth Köstinger hat zwei PMU-Projekte<br />
unter den Top-5 der österreichischen Beiträge<br />
für die UN-Agenda 2030 ausgewählt, die<br />
gleichsam als Testimonial für dieses Bestreben<br />
jetzt vorantreiben. Und: „Die Corona-Pandemie<br />
hat das Begehren der Menschen nach<br />
dem Grünen noch stärker hervorgebracht“,<br />
betont der Institutsleiter und Immunologe.<br />
Sein Institut beschäftigt sich seit vielen Jah-<br />
gelten. In dem Aktionsplan der ren mit den Ressourcen der Alpen und Mög-<br />
UN-Agenda sollen Handlungsmaxime für<br />
193 Staaten erarbeitet werden. An Top-Position<br />
aus österreichischer Sicht steht „HEAL-<br />
PS 2 – „Healing Alps“ – ein großangelegtes<br />
Forschungsvorhaben unter dem Lead der<br />
lichkeiten, diese für Prävention und Therapie<br />
nutzbar zu machen. Klinische Studien<br />
und deren Ergebnisse sind dann Basis für<br />
evidenzbasierte touristische Modelle.<br />
Mit dem Projekt „Hohe Tauern Health“<br />
PMU, wo elf Partner aus<br />
bei den Krimmler Wasserfällen<br />
im Pinzgau, zweites<br />
Erforscht die heilsame Wirkung<br />
sechs Nationen die Chancen<br />
von Natur: Dr. Arnulf Hartl,<br />
für den Tourismus auf Basis<br />
Leiter am Institut für Ökomedizin<br />
Testimonial für die<br />
natürlicher Gesundheitsressourcen<br />
im Alpenraum optimieren.<br />
Arnulf Hartl, Leiter<br />
UN-Agenda 2030, ließen die<br />
Forscher schon unzählige<br />
Allergiker und AsthmatikerInnen<br />
am Institut für Ökomedizin,<br />
aufatmen. Außer-<br />
und sein Team haben bereits<br />
über 30 klinische Studien<br />
dem erhielten sie Auszeichnungen<br />
wie den „Österreitersucht,<br />
durchgeführt und unchischen<br />
Innovationspreis<br />
wie sich die Natur<br />
auf Zivilisationserkrankun-<br />
Tourismus“ oder den ersten<br />
Preis für Tourismus in der<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong><br />
ist das Magazin der <strong>Paracelsus</strong><br />
Medizinischen Privatuniversität in<br />
Salzburg<br />
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<strong>Paracelsus</strong> Medizinische Privatuniversität<br />
Salzburg - Privatstiftung,<br />
Strubergasse 21, 5020 Salzburg, Tel.<br />
+43 (0)662/24200, www.pmu.ac.at<br />
Verlag: Magazinmanagement und<br />
Verleger: Schoba & Partner GmbH,<br />
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www.schoba.at, Geschäftsführerin:<br />
Mag. Eva Schoba<br />
Chefredakteur: Gottfried Stienen<br />
Art-Direktion: Erich Schillinger<br />
Mitarbeiter/-innen dieser Ausgabe:<br />
Andreas Aichinger, Wolfgang Bauer,<br />
Damian Meyersburg, Sabine Salzmann,<br />
Claudia Schuck, Ilse Spadlinek,<br />
Dr. Gottfried Stienen • Fotos: i-Stock,<br />
Klinikum Nürnberg/Giulia Iannicelli,<br />
Salk, wild&team fotoagentur gmbH<br />
Coverfoto: Salk<br />
Hersteller: Walstead Leykam Druck<br />
GmbH & Co KG, Bickfordstraße 21,<br />
7201 Neudörfl • Alle Angaben ohne<br />
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4 paracelsus today 1 | 21
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SHORTCUTS<br />
Talk4Schools ein Hit<br />
Sparkasse und Alumni Club<br />
weiter ein Paar<br />
Wahre Liebe rostet nicht. Das<br />
mag auch für den Alumni<br />
Club der <strong>Paracelsus</strong> Universität<br />
und die Salzburger Sparkasse<br />
zutreffen. Seit 2009 besteht das Netzwerk<br />
von Absolventen und seit damals ist<br />
die Salzburger Sparkasse der Hauptsponsor.<br />
Diese Unterstützung wurde jetzt auf weitere<br />
drei Jahre um eine beachtliche Summe<br />
verlängert. Gerhard Griessner, Leiter des<br />
Beratungszentrums Freie Berufe: „Das ist<br />
eine Investition in die Zukunft, weil gut ausgebildete<br />
Ärzte für Salzburg wesentlich<br />
sind. Unser Geld ist dabei gut angelegt, zumal<br />
wir uns als regionale Bank verstehen.“<br />
Die Salzburger Sparkasse war schon früher<br />
Förderer der PMU, übernahm unter anderem<br />
ein Stipendium und begleitete eine Diabetes-Studie.<br />
Bei der Unterzeichnung des Fördervertrags<br />
im Beisein von Rektor Wolfgang Sperl<br />
(im Bild rechts) bedankte sich Vorständin<br />
Patricia Neumaier für die Alumni bei<br />
Im neuen Format „Talk 4 Schools“ geht<br />
die <strong>Paracelsus</strong> Uni virtuell an die Schulen,<br />
stellt spannende Fragen über die<br />
alles beherrschende Pandemie, neue<br />
Krebsmedikamente oder wie „Pillen & Pulver“<br />
eigentlich erfunden werden. Viermal<br />
fand der Talk bereits statt. Kern des kostenfreien<br />
Bildungsangebotes für Schulen ist<br />
ein 25-minütiger Vortrag. Hunderte Schüler<br />
diskutierten schon mit. Im jüngsten Talk<br />
begeisterte Karin Schaffer, Lehrerin am<br />
BORG in Radstadt, Jugendliche aus verschiedenen<br />
Schulstufen:<br />
„Sie können<br />
so hautnah dabei<br />
sein und verlieren<br />
die Scheu, sich mit Profis auszutauschen.“<br />
Die Themen werden oft auch parallel im<br />
Unterricht aufbereitet. „Krebs hat perfekt in<br />
unseren Lehrplan zur Immunbiologie gepasst“,<br />
erzählt Schaffer. Und es zeigt auch,<br />
dass die Jugend rund um die Corona-Pandemie<br />
pharmazeutisch-medizinische Fragen<br />
brennend interessieren.<br />
Griessner (Bildmitte). „Der Club lebt von<br />
den Mitgliedsbeiträgen als auch dem Sponsoring,<br />
das hauptsächlich in sozial karitative<br />
Einrichtungen oder Aktionen fließt, sei<br />
es der Wärmestube Salzburg, für die wir<br />
jährlich über den Christkindlmarkt Spenden<br />
erwirtschafteten, oder auch für Wissenschaftspreise<br />
für Studenten, um auch<br />
unsere Nachkömmlinge zu unterstützen.<br />
Weiters veranstalten wir jährlich ein Alumni<br />
Club Treffen in Salzburg, wo sich ehemalige<br />
Studenten wiedersehen und sich austauschen<br />
können, und sie an ihre Alma Mater<br />
zurückkehren, um zu sehen, wie die<br />
Universität wächst und sich verändert.<br />
Neuer Vizerektor<br />
in Nürnberg<br />
Wechsel im Vizerektorat der <strong>Paracelsus</strong> Medizinischen<br />
Privatuniversität am Standort Nürnberg: Mit Ende März<br />
verabschiedete sich der langjährige Vizerektor Univ.-<br />
Prof. Dr. Wolfgang Söllner in den wohlverdienten Ruhestand.<br />
Der gebürtige Steirer war vom Gründungstag im<br />
Jahr 2014 an in führender akademischer Position am<br />
Standort. Er leitete viele Jahre die Universitätsklinik für<br />
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum.<br />
Die Weichen für die Zukunft wurden mit der Bestellung<br />
von Prof. Theodor Fischlein zum Nachfolger gestellt.<br />
Der Chefarzt der Herzchirurgie am Klinikum Nürnberg<br />
(im Bild rechts) übernahm mit 1. April die<br />
Verantwortung über die Entwicklung am Standort. Bei<br />
einem Festakt im Ornat im Corona-bedingt kleinen Kreis<br />
und virtueller Begleitung unter Beisein von Vizekanzler<br />
Stephan Kolb, der Dekane Sascha Pahernik und Thomas<br />
Papadopoulos und des Vorstandsvorsitzenden im Klinikum<br />
Prof. Achim Jockwig wurde er offiziell eingeführt.<br />
Rektor Wolfgang Sperl würdigte Söllner zum Abschied<br />
als „ausgleichend, vernünftig, bedächtig und besonders<br />
auf Gerechtigkeit ausgerichtete Gründungs-Persönlichkeit“.<br />
Theodor Fischlein sei als herausragender<br />
und vorbildlicher Forscher der ideale<br />
Nachfolger für das Amt des Vizerektors. Der Chefarzt<br />
einer der forschungsstärksten Kliniken in Nürnberg studierte<br />
in Wien Humanmedizin und Humanbiologie, bevor<br />
er, ebenso in Wien, die Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie<br />
begann. 1991 wechselte er an die Herzchirurgische<br />
Klinik Großhadern der Ludwig-Maximilian-Universität in<br />
München. Nach Auslandsaufenthalten in den USA und in<br />
Zimbabwe ging der Topmediziner zuerst nach Frankfurt<br />
und wurde 2007 an die Spitze der Klinik für Herzchirurgie<br />
in Nürnberg geholt.<br />
Ein herzliches Dankeschön den Freunden und Förderern<br />
ACM austrian capital management GmbH | Agrana Zucker GmbH | Aicher, Max | Alumni Club der <strong>Paracelsus</strong> Universität | Angelini Pharma Österreich | Apomedica | Ball Beverage Packaging Ludesch Corporation | Bayer Austria<br />
Ges.m.b.H. | BTU Beteiligungs GmbH | Capital Bank | Commend Österreich GmbH | DBS Gesellschaft für digitale Bildsysteme m.b.H. | Die Hayward Privatstiftung | dm drogeriemarkt GmbH | DOLL Bauunternehmen GmBH | DS Smith<br />
Packaging Deutschland Stiftung & Co. KG | | EVER Neuro Pharma GmbH | Frey, Andrea | G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft m.b.H. | Gassner GmbH | Gebro Holding GmbH | Gebrüder Woerle Ges.m.b.H. | Greither, Andreas | Hagleitner<br />
Hygiene International GmbH | Hansjörg Wyss Foundation | Herba Chemosan | Hinteregger Immobilien OG | HYPO Salzburg | Jacoby GM Pharma | Johnson & Johnson Medical Products GmbH | M. Kaindl OG / Kaindl Flooring<br />
GmbH | KASTNER | Kellerhals, Helga | Koller, Norbert | KS Pharma GmbH | Kuhn Holding GmbH | Kuhn, Irmgard | Kuhn, Stefan | Kwizda Pharmahandel GmbH | Lethmate Stiftung | Lukesch, Edith | MED-EL Elektromed. Geräte GesmbH<br />
| Melasan Produktions- & Vertriebsges.m.b.H. | Miele GesmbH | Moosleitner Ges.m.b.H | NUTROPIA PHARMA GmbH | Österreichische Lotterien GesmbH | Pappas Holding GmbH | <strong>Paracelsus</strong> Rotary Club | Rangnick, Ralf | Rauch<br />
Fruchtsäfte GmbH & Co OG | Red Bull - Mateschitz, Dietrich | Richter Pharma AG | Rhedey Internationale Transporte Ges.m.b.H. | Roche Austria GmbH | SALLMANN GmbH | Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation<br />
| Salzburg Aluminium AG | Salzburger Sand- und Kieswerke Gesellschaft m.b.H. | Salzburger Sparkasse Bank AG | Schön Holding SE & Co. KG | Schröcksnadel, Peter | Schülke & Mayr GmbH | Schwarzbraun, Familie | Sedlmayer, Felix<br />
| Senoplast Klepsch & Co GmbH & Co KG | Siemens AG Österreich | Siemens Healthcare Diagnostics GmbH | SPAR Österreichische Warenhandels-AG | Stahlwerk Annahütte Max Aicher GmbH & Co KG | Stieglbrauerei zu Salzburg<br />
GmbH | teampool personal service gmbh | Train, Detlef | von Schilgen, Eva Maria | VR - meine Raiffeisenbank eG, Altötting-Mühldorf (D) | Winkler, Fritz Wolfgang und Winkler-Berger, Helga | Zürcher Kantonalbank Österreich AG<br />
6 paracelsus today 1 | 21
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(200 ml) pro Tag. Ganz allgemein empfehlen wir eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise.
Wieder gehen<br />
können?<br />
Steht’s im Blut?<br />
Research | Vier Biomarker, die im Blut<br />
von Querschnitt-Patienten zu echten<br />
Hoffnungs-Zeichen werden könnten.<br />
Und eine innovative Kooperation, die<br />
der Rückenmarksforschung in Salzburg<br />
jetzt spannende Möglichkeiten<br />
eröffnet: Wie Ludwig Aigner<br />
menschliche Netzwerke und<br />
Digitalisierung perfekt<br />
orchestriert.<br />
Autor: Andreas Aichinger.<br />
Fotos: <strong>Paracelsus</strong> Uni/wildbild, istock<br />
ch glaube an das Ziel ‚Heilung’ von Querschnittlähmung“,<br />
bekennt Ski-Star Hans<br />
Knauß. Und Knauß, der die international viel<br />
beachtete Stiftung für Rückenmarksforschung<br />
„Wings for Life“ unterstützt, beschreibt<br />
den Kurs für dieses ganz besondere<br />
wissenschaftliche „Rennen“ so: „Je mehr wir<br />
gemeinsam daran arbeiten, desto früher<br />
kann es soweit sein. Also Vollgas!“ Doch bevor<br />
die klinische Forschung so richtig auf<br />
Highspeed beschleunigen kann, muss erst<br />
noch die Strecke präpariert werden. Und genau<br />
das hat ein internationales Forschungsteam<br />
unter Salzburger Führung in den letzten<br />
Monaten getan. Der Ausgangspunkt: Bei<br />
traumatischen Rückenmarksverletzungen,<br />
bei denen nur Teile der Nervenbahnen betroffen<br />
sind und die somit zu einer „inkompletten“<br />
Querschnittlähmung geführt haben,<br />
kann meist bis zu einem gewissen Grad mit<br />
einer Spontanerholung gerechnet werden.<br />
Die entscheidende Frage, die sich Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler rund um<br />
Ludwig Aigner – seines Zeichens Vorstand<br />
des Instituts für Molekulare Regenerative<br />
Medizin sowie Vizerektor für Forschungsangelegenheiten<br />
der <strong>Paracelsus</strong> Universität –<br />
dazu gestellt haben: Gibt es geeignete Vorhersage-Parameter,<br />
an denen sich die Wahrscheinlichkeit<br />
für eine derartige<br />
Spontanerholung ablesen<br />
lässt? Die aufsehe-nerregende Antwort: Ja, die<br />
gibt es, und zwar gleich vier davon. Es handelt<br />
sich um vier Biomarker, die bereits jetzt im klinischen<br />
Alltag zum Routinelabor gehören: die Anzahl<br />
der Blutplättchen, das Protein Albumin,<br />
die Enzym-Gruppe der Alkalischen Phosphatase<br />
und das Stoffwechselprodukt Kreatinin.<br />
Das zentrale Ergebnis der im Februar in<br />
der Fachzeitschrift Neurorehabilitation<br />
and Neural Repair veröffentlichten<br />
Forschungsarbeit: Werden diese vier<br />
Werte acht Wochen nach der Verletzung<br />
bestimmt, lässt sich damit das<br />
Erholungspotential von Patienten<br />
mit einer inkompletten Querschnittsverletzung<br />
beziffern. Und<br />
somit prognostizieren, mit wel-<br />
8
nicht sicher unterschieden werden, ob positive<br />
Veränderungen auf die Wirkung einer Testsubstanz<br />
oder aber auf den Effekt der natürlichen<br />
Spontanerholung zurückzuführen sind.<br />
cher Wahrscheinlichkeit sie die Gehfähigkeit innerhalb<br />
eines Jahres zurückgewinnen können.<br />
Bessere Therapie, bessere Therapiestudien. Der<br />
Vorteil dieser Vorgangsweise liegt im Vergleich<br />
zu bisherigen Prognose-Ansätzen – etwa der<br />
nicht unriskanten Entnahme einer Nervenwasserprobe<br />
aus dem Rückenmarkskanal – auf der<br />
Hand. Doch auch jenseits der einfachen Umsetzbarkeit<br />
im klinischen Alltag sind die jüngsten Ergebnisse<br />
ein großer Gewinn: Einerseits können<br />
die jeweiligen therapeutischen Maßnahmen –<br />
von der Medikation bis hin zur Reha – auf dieser<br />
Basis individuell abgestimmt und zielsicher adaptiert<br />
werden. Wobei Ludwig Aigner Wert auf die<br />
Feststellung legt, dass es selbst im Fall einer negativen<br />
Perspektive durchaus Hoffnung gibt. Aigner:<br />
„Wir sprechen ja hier von Wahrscheinlichkeiten.<br />
Jemand, der laut Blutbild eine eher<br />
schlechte Prognose hat, kann sich durchaus funktionell<br />
verbessern und spürbar an Lebensqualität<br />
gewinnen.“ Umgekehrt könnte eine anhand der<br />
vier Blut-Parameter erstellte Positiv-Prognose<br />
durchaus als Beschleuniger für alle Anstrengungen<br />
fungieren. Doch der tiefere Nutzen der bemerkenswerten<br />
Erkenntnisse für die Forschung<br />
wiegt vielleicht sogar noch schwerer: Sie könnten<br />
einen wichtigen Beitrag zu noch zielgerichteteren<br />
Therapiestudien leisten. Bisher kann beispielsweise<br />
bei der Testung eines Therapieansatzes<br />
Ludwig Aigner ist<br />
Vizerektor für<br />
Forschung an der<br />
<strong>Paracelsus</strong> Universität<br />
und forscht schon<br />
viele Jahre im Thema<br />
Querschnitt.<br />
Für die Rückenmarksforschung – an der <strong>Paracelsus</strong><br />
Medizinischen Privatuniversität hat sich ihr<br />
bekanntlich das Zentrum für Querschnitts- und<br />
Geweberegeneration (SCI-TReCS) verschrieben –<br />
bedeutet die Publikation aber tatsächlich auch so<br />
etwas wie eine Präparierung der wissenschaftlichen<br />
Piste: Erstmals könnten auf Basis der genannten<br />
Biomarker nämlich auch verlässliche<br />
Aussagen darüber getroffen werden, welche Patienten<br />
aufgrund ihrer Prognose tatsächlich für die<br />
Teilnahme an weiterführenden Studien in Frage<br />
kommen. Dazu Ludwig Aigner: „Wir sind beim<br />
Thema Querschnitt gerade in einer sehr, sehr<br />
spannenden Phase. Derzeit laufen weltweit gerade<br />
die ersten großen klinischen Studien, und es<br />
wird bald noch viel mehr Therapiestudien geben.“<br />
Nachsatz: „Unsere Publikation wird in Zukunft<br />
dabei helfen, die richtigen Patienten in neue Studien<br />
einzuschließen.“ Und der Wissenschaftler –<br />
der die Publikation als Letztautor maßgeblich begleitet<br />
und inspiriert hat – nennt ein Beispiel: Eine<br />
risikoreiche oder unerprobte Therapie etwa wäre<br />
sicher die falsche Wahl für jemanden, der ohnedies<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder gehen<br />
können wird. Aigner: „Patienten, die sich wahrscheinlich<br />
funktionell wieder erholen werden,<br />
würde ich natürlich nicht in eine Hochrisikotherapie-Studie<br />
einschließen.“<br />
Kooperation mit Unfallklinik Murnau. Der Forschungserfolg<br />
ist allerdings in einem größeren<br />
Kontext zu sehen. Einem, der in der Zukunft noch<br />
viel mehr wissenschaftlichen Output zum Wohl<br />
von Querschnitts-Patienten verspricht: Gemeint<br />
ist die im Vorjahr in einen Vertrag gegossene Forschungskooperation<br />
zwischen der Berufsgenossenschaftlichen<br />
Unfallklinik Murnau und der <strong>Paracelsus</strong><br />
Universität. Die BG Murnau, die auch<br />
schon zuvor als Lehrkrankenhaus für die Salzburger<br />
Medizin-Uni fungiert hat, ist eines der klinisch<br />
bedeutendsten Querschnittszentren in Süddeutschland.<br />
„Das größte und qualitativ beste in<br />
einem Umkreis von 1000 Kilometern oder mehr“,<br />
streut Ludwig Aigner Rosen. Und weiter: „Die Pa-<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
9
tientenversorgung läuft dort in optimaler<br />
Weise interdisziplinär unter einem<br />
Statistik studiert, wie Aigner erzählt.<br />
auch noch Mathematik beziehungsweise<br />
Dach ab, in einer Qualität, wie sie nur in<br />
Sprich: „Sie ist eine Idealkombination.“<br />
Murnau zu finden ist.“ Konkret werden bis<br />
Und das war auch für die Biomarker-Forschungsarbeit<br />
wichtig. So hat Iris Leister<br />
zu 150 neue traumatische Querschnittspatienten<br />
pro Jahr versorgt, die von der Stunde<br />
Null an und oft in Form lebenslanger<br />
nate im kanadischen Vancouver an der<br />
im Rahmen ihrer Doktorarbeit vier Mo-<br />
Nachbetreuung unter einem Dach versorgt<br />
werden. Dieses „Alleinstellungs-<br />
um bei Rising Star John Kramer (Aigner:<br />
University of British Columbia verbracht,<br />
Iris Leister ist wissenschaftliche Leiterin<br />
merkmal“ der Unfallklinik im Landkreis<br />
„Er ist extrem gut unterwegs und genießt<br />
diese Projekts in Murnau.<br />
Garmisch-Partenkirchen kann somit bieten,<br />
wovon wohl jeder Forscher träumt: einen rienommee“)<br />
die letztlich aufschlussreiche Quer-<br />
auch in Sachen Datenanalyse großes Resigen<br />
klinischen Datenschatz.<br />
schnittspatienten-Datenbank zu durchforsten.<br />
Bei dieser retrospektiven Analyse der Daten von<br />
Das Projekt ParaMove – in der Bezeichnung spiegeln<br />
sich sowohl das Wort <strong>Paracelsus</strong> als auch der<br />
Vorhersage-Biomarker identifiziert<br />
700 Probanden konnten letztlich die genannten<br />
werden.<br />
Begriff Paraplegie für Querschnittlähmung wider<br />
– bildet den organisatorischen Rahmen für die Kooperation.<br />
Ludwig Aigner: „Wir bekommen dadurch<br />
die Möglichkeit, klinische Daten analysieren<br />
zu können und eine ideale klinische Plattform,<br />
um unsere Ideen aus dem Labor tatsächlich umsetzen<br />
zu können.“ Doris Maier, wissenschaftliche<br />
Leiterin des Zentrums für Rückenmarkverletzte<br />
in Murnau, sah die Vorteile anlässlich der Vertragsunterzeichnung<br />
ähnlich: „Vielversprechende<br />
Forschungsergebnisse sollen unmittelbar der klinischen<br />
Testung zugeführt werden, wodurch unsere<br />
Patienten auf direktem Weg von den Erkenntnissen<br />
der Wissenschaft werden profitieren<br />
können.“ Man könnte es auch so sagen: Die Verbindung<br />
aus Grundlagenforschung und klinischer Anwendung,<br />
ja die direkte Translation von der Forschung<br />
in die Klinik, formt eine echte Win-win-Situation.<br />
Die erwähnte Publikation rund um die<br />
vier Vorhersage-Biomarker ist das erste weithin<br />
sichtbare Ergebnis dieser fruchtbaren Zusammenarbeit.<br />
Einer Zusammenarbeit, die übrigens<br />
auch durch eine besonders spannende Forscherinnen-Persönlichkeit<br />
verkörpert wird:<br />
Eine Idealbesetzung. Die Rede ist von Iris Leister,<br />
die seit kurzem in Murnau als wissenschaftliche<br />
Leiterin des Kooperationsprojekts ParaMove tätig<br />
ist. Die ehemalige Doktorandin (Medical Science)<br />
von Ludwig Aigner und Erstautorin der Publikation<br />
bringt dafür besondere Vorraussetzungen mit:<br />
Einerseits kennt sie als Physiotherapeutin „Querschnittspatienten<br />
in- und auswendig“, hat aber<br />
Dass der Digitalisierung natürlich auch in der Medizin<br />
die Zukunft gehört, zeigt auch der letzte<br />
Puzzlestein des Forschungsprojekts: Er wird<br />
durch die junge Wissenschaftlerin Catherine Jutzeler<br />
personifiziert, die an der ETH Zürich eine<br />
Professur für Data-Mining im Rahmen des „Machine<br />
Learning and Computational Biology Lab“<br />
innehat und die unter anderem auf Analyse und<br />
Visualisierung von Daten spezialisiert ist. Doch<br />
auch an der Therapie-Front ist die Technik im<br />
Kommen. „Ein extrem spannendes Thema ist die<br />
Elektrosimulation“, gibt Institutsvorstand Ludwig<br />
Aigner am Ende noch einen Ausblick auf andere<br />
Entwicklungen an der wissenschaftlichen Fach-<br />
Front. Dabei wird das Rückenmark von außen<br />
über Elektroden-Arrays angeregt, um die Muskeln<br />
anzusteuern. Ludwig Aigner: „Das Spannende<br />
ist, dass das Rückenmark dabei offenbar lernt,<br />
funktionelle Netzwerke wiederaufzubauen, die<br />
dann auch ohne Elektrosimulation erhalten bleiben.<br />
Zumindest einige Patienten wären dann –<br />
unterstützt durch exzessives Training – wieder in<br />
der Lage, gewisse Körperfunktionen auszuüben.“<br />
Es gibt also noch viel zu tun für die Forschung.<br />
Oder wie Hans Knauß sagen würde: „Vollgas!“ Ω<br />
INFO: Leister I, Linde LD, Vo AK, Haider T, Mattiassich G, Grassner L,<br />
Schaden W, Resch H, Jutzeler CR, Geisler FH, Kramer JLK, Aigner L. Routine<br />
Blood Chemistry Predicts Functional Recovery After Traumatic Spinal Cord<br />
Injury: A Post Hoc Analysis. Neurorehabil Neural Repair. 2021 Feb<br />
22:1545968321992328. doi: 10.1177/1545968321992328.<br />
http://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1545968321992328<br />
10 paracelsus today 1 | 21
© Martin Steinthaler<br />
Umweltneutrale Produkte<br />
bei dm – wie geht das denn?<br />
Als erstes Unternehmen hat dm eigene Produkte entwickelt, die nicht nur klima-,<br />
sondern sogar umweltneutral* sind! Möglich macht das eine Ökobilanzierung der<br />
TU Berlin: Sie erfasst und bewertet den gesamten Entstehungsweg der Produkte.<br />
Wer nachhaltig einkaufen möchte, achtet<br />
neben der Herkunft und der Produktionsweise<br />
von Produkten auf Regionalität,<br />
Verpackung und Klimaschutzaspekte.<br />
Viele Waren und Dienstleistungen sind<br />
heute bereits CO 2<br />
-neutral gestellt: Man<br />
versucht, die Auswirkungen auf das Klima<br />
bei Produktion, Transport und Verbrauch<br />
möglichst klein zu halten und<br />
kompensiert die unvermeidbaren Mengen<br />
an CO 2<br />
beispielsweise durch Aufforstungsprojekte.<br />
dm geht mit seinen neuen „Pro Climate“-Produkten<br />
noch einen großen Schritt<br />
weiter und betrachtet fünf unterschiedliche<br />
Umweltaspekte – nämlich neben<br />
den CO 2<br />
-Emissionen auch Eutrophierung<br />
(Belastung der Gewässer), Versauerung<br />
der Böden, Sommersmog sowie Ozonabbau.<br />
Mit wissenschaftlicher Unterstützung<br />
der TU Berlin wurden alle<br />
Produktionsetappen ausgewertet und<br />
optimiert. „Das Ziel war, den ökologischen<br />
Fußabdruck von vornherein so<br />
weit als möglich zu minimieren. Der<br />
nicht vermeidbare ,Rest‘ an Umweltauswirkungen<br />
wird durch Kompensationsprojekte<br />
ausgeglichen und die Produkte<br />
somit ,umweltneutral‘* gestellt“,<br />
berichtet dm Geschäftsführer Harald<br />
Bauer.<br />
WIE WIRD KOMPENSIERT?<br />
Durch den Kompensationsprozess gibt<br />
man der Umwelt zurück, was ihr durch<br />
die Produktherstellung entnommen<br />
wurde. Kompensiert wird durch Aufforstungen<br />
und Renaturierungen, im<br />
ersten Schritt auf Kompensationsflächen<br />
in Deutschland. „Wenn es uns gelingt,<br />
unsere Kundinnen und Kunden<br />
für umweltneutrale Produkte von ,Pro<br />
Climate‘ zu begeistern, dann können<br />
wir Kompensationsprojekte auch in Österreich<br />
und weiteren Ländern starten“,<br />
ist Harald Bauer voller Optimismus für<br />
das ebenso innovative wie ehrgeizige<br />
Konzept. Insgesamt 14 Pro Climate-Produkte<br />
ziehen im ersten Schritt in die<br />
dm Regale ein, möglichst viele weitere<br />
sollen folgen! Nähere Infos unter:<br />
dm.at/pro-climate<br />
*Kompensation von CO 2<br />
-Emissionen,<br />
Eutrophierung, Versauerung,<br />
Sommersmog & Ozonabbau
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Herr Dozent Sungler,<br />
die <strong>Paracelsus</strong> Universität ist<br />
seit 17 Jahren in Betrieb und arbeitet mit<br />
dem Uniklinikum in Forschung und Lehre<br />
zusammen. Wie bewerten Sie das Zusammenleben<br />
der beiden Partner heute?<br />
Sungler: Ich glaube, dass sich in den<br />
letzten Jahren, besonders aber in den<br />
letzten Monaten seit Wolfgang Sperl<br />
als Rektor arbeitet, viel getan hat. Wir<br />
als Salzburger Landeskliniken sind<br />
sehr froh, dass wir hier eine Uni haben.<br />
Das hat uns sehr gut getan: bei Berufungsverfahren<br />
für die Ordinariate, das<br />
hat uns auch im Mittelbau weitergebracht,<br />
vor der Gründung der Universität<br />
gab es Habilitationen vereinzelt,<br />
heute haben wir einen soliden Stand an<br />
Habilitierten und die Forschung war<br />
damals eher Eigeninteresse. Das ist alles<br />
mittlerweile sehr, sehr professionalisiert.<br />
Ja, wir sind der Campus der Uni,<br />
wir sind für die Studierenden wichtig,<br />
auch die Lehrenden kommen zu einem<br />
Gutteil von uns, das ist insgesamt extrem<br />
befruchtend. Mein dringlichster<br />
Wunsch immer wieder und heute ist,<br />
dass die Namen korrekt verwendet<br />
werden. Wir sind das Uniklinikum an<br />
zwei Standorten, LKH und CDK und<br />
wir haben die Landeskliniken, die auch<br />
als Lehrkrankenhäuser fungieren.<br />
Im Gleichschritt<br />
für das<br />
Patientenwohl<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Magnifizienz, wie<br />
stark oder wie zart sind die Bande?<br />
Sperl: Für mich ist eine Verbindung ein<br />
Alles-oder Nichts-Prinzip. Wir pflegen<br />
die Verbindung. Ich denke, es ist klar,<br />
dass es um Forschung und Lehre geht.<br />
Es geht auch darum, dass die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter vom Uniklinikum<br />
die Haltung mitbekommen, dass<br />
in einem Uniklinikum auf hohem Niveau<br />
klinische Versorgung passiert, jedoch<br />
die Lehre und Forschung nötig<br />
und befruchtend sind. Die Wertigkeit,<br />
dass wir eine Meduni sind, ist schon<br />
hoch und kann noch stärker werden.<br />
Und ich möchte hier betonen, dass der<br />
Update | Es war keine Liebesheirat, doch nach 17<br />
Jahren gemeinsamen Tuns wird das Verständnis<br />
für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des<br />
Miteinanders zur Selbstverständlichkeit. Über die<br />
„Ehe“ <strong>Paracelsus</strong> Medizinische Privatuniversität<br />
und Uniklinikum Salzburg reden Rektor Wolfgang<br />
Sperl und Kliniken-Geschäftsführer Paul Sungler<br />
im Interview.<br />
Autor: Gottfried Stienen • Fotos: PMU/wildbild<br />
12 paracelsus today 1 | 21
Begriff <strong>Paracelsus</strong> Uniklinikum noch<br />
wachsen muss. Ein gewisser Stolz soll<br />
entstehen, dass man hier in diesem<br />
Umfeld arbeitet. Wir haben zusammen<br />
schon viel erreicht, auch der Vorstand<br />
des Uniklinikums hat ein universitäres<br />
Verständnis.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Stichwort Haltung:<br />
Woran erkennen Sie, dass sich die Haltung<br />
der Mitarbeiter ändert?<br />
Sungler: Ich war bei der Gründung der<br />
PMU damals im Mittelbauvorstand und<br />
ich kann mich erinnern, wie schwierig<br />
es war, die Leute zu gewinnen, auch zu<br />
unterrichten. Kluges Verhandeln war<br />
angesagt und wir haben zeigen können,<br />
dass nicht der Vorteil des einzelnen zu<br />
sehen ist, sondern Unterrichten und<br />
Forschen der jeweiligen Abteilung hilft.<br />
Es ist wichtig, nicht nur von den Medizinern<br />
oder Habilitierten zu reden, sondern<br />
auch von der starken Pflegewissenschaft<br />
am Standort. Die Akademisierung<br />
wird von der neuen<br />
Pflegedirektorin Franziska Moser stark<br />
weitergetragen. Auch Institute wie die<br />
Pharmazie sind perfekt, wir brauchen<br />
klinische Pharmazeuten in einer älter<br />
werdenden Gesellschaft. Wir brauchen<br />
Spezialisten für Medikamente, vieles ist<br />
komplex. Es gibt eine neue Berufsrichtung,<br />
und zwar als Pharmazeut nicht<br />
nur in Apotheken zu stehen und zu beraten,<br />
sondern wirklich am Patienten<br />
zu arbeiten. Ich darf das Beispiel Nürnberg<br />
erwähnen: Dort wird im letzten<br />
Jahr der Humanmedizin-Ausbildung<br />
eine Einheit mit vier Betten von einem/<br />
er angehenden Arzt/Ärztin, einem Pflegenden<br />
und einem Pharmazeuten betreut<br />
und der Studierende lernt die Interdisziplinarität<br />
mit learning by doing.<br />
Durch diese und andere Gemeinsamkeiten<br />
entsteht Identifikation.<br />
Sperl: Ich darf ergänzen: es ist ein unglaublicher<br />
Wert im Vorankommen,<br />
dass durch den Einfluss der Uni die<br />
Entwicklung zur exzellenten Medizin<br />
immer mehr Platz greift. Ich darf einen<br />
Begriff erwähnen, und zwar `personalisierte<br />
Präzisionsmedizin`. Am Uniklinikum<br />
wird oft sehr persönlich und sehr<br />
präzise (nicht technokratisch) am Patienten<br />
gearbeitet, ob das genetische<br />
Themen sind oder Gestaltung/Anpassung<br />
von individuellen Prothesen nach<br />
Erkrankungen oder Verletzungen. Man<br />
kann bei einem Kind exakt die genetische<br />
Diagnose finden, das ist einzigartig.<br />
Das andere ist das persönliche. Wir<br />
sehen auch den Menschen. Wir haben<br />
die Beziehung zum Patienten und den<br />
Angehörigen bzw. Familien und wollen<br />
ihnen persönlich begegnen. Wir wollen<br />
„Wir sind sehr froh, dass wir<br />
hier in Salzburg eine Medizinische<br />
Universität haben.“<br />
Priv.-Dozent Dr. Paul Sungler,<br />
Geschäftsführer der Salzburger Landeskliniken<br />
Betriebsgesellschaft mbH<br />
Spitzenmediziner sein, die aber den Patienten<br />
im Mittelpunkt haben. Wir leben<br />
eine Patientenorientierung. Auch<br />
die Allgemeinmedizin ist enorm wichtig<br />
für das Land, wir bringen Mediziner<br />
in die Praxis, da haben wir etwas geleistet.<br />
Wir sorgen für Nachschub. Ich<br />
höre, dass unsere Alumni herausragen.<br />
Jeder, der am Uniklinikum einen Platz<br />
findet, ist großartig. Es ist mir ein großes<br />
Anliegen, das unsere Absolventinnen<br />
und Absolventen auch hier in Salzburg<br />
arbeiten. Die Studierenden sollen<br />
wissen, Salzburg ist ein gutes künftiges<br />
Berufsfeld, auch für die Allgemeinmedizin.<br />
Sungler: Ich glaube aber auch, dass die<br />
Internationalität, die die PMU vertritt,<br />
ein Faktor ist. Die Alumni können<br />
schon in der Ausbildung etwa an die<br />
Mayo Clinic für mehrere Monate gehen,<br />
da bleiben zwangsläufig einige im Ausland<br />
hängen. Ich war stolz, als ich kürzlich<br />
bei einem Aufenthalt in San Francisco<br />
gehört habe, dass die PMU-Alumni<br />
dort einen sehr guten Ruf genießen.<br />
Sie gehen hinaus in die Welt und wenn<br />
sie anfangs nicht bei uns landen, kommen<br />
später einige zurück. Wir haben<br />
einen PMU-Alumnus, der sich jetzt in<br />
Salzburg für ein Ordinariat bewirbt.<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
13
Dieser junge Mann hat ein tolle wissenschaftliche<br />
Karriere in den USA hinter<br />
sich. Das ist für eine junge Universität<br />
schon faszinierend.<br />
Sperl: Trotz all dieser positiven Beispiele.<br />
Es sollten Karrierewege und Möglichkeiten<br />
noch verbessert werden.<br />
Wie machen wir hier den Standort<br />
Uniklinikum schmackhaft? Programme<br />
für das Forschungstrimester oder<br />
ein Ph.D-Studium in der Humanmedizin,<br />
aber auch in der Pharmazie und<br />
viele Angebote sollen dabei helfen.<br />
„Durch den Einfluss der<br />
Uni greift die Entwicklung<br />
zur exzellenten Medizin<br />
immer mehr Platz.“<br />
Rektor Prof. Dr. Wolfgang Sperl<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Ist die Attraktivität<br />
des Uniklinikums und der Salzburger<br />
Landeskliniken nicht hoch genug für Absolventinnen<br />
und Absolventen der PMU?<br />
Ich meine damit nicht die Bezahlung.<br />
Sungler: Das Geld spielt meiner Meinung<br />
nach keine Rolle mehr. Die Einstiegsgehälter<br />
hier sind durchaus vergleichbar<br />
mit denen an Spitzen-Unikliniken<br />
in Deutschland. Auch die<br />
Arbeitsbedingungen sind 1:1 vergleichbar.<br />
Ich persönlich bin immer gerne ins<br />
Ausland gegangen, um den Tellerrand<br />
zu vergrößern. Ich meine, dass mittlerweile<br />
dieses hochmoderne Uniklinikum<br />
Salzburg und auch die Landeskliniken<br />
attraktiv sind. Auch Häuser wie<br />
das Krankenhaus in Hallein, das mit einigen<br />
Unikliniken fachlich verbunden<br />
ist, mit der Orthopädie/Traumatologie,<br />
der Chirurgie und der Geburtshilfe und<br />
Radiologie, geben Attraktivität. Auch in<br />
der Medizintechnik, wir haben die modernste<br />
Generation von chirurgischen<br />
Robotern im Einsatz, Wir sind auch<br />
beim Thema künstliche Intelligenz mit<br />
vorne dabei, hier gibt es eine Kooperation<br />
mit einem PMU-Alumnus, der sich<br />
mit diesem Thema seit Jahren beschäftigt.<br />
Doch die Mobilität des sich woanders<br />
hinzubegeben, ist für mich ein<br />
durchaus akzeptabler Zugang.<br />
Sperl: Ich will die guten Leute wahrnehmen<br />
und fördern und wegen ihrer<br />
Bindung zur Alma Mater ein Stück weit<br />
für den Standort gewinnen und begeistern.<br />
Die PMU und das Uniklinikum<br />
sollen in einzelnen Sequenzen sich weiterentwickeln<br />
und herausragen können.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Hat Salzburg im Thema<br />
digital etwas versäumt? Linz hat<br />
kürzlich eine technische Universität vom<br />
Bund erhalten.<br />
Sungler: Die Politik in Salzburg versucht<br />
die Umweg-Rentabilität der PMU<br />
in der Retention/Wahrnehmung von<br />
Medizinern zu sehen. Weder der Rektor<br />
noch ich würden hier sitzen, wären<br />
wir auf unserer Alma Mater geblieben.<br />
Es gab damals in Salzburg keine Medizinuni.<br />
Wir haben 2021 das Jahr der<br />
Digitalisierung ausgerufen und wir haben<br />
nicht nur Lippenbekenntnisse zur<br />
Digitalisierung, sondern setzen konkrete<br />
Schritte. Das sind Big Data und<br />
künstliche Intelligenz bei seltenen Erkrankungen,<br />
das geht in die Radiologie<br />
hinein, das geht in Onkologie sehr stark<br />
hinein, wir digitalisieren die Fieberkurve.<br />
Wir bauen das Haus B, und denken<br />
heute nach, wie wird dort die elektronische<br />
Fieberkurve und die Visite aussehen<br />
wird. Vielleicht brauchen wir<br />
andere Räumlichkeiten. Da entwickelt<br />
sich unheimlich viel, wir können derzeit<br />
sagen, dass wir auch bei der Digitalisierung<br />
vorne mit dabei sind.<br />
Sperl: Wir sehen in der Digitalisierung<br />
hier in Salzburg den Vorteil in der Anwendung.<br />
Das ist auch eine Chance für<br />
die PMU in der Lehre attraktiv zu sein.<br />
Wir sind nicht die mit einer technischen<br />
Universität verbundenen Entwickler.<br />
Wir sind in der Anwendung<br />
ganz ein interessanter Partner. Der<br />
Schwerpunkt für mich im universitären<br />
Bereich ist Life Science, inkludiert<br />
mit Neuro-Science, Krebs und Regeneration.<br />
Was wir hier an wissenschaftlichem<br />
Output leisten ist top, einfach<br />
großartig. Wir sind mit der Paris Lodron<br />
Uni vernetzt und inhaltlich schon<br />
lange verbunden. Da ist eine wissenschaftliche<br />
Kraft, die im Life Science<br />
Bereich auch vom Bund wahrgenommen<br />
wird.<br />
Sungler: Wir haben die Themen, die<br />
uns vorantreiben. Das ist Regeneration,<br />
das sind Techniken, die neu sind, entwickelt<br />
werden und funktionieren. Wir<br />
haben eine Dynamik. Die PMU hat<br />
schon länger ein Innovations-Labor<br />
mit Technologie, das ist extrem wichtig.<br />
Vor Jahren haben wir uns einen<br />
3-D-Druck von der Uni für die Klinik<br />
geborgt. Heute haben wir nun mehrere<br />
dieser modernsten Drucker und entwickeln<br />
in Arbeitsgruppen tolle Projekte<br />
in diversen Bereichen. Spin-offs, die<br />
14 paracelsus today 1 | 21
aus der Klinik und aus der Uni entstanden,<br />
entwickeln oft schnell großartige<br />
Sachen, brauchen aber dann den breiten<br />
Horizont der Anwender wieder.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Müssen die Lehrpläne<br />
für die Studierenden nun nicht abgeändert<br />
werden, angepasst an diese Entwicklungen?<br />
Sperl: Absolut richtig. Wir sind mit der<br />
Entwicklung des neuen Bachelor-Masterstudiums<br />
und angehängt den Ph.D<br />
(Anm. wissenschaftlichen Doktor) genau<br />
richtig. Es ist der Student der Zukunft.<br />
Da sind die Aspekte der Digitalisierung,<br />
der Interdisziplinarität ganz<br />
zentral oder auch Forschung früh realistisch<br />
zu ermöglichen. Ich glaube,<br />
dass die ohnehin sehr gute Lehre an der<br />
PMU in Zusammenarbeit mit dem<br />
Standort Nürnberg derzeit richtig angepasst<br />
wird. Das will und wird der<br />
Studierende erleben.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Was ist denn der<br />
Mehrwert, der Nutzen der PMU für die<br />
Bevölkerung, hier und anderswo?<br />
Sungler: Medizin ohne Wissenschaft,<br />
ohne universitäre Einbindung ist keine<br />
gute Medizin. Die Arbeit in einem universitären<br />
Umfeld färbt ab, neuestes<br />
Wissen, neueste Behandlungsmethoden<br />
sind Normalität. Wir haben hier<br />
eine akademische und eine klinische<br />
Karriereschiene. Nicht jeder muss den<br />
Ph.D machen, nicht jeder muss unterrichten.<br />
Mir ist das wichtig. Und der<br />
Rektor hat es schon angesprochen. Ja,<br />
wir brauchen die Allgemeinmedizin,<br />
die hat hier einen Heimathafen gefunden.<br />
Der junge Mediziner sieht am<br />
Uniklinikum alle Fachrichtungen, viele<br />
Fachgruppen und wir in eine solche<br />
eingeladen. Aber wer kümmert sich<br />
um einen künftigen Allgemeinmediziner?<br />
Wir haben viele Lehrpraxen, die<br />
interessierte junge Studierende anwerben.<br />
Sperl: Bei uns sind die Leute dankbar,<br />
dass es die Verbindung Universität und<br />
Klinik mit einer hochwertigen Medizin<br />
gibt. Wir haben einen starken Zuzug<br />
von Patienten aus den benachbarten<br />
Bundesländern, auch aus dem bayrischen<br />
Raum. Das spricht für die Qualität<br />
hier, das Engagement mit oft wenigen<br />
Mitteln sehr viel zu machen. Zudem haben<br />
wir in den Lehrkrankenhäusern exzellente<br />
Ärzte, die eingebunden werden.<br />
Sungler: Ich darf ein Beispiel nennen:<br />
Covid hat es bewirkt, dass mit allen<br />
Fond-Krankenanstalten, ob Oberndorf,<br />
die Barmherzigen Brüder, Schwarzach<br />
oder auch das Tauernklinikum, alle kooperieren<br />
in der Patientenversorgung<br />
so gut wie nie zuvor, auch das UKH gehört<br />
dazu. Wir haben gelernt, wir haben<br />
uns gefunden und viel geleistet.<br />
Das war früher nicht so.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Seit knapp einem<br />
Jahr ist Rektor Sperl tätig. Sie, Herr Sungler<br />
arbeiten als Geschäftsführer der<br />
Salzburger Landeskliniken noch bis<br />
Ende 2023. Es gibt also zwei Führungskräfte,<br />
die dieses Zeitfenster für Besonderes<br />
nützen könnten und Visionen umsetzen.<br />
Sperl: Ich sehe das Momentum schon<br />
für Weichenstellungen. Wir haben einen<br />
Zeitrahmen zum Gestalten. Ich bin<br />
bereit als neuer Rektor jetzt Dinge konsensual<br />
anzugehen. Großes anzupacken,<br />
ohne mit dem Kopf durch die<br />
Wand zu gehen. Beispiel Life Science<br />
Center: Wie definieren wir die Zusammenarbeit<br />
mit der Paris Lodron Universität?<br />
Eine Riesenchance, das umzusetzen.<br />
Auch ein Trauma-Nachsorge-Zentrum<br />
im Querschnittsbereich<br />
anzudenken und festzulegen. Oder wie<br />
machen wir jetzt zum Beispiel im digitalen<br />
Bereich etwa ein Institut für Artificial<br />
Intelligence – gemeinsam? Ich<br />
sehe große Dinge neben dem täglichen<br />
Job. Ich werde mich sehr bemühen,<br />
auch bei der Standortentwicklung. Das<br />
begeistert mich.<br />
Sungler: Die Besonderheit eines guten<br />
Managers ist doch „Windows of opportunities“<br />
zu sehen und diese Möglichkeiten<br />
zu nützen. Ich durfte schon mit<br />
dem emeritierten Rektor Herbert Resch<br />
die Digitalisierung andenken und diskutieren.<br />
Heute sind wir in der Umsetzung.<br />
Ich bin dafür dankbar, dass die PMU diesen<br />
ersten Schritt mit dem Land gemacht<br />
hat. Oder die Ansiedlung des<br />
Unfallkrankenhauses am Campus: Es<br />
wird ein Haus B mit modernster Ausstattung,<br />
etwa Hybrid-Operationssälen<br />
und vielem mehr werden.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Wann wird es den<br />
ersten Nobelpreisträger hier geben?<br />
Sungler: Der Nobelpreis ist sicher am<br />
bekanntesten. Was wir zu wenig tun,<br />
ist Vorzeigemomente zu propagieren,<br />
etwa die Hauttransplantation als Exportartikel<br />
aus dem EB-Haus. Unsere<br />
Wissenschafter gewinnen viele Preise.<br />
Darauf dürfen wir stolz sein.<br />
Sperl: Ein Nobelpreis entwickelt sich<br />
immer aus einem Stammbaum exzellenter<br />
Forscher und ihren Netzwerken.<br />
Die PMU ist erst am Anfang, aber ein<br />
universitärer Baum ist eindeutig gepflanzt.<br />
Ich halte es für möglich, dass<br />
wir immer wieder Menschen entwickeln,<br />
die außergewöhnliche Spitzenleistungen<br />
bringen.<br />
Ω<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
15
Autorin: Sabine Salzmann • Foto: privat<br />
Victoria Gell<br />
forscht in Basel.<br />
Pharmazie-<br />
Praktikum trotz<br />
Pandemie<br />
Education | In der Pharmazie ist der Horizont in<br />
Studium und Karriere breit: Victoria Gell verbringt<br />
derzeit ihr Auslandssemester in der Schweiz.<br />
Sie forscht an der Universität Basel - ein fordernder<br />
Job in fordernden Zeiten. Anne Becker jobbte<br />
gerade in ihrer Heimat Luxemburg in einem<br />
pharmazeutischen Logistikunternehmen.<br />
ympathisch, jung, eine Naturwissenschaftlerin<br />
durch und durch: Victoria<br />
Gell (23) vermittelt gleich den Eindruck,<br />
dass ihr Wissensdurst nur schwer zu<br />
stillen ist. Die Salzburgerin wechselte<br />
von der Uni Graz an die PMU. Hauptgrund:<br />
„Weil es hier fixe Laborplätze<br />
gibt.“ Für die Forscher von morgen ist<br />
das von unschätzbarem Wert.<br />
Praktika in Basel und Leverkusen.<br />
Victoria holt sich derzeit in der Schweiz<br />
weiteres Rüstzeug für sämtliche pharmazeutische<br />
Berufsfelder. Der klassische<br />
Weg in die Apotheke kommt für<br />
sie eher nicht in Frage. Schon ab acht<br />
Uhr früh steht sie täglich an der Universität<br />
Basel in der Abteilung für Molekular-<br />
und Systemtoxikologie im Labor<br />
und überwacht ihre Zellkulturen.<br />
Es braucht bei der Arbeit mit den<br />
Zellen auch detektivisches Gespür:<br />
„Man hat immer Vorstellungen und<br />
wartet schon ganz gespannt auf<br />
die Ergebnisse.“ Ihr Thema für die<br />
Masterarbeit ist hochkomplex. Der<br />
Focus ist auf die Bedeutung und Wirkung<br />
von Enzymen in der Steroidproduktion<br />
gerichtet. Am Abend warten<br />
noch virtuell Vorlesungen. Sie schätzt<br />
das internationale Flair: „Mit Auslandsaufenthalten<br />
gewinnt man auch mehr<br />
Einblick in die wissenschaftliche Welt.“<br />
Ein Praktikum absolvierte sich auch<br />
schon in der Hauptzentrale des Pharmariesen<br />
Bayer in Leverkusen. „Es war<br />
eine tolle Erfahrung. Ich war in der<br />
Quality Unit, eine Abteilung, wo ich<br />
sehr viel Einblick bekommen habe.“<br />
Und wo liegen die Corona-Hürden<br />
im internationalen Forscher-Umfeld?<br />
„Ich habe schon recht gezittert, ob ich<br />
überhaupt einreisen kann. Aber es hat<br />
alles geklappt“, erzählt die Lungauerin.<br />
Ende Jänner startete sie in der Schweiz.<br />
Weitere Pharmazie-Kollegen der PMU<br />
sind in Basel, Bern und auch in München.<br />
Faszination Pharmazie. Die Pandemie<br />
verhilft den Naturwissenschaften ge-<br />
16 paracelsus today 1 | 21
nerell zu einem Popularitäts-Schub.<br />
Victoria: „Ich glaube schon, dass es die<br />
Aufmerksamkeit verstärkt.“ Wie viele<br />
Jugendliche dann wirklich von einer<br />
Karriere als Pharma-Rockstars oder<br />
Wirkstoff-Pioniere träumen, könne sie<br />
schwer einschätzen. Sie selbst faszinierte<br />
die Pharmazie schon früh: „Über<br />
die Wirkung von Arzneimitteln wollte<br />
ich immer schon mehr erfahren, die<br />
Arbeit im Labor hat mich immer gereizt.“<br />
Und die Pharmazie biete sehr<br />
vielfältige Berufsmöglichkeiten, „das<br />
hat mich überzeugt, dass es das richtige<br />
Studium für mich ist.“<br />
Vom studentischen Leben bleibe<br />
durch Corona im Moment schon einiges<br />
auf der Strecke, meint auch Victoria<br />
Gell: „Man hat einfach kaum reale<br />
Kontakte.“ Froh ist sie, dass es keine<br />
Prüfungsverzögerungen gibt. Bis Mitte<br />
„Die Pharmazie ist ein<br />
spannendes Studium.<br />
Man hat extrem viele<br />
Möglichkeiten für das<br />
nachfolgende Berufsleben.“<br />
Anne Becker,<br />
Pharmaziestudentin der PMU<br />
August bleibt sie noch in Basel. Berufstraum:<br />
„Ich will später einmal in<br />
die Forschung gehen.“<br />
Praktikum in Luxemburg. Anne Becker<br />
aus dem 1. Jahrgang Pharmazie ist der<br />
klassische Weg in die Wiege gelegt:<br />
Ihre Mutter führt eine Apotheke in Bettemburg<br />
(Luxemburg). „Ich habe schon<br />
als Kind hinten im Lager gespielt“, erzählt<br />
die angehende Pharmazeutin mit<br />
einem Lachen. Sie studiert im achten Semester<br />
und absolvierte gerade ihr Industrie-Praktikum<br />
beim Pharma-Logistik-Unternehmen<br />
CPL in ihrer Heimat.<br />
Auch sie wechselte wegen der<br />
schwierigen Laborplatz-Situation an<br />
die <strong>Paracelsus</strong>-Universität: „An den öffentlichen<br />
Unis muss man zum Teil<br />
sehr lange warten.“ Warum schrecken<br />
viele in der Studienauswahl vor Pharmazie<br />
zurück? „Viele denken sich: Oh<br />
Gott, so viel Chemie, das ist kompliziert.<br />
Viele sehen nicht, was man mit dem<br />
Studium machen kann. Es gibt ja nicht<br />
nur den klassischen Weg in die Apotheke.<br />
Man kann in die Forschung oder<br />
in die Klinik gehen. Davon hört man in<br />
den Schulen zu wenig.“<br />
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„Generation Corona“<br />
will das Campus-Leben zurück<br />
Education | Die Pandemie trifft sie hart: Die Studierenden aller Lehrgänge, die<br />
viele Stunden vor dem PC digitale Vorträge und Skripten verschlingen. Die virtuelle<br />
Welt wird zur Motivations-Bremse, alle sehnen sich an den Campus zurück.<br />
Autorin: Sabine Salzmann • Foto: wildbild<br />
Vom Campus „rausgeworden“<br />
ins Studentenheim<br />
oder gar zurück ins Kinderzimmer:<br />
Es ist ein Belastungstest,<br />
wenn die<br />
Grenzen zwischen Hörsaal<br />
und Studentenbude verschwimmen.<br />
„Die <strong>Paracelsus</strong> Universität macht<br />
das für diese schwierige Situation aber<br />
sehr gut. An der Anatomie hat die Umstellung<br />
nur zwei Tage gedauert“, ist<br />
Eva Schweizer vom zweiten Jahrgang<br />
Humanmedizin froh. Ein gewisses Maß<br />
an Corona-Blues entstehe trotzdem.<br />
Das schnelle Wechseln von virtuell auf<br />
hybrid oder Präsenz fordert alle. Sie<br />
selbst lernte über einige Corona-Wochen<br />
bei den Eltern in Franken, kehrte<br />
dann aber doch wieder nach Salzburg<br />
zurück. Digitales Kommunizieren am<br />
Bildschirm bereitet den wenigsten<br />
Freude: Man tippt schnell in Chats, hebt<br />
virtuell die Hand oder klickt aufs Mikro.<br />
Bonus an der PMU: Man kennt sich zumindest<br />
im überschaubaren Studierenden-Kreis.<br />
Nebenjobs in der Klinik, wie<br />
die „Sitzwache“ in Patientenzimmern,<br />
sind trotz Pandemie zu leisten: Jetzt<br />
eben mit Covid-Testung und FFP2-Maske.<br />
Klassische Studenten-Jobs wie in der<br />
Gastronomie, die jetzt ausfallen, lassen<br />
sich mit dem dichten Curriculum ohnehin<br />
nicht vereinbaren.<br />
Campus-Leben nur noch virtuell:<br />
Die Kontakte fehlen. . .<br />
18 paracelsus today 1 | 21
Großer Zusammenhalt. Man hilft sich<br />
trotz Pandemie, wo es nur geht: Bei Untersuchungskursen<br />
mimen Studierende<br />
gegenseitig den Patienten, nutzen<br />
auch vermehrt in kleinen Gruppen das<br />
„Skills Lab“. Studentische Tutoren unterrichteten<br />
jüngere Jahrgänge. Ein gewisses<br />
Maß an Corona-Blues entstehe<br />
aber trotzdem, berichten alle vom Isolations-Charakter.<br />
Eva Schweizer: „Die<br />
Motivation schwindet. Wir wollen alle<br />
zügig zurück.“<br />
Die Jüngsten finden noch schwerer<br />
ins studentische Leben. Marlies Mayer,<br />
erster Jahrgang Humanmedizin: „Es ist<br />
anstrengend, so viel Zeit vorm Bildschirm<br />
verbringen zu müssen. Wir<br />
sind echt happy, wenn einige Präsenz-Veranstaltungen<br />
wie Praktika<br />
und Labs stattfinden können.“ Momentan<br />
müssen die Studierenden auf alle<br />
Sozialkontakte verzichten, von der Kaffeepause<br />
bis zum gemeinsamen Mittagessen<br />
oder dem Spritzer nach der<br />
Vorlesung. „Vorm Laptop fühlt man<br />
sich einfach alleine. Da helfen keine<br />
Kameras oder virtuelle Gruppenarbeiten.<br />
Es ist einfach kein Ersatz.“ Sie und<br />
ihre Kommilitonen lernen schon länger<br />
virtuell, als im herkömmlichen Modus,<br />
kennen sich untereinander noch gar<br />
nicht richtig.<br />
Labor online geht nicht. Bei der Arbeit<br />
im Labor stößt die neue Parallel-Welt<br />
aber an ihre Grenzen. „Labor ist Handwerk.<br />
Man kann auch nicht online kochen<br />
lernen, ohne daheim eine Küche<br />
zu haben“, vergleicht es Daniela Schuster,<br />
Leiterin des Instituts für Pharmazeutische<br />
und Medizinische Chemie,<br />
wo Arzneistoffe synthetisiert, analysiert<br />
und Qualitätssicherung betrieben<br />
wird. Binnen Tagen wurde der Betrieb<br />
auf Kleinstgruppen mit maximal vier<br />
Studenten umgestellt. Kurzfilme zeigen<br />
Wiegen, Filtrieren und Pipettieren.<br />
Die Kräuter im Botanischen Garten gilt<br />
es ebenso digital zu erleben. In Ausarbeitung<br />
sind auch animierte Filme über<br />
Reaktionsmechanismen. Philipp<br />
Schuster vom Institut für Pharmazie<br />
baut in seine Online-Vorlesungen<br />
Quizz-Fragen ein: „Wir bemühen uns,<br />
es mit Leben zu füllen.“ Auch der neu<br />
entwickelte XR-Student mit futuristischer<br />
Brille und neuen 3-D-Perspektiven<br />
soll vermehrt zum Einsatz kommen.<br />
„Unsere IT-Abteilung ist zu<br />
Höchstleistungen hochgefahren“, so<br />
Doris Carstensen, Studiengangorganisation<br />
für Humanmedizin, und sie ist<br />
auch voll des Lobes für die Studierenden<br />
und ihre „Höchstleistung an Adaption“.<br />
Die Situation nagt trotzdem an<br />
der Psyche. Es kommt bei vielen kein<br />
richtiges Gefühl zu studieren auf. Die<br />
PMU bietet auch psychologische Unterstützung<br />
an.<br />
Bemühen um Öffnungsschritte. Virtuelle<br />
Lehre und „echtes“ Campus-Leben<br />
sollen sich nach Corona in einem guten<br />
Nebeneinander einpendeln. Die Universität<br />
wird sich künftig um sanfte<br />
Öffnungsschritte bemühen, sofern es<br />
die Infektions-Lage erlaubt. Als erstes<br />
werden Prüfungen an den Campus zurückkehren.<br />
„Das ist an der Zeit“, meint<br />
Arwin Rezai, ÖH-Vorsitzender und<br />
Medizinstudent im Abschlussjahrgang.<br />
Er absolviert gerade das KPJ (Klinisch<br />
Praktisches Jahr) an der Notaufnahme<br />
der Salzburger Universitätsklinik für<br />
Innere Medizin II. Das bedeutet lange<br />
Arbeitstage im Krankenhaus. „Man ist<br />
35 bis 40 Wochenstunden in der Klinik.“<br />
Geholfen wird überall – von der<br />
Abklärung akuter Schmerzen bis zur<br />
Blutabnahme.<br />
Corona traf seine Kommilitonen<br />
und ihn im vierten Jahr mit voller<br />
Wucht: „Ich war gerade im Forschungstrimester<br />
in Deutschland, habe es dann<br />
leider nach einem Monat abbrechen<br />
müssen.“ Die neurochirurgische Studie<br />
über Aufmerksamkeitsareale bei Tumorerkrankungen<br />
im Gehirn lag damit<br />
auf Eis. Er bekam ein Ersatzthema,<br />
forschte in Salzburg an der Klinik. Kollegen,<br />
die in Amerika waren, brachen<br />
komplett ab und flogen nach Hause.<br />
Andere Studierende mussten von einem<br />
Tag auf den anderen die klinische<br />
Rotation beenden und halfen im Covid-Zelt<br />
des Uniklinikums.<br />
Im „Klinisch Praktischen Jahr“ -<br />
diese Studierenden sind schon geimpft<br />
- dämpft die Pandemie das Tempo nicht:<br />
Fortbildungen, wo sich bisher Studierende<br />
rund um den erfahrenen Arzt<br />
versammelten, finden jetzt aber im digitalen<br />
Raum statt. Auf der Strecke bleibt<br />
das untermittelbare Interagieren, das<br />
direkte Anknüpfen an die Praxis. Und<br />
schmerzlich selbst für Mediziner: Aus<br />
der einen oder anderen gemütlichen<br />
Runde unter Kollegen wird derzeit<br />
nichts. Chats halten das „Studieren als<br />
Lebensgefühl“ einigermaßen aufrecht.<br />
Lob für die PMU. Insgesamt bekommt<br />
die <strong>Paracelsus</strong> Uni für die Umstellung<br />
auf die digitale Lehre von den Studierenden<br />
exzellente Noten. Das wichtigste<br />
für alle: Durch die Pandemie hat an<br />
der PMU niemand Zeit verloren, die<br />
Mediziner können ihr Studium in fünf<br />
Jahren durchziehen. Arwin Rezai: „Unsere<br />
Promotion ist im September. Hoffentlich.“<br />
Die „Generation Corona“ geht<br />
auch in studentischen Kreisen mit Prognosen<br />
vorsichtig um. <br />
Ω<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
19
Es ist „eine phantastische<br />
Reise“: ein U-Boot samt Besatzung<br />
wird auf Mikrobengröße<br />
geschrumpft und<br />
in die Blutbahn eines Wissenschaftlers<br />
injiziert, um dort ein<br />
Blutgerinnsel zu beseitigen. Für die<br />
Crew beginnt ein gefährliches Abenteuer<br />
und ein dramatischer Wettlauf<br />
gegen die Zeit, denn in genau 60 Minuten<br />
muss sie ihre Mission erfüllt haben.<br />
Dabei erweisen sich die unerbittlichen<br />
Naturgewalten des Organismus als tödliche<br />
Feinde …. Die Spezialeffekte des<br />
US-amerikanischen Science-Fiction-Films<br />
aus dem Jahr 1966 wurden<br />
damals mit einem Oscar gewürdigt -<br />
und vor allem eine Szene, in der sich<br />
ein Schwarm weißer Killerzellen der<br />
Immunabwehr auf den Eindringling<br />
stürzen, ist in Erinnerung geblieben.<br />
Bewunderung für das Immunsystem.<br />
Die naive „Mission impossible“ wird<br />
dem Onkologen und Infektiologen<br />
Richard Greil, Vorstand der Salzburger<br />
Universitätsklinik für Innere Medizin<br />
III, heute bestenfalls ein mildes Lächeln<br />
abgewinnen – aber dem „realen“ Immunsystem<br />
gehört seine ganze Bewunderung,<br />
auch sind wichtige Bereiche<br />
seiner Forschung damit verbunden.<br />
Zur Universitätsklinik zählt nicht nur<br />
die Onkologie und das onkologische<br />
Zentrum, sondern auch die Hämatologie,<br />
die Hämostaseologie (Blutgerinnung<br />
und deren Störungen), die Infektiologie<br />
und die Rheumatologie – allen<br />
ist eine starke Affinität mit dem Immunsystem<br />
gemeinsam. „Dazu gehören<br />
Erkrankungen mit unzureichender<br />
oder nicht zielgerichteter Immunantwort,<br />
etwa gegen entartete Zellen und<br />
Strukturen bei Tumorerkrankungen.<br />
Ebenso Autoimmunerkrankungen, bei<br />
denen auf pathologische Weise das Immunsystem<br />
körpereigene Zellen in Gelenken,<br />
Schleimhäuten, Blutzellen oder<br />
Nervengewebe angreift. Bei chroni-<br />
20 paracelsus today 1 | 21
„Die stärkste<br />
Waffe unseres<br />
Körpers“<br />
Research | … und in Pandemiezeiten ist<br />
sie besonders gefordert. Das Immunsystem<br />
kann irren, ausgetrickst werden<br />
und auch sich gegen sich selbst<br />
wenden. Für Salzburgs renommierten<br />
Onkologen und Infektiologen Richard<br />
Greil ist die Immunabwehr das interessanteste<br />
Organsystem überhaupt –<br />
und das komplexeste.<br />
Autorin: Ilse Spadlinek • Fotos: Salk<br />
schen Virusinfektionen kann das Immunsystem<br />
den „äußeren Feind“ nicht<br />
eliminieren, sondern tritt in eine Art<br />
„Koexistenz“ mit dem Virus“. Die Mechanismen,<br />
wie es zu chronischen Virusinfektionen<br />
kommt oder Tumorzellen<br />
„geduldet“ werden, sind sehr ähnlich:<br />
so können Tumoren auch als<br />
„nicht heilende Infektionen“ angesehen<br />
werden. Virusinfektionen<br />
können Autoimmun- und Tumorerkrankungen<br />
auslösen oder<br />
verstärken - und Autoimmunerkrankungen<br />
können durch Tumoren ausgelöst<br />
werden. Andererseits kommt es<br />
bei bestimmten Autoimmunerkrankungen<br />
auch gehäuft zu Tumorerkrankungen<br />
– man sieht die vielschichtige<br />
Rolle eines deregulierten Immunsystems.<br />
„Das Immunsystem ist die gefährlichste<br />
Waffe, die der menschliche<br />
Körper zur Verfügung hat, daher auch<br />
von extremer Komplexität“, betont<br />
Richard Greil. „In der Auswirkung aber<br />
kennt es nur zwei Antworten: „Ja“ oder<br />
„Nein“. Das eine Ziel ist Toleranz und<br />
das andere Zerstörung. Die Hauptaufgabe<br />
des Immunsystems besteht darin,<br />
„fremd“ von „eigen“ zu unterscheiden –<br />
in der Vorstellung, dass etwas Fremdes<br />
pathologisch ist und abgewehrt werden<br />
muss. Das betrifft Pilze, Bakterien,<br />
Parasiten und Viren, aber auch Fremdkörper,<br />
Medikamente – und Krebszellen.<br />
Diese sind deshalb fremd, weil die<br />
verschiedenen genetischen Veränderungen<br />
und Mutationen bei Tumorerkrankungen<br />
Eiweißmoleküle hervorrufen,<br />
die der Körper noch nie vorhergesehen<br />
hat und für die keine<br />
unmittelbar postnatale Toleranz geschaffen<br />
wurde. Daher bildet er eine<br />
Abwehr dagegen und die funktioniert<br />
dann aus unterschiedlichen Gründen<br />
mehr oder weniger gut“. Wenn man<br />
sich vorstellt, wie unglaublich viele<br />
Überprüfungen das Immunsystem täglich<br />
vornehmen und Dinge „bekämpfen<br />
oder tolerieren“ muss, so kann es<br />
nicht verwundern, dass beim komplizierten<br />
Zusammenspiel von Organen,<br />
Geweben, Zellen, Signalstoffen und<br />
Proteinen auch Fehler unterlaufen.<br />
Grundsätzlich ist zwischen dem angeborenen<br />
und dem „erworbenen“ Immunsystem<br />
zu unterscheiden.<br />
Das angeborene Immunsystem<br />
- als „Schnellreaktion“<br />
auf exogene Erreger - ist<br />
stammesgeschichtlich älter,<br />
dazu gehören bestimmte Zellen<br />
des weißen Blutkörperchensystems,<br />
wie Monozyten und die Natürlichen<br />
Killerzellen (NK). Das erworbene Immunsystem<br />
zeichnet sich durch unglaubliche<br />
Flexibilität aus, es muss theoretisch<br />
gegen jeden auch unbekannten<br />
Feind reagieren, ist also adaptiv.<br />
Und es merkt sich diese Begegnungen,<br />
es hat ein Gedächtnis – Stichwort<br />
Impfschutz. Zum erworbenen Immunsystem<br />
gehören die Lymphozyten, die<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
21
wichtigen B- und T-Zellen in ihrer großen<br />
funktionellen Vielfalt. T-Zellen<br />
zerstören die Körperzellen, die bereits<br />
infiziert wurden, B-Zellen greifen den<br />
Eindringling an, indem sie Proteine als<br />
Antikörper (Immunglobuline) bilden.<br />
Dabei bedarf es der Hilfe bestimmter<br />
Botenstoffe, der Zytokine. Greil dazu:<br />
„Diese Zytokine sind überlappend zwischen<br />
Immunstimulation und Entzündung.<br />
Bei schweren Formen von Infektionen<br />
– auch bei SARS-Cov-2 – kann<br />
es zum sogenannten „Zytokinsturm“<br />
kommen, einer massiv übersteigerten<br />
Reaktion des Immunsystems. Das kann<br />
tödlich sein“.<br />
Das Immunsystem entschlüsseln.<br />
Man kennt fünf Haupt-Typen von Immunglobulinen,<br />
die vor allem im Knochenmark<br />
und in der Milz gebildet<br />
werden und dann als Wächter in unserer<br />
Blutbahn und zum Teil in Schleimhautsekreten<br />
unterwegs sind. Durch<br />
ein adaptives genetisches Bausteinsystem<br />
können an die 100 Millionen Kombinationen<br />
gebildet werden - genau<br />
weiß man das nicht. „Wir sind noch<br />
meilenweit von der Entschlüsselung<br />
des Immunsystems entfernt - die Aufklärung<br />
des menschlichen genetischen<br />
Codes ist eine simple Sache im Vergleich<br />
zum Immunsystem! Für solche<br />
Datenmengen würden unsere Speichersysteme<br />
derzeit gar nicht<br />
ausreichen“, so Greil. Und um alles<br />
noch komplizierter zu machen:<br />
die weißen Antikörper interagieren<br />
oder haben teils mehrere<br />
Aufgaben, die sich auch<br />
überschneiden. Eine entscheidende<br />
Rolle dabei spielen spezifische Erkennungsrezeptoren,<br />
über die den Abwehrzellen<br />
Antigene „in verständlichen<br />
Happen“ angeboten werden müssen,<br />
um überhaupt reagieren zu<br />
können.<br />
Wie es Mikroben hier schaffen, das<br />
Immunsystem zu überlisten, erleben<br />
Prof. Richard Greil, Vorstand der<br />
Universitätsklinik für Innere Medizin III<br />
wir gerade am Beispiel des Virus SARS-<br />
Cov-2 und seinen Mutationen. Mikroorganismen<br />
haben im Lauf der Evolution<br />
verschiedene Methoden entwickelt,<br />
wie sie die körpereigene Abwehr<br />
austricksen. Diese Erreger hijacken bestimmte<br />
Rezeptoren als spezifisch für<br />
ihre Eintrittspforte in die Zellen, obwohl<br />
die Rezeptoren eine ganz andere<br />
Funktion haben. „Das<br />
HIV-Virus tut das über das CD4,<br />
ein klassisches Erkennungsmolekül<br />
der sogenannten CD4-Lymphozyten<br />
oder Helferzellen - und auch<br />
dort noch einmal über ein subspezialisiertes<br />
Molekül. Die Schnupfenviren<br />
tun das über einen eigenen Rezeptor -<br />
und SARS-Cov-2 tut es über den<br />
ACE2-Rezeptor“.<br />
Wieso erkranken viele an „Corona“<br />
ganz ohne Symptome – und andere<br />
müssen ins Spital und sterben gar daran?<br />
Vor allem: das Immunsystem jedes<br />
Menschen ist einzigartig. Richard Greil:<br />
„Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion<br />
und ihr Schweregrad hängen unter anderem<br />
davon ab, wo im Körper diese<br />
Rezeptoren vorkommen. Es hat auch<br />
mit Alter und Geschlecht zu tun, die<br />
Ausstattung der verschiedenen<br />
Zell-Elemente spielt eine wesentliche<br />
Rolle“. Das berühmte Zitat des französischen<br />
Wissenschaftlers Antoine Bechamp,<br />
„der Erreger ist nichts, das Milieu<br />
ist alles“, das im 19.Jahrhundert zu<br />
einer heftigen Kontroverse mit dem<br />
Zeitgenossen Louis Pasteur führte, bezeichnet<br />
Greil dennoch als überholt.<br />
„Diese Auseinandersetzung gab es auch<br />
in der Onkologie: wie wichtig ist die<br />
Umgebung für den wachsenden Tumor?<br />
Mittlerweile ist vollkommen klar,<br />
dass man das nicht trennen kann, beides<br />
hängt eng zusammen – die Gefährlichkeit<br />
des Erregers und der „Boden“,<br />
den er vorfindet“.<br />
Es war noch nicht von der „Geschwindigkeit“<br />
die Rede - der Zeit, die<br />
der Immunabwehr zur Verfügung<br />
steht, sich selbst im notwendigen Ausmaß<br />
„hinauf“ und zeitgerecht wieder<br />
„hinunter“ zu regulieren. Gelingt das<br />
nicht, können auch körpereigene<br />
Strukturen zerstört werden. Diese<br />
Selbstregulierung nutzen Viren und<br />
auch Tumoren als Achillesferse, um die<br />
Immunabwehr zu unterlaufen: „Die<br />
Mechanismen dabei sind sehr ähnlich.<br />
Das hat dazu geführt, Impfungen gegen<br />
Krebs zu entwickeln und diese Erfahrungen<br />
zur Entwicklung einer SARS-<br />
COV 2- Impfung erfolgreich zu nutzen.<br />
Und bei an COVID 19 erkrankten Patienten<br />
konnten genetisch modifizierte<br />
Abwehrzellen erfolgreich eingesetzt<br />
werden – aus Erkenntnissen, die man<br />
bei der Bekämpfung des „Zytokinsturms“<br />
in der Tumortherapie gewonnen<br />
hatte. Es spannt sich der Bogen wieder<br />
zur Onkologie, deswegen ist auch die<br />
Motivation so stark, Onkologe und<br />
gleichzeitig Infektiologe zu sein.“ Ω<br />
22 paracelsus today 1 | 21
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Update | Fünf Prozent der Österreicherinnen<br />
und Österreicher sind alkoholabhängig, mehr<br />
als doppelt so viele sind gefährdet. Aber wo<br />
liegt die Grenze? Hat die Pandemie das Problem<br />
weiter verschärft? Der Suchtmediziner<br />
Alexander Schorb findet Antworten – auch<br />
überraschende.<br />
Autor: Andreas Aichinger. Fotos: iStock, privat<br />
Alkohol ist mein Sanitäter in der Not,<br />
mein Fallschirm und mein Rettungsboot.<br />
So oder so ähnlich brüllte einst<br />
Herbert Grönemeyer. Aber welche<br />
Rolle hat Alkoholkonsum während<br />
der tatsächlichen beziehungsweise<br />
gefühlten „Not“ der Coronavirus-Pandemie<br />
wirklich gespielt? Schon in normalen Zeiten ist Alkohol<br />
nach WHO-Angaben weltweit für jährlich rund<br />
drei Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Doch<br />
darüber hinaus ist die Studienlage noch dünn und uneinheitlich:<br />
Eine erste Untersuchung des „Kompetenzzentrums<br />
Sucht“ (Gesundheit Österreich) ergab, dass die große<br />
Mehrheit ihr Konsumverhalten während der ersten<br />
Corona-Welle im Frühjahr 2020 kaum verändert hat.<br />
Im Rahmen einer anderen Umfrage (Global Drug Survey)<br />
hingegen gaben im Frühsommer zwei von fünf Befragten<br />
an, seit dem Ausbruch der Pandemie häufiger<br />
und vor allem auch häufiger allein und in den eigenen<br />
vier Wänden zu trinken. Die psychischen Randbedingungen<br />
liegen auf der Hand: Wo Angst, Stress oder sogar<br />
greifbare wirtschaftliche Probleme wachsen, dort fungiert<br />
Alkohol als vermeintlicher Seelentröster. Eine aktuelle<br />
deutsche Studie („Psychische Gesundheit in der Krise“)<br />
befördert zudem Befürchtungen, dass auch bislang<br />
unbelastete Menschen durch die Pandemie erstmals<br />
suchtgefährdet sein könnten. <strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong> hat bei<br />
Alexander Schorb – er ist leitender Oberarzt im Bereich<br />
Suchtmedizin der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie<br />
und Psychosomatik der <strong>Paracelsus</strong> Universität<br />
– nachgefragt.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Herr Doktor Schorb,<br />
vorab zur Standortbestimmung: Wo stehen<br />
Herr und Frau Österreicher beim problematischen<br />
Alkoholkonsum?<br />
Schorb: Grundsätzlich sind Abhängigkeitserkrankungen<br />
verhältnismäßig häufige, gesellschaftlich<br />
relevante, oft unterdiagnostizierte,<br />
aber behandelbare Erkrankungen. Fünf Prozent<br />
der österreichischen Bevölkerung sind alkoholabhängig.<br />
Weitere zwölf bis 14 Prozent konsumieren<br />
Alkohol in riskanter Art und Weise,<br />
nicht selten, ohne sich dessen bewusst zu sein.<br />
Als gering beziehungsweise risikoarm gilt ein<br />
durchschnittlicher täglicher Konsum von bis zu<br />
24 Gramm Alkohol bei Männern sowie 16<br />
Gramm bei Frauen. Das entspricht 0,6 Litern<br />
Bier bei den Männern, bei den Frauen wären 0,4<br />
Liter Bier die Grenze. Abgesehen von der Menge<br />
gilt Alkoholkonsum dann als risikoarm, wenn<br />
an die jeweilige Situation angepasst getrunken<br />
wird. Dazu gehört, dass man in bestimmten Situationen<br />
und Lebenslagen – vor allem im Straßenverkehr,<br />
am Arbeitsplatz oder in der<br />
Schwangerschaft – vollständig auf Alkohol verzichtet.<br />
Zudem sollte man auch an mindestens<br />
zwei Tagen pro Woche gar keinen Alkohol trinken.<br />
Und ab welcher Grenze wird es gefährlich?<br />
Schorb: Als Grenzwert für problematischen<br />
Konsum – ab dem ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko<br />
vorliegt – wird für Männer üblicherweise<br />
ein Wert von 60 Gramm Alkohol pro<br />
Tag angegeben, für Frauen von 40 Gramm. Diese<br />
Grenze kann man somit bei drei halben Litern<br />
Bier bei Männern und zwei halben Litern Bier<br />
24 paracelsus today 1 | 21
Dr. Alexander Schorb<br />
ist Facharzt für Psychiatrie<br />
und Psychotherapeutische<br />
Medizin<br />
und Leitender Oberarzt<br />
im Bereich Suchtmedizin<br />
an der Universitätsklinik<br />
für Psychiatrie,<br />
Psychotherapie<br />
und Psychosomatik<br />
der <strong>Paracelsus</strong> Medizinischen<br />
Privatuniversität<br />
in Salzburg.<br />
bei Frauen festmachen, und man kann sie natürlich<br />
auch in Wein-Achterl umrechnen.<br />
<strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>: Hat sich das Trinkverhalten<br />
durch die Pandemie, speziell durch die Lockdowns<br />
geändert?<br />
Schorb: Klar ist, dass sich Betroffene leicht über<br />
vermehrten Alkoholkonsum regulieren können,<br />
Alkohol kann gewissermaßen ein Seelentröster<br />
sein. Wir merken aber, dass jetzt eher auch<br />
Menschen aus dem Mittelstand betroffen sind,<br />
die wir zuvor nicht so häufig wie jetzt in der Klinik<br />
gesehen haben. Die haben nicht nur einen<br />
verstärkten Alkoholkonsum, sondern oft auch<br />
heftige Psychosen oder psychotische Depressionen,<br />
etwa aufgrund einer drohenden Insolvenz.<br />
Den Menschen am unteren sozialen Rand geht<br />
es dabei vergleichsweise eher besser, sie sind<br />
jetzt in der Regel besser versorgt. Obdachlose<br />
beispielsweise sind in einem Hotel am Bahnhof<br />
untergebracht. Es gibt Ausnahmen, aber solche<br />
Patienten haben durch die Pandemie eigentlich<br />
weniger verloren, weil sie ja ohnehin keine Arbeit<br />
oder Wohnung hatten. Die heftigeren Fälle<br />
sehen wir seit letztem Jahr tatsächlich eher bei<br />
Betroffenen aus dem Mittelstand.<br />
Starker Alkoholkonsum in den eigenen vier Wänden<br />
ist zudem lange nicht sichtbar…<br />
Schorb: Das ist richtig. Wir sehen dann zum Beispiel<br />
auf einmal eine 60-jährige Frau, die von ihrer<br />
Tochter gebracht wird. Eine Neupatientin,<br />
die jetzt bedingt durch Corona vermehrt und regelmäßig<br />
Alkohol trinkt. In der Corona-Krise<br />
gibt es ein höheres Angstniveau, dazu vielfach<br />
angespannte Situationen mit Kurzarbeit, Jobverlust<br />
oder drohende Pleiten. Gemeinsam mit der<br />
sozialen Isolation und gehäufter auftretenden<br />
psychischen Erkrankungen wie Depressionen<br />
sind das Bedingungen, die vermehrt zu Alkoholkonsum<br />
führen können. Insofern ist durchaus<br />
mit einem höheren Suchtgeschehen zu rechnen<br />
und damit auch mit einem erhöhten Behandlungsbedarf.<br />
Quantifizieren lässt sich das noch<br />
nicht, weil dazu noch nicht ausreichend Studien<br />
vorliegen. Aber wir arbeiten gerade an einer Studie<br />
aus dem Substanzbereich, und zwar gemeinsam<br />
mit der Suchtmedizin des Kepler Universitätsklinikums<br />
in Linz. Da zeigt sich eine Tendenz,<br />
dass es für die substanzabhängigen Patienten<br />
nun wohl eher leichter erscheint, Termine und<br />
Rezepte zu erhalten.<br />
Es gibt viele Menschen, die eigentlich ihren Alkoholkonsum<br />
reduzieren wollen. Welche Strategie<br />
ist da wirklich erfolgversprechend?<br />
Schorb: Grundsätzlich sollten immer zwei alkoholfreie<br />
Tage in der Woche möglich sein und<br />
jede Reduktion ist zu befürworten. Auch wenn<br />
jemand nur moderat konsumiert, ist jedes<br />
Gramm Alkohol weniger gut. Körper und Geist<br />
profitieren von jedem Gramm, das man nicht<br />
trinkt. Wenn jemand höher dosierten Konsum<br />
– also ab etwa vier bis fünf halben Litern Bier pro<br />
Tag – betreibt, dann sollte man vorsichtig sein<br />
und nur schrittweise reduzieren. Eine plötzliche<br />
Alkoholkarenz kann sogar gefährlich werden,<br />
daher ist anzuraten, sich beim Hausarzt zu informieren.<br />
Ein Schutzfaktor ist übrigens ein<br />
möglichst später Einstieg in den Konsum, das ist<br />
für die Jugend ein wichtiges Thema. Zwei Jahre<br />
später ins Bierzelt helfen da schon.<br />
Ω<br />
Info:<br />
Suchtmedizinische Fachambulanz<br />
Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie<br />
und Psychosomatik der PMU<br />
Ignaz-Harrer-Straße 79, Haus 29<br />
5020 Salzburg<br />
Tel. 057255-34991<br />
www.salk.at/16389.html<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
25
wicklung der Pflege sowie der Ausbau<br />
eines gemeinsamen Karrieremodells<br />
sollten von nun an standortübergreifend<br />
und besser abgestimmt werden<br />
können. Durch die Zusammenführung<br />
war die neue Direktorin mit einem<br />
Schlag für insgesamt 2500 Mitarbeiter<br />
zuständig. Eine Mammutaufgabe, die<br />
sie jedoch relativiert. „Ich hatte einen<br />
gewissen Startvorteil, weil ich die<br />
Strukturen des Uniklinikums seit langem<br />
kannte und bereits einige Jahre als<br />
stellvertretende Pflegedirektorin tätig<br />
war. Ich kann auf die soliden Strukturen<br />
der Vergangenheit aufbauen“.<br />
Ein Leben für die Pflege<br />
Very Personal | Seit mehr als 20 Jahren arbeitet<br />
Franziska Moser am Uniklinikum Salzburg. Bereits<br />
wenige Wochen nach ihrer Bestellung zur Pflegedirektorin<br />
im Vorjahr musste sie unerwartet große<br />
Herausforderungen stemmen.<br />
Autor: Wolfgang Bauer • Foto: Salk<br />
it Beginn des Jahres 2020 übernahm<br />
Franziska Moser schrittweise die Leitung<br />
der Pflegedirektion des gesamten<br />
Uniklinikums, am 1. Jänner den Campus<br />
Landeskrankenhaus und drei Monate<br />
später den Campus Christian-Doppler-Klinik.<br />
Beide Einrichtungen<br />
verfügten bis dahin über eigene<br />
Pflegedirektionen, mit Mosers Bestellung<br />
wurden sie zusammengeführt.<br />
Der Grund: Maßnahmen zur Qualitätssicherung,<br />
die fachliche Weiterent-<br />
Corona. Wenige Wochen nach ihrer<br />
Bestellung trat die Corona-Pandemie<br />
auf. In kürzester Zeit mussten mehrere<br />
100 Mitarbeiter aus rund 90 unterschiedlichen<br />
Pflegeteams neu zusammengestellt<br />
werden, um gänzlich andere<br />
Patienten zu versorgen – diejenigen<br />
mit der Covid-19-Erkrankung. Die Pflegerinnen<br />
und Pfleger stammten aus so<br />
unterschiedlichen Fachbereichen wie<br />
der Urologie, der Orthopädie, der Kinderheilkunde<br />
oder Geriatrie usw. An<br />
und für sich gelten die fachlichen Spezialisierungen<br />
in der Pflege als besondere<br />
Stärken dieses Berufs. Doch im<br />
Frühjahr 2020 galt es plötzlich, den<br />
Kampf gegen ein neues und unbekanntes<br />
Virus aufzunehmen und Patienten<br />
zu versorgen, die zum Teil schwer beeinträchtigt<br />
auf den Intensivstationen<br />
lagen. „Das haben die Mitarbeiter mit<br />
hohem persönlichen Einsatz wirklich<br />
hervorragend geschafft“, so Moser<br />
rückblickend.<br />
Image und Interesse an Pflege gestiegen.<br />
Ausgerechnet diese Pandemie<br />
brachte es mit sich, dass seither verschiedene<br />
Berufe – vor allem die so genannten<br />
systemrelevanten Jobs – an<br />
Image gewonnen haben und entsprechend<br />
gewürdigt worden sind. So auch<br />
der Pflegeberuf. Nach Ansicht der Pflegedirektorin<br />
ist diese Wertschätzung<br />
26 paracelsus today 1 | 21
Die<br />
3Säulen<br />
der Pflege-<br />
Ausbildung<br />
An der Schule für Gesundheitsund<br />
Krankenpflege am Bildungszentrum<br />
Salzburger Landeskliniken<br />
(BIZ) kann man<br />
•<br />
die einjährige Ausbildung<br />
zur Pflegeassistenz (bisherige<br />
Pflegehilfe) oder<br />
•<br />
die zweijährige Ausbildung zur<br />
Pflegefachassistenz absolvieren.<br />
•<br />
Das dreijährige Bachelorstudium<br />
für Gesundheits- und Krankenpflege<br />
im gehobenen Dienst<br />
an der Fachhochschule Salzburg<br />
ersetzt die frühere<br />
Diplomausbildung in Sachen<br />
Krankenpflege.<br />
mehr als ein Jahr nach Auftreten der<br />
ersten Corona-Fälle durchaus noch zu<br />
spüren. Aber: „Für mich ergeben sich<br />
Wertschätzung und Zufriedenheit<br />
nicht nur durch die Rückmeldungen<br />
von außen, sondern vor allem aus der<br />
inneren Zufriedenheit, die dieser Beruf<br />
bietet. Und ich glaube, dass viele Pflegepersonen<br />
diese intrinsische Motivation<br />
ebenso verspüren“. Und das, obwohl<br />
die Pflege ein sehr anstrengender Beruf<br />
sein kann, der einem körperlich wie<br />
seelisch einiges abverlangt, wie Franziska<br />
Moser zugibt. Dazu kommen<br />
Nacht- und Wochenenddienste.......<br />
Doch die Pflegedirektorin hat bisher<br />
noch von keiner Pflegekraft, die sie in<br />
den Ruhestand verabschiedet hat, jemals<br />
rückblickend Unzufriedenheit<br />
oder Klagen vernommen. Im Gegenteil.<br />
„Die Pflegepersonen blicken immer mit<br />
Zufriedenheit und Stolz auf die Jahrzehnte<br />
ihrer Tätigkeit zurück“. Durch<br />
die Pandemie ist übrigens auch das Interesse<br />
am Pflegeberuf gestiegen.<br />
Attraktiv und abwechslungsreich. Das<br />
hat sicherlich damit zu tun, dass die Tätigkeit<br />
in der Pflege so abwechslungsreich<br />
ist wie kaum ein anderer Job. Ob<br />
jemand auf einer Intensivstation arbeitet,<br />
oder in einem OP, in der Schulung<br />
von Diabetikern, in der Psychiatrie oder<br />
im Entlassungsmanagement – in all diesen<br />
Bereichen gibt es attraktive berufliche<br />
Möglichkeiten, für die das Uniklinikum<br />
auch entsprechende Arbeitszeitund<br />
Karrieremodelle anbietet. „Kaum<br />
jemand arbeitet mehr 40 Jahre durchgehend<br />
in dem einen Pflegeteam. Daher<br />
bieten wir auch entsprechende Fortbildungsmöglichkeiten,<br />
damit sich Pflegepersonen<br />
innerhalb des großen Spektrums<br />
umorientieren und weiter entwickeln<br />
können“, sagt die Pflegedirektorin.<br />
Bedarf ist in nahezu allen Bereichen,<br />
der Mangel an Personal stellt nach wie<br />
vor eine große Herausforderung in der<br />
Pflege dar. Daher nutzt man auch soziale<br />
Medien, um Interessenten die Vielseitigkeit<br />
des Berufs näher zu bringen<br />
(www.pflegekarriere.at).<br />
Am Ball bleiben und Torten backen. Franziska<br />
Moser ist seit 1998 am Uniklinikum<br />
in Salzburg. Die gebürtige Steirerin<br />
hat am Universitätsklinikum Graz<br />
das klassische Krankenpflegediplom<br />
erworben. „Mich hat vor allem die Kinderheilkunde<br />
interessiert“, erinnert<br />
sich die 44-Jährige. Sie ging nach Salzburg,<br />
um für ein Jahr an der Division<br />
für Neonatologie am Uniklinikum mitzuarbeiten.<br />
Zwölf Jahre sind es letztendlich<br />
an dieser Abteilung geworden,<br />
bevor sie dann in die Pflegedirektion<br />
wechselte, davon einige Jahre als stellvertretende<br />
Direktorin. Darüber hinaus<br />
absolvierte sie an Fachhochschulen berufsbegleitend<br />
Studiengänge für Prozessmanagement<br />
im Gesundheitswesen<br />
sowie Betriebswirtschaft. Derzeit<br />
absolviert Moser ein Doktoratsstudium<br />
der Pflegewissenschaft und wird dabei<br />
von zwei habilitierten Pflegewissenschaftlern<br />
der Tiroler Privatuniversität<br />
UMIT und der <strong>Paracelsus</strong> Medizinischen<br />
Privatuniversität PMU betreut.<br />
Sie wolle fachlich am Ball bleiben und<br />
die Fachlichkeit der Pflege weiterentwickeln.<br />
„Ein Uniklinikum braucht<br />
nicht nur eine universitäre Medizin,<br />
sondern auch eine universitäre Pflege“.<br />
Franziska Moser schätzt diesbezüglich<br />
die Anbindung an die PMU und den regen<br />
Austausch mit dem dort beheimateten<br />
Institut für Pflegewissenschaft.<br />
Kraft tankt sie in der Zeit, die sie mit<br />
ihrer Familie verbringt. Vor allem die<br />
fünfjährige Tochter entführt sie in eine<br />
Welt, in der sie abschalten und regenerieren<br />
kann. Das Geschichtenlesen, Malen,<br />
Zeichnen und Ballspielen bilden ihrer<br />
Ansicht einen optimalen Ausgleich.<br />
Außerdem bäckt sie gemeinsam mit<br />
der Kleinen mit großer Begeisterung<br />
Torten. „Das ist eine Art Kopf-Yoga für<br />
mich“.Ω<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
27
Es muss ein ziemliches Gejauchze, Gekichere<br />
und Gejohle gewesen sein, damals<br />
im Jahr 1847. Soeben hatten die<br />
Herren Studenten – wohl schenkelklopfend,<br />
über die Details schweigt die Chronik<br />
– einen geradezu ungeheuerlichen Beschluss gefasst:<br />
Und hatten der Zulassung der ersten weiblichen<br />
Medizinstudentin in der Geschichte der<br />
damals noch recht jungen USA zugestimmt. Ihr<br />
Name: Elizabeth Blackwell. Schauplatz des historischen<br />
Geschehens ist die – nach dem schweizerischen<br />
Genf benannte – Kleinstadt Geneva<br />
im US-Bundesstaat New York nahe der kanadischen<br />
Grenze. Das mit rund 150 Studenten und<br />
sieben Professoren recht überschaubare Geneva<br />
Medical College ist eine der damals zahlreich<br />
aus dem US-amerikanischen Boden sprießenden,<br />
aber oft eher kurzlebigen Anlaufstellen für<br />
Medizinstudenten. Und jetzt eine Studentin? Die<br />
Professoren hatten aufgrund eines Empfehlungsschreibens<br />
nicht gewagt, Blackwell per Federstrich<br />
abzulehnen – und die heiße Kartoffel<br />
einfach an die Studenten weitergegeben. Die<br />
wiederum glaubten an einen Streich eines benachbarten<br />
Medical Colleges – und stimmten<br />
aus Jux und Tollerei zu.<br />
America’s First<br />
Lady Doctor<br />
FocusOn | Vor 200 Jahren wurde<br />
Elizabeth Blackwell geboren, die erste<br />
Ärztin der USA mit Hochschulabschluss.<br />
Die Geschichte der bedeutenden<br />
Pionierin, die auch mit Florence<br />
Nightingale befreundet war, hat aber<br />
auch Schattenseiten. Und sie beginnt<br />
mit einem Streich.<br />
Autor: Andreas Aichinger. Fotos. istock<br />
Vom Jux zum Kreuzzug.<br />
Als die damals 26-jährige Elizabeth Blackwell allerdings<br />
am 6. November 1847 leibhaftig vor ihnen<br />
steht, erkennen die Studiosi, dass die Sache<br />
doch ernst gemeint gewesen ist. Tatsächlich<br />
nimmt Elizabeth die Sache sogar überaus ernst:<br />
1821 noch im englischen Bristol geboren, hatten<br />
finanzielle Probleme ihre Familie 1832 zur Auswanderung<br />
in die USA gezwungen. Der plötzliche<br />
Tod des Vaters, der die Mutter mit neun Kindern<br />
und nur 20 Dollar am Rande der Katastrophe<br />
zurückgelassen hat, stellt eine weitere Zäsur<br />
dar. Elizabeth und zwei Schwestern beginnen,<br />
als Lehrerinnen zu arbeiten, bis ein weiteres<br />
Schlüsselerlebnis die Weichen wieder neu stellt:<br />
28 paracelsus today 1 | 21
Eine Freundin stirbt an Gebärmutterkrebs, weil<br />
sie den „peinlichen“ Gang zu männlichen Ärzten<br />
zu lange gescheut hat. In Elizabeth keimt jetzt<br />
der Entschluss, selbst Ärztin zu werden. Dem<br />
Tipp, sich für ein Studium doch als Mann zu verkleiden,<br />
kann sie allerdings nichts abgewinnen.<br />
Jahre später wird Elizabeth Blackwell die Begründung<br />
dazu nachliefern: „Ich war nach meinem<br />
Empfinden Teil eines moralischen Kreuzzugs<br />
im Dienst von Gerechtigkeit und gesundem<br />
Menschenverstand geworden. Dieser musste im<br />
Licht des Tages und mit öffentlicher Billigung<br />
geführt werden, um sein Ziel zu erreichen.“<br />
Nachdem sich Elizabeth mit Hilfe privater<br />
Lehrer gezielt vorbereitet hat, bewirbt sie sich<br />
bei etablierten Medical Schools ebenso wie an<br />
einem Dutzend kleinerer Medical Colleges. Und<br />
es regnet Absagen, lediglich am Geneva Medical<br />
College wird Blackwell unter den eingangs beschriebenen<br />
Umständen schließlich akzeptiert.<br />
Erst langsam kann sie die Mauern in den Köpfen<br />
niederreißen, überzeugt schließlich mit ihrer<br />
Art, ihrem Wissen und ihrer Ambition. Doch<br />
während sich die 26-Jährige den Respekt von<br />
Mitstudenten und Professoren erwerben kann,<br />
bleibt die ansässige Bevölkerung lange skeptisch.<br />
„Ich hatte nicht die geringste Ahnung davon, welche<br />
Aufregung mein Erscheinen in der kleinen<br />
Stadt erzeugen würde“, erinnert sich Blackwell<br />
später. Vor allem die Damen der Stadt hätten sie<br />
wie ein „seltsames Tier“ angestarrt. Doch am<br />
Ende ist die Pionierin erfolgreich. Als Thema ihrer<br />
Abschlussarbeit wählt sie das grassierende<br />
„Ship Fever“. Hintergrund: Als Folge der großen<br />
Hungersnot in Irland kommen damals gerade<br />
verstärkt irische Auswanderer in den USA an,<br />
die auf den Schiffen in vielen Fällen Typhus mitbringen.<br />
Am 23. Jänner 1849 hält Elizabeth Blackwell<br />
ihr Medizin-Abschlussdiplom in Händen – als<br />
erste Frau und letztlich auch als erste Ärztin mit<br />
Hochschulabschluss in den USA. Und das auch<br />
noch als Beste ihres Jahrgangs. Bei der feierlichen<br />
Zeremonie streut Geneva-Rektor Charles A.<br />
Lee ihr Rosen: „Dieses Ereignis wird von heute<br />
an als denkwürdiges Beispiel dafür stehen, was<br />
auch Frauen unternehmen und erreichen können.“<br />
Nachdem Elizabeth lateinisch korrekt als<br />
„Domina Blackwell“ aufgerufen worden ist,<br />
spricht sie außer Programm ein kurzes Dankeswort:<br />
„Mit der Hilfe des Allmächtigen wird es die<br />
Anstrengung meines Lebens sein, diesem Diplom<br />
Ehre zu machen.“ Die Anwesenden applaudieren,<br />
und selbst die Presse berichtet wohlwollend<br />
über die erste „Lady Doctor“ des Landes.<br />
Eine passende Stelle findet Blackwell trotzdem<br />
nicht. In Paris – wo ihr Abschluss nicht anerkannt<br />
wird – absolviert sie in der Folge einen<br />
Hebammenkurs, lernt das Leben sozial benachteiligter<br />
Frauen kennen – und verliert durch<br />
eine Infektion ein Auge.<br />
Das Glasauge beendet jäh Elizabeth Blackwells<br />
Traum von einer chirurgischen Karriere.<br />
Sie geht nach London, wo sie 1851 eine andere<br />
Pionierin kennenlernt, die zu diesem Zeitpunkt<br />
ebenfalls noch unbekannt ist: Florence Nightingale,<br />
die als Begründerin der modernen Krankenpflege<br />
und Vordenkerin der Pflegewissenschaft<br />
selbst Geschichte schreiben wird. Im Juni<br />
1851 besuchen die beiden nahezu gleichaltrigen<br />
Vorkämpferinnen das German Hospital im Norden<br />
Londons, wovon auch ein gemeinsamer Eintrag<br />
im Gästebuch zeugt. Die Konsequenz, mit<br />
der Blackwell ihren Weg zum Medizin-Abschluss<br />
gegangen war, fasziniert und inspiriert<br />
Das Diplom der<br />
Universität in Geneva<br />
(US-Bundesstaat New<br />
York) für die erste<br />
Ärztin Amerikas<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
29
„Es war nach meinem Gefühl ein moralischer<br />
Kreuzzug im Zeichen und Gerechtigkeit und<br />
gesundem Menschenverstand.“<br />
Nightingale. Gleichzeitig gibt es aber eine wesentliche<br />
Meinungsverschiedenheit zwischen<br />
den beiden: Während Blackwell Ärztinnen den<br />
Weg bereiten will, sieht Nightingale den Platz<br />
von Frauen in der Pflege. Nach dem berühmten<br />
Krimkrieg-Engagement von Florence Nightingale,<br />
das der „Lady mit der Lampe“ einen Legenden-Status<br />
beschert, dürfte Blackwell durchaus<br />
neidvoll auf deren Standing geblickt haben.<br />
Krankenhaus & Krieg.<br />
Zurück in New York sind die Anerkennungs-Probleme<br />
nicht kleiner geworden. Unter<br />
„female physicians“ versteht die Mehrheit damals<br />
eher die illegalen „Engelmacherinnen“, die<br />
Abtreibungen durchführen. Als ihr kein Hausbesitzer<br />
Räumlichkeiten für eine Arztpraxis vermieten<br />
will, nimmt Elizabeth Blackwell einfach<br />
ein Darlehen auf und kauft ein Haus, in dem sie<br />
1857 ein kleines Krankenhaus für benachteiligte<br />
Frauen und Kinder eröffnet. Und zwar gemeinsam<br />
mit ihrer jüngeren Schwester Emily Blackwell,<br />
die als mittlerweile dritte Frau der Vereinigten<br />
Staaten nun ebenfalls Ärztin geworden<br />
ist. Das Unternehmen läuft gut und findet bei<br />
den immer zahlreicheren Patientinnen und darüber<br />
hinaus bei männlichen Kollegen Anerkennung.<br />
Als 1861 der Amerikanische Bürgerkrieg<br />
beginnt, starten die Schwestern einen Aufruf in<br />
der New York Times. Tausende Frauen folgen<br />
ihm, um sich als Krankenschwestern auf die zu<br />
erwartenden Kriegsverwundungen vorzubereiten,<br />
schließlich entsteht daraus die „United States<br />
Sanitary Commission“. Unnötig wie ein<br />
„fünftes Rad am Wagen“ sei diese, kritisiert ein<br />
Mann, der bald ein Stelldichein mit der Geschichte<br />
haben wird: der neu gewählte US-Präsident<br />
Abraham Lincoln.<br />
Die moralische<br />
Bienenkönigin.<br />
(Elizabeth Blackwell)<br />
Nach dem Krieg können Elizabeth and Emily<br />
Zu Ehren von<br />
Elizabeth Blackwell wurde<br />
ein Statue errichtet<br />
Blackwell ihr Krankenhaus 1868 sogar erweitern.<br />
Es wird zu einer Art Universitätsspital im<br />
Rahmen des „Womens Medical College“, an dem<br />
jetzt Frauen ungestört Medizin studieren können.<br />
Die Blackwell-Schwestern dürften dabei<br />
besonders hohe fachliche und moralische Ansprüche<br />
gestellt haben. Im persönlichen Umgang<br />
mit anderen Top-Frauen soll Elizabeth allerdings<br />
oft sehr herablassend, besserwisserisch<br />
und gereizt agiert haben. Heute spricht man in<br />
vergleichbaren Fällen oft vom „Bienenköniginnen-Syndrom“.<br />
In ihren Schriften formulierte<br />
sie zudem auch teils extreme Ansichten. So verherrlichte<br />
Blackwell – die selbst nie verheiratet<br />
war, allerdings ein siebenjähriges Mädchen aus<br />
Irland adoptiert hat – sexuelle Enthaltsamkeit.<br />
„Keuschheit bis zum 21. Lebensjahr ist unverzichtbar<br />
für das körperliche Wohlergehen eines<br />
jungen Mannes. Sie ist vorteilhaft bis zum Alter<br />
von 25“, schrieb sie. Überlegungen zu einer „starken<br />
Rasse“ und den „kumulativen Effekten der<br />
Vererbung“ sind aus heutiger Sicht ebenfalls<br />
schwer verdaulich. „Es sind keine Heldinnen, die<br />
wir aus vollem Herzen bewundern können…“,<br />
formuliert die renommierte Fachzeitschrift Nature<br />
in einer aktuellen kritischen Würdigung diplomatisch.<br />
„Die Medizin … muss als einer jener Bereiche<br />
des Arbeitslebens angesehen werden, in denen die<br />
Kooperation von Männern und Frauen notwendig<br />
ist, um all ihren Anforderungen gerecht zu werden.“<br />
Diese visionär-glasklare Ansage aus Blackwells<br />
Feder bildet gemeinsam mit ihrer hart erkämpften<br />
Vorreiterrolle für Medizinstudentinnen<br />
und Ärztinnen ihr zentrales Vermächtnis in<br />
den USA. Aber auch in ihrer Heimat England hat<br />
Blackwell, die 1859 als erste Frau in das britische<br />
„Medical Register“ aufgenommen wurde, tiefe<br />
Spuren hinterlassen. Etwa als Mentorin von Elizabeth<br />
Garrett Anderson, der ersten Frau, die im<br />
Königreich Medizin studieren konnte. Und vor allem<br />
auch als Gründerin der „National Health Society“<br />
im Jahr 1871, und somit der Vorläuferin des<br />
heutigen britischen Gesundheitsdienstes „National<br />
Health Service“ (NHS). Ihren letzten Lebensabschnitt<br />
verbringt Elizabeth Blackwell in Großbritannien.<br />
Sie stirbt 1910 im 90. Lebensjahr und<br />
findet ihre letzte Ruhe auf einem kleinen schottischen<br />
Dorffriedhof am Meer.<br />
Ω<br />
30 paracelsus today 1 | 21
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Hörgerät nicht mehr<br />
gut zurechtkommen,<br />
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Herrn Bayer* läuft nach der<br />
Operation noch die Überwachungskurve,<br />
mit der „Bei<br />
Mobilisierung<br />
wurde bereits begonnen.“ Konzentriert<br />
liest Gesundheits- und Krankenpflege-Schülerin<br />
Margarita Kromer<br />
aus der Krankenakte vor. Gemeinsam<br />
mit einem Medizinstudierenden bespricht<br />
die Pflegeschülerin die weiteren<br />
Schritte für jeden ihrer gemeinsamen<br />
Patienten. Täglich um 13:30 Uhr<br />
wechselt das Team und übergibt die<br />
*) Name von der Redaktion geändert<br />
sionellen Teams auf einer Station des<br />
Klinikums eigene Patienten verantwortlich<br />
betreuen – daher auch der<br />
Name des Projektes: NIPSTA bzw. Nürnberger<br />
Interprofessionelle Ausbildungsstation.<br />
Der Name lehnt sich an das Vorbild<br />
der Nürnberger Station an, die HIP-<br />
STA-Station der Chirurgischen Universitätsklinik<br />
in Heidelberg – seit 2018<br />
die erste Station dieser Art in Deutschland.<br />
NIPSTA und HIPSTA arbeiten eng<br />
zusammen und wurden beide von der<br />
renommierten Robert-Bosch-Stiftung<br />
gefördert. Ziel des Projekts ist es, die<br />
künftige Zusammenarbeit der Berufsgruppen<br />
zu stärken.<br />
Durchweg positives Feedback. „Patientenversorgung<br />
ist Teamarbeit. Deshalb<br />
können diejenigen, die später gut zusammenarbeiten<br />
müssen, gar nicht früh<br />
genug damit anfangen, sie gegenseitig in<br />
ihren Rollen kennenzulernen. Auch<br />
Teamarbeit und eine klare Kommunikation<br />
will gelernt sein,“ sagt Stephan Kolb,<br />
Vizekanzler am Nürnberger <strong>Paracelsus</strong>-Standort<br />
und Bereichsleiter Bildung<br />
und Wissenschaft im Klinikum Nürnberg,<br />
der die interprofessionellen Projekte<br />
in Nürnberg initiiert hat.<br />
„Gemeinsam selbstständig zu agieren,<br />
in der Praxis als Team zusammenzuarbeiten<br />
und vor allem die alltägliche<br />
Organisation kennenzulernen, ist<br />
enorm bereichernd,“ sagt Markus Kerner,<br />
ehemaliger Medizinstudent in<br />
Nürnberg und Teilnehmer im ersten<br />
NIPSTA Jahrgang 2019. „Es ist super,<br />
die Routineschritte im echten Einsatz<br />
einzuüben. Der direkte Austausch mit<br />
den Pflege-Azubis hat den eigenen<br />
Patientenversorgung ist Teamarbeit und will gelernt sein.<br />
An der PMU in Nürnberg gibt es dafür spannende Projekte.<br />
Befunde an die nächste Schicht.<br />
Das Besondere der Station 20 III<br />
links im Klinikum Nürnberg: sie dient<br />
als interdisziplinäre und interprofessionelle<br />
Ausbildungsstation im NIPS-<br />
TA-Projekt. Nachdem Medizinstudierende<br />
am Nürnberger Standort der<br />
<strong>Paracelsus</strong> Medizinischen Privatuniversität<br />
und die dortigen Pflegeschüler<br />
in mehreren gemeinsamen Lehrveranstaltungen<br />
an das interprofessionelle<br />
Lernen herangeführt wurden, steht für<br />
die Pflegenden im dritten Ausbildungsjahr<br />
und die Medizinstudierenden im<br />
fünften klinisch-praktischen Jahr ein<br />
absolutes Highlight an: Vier Wochen<br />
lang können sie in kleinen interprofes-<br />
Blick erweitert.“ Denny Kaufmann,<br />
pflegerische Stationsleitung und erfahrener<br />
Betreuer vor Ort, bestätigt: „Das<br />
ist für beide Gruppen eine tolle Erfahrung!“<br />
Auch die Pflegeschüler sind vom<br />
praxisnahen Lernen begeistert. „Wir<br />
konnten uns selbstständig alle Handgriffe<br />
aneignen und waren trotzdem<br />
nie alleine, wenn es mal eine Herausforderung<br />
gab. Die Praxisanleiter haben<br />
uns großartig unterstützt“, berichtet<br />
Margarita Kromer. „Außerdem lernen<br />
wir durch die enge Zusammenarbeit<br />
viel über verschiedene Erkrankungen.<br />
Auch die Patienten freuten sich<br />
über unsere intensive Betreuung. Das<br />
32 paracelsus today 1 | 21
NIPSTA-Projekt sollte fester Bestandteil<br />
der Ausbildung werden.“<br />
Interprofessionelles Longitudinalcurriculum.<br />
Das Nürnberger NIPSTA-Projekt<br />
ist im Grunde der Abschluss der interprofessionellen<br />
Lehre in Nürnberg,<br />
wo man seit 2015 mit dem ersten interprofessionellen<br />
Lehrplan für Medizin<br />
und Pflege im deutschsprachigen Raum<br />
Erfahrungen sammelt. Die Nürnberger<br />
haben dafür ein kompetenzbasiertes in-<br />
scher, pflegerischer und therapeutischer<br />
Studiengänge und Ausbildungen<br />
formuliert wurden. Peter Schuh, Vorstand<br />
Personal und Patientenversorgung<br />
im Klinikum Nürnberg: „Die Lernenden<br />
sollen ein tieferes Verständnis<br />
für die Tätigkeit des jeweils anderen<br />
entwickeln und die traditionell recht<br />
starre Trennung zwischen Pflege und<br />
Ärzten aufweichen.“<br />
Die geplante Umstellung des Medizinstudiums<br />
der <strong>Paracelsus</strong> Medizini-<br />
Gemeinsam lernen,<br />
gemeinsam arbeiten<br />
Outside | Lernende aus Medizin und Pflege schon in<br />
der Ausbildung zusammenbringen – das ist das Ziel<br />
der interprofessionellen Lehre am Nürnberger<br />
Standort der <strong>Paracelsus</strong> Medizinischen Privatuniversität.<br />
Seit 2015 gibt es in Nürnberg spannende Pionierprojekte<br />
für die künftige Patientenversorgung.<br />
Autorin: Claudia Schuck. Fotos: Giulia Lannicelli<br />
terprofessionelles Curriculum entwickelt,<br />
das sieben Themen umfasst: Umgang<br />
mit Fehlern, Notfallversorgung,<br />
Wundmanagement, Anamnese/Übergabe,<br />
Überbringen schlechter Nachrichten<br />
und zwei Fallbesprechungen. In Kohorten<br />
von jeweils 50 Medizinstudierenden<br />
der PMU, 55 Pflege-Dual-Studierenden<br />
der Evangelischen Hochschule<br />
Nürnberg und 30 Auszubildenden des<br />
Centrums für Pflegeberufe am Klinikum<br />
Nürnberg wird das Curriculum<br />
über einen Zeitraum von zweieinhalb<br />
Jahren in sieben halb- oder ganztägigen<br />
Lehrveranstaltungen unterrichtet und<br />
umfasst rund 40 Stunden.<br />
Wenige Wochen nach ihrem Start<br />
in Studium und Ausbildung starten die<br />
Kohorten jeweils im 4. Quartal in ihr<br />
Curriculum und lernen bereits in der<br />
ersten gemeinsamen Lehrveranstaltung<br />
nicht nur die ungewohnte Lerngruppe<br />
kennen, sondern auch das erste<br />
wichtige Thema: den professionellen<br />
Umgang mit Fehlern. Anschließend absolvieren<br />
die Gruppen in mehrmonatigen<br />
Abständen weitere sechs thematische<br />
Lehrveranstaltungen.<br />
Seit 2015 wurden fünf interprofessionelle<br />
Jahrgänge in das Curriculum<br />
geführt. 40 Lehrende und acht Schauspielpatientinnen<br />
haben inzwischen<br />
über 700 Teilnehmende betreut. Nur<br />
die Corona-Pandemie hat das Projekt<br />
zwischenzeitlich zum Stillstand gebracht:<br />
für die interprofessionelle Lehre<br />
ist die Präsenzlehre in kleinen Lerngruppen<br />
essentiell.<br />
Große Chancen durch die BA/MA-Umstellung.<br />
Grundsätzlich folgt die interprofessionelle<br />
Lehre in Deutschland<br />
nicht zuletzt den Empfehlungen des<br />
Wissenschaftsrates, die 2014 zur Stärkung<br />
der interprofessionellen Ausbildung<br />
und der Vernetzung medizini-<br />
schen Privatuniversität in das Bachelorund<br />
Mastersystem bietet in dieser Hinsicht<br />
die große Chance, interprofessionelle<br />
Lernarrangements im Curriculum<br />
neu zu denken und theoretische, fachpraktische<br />
und praktische Lernsituationen<br />
mit interprofessionellem Ansatz zu<br />
implementierten und professionell zu<br />
begleiten. In Nürnberg hat sich dafür die<br />
seit 2013 bestehende Projektgruppe<br />
zum Ziel gesetzt, das bisherige interprofessionelle<br />
Längsschnittcurriculum<br />
mit innovativen Lernmodulen für andere<br />
Berufsgruppen zu erweitern und<br />
viele Lehrende, Lernende und Praktizierende<br />
für die Interprofessionalität<br />
zu begeistern.<br />
Ω<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
33
Umbruch bei<br />
Behandlungen der<br />
Haut<br />
Die atopische Dermatitis (AD) ist mit einer Prävalenz<br />
von drei Prozent die häufigste chronisch<br />
entzündliche Hautkrankheit des Menschen.<br />
Symptome und Verlauf:<br />
Charakteristisch für das klinische Erscheinungsbild<br />
der AD sind die große morphologischen Vielfalt und<br />
ein uneinheitlicher individueller Ausprägungsgrad.<br />
Außerdem unterliegen die entzündlichen Hautveränderun¬gen<br />
typischerweise einer altersabhängigen<br />
topografischen und morphologischen Variabilität.<br />
Der vermutete pathogenetische Hintergrund<br />
ist bislang noch unzureichend verstanden, insbesondere<br />
die Verzahnung und Reihenfolge von gestörter<br />
Hautbarriere, fehlgeleitetem Immunsystem<br />
sowie Veränderungen im Haut-Mikrobiom ist in<br />
der Forschung sinnbildlich des „Henne-Ei-Problems“<br />
noch unzureichend beantwortet. Für die Patienten<br />
stellen der chronische Juckreiz, daraus resultierende<br />
Schlaf- und Konzentrationsstörungen<br />
sowie die sichtbare und Ekzematisierung der Haut<br />
eine alltägliche Herausfor¬derung dar.<br />
Diagnostik:<br />
Fotos: iStock; privat<br />
Die Diagnosestellung ergibt sich aus der Anamnese,<br />
dem klinischen Bild und<br />
dem typischen chronisch-intermittierendem<br />
Verlauf. Neben klassischen Manifestationsform in<br />
den jeweiligen Altersgruppen existieren zusätzlich<br />
eine Vielzahl an kutanen Begleitsymptomen und<br />
(Minor-)Varianten. Auch das Vorhandensein von<br />
Krankheitsbildern aus dem atopischen Formenkreis,<br />
wie z.B. die Nahrungsmittelallergien, das Asthma<br />
bronchiale sowie die allergi¬sche Rhinitis<br />
kann die Diagnosestellung erleichtern.<br />
Therapie:<br />
Wesentliches therapeutisches Ziel ist die Linderung<br />
des Juckreizes und in der Behandlung der Ekzem-Läsionen.<br />
Durch den Einsatz zielgerichteter<br />
Therapien, die einen oder mehrere definierte Entzündungsmediato¬ren<br />
blockieren, konnte nicht nur<br />
das therapeutische Rüstzeug erweitert, sondern<br />
auch die Pathogenese dieser Erkrankung etwas besser<br />
verstanden werden. Insgesamt ist die AD durch<br />
eine verstärkte sogenannte Th-2-Immunantwort<br />
charakterisiert. Nun wurde die therapeutische<br />
Wirksamkeit des Antikörpers Dupilumab bewiesen,<br />
der bei einem Großteil der Patienten eine nahezu<br />
vollständige Verbesserung des Hautbildes bewirkt.<br />
Die aktuelle Zulassung für Kinder ab dem sechsten<br />
Lebensjahr lässt nun auch endlich mit einem „guten<br />
Gewissen“ eine Option in dieser Altersgruppe zu.<br />
Zahlreiche neue The¬rapieinnovationen sind in klinischer<br />
Erprobung bzw. stehen kurz vor der Zulassung.<br />
Prävention:<br />
Systemtherapien sind (noch) lediglich für mittelschwere<br />
bis schwere Formen der AD relevant. Das<br />
wesentliche Element in der Therapie aller Formen<br />
der AD ist eine konsequente Basispflege – und das<br />
wird sich aller Voraussicht nach auch durch die<br />
neue Ära der zielgerichteten Therapien nicht ändern.<br />
Neben der Behandlung der Haut zeichnet sich<br />
eine gute vertrauensvolle Patientenbetreuung auch<br />
in der Berücksichtigung individueller Beeinträchtigungen<br />
im psychosozialen Bereich einer Abklärung<br />
relevanter Umweltfaktoren und begleitender Komorbiditäten<br />
aus.<br />
Ω<br />
Der Autor:<br />
Dr. med. DAMIAN MEYERSBURG ist Oberarzt an der Universitätsklinik für<br />
Dermatologie und Allergologie am Uniklinikum LKH Salzburg.<br />
34 paracelsus today 1 | 21
vb-rb.de<br />
Eines Tages<br />
will ich Euer<br />
Held sein.<br />
Wir finden, die Welt braucht mehr Zuversicht.<br />
Deshalb unterstützen wir alle, die den<br />
Mut haben, ihre Zukunft selbst in die Hand<br />
zu nehmen. Gemeinsam schauen wir nach<br />
vorn und sagen: Morgen kann kommen.<br />
Wir machen den Weg frei.<br />
meine Volksbank<br />
Raiffeisenbank eG
„Er<br />
ist weltoffen und spricht perfektes Englisch.<br />
Dazu kommt Ehrgeiz gepaart mit<br />
Intelligenz, Eloquenz und Durchhaltevermögen.<br />
Er wird eines Tages ganz<br />
große Karriere machen.“ Ziemlich genau zehn Jahre ist<br />
es her, dass Herbert Resch im Gespräch mit <strong>Paracelsus</strong><br />
<strong>Today</strong> diese klaren Worte des Lobes für den jungen Arvind<br />
von Keudell gefunden hat. Und der Gründungsrektor<br />
der <strong>Paracelsus</strong> Universität und Mentor des 1984 – ausgerechnet<br />
in einem Taxi im indischen Bangalore – geborenen<br />
Vorzeige-Absolventen dürfte Recht behalten haben.<br />
Denn heute, knapp elf Jahre nach seiner Promotion und<br />
ein Jahrzehnt nach seiner Ankunft in Harvard, hat<br />
Keudell – mittlerweile auch Vater einer kleinen Tochter<br />
– eine Menge zu erzählen. Und vor allem eine Neuigkeit<br />
schmeckt nach Zukunft. Die Vorgeschichte in Kurzform:<br />
Salzburg – Yale – Harvard. Nach der besonderen Taxi-Geburt<br />
wächst Arvind von Keudell polyglott zwischen<br />
Deutschland, Schweden und Indien auf. An der<br />
<strong>Paracelsus</strong> Uni ist er Studentensprecher seines Jahrgangs,<br />
brilliert unter anderem mit seinen USMLE-Ergebnissen<br />
und verbringt sein Forschungstrimester an<br />
der Yale University. Schon damals beginnt Keudell mit<br />
der Suche nach bezahlten Forschungspositionen in den<br />
USA. Fündig wird er letztlich an der Harvard University,<br />
wo er im Herbst 2011 als Postdoctoral Research Fellow<br />
im Brigham and Women‘s Hospital (BWH, Anm.: einem<br />
Harvard-Lehrkrankenhaus) beginnt, Studierende der<br />
Harvard Medical School (HMS) zu unterrichten sowie<br />
als Anatomie-Tutor zu arbeiten. Schon bald wird auch<br />
die ärztliche Weiterbildung in Form einer Residency<br />
möglich, dazu kommen attraktive Grants und Publikationen<br />
in aktuell „über 50 Papers unter anderem in Lancet<br />
und dem New England Journal of Medicine“. Keudell:<br />
„Nach meiner Residency habe ich hier in Harvard ein<br />
Trauma-Fellowship absolviert und bin dann am BWH<br />
als Unfallchirurg eingestellt und nach einem Jahr zum<br />
Assistant Professor befördert worden.“ Seit kurzem hat<br />
der mittlerweile 37-Jährige auch noch einen Master in<br />
Public Health in der Tasche.<br />
Innovator-Award. Dass Arvind von Keudell im Vorjahr<br />
den bei Traumaforschern begehrten „Stepping Strong<br />
Innovator Award“ an Land ziehen konnte, ist die jüngste<br />
Erfolgsmeldung, die der Alumnus nach Salzburg<br />
berichtet hat. Hintergrund: Unter dem Label „Custom-<br />
Surg“ (Info: www.customsurg.com) sollen individualisierte<br />
Implantate, 3D-Druck und Augmented-Reality-<br />
Der innovative<br />
Harvard-<br />
Salzburger<br />
Alumni | Man nehme medizinisch-wissenschaftliche<br />
Exzellenz, einen in Sachen<br />
Digitalisierung topfitten Partner und<br />
füge einen Schuss unternehmerischer<br />
Ambition hinzu: Was Harvard-Export<br />
Arvind von Keudell derzeit in Sachen<br />
OP-Personalisierung ausheckt.<br />
Autor: Andreas Aichinger • Fotos: istock, privat<br />
36 paracelsus today 1 | 21
Chirurgie verbunden werden, um bei der Behandlung<br />
von Knochenbrüchen deutlich bessere Resultate erzielen<br />
zu können. Vor allem bei (artikulären) Frakturen mit<br />
Gelenkbeteiligung oder solchen am Ansatz von Prothesen,<br />
also periprothetischen Frakturen. „Während meiner<br />
Operationen von komplexen artikulären Knochenbrüchen<br />
sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es<br />
Möglichkeiten geben sollte, diese mittels neuer Technologien<br />
zu vereinfachen“, erzählt der begnadete Netzwerker,<br />
und verweist mit dem „wir“ auf seinen Projektpartner<br />
Thomas Zumbrunn. Der ehemalige Schweizer<br />
Ski-Rennläufer, der an der ETH Zürich Bewegungswissenschaften<br />
und in Salt Lake City Biomedical Engineering<br />
studiert hat, ist so etwas wie das technische Herz<br />
des Projekts. „Wir haben uns 2011 kennengelernt, als er<br />
am Massachusetts General Hospital in Boston (Anm.:<br />
das größte Lehrkrankenhaus der HMS) als PhD-Student<br />
geforscht hat.“ Zumbrunn arbeitet schon damals bei der<br />
Entwicklung neuer orthopädischer Implantate und<br />
Knieprothesen mit. Keudell: „Seitdem sind wir sehr gute<br />
Freunde geworden.“<br />
Die Grundidee hinter „CustomSurg“ klingt auf Anhieb<br />
überzeugend: Um den „chirurgischen Schwierigkeiten<br />
bei der Behandlung komplexer artikulärer Knochenbrüche“<br />
zu begegnen, soll die optimale Stabilität des<br />
Knochenkonstrukts durch eine personalisierte Knochen-Rekonstruktion<br />
gewährleistet werden, erklärt<br />
Keudell. Und weiter: „Im Gegensatz zu früheren Bemühungen<br />
ist dieser Prozess einzigartig in seiner Berücksichtigung<br />
der Schlüsselrolle der Anzahl und der räumlichen<br />
Pfade der Fixierungsschrauben in Bezug auf die<br />
physiologische Belastung eines bestimmten Bruchmusters.“<br />
Sprich: Eine neu entwickelte Software berücksichtigt<br />
– auf Basis von CT-Scans – das ganz individuelle<br />
Frakturmuster eines Patienten. Mit Hilfe von simulierten<br />
Belastungstests wird schließlich eine biomechanische<br />
Optimierung erzielt, die am Ende dazu führen soll,<br />
dass „die Rekonstruktion stabiler ist und der Patient<br />
dementsprechend wieder früher seine gebrochene Extremität<br />
belasten“ kann. Zusätzlich soll die chirurgische<br />
Wiederholbarkeit durch anatomische Knochenmodelle<br />
aus dem 3D-Drucker und durch Augmented Reality<br />
(AR) verbessert werden.<br />
Patent & Proof of Concept. Etwa seit dem Jahr 2017 ist<br />
die gemeinsam mit (dem mittlerweile wieder an die<br />
ETH Zürich zurückgekehrten) Thomas Zumbrunn entwickelte<br />
Idee gewachsen. O-Ton Keudell: „Mit seinem<br />
biomechanischen Know-how und meinem klinischen<br />
Wissen ist die Idee immer mehr zu einem konkreten<br />
Plan gereift. Wir haben mittlerweile ein Patent eingereicht<br />
und sind gerade in der Proof-of-Concept-Phase.“<br />
Um diesen Nachweis der Machbarkeit zu erbringen, bewirbt<br />
sich das Duo nach eigenen Angaben derzeit um<br />
zwei 3-Millionen-Grants, danach soll es in die erste Finanzierungsrunde<br />
gehen. Kritische Nachfrage: Individualisierte<br />
Implantate, 3D-Prints, und selbst Augmented<br />
Reality Operationen – das alles gibt es doch eigentlich<br />
schon, oder? Arvind von Keudell präzisiert: „Stimmt, es<br />
gibt mittlerweile alle drei Ansatzpunkte. Das Spezielle<br />
ist, dass wir alle drei Komponenten zusammenführen.“<br />
„Die neuartige und patentierte<br />
Softwarelösung bestimmt<br />
quantitativ und qualitativ die<br />
Belastbarkeit der Fraktur-<br />
Rekonstruktion.“<br />
Arvind von Keudell<br />
Vor allem die individuell<br />
optimierte Positionierung<br />
von Platten<br />
und Schrauben<br />
soll den klinischen<br />
Outcome verbessern.<br />
Denn: „Die neuartige<br />
und patentierte Softwarelösung<br />
bestimmt<br />
quantitativ und qualitativ<br />
die Belastbarkeit<br />
der Fraktur-Rekonstruktion,<br />
und zwar bevor<br />
man in den OP-<br />
Saal geht.“<br />
„Wirklich fantastisch“ findet der innovative Alumnus<br />
aber auch die Entwicklung seiner Salzburger Alma Mater,<br />
die er auch aus der Ferne „sehr genau“ mitverfolgt.<br />
„Ich bin beeindruckt wie sie weiter und weiterwächst.“<br />
Und Keudell, der bei der Implementierung einer webbasierten<br />
Anwendung für chirurgisches Know-how für<br />
alle orthopädischen Residents in Harvard-Lehrkrankenhäusern<br />
mitgewirkt hat, versprüht auch selbst viel<br />
Freude an der Lehrtätigkeit: „Die Ausbildung von Fellows,<br />
Residents und Medizinstudenten ist eine Leidenschaft<br />
von mir.“ Den Löwenanteil der täglichen Arbeit<br />
von Keudell, bildet allerdings naturgemäß die klinische<br />
Praxis. Kein Wunder, dass Freizeit bei dem Neo-Familienvater<br />
eher Mangelware ist. Für einen Trip zurück zu<br />
den Taxi-bedingt nicht genau lokalisierbaren Wurzeln<br />
in der Millionenstadt Bangalore war aber irgendwann<br />
dann doch noch Zeit. „Den genauen Platz konnte ich<br />
nicht identifizieren, aber zumindestens die Gegend“, gibt<br />
Keudell lachend zu. Und im Berufsleben findet er ohnehin<br />
immer sein Ziel.<br />
Ω<br />
paracelsus today 1 | 21<br />
37
PMU-Tochter<br />
mit eigener<br />
Covid-19-Testung<br />
Point of View<br />
Der<br />
Dr. Vera Coreth (links) und Prof.<br />
Dr. Barbara Kofler, Geschäftsführerinnen<br />
der PMU-Tochter<br />
-Test „Marke PMU“ funktioniert nach<br />
einem einfachen Prinzip. Die Gurgel-Methode ist weniger belastend als ein Nasenabstrich.<br />
Die neue PMU-Tochter etablierte in der Pandemie ein hochwertiges und<br />
kostengünstiges Verfahren für Screenings. Das Angebot richtet sich an Firmen,<br />
verschiedene Institutionen oder die Gastronomie. Entwickelt wurde es im Speziallabor<br />
der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, wo sich Teams<br />
rund um die Leiterin Barbara Kofler und Johannes Mayr seit Jahren mit PCR-Testungen<br />
bei Infektionskrankheiten wie etwa dem Epstein-Barr-Herpesvirus oder<br />
Keuchhusten beschäftigen. Für die Etablierung eines Covid-19-Testkits musste<br />
nun noch an mehreren Stellschrauben gedreht werden: „Wir haben das Verfahren<br />
weiter optimiert, schauen uns zwei Genabschnitte an. Es geht auch darum, welche<br />
Reaktionschemikalien man einsetzt. Und es ist auch ein System zur internen Kontrolle<br />
eingebaut, die zeigt, ob die Probe gut abgenommen wurde“, berichtet Kofler.<br />
Arbeitsschritte wurden reduziert.<br />
Die Corona-Pandemie<br />
lähmt Wirtschaftszweige<br />
und ist eine immer<br />
größere Herausforderung<br />
für viele Unternehmen.<br />
Die Universität unterstützt<br />
über ihre Tochter PMU<br />
Science Applications<br />
GmbH Firmen, die in ihrer<br />
Belegschaft Screenings<br />
durchführen wollen. Ein<br />
eigener PCR-Test wird<br />
günstig angeboten.<br />
Autorin: Sabine Salzmann. Foto: PMU/wildbild<br />
Einfaches Verfahren. Auf übliche Kochsalzlösung wird verzichtet, zum Gurgeln<br />
reicht klares Wasser. Dadurch kann das Verfahren auch kostengünstig angeboten<br />
werden. Kofler betont das PCR-Tests vor allem bei niedriger Viruslast weit verlässlicher<br />
als Antigen-Tests und damit Goldstandard sind. Firmen wie Spar und<br />
das Salzburger Studentenwerk sind schon im Boot. Auch für die Aktion „Sicheres<br />
Gastgewerbe“ wurde der Gurgeltest aus dem Uniklinikum gelistet.<br />
Die Covid-19-Testungen sind ein Paradebeispiel, wie die PMU-Tochter künftig<br />
wissenschaftliche Ideen in die Verwertung bringen will. „Hier wurde in kürzester<br />
Zeit ein Verfahren bis zur Marktreife entwickelt“, betont Vera Coreth, neben Kofler<br />
Geschäftsführerin der GmbH.<br />
Geld für Forschung. Die Einnahmen aus der Salzburger Test-Variante fließen zurück<br />
in der Forschung am Kinderzentrum. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung<br />
von Dozent Mayr beschäftigt sich intensiv mit dem Entschlüsseln seltener Erkrankungen<br />
und Stoffwechseldefekten. Schwerpunkte sind in dem Speziallabor auch<br />
mitochondriale Forschungsinhalte. Labor-Leiterin Kofler und ihr Team lüften Geheimnisse<br />
rund um den Zuckerstoffwechsel von Tumoren. In gar nicht so wenigen<br />
Fällen werden aufgrund der Forschung konkrete Therapiemöglichkeiten entwickelt.<br />
Sternstunden, die mit den Erträgen aus den Corona-Tests jetzt beschleunigt werden<br />
können. . . Kontakt: PMU Science Applications GmbH • office@pmu-applications.at<br />
38 paracelsus today 1 | 21
EMMENTALER<br />
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