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172 Mariana Hausleitner 4 Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches entstand der türkische Nationalstaat durch die Ausgrenzung vieler Nichtmuslime. Ihre Stigmatisierung als "illoyale Kräfte" wurde dadurch erleichtert, dass sich der gesamte Prozeß unter den Bedingungen der militärischen Auseinandersetzungen vollzog. 2.2. "Ethnische Säuberungen" in Rumänien 1941-1943 Die Deportationen der Juden aus Bessarabien und der Nord-Bukowina nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion wurden ebenfalls mit der Illoyalität dieser Gruppe legitimiert. Da auch das Deutsche Reich alle Juden ostwärts vertreiben wollte, nutzte die rumänische Regierung die Situation. Im Ministerrat setzte sich besonders der Außenminister Mihai Antonescu im Juni 1941 für die Vertreibung aller "fremden Elemente" aus den beiden zurückeroberten Gebieten ein, er nannte dies "Politik der Purifizierung und Vereinheitlichung der Rasse" 11 . Mitarbeiter des Bukarester Zentralen Statistischen Instituts zählten im August 1941 in Bessarabien die von Juden verlassenen Häuser, Ackerflächen, Werkstätten und Betriebe. Das jüdische Eigentum wurde so genau erfaßt, weil es an Rumänen als Belohnung für besondere Verdienste bei der Kriegsteilnahme verteilt werden sollte. In den Rubriken über die Juden Bessarabiens, die 1930 noch mit einer die Viertelmillion bezifferten worden waren, vermerkten die Statistiker lapidar, dass sie sich in Lagern befänden 12 . Die erste Mordaktion hatten rumänische Sondereinheiten gemeinsam mit Kommandos der deutschen Einsatzgruppe D des SS-Gruppenführers Otto Ohlendorf im Juli 1941 durchgeführt 13 . Dagegen waren die Deportationen ab August 1941 eine vom Generalstab der rumänischen Armee geplante Aktion. Durchgeführt wurde sie vor allem von Einheiten der Gendarmerie. Das Ziel war die Vertreibung aller Juden, doch starben bereits während der Deportation Tausende Juden an Hunger und Mangelkrankheiten, weil sie mehrere Tage zu Fuß und ohne Versorgung unterwegs waren. Nachdem im September 1941 das Gebiet zwischen Dnjestr und südlichem Bug rumänisches Besatzungsgebiet wurde, trieb man die Juden in die oft völlig zerstörten Ortschaften. Die meisten konnten sich nicht mehr versorgen, weil sie auf dem Transport mehrmals ausgeplündert worden waren. Im ersten Winter starb in Transnistrien fast ein Drittel der Deportierten 14 . 11 Problema evreiască în stenogramele Consiliului de Miniştri, Lya Benjamin (ed.), Bucureşti, 1996, S. 234f. 12 Staatsarchiv der Republik Moldova, Chişinău, Fond 706, 555, vol. 1-3. 13 The Einsatzgruppenreports, Yitzhak Arad, Shmuel Krakowski, Shmuel Spector (eds.), New York, 1989; S. 19, 25, 73; 76, 105f und 111; Ralf Ogorreck, Die Einsatzgruppen und die Genesis der Endlösung, Berlin, 1996, S. 154ff. 14 Radu Ioanid, The deportation of the jews to Transnistria, in Rumänien und der Holocaust. Zu den Massenverbrechen in Transnistrien 1941-1944, Mariana Hausleitner, Brigitte Mihok, Juliane Wetzel (Hg.), Berlin, 2001, S. 69-100.
5 Deportationen als mittel der durchsetzung politischer interessen in Südosteuropa 173 Nachdem die Deportation der Juden begonnen hatte, setzte sich der Vize- Bürgermeister von Czernowitz, Traian Popovici, für sie ein. Auch andere Interventen wiesen auf die großen Versorgungsprobleme hin, die durch die Deportation von 35% der Czernowitzer Bewohner entstehen würden. Daraufhin gab General Antonescu seine Einwilligung vorerst 20.000 für die Wirtschaft wichtige Juden von der Deportation zurückzustellen. Popovici vergab aus eigener Initiative noch einmal an 5.000 Juden Aufenthaltspapiere, doch die meisten dieser Juden wurden nach seiner Absetzung 1942 vertrieben. Aus der Bukowina wurden insgesamt etwa 50.000 Juden deportiert. Durch die Geldsendungen von Verwandten aus Czernowitz konnten sie Netzwerke für die Bedürftigen aufbauen, so dass mehr Bukowiner als bessarabische Juden überlebten 15 . Die geringsten Überlebenschancen hatten die Juden Transnistriens nach der Eroberung des Gebietes durch rumänische und deutsche Truppen. Ich will nur den Fall von Odessa erwähnen, wo Antonescu als Strafmaßnahme nach einem Bombenattentat im Oktober 1941 auf das rumänische Hauptquartier den Befehl zu Geiselerschießungen gab. Etwa 20.000 Juden und andere kamen dabei um. Auch dort trat ein mutiger rumänischer Bürgermeister, Gherman Pântea, auf und konnte die Erschießung beenden. Doch die von ihm Geretteten starben fast alle zwei Monate später in den Lagern im Süden Transnistriens. Von den 130.000 Juden Transnistriens überlebte nur eine sehr geringe Anzahl. An den Morden in Transnistrien waren auch die deutsche Einsatzgruppe D von Otto Ohlendorf und eine SS-Gruppe (der so genannte Selbstschutz) der dortigen Volksdeutschen beteiligt 16 . Nach der Einnahme von Odessa waren die Planer eines ethnisch homogenen Rumäniens vom Sieg der Achsenmächte überzeugt. Der Direktor des Statistischen Amtes im Innenministerium, Sabin Manuilă, legte im Oktober 1941 einen Plan vor, wie während des Krieges schrittweise 3,5 Millionen Nichtrumänen aus Rumänien verschwinden sollten. Bei 1,3 Millionen Ungarn und kleineren Gruppen wie Serben, Bulgaren und andere schlug er einen Bevölkerungsaustausch mit auswärtigen Rumänen vor. Die Deportation der gesamten jüdische Bevölkerung und der Roma nannte er "einseitigen Transfer" 17 . Im Frühjahr 1942 bestimmten die örtlichen Gendarmerieposten, welche Roma als besonders "gefährlich" einzustufen sind und als erste zu deportieren seien. Auf Befehl von Marschall Antonescu wurden zwischen Juni und September 15 Traian Popovici, Cernăuţi 1941. Prigoana, ghetoul şi deportarea. Spovedanea fostului primar al Municipiului Cernăuţi, in Matatias Carp, Cartea Neagră, vol. 3, Bucureşti, 1996, S. 164-189; Mariana Hausleitner, Die Rumänisierung der Bukowina. Die Durchsetzung des nationalstaatlichen Anspruchs Grossrumäniens 1918-1944, München, 2001, S. 393ff. 16 Jean Ancel, Transnistria, vol. II, Bucureşti, 1998; Andrej Angrick, Rumänien, die SS und die Vernichtung der Juden, in Hausleitner u.a, Rumänien, a.a.O., S. 113-138; S. Ja. Borovoj, Gibel' evrejskogo naselenija Odessy, in Katastrofa i soprotivlenie ukrainskogo evrejstva 1941-1944, Kiev, 1999, S. 118-153. 17 Sorina Bolovan, Ioan Bolovan, Problemele demografice ale Transilvaniei între stiinţă şi politică 1920-1945, in Transilvania între medieval şi modern, Camil Mureşan (Hg.), Cluj, 1996, S. 125-131 (Sabin Manuilă, Anexa).
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5 Deportationen als mittel <strong>de</strong>r durchsetzung politischer interessen in Südosteuropa 173<br />
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gab General Antonescu seine Einwilligung vorerst 20.000 für die Wirtschaft<br />
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so dass mehr Bukowiner als bessarabische Ju<strong>de</strong>n überlebten 15 .<br />
Die geringsten Überlebenschancen hatten die Ju<strong>de</strong>n Transnistriens nach <strong>de</strong>r<br />
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wie während <strong>de</strong>s Krieges schrittweise 3,5 Millionen Nichtrumänen aus Rumänien<br />
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und <strong>de</strong>r Roma nannte er "einseitigen Transfer" 17 .<br />
Im Frühjahr 1942 bestimmten die örtlichen Gendarmerieposten, welche<br />
Roma als beson<strong>de</strong>rs "gefährlich" einzustufen sind und als erste zu <strong>de</strong>portieren<br />
seien. Auf Befehl von Marschall Antonescu wur<strong>de</strong>n zwischen Juni und September<br />
15 Traian Popovici, Cernăuţi 1941. Prigoana, ghetoul şi <strong>de</strong>portarea. Spovedanea fostului<br />
primar al Municipiului Cernăuţi, in Matatias Carp, Cartea Neagră, vol. 3, Bucureşti, 1996, S. 164-189;<br />
Mariana Hausleitner, Die Rumänisierung <strong>de</strong>r Bukowina. Die Durchsetzung <strong>de</strong>s nationalstaatlichen<br />
Anspruchs Grossrumäniens 1918-1944, München, 2001, S. 393ff.<br />
16 Jean Ancel, Transnistria, vol. II, Bucureşti, 1998; Andrej Angrick, Rumänien, die SS und<br />
die Vernichtung <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n, in Hausleitner u.a, Rumänien, a.a.O., S. 113-138; S. Ja. Borovoj, Gibel'<br />
evrejskogo naselenija O<strong>de</strong>ssy, in Katastrofa i soprotivlenie ukrainskogo evrejstva 1941-1944, Kiev,<br />
1999, S. 118-153.<br />
17 Sorina Bolovan, Ioan Bolovan, Problemele <strong>de</strong>mografice ale Transilvaniei între stiinţă şi<br />
politică 1920-1945, in Transilvania între medieval şi mo<strong>de</strong>rn, Camil Mureşan (Hg.), Cluj, 1996,<br />
S. 125-131 (Sabin Manuilă, Anexa).