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fünf Kindern. Er ist der einzige Sohn. Von<br />

seinen vier Schwestern haben zwei<br />

eigene Kinder. Er ist also vierfacher<br />

Onkel. Sein Vater ist vor neun Jahren<br />

verstorben. Er arbeitete fürs marokkanische<br />

Militär. Deshalb bekommt seine<br />

Mutter eine staatliche Rente.<br />

Mit 7 Jahren ist Hamza in die Schule<br />

gekommen, die er bis zum 16. Lebensjahr<br />

besuchte. «Ich war nicht schlecht in der<br />

Schule, aber ich bin nicht sehr gerne<br />

hingegangen. Ich war halt ein bisschen<br />

faul.» In der Schule und auch in der<br />

Freizeit hat man sportlich ausschliesslich<br />

Fussball gespielt. Als er 14 Jahre alt war,<br />

ist ein Volleyball-Coach auf den schlaksigen<br />

Jüngling aufmerksam geworden.<br />

Doch es dauerte ein Jahr, bis er Hamza<br />

überzeugen konnte, es mit Volleyball zu<br />

versuchen. «Volleyball zählt in Marokko<br />

nicht sehr viel. An die Spiele der<br />

obersten Liga kommen höchstens 80<br />

Zuschauer. Manchmal war ausser den<br />

Spielern nur gerade ein Schiedsrichter in<br />

der Halle, aber kein einziger Zuschauer.»<br />

Während zwei Jahren trainierte Hamza<br />

wie ein Wilder, zweimal täglich. Dann<br />

war er mit 17 Jahren auf einem Niveau,<br />

dass er bei Rachad Meknès in der<br />

zweitobersten Liga des Landes einsteigen<br />

konnte. Nach einem Jahr wechselte<br />

er in die oberste Liga zu Youssoufia. Und<br />

wieder ein Jahr später erfolgte der<br />

Schritt in die oberste spanische Liga zu<br />

Melilla. Dies ist eine spanische Exklave<br />

an der nordafrikanischen Mittelmeerküste<br />

mit einer Landgrenze zu Marokko. Ein<br />

Freund hatte ihn dorthin vermittelt.<br />

Nach vier Monaten musste er aber in<br />

seine Heimatstadt zurückkehren, da eine<br />

seiner Schwestern schwer erkrankt war.<br />

Er schloss sich einem Verein in Meknès<br />

an, aber schon bald zog es ihn in die<br />

Ferne. Er heuerte beim ungarischen<br />

Erstligisten Kaposvári Röplabda an, mit<br />

dem er zweimal Vizemeister in Ungarn<br />

wurde. Auf Rat seines Managers blieb<br />

er nicht in der ungarischen Puszta,<br />

sondern wechselte zu Amriswil. «Ich<br />

möchte in meiner Karriere Stufe für<br />

Stufe vorwärtskommen. Jetzt bin ich in<br />

der Schweiz. Als nächstes möchte ich<br />

nach Frankreich gehen, und vielleicht<br />

komme ich via Polen meinem Traum, der<br />

italienischen Liga, näher.»<br />

In der Schweiz gefällt es ihm gut.<br />

Amriswil sei sehr klein, meint er, und am<br />

Abend laufe gar nichts. In Marokko<br />

könne man am Abend in ein Café-Haus<br />

gehen und draussen mit Freunden<br />

zusammensitzen. Ich will wissen:<br />

«Kennst du ausser deinen Teamkollegen<br />

und dem Staff von Volley Amriswil<br />

irgend jemanden?» «Nein, ich kenne<br />

niemanden. Ich bin ab und zu mit Jhon<br />

(Wendt) und Dima (Filippov) zusammen.<br />

Und auch schon mal mit Abo. Weil ich<br />

kein Auto habe, war ich bis jetzt nur<br />

einmal in St. Gallen und einige Male in<br />

Konstanz.»<br />

Hamza erzählt mir auch noch, dass er<br />

sowohl in Ungarn wie in der marokkanischen<br />

Nationalmannschaft jeweilen zu<br />

den Starting-Six gehört habe. Leider<br />

komme er bei Amriswil nicht so häufig<br />

zum Einsatz. Er habe bis jetzt bezüglich<br />

Verletzungen sehr viel Glück gehabt.<br />

Manchmal würden ihm zwar die Knie<br />

weh tun, aber so richtig verletzt sei er<br />

noch nie gewesen.<br />

Bevor wir uns nach der wunderbaren<br />

Pizza (für den Mohammedaner Hamza<br />

natürlich ohne Schweinefleisch!)<br />

verabschieden, will ich von ihm wissen:<br />

«Warum hast du gestern abgewinkt, als<br />

ich dich fürs Interview aufbieten<br />

wollte?» «Ich habe gemeint, das sei mit<br />

Videokamera und so, und das liebe ich<br />

gar nicht.»<br />

Ich nehm’s ihm ab, denn gegenüber<br />

Leuten, die er (noch) nicht kennt, ist<br />

Hamza sehr verschlossen. - B. Windler<br />

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