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Druidenstein_26_Final

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„Weißt du? Manchmal denke ich das ganze Universum ist ein Spiel der Kräfte“, flüsterte Fee

kaum hörbar … Das Spiel von Zeit und Ewigkeit, von Leben und Tod, von Feuer und Eis, von

Glück und Unglück, von Niedergang und Auferstehung“. Wieder vergingen Augenblicke und

einige Zeit. Die Pausen zwischen ihrem Austausch an Gedanken wurden länger und fühlten

sich deswegen nicht weniger gehaltvoll an.

„Apropos „Auferstehen“, ich glaube, wir probieren einmal von unserer köstlichen Suppe,

das wärmt und nährt uns bis zum jüngsten Tage, wann immer der sein wird“, sagte Fee

nach einer Weile, klopfte Nanuu auf seine rechte Schulter und begann mit einem hölzernen

selbstgeschnitzten und fein glatt geschmirgeltem Schöpflöffel aus Eichenholz Suppe in zwei

Schalen zu füllen. „Für alle ist genug da!“ Sie lächelten sich kurz zu, und Nanuu nahm das

von ihr dargebotene Brot dankbar an, ahmte dabei einen komischen, irgendwie gänzlich unpassenden

Militärgruss an seiner unterdessen recht nassen Pelzmütze nach.

Die atmosphärischen Bilder der äußeren Natur korrespondierten hier enger mit den Bildern

des Lebens, die uns oft innerlich so berühren,

als seien sie viel mehr als *nur“ Bilder. Das

welke Laub, das auf dunkler Erde lag, und das

der Wind in plötzlichen Bewegungen aufrollte,

als ob es sich krümmen müsste. Und der

niederrauschende Regen, der die ganze Erde

in ein vollständiges Dunkelgrau tauchte, der

die farbigen Blätter schwanken und knicken

ließ, kündigte unverhohlen den Herbst und

Samhain an.

Wer waren diese beiden Menschen hier bei

diesem seltsamen Eremiten, der sie immer

wieder mitfühlend und mit großem Einfühlungsvermögen,

aber auch Humor auf ihre inneren

Seelenbilder hinweisen konnte ?

Beide betrachteten sich als eine Art Sonderling, was nicht besonders erstaunen mochte.

Die eine, Melinda-Sofia mehr der (klösterlichen) Heilkunst, Botanisierung zugewandt, und

das nicht ohne historische Hintergründe einzubeziehen. Sie stand, wie schon erwähnt kurz

vor ihrem Studienende und war schon mit jungen Jahren Teilhaberin einer Phytofarm – Unternehmung

im Unterland. Einmal, weil sie davon überzeugt war, und zweitens durchaus

auch mit Ambitionen darauf, ihre Kräuterprodukte, Salben und Heilmittel zu vermarkten.

Daher war eines ihrer Studienschwerpunkte auch die Klostermedizin und Hildegard von

Bingen. Ihr Vater unterstützte sie dabei schon jetzt aus den USA mit einem vielversprechenden

Geschäftsmodell, aber sie hatte keine Ahnung, wo das hinführen könnte.

Der andere Pilger, Nanuu - man hätte meinen können - in einer ersten Midlifecrisis befangen,

trieb sich also träumend im Freien herum, zuerst während seiner seltenen Freizeit

als Lehrperson, machte heimliche Verse, zog sich dabei seine langen Haare mit filigranen

Fingern ins Gesicht, so als wenn er durch einen Vorhang die Wirklichkeit dahinter zu entdecken

dachte. Und jetzt zog er täglich hier durch die Wälder, mit seinen klugen dunklen Augen,

und seinem blassen Teint. Natürlich fehlten ihm seine Gitarre und seine Musikliteratur

manchmal, namentlich Villa-Lobos und von Johann Sebastian Bach dessen Lautensuiten. Er

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