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Druidenstein_26_Final

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Lehren aus dem vergangenen Leben, bevor die Reise

dann weitergeht und zu einer neuen Geburt führen

kann. Eine weitere Geschichte dieser Art ist die Reise

von Maelduin, die ähnlich wie die Geschichte des

Heiligen Brendan zu unterschiedlichen Orten der

Anderswelt führt. Die Orte der Anderswelt werden

zugänglich an den so genannten ‚dünnen‘ Orten und

Zeiten im Jahreskreis, z.B. an Samhain und Beltane.

Aus diesen Geschichten entwickelte sich zu Beginn

des 18. Jahrhunderts die Vorstellung von den drei

Kreisen der Manifestation als philosophisches System

(James Thomson

und Iolo Morganwg).

Der erste Kreis ist Abred,

der alle niederen

Lebensformen bis hin

zum Menschen umfasst.

Der Ursprung

des Lebens in Abred

ist Annwn, das Mineralreich.

Die Lebewesen

durchlaufen die

Stadien angefangen

vom Einzeller bis hin

zum Menschen. Wer

als Mensch sein Potenzial

voll ausgeschöpft

hat, gelangt zum zweiten

Kreis namens

Gwynfydd. Gwynfydd

ist ein Bereich von Freiheit

und Awen, Inspiration.

Dort beginnt die

Reise von neuem von

der untersten Stufe bis

zur Ausschöpfung des

vollen Potenzials, nur

auf einem viel höheren

Niveau. Der dritte

Kreis der Manifestation

ist Ceugant, in dem jegliches Potenzial voll realisiert

ist. Dieser Bereich wird freilich niemals erreicht; es

repräsentiert das Potenzial selbst, also das Göttliche.

Die Kreise der Manifestation lassen sich wörtlich

verstehen oder allegorisch. Das heißt, dass wir

sie geschichtlich begreifen können oder als Geisteszustände.

Abred steht für die Vergangenheit, das

Schicksal oder Karma, Gwynfydd für die Gegenwart

und den freien Willen, der in der Lage ist, sich vom

vorgezeichneten Schicksal und Karma zu lösen. Ceugant

steht für die Zukunft und das Potenzial, dass

jedem zur Verfügung steht. Unser heutiges Leben in

der Gegenwart wird aus Vergangenheit und der Zukunft

mitbestimmt und wir müssen in der Gegenwart

entscheiden, welche dieser Einflüsse wir zulassen

und wo wir das Awen der Inspiration fließen

lassen wollen. Wir können mehr oder weniger selbst

entscheiden, ob wir in Abred oder Gwynfydd leben

oder an Ceugant, dem Potenzial, orientieren. Wie die

Mystiker des Buddhismus, des Christentums und des

Hinduismus brauchen wir nicht auf das Leben nach

dem Tod zu warten, um in den erhabenen Zustand

von Gwynfydd oder sogar Ceugant zu gelangen, sondern

können diesen bereits zu Lebzeiten erreichen.

Auch wir können im Bewusstsein eins werden mit der

göttlichen Dimension, wenn wir in der Meditation

oder beim Chanten unseren höchsten Idealen, wie

der Liebe, dem Frieden, der Gottheit und dem großen

Geist bewusst werden. Meditation

und Achtsamkeit als

Wild Mindfulness, Chanten

(Bhakti-Yoga), Philosophie

und hingebungsvoller Dienst

am Nächsten sind auch im modernen

Druidentum spirituelle

Pfade, die uns zu Lebzeiten mit

der Ewigkeit und der Transzendenz

verbinden. Dabei verlieren

wir im Druidentum nicht

den Kontakt zur Natur und den

menschlichen Trieben, die wir

ehren und schätzen und die jeden

Menschen in seiner Ganzheit

ausmachen.

In den meisten Religionen und

Spiritualitäten finden die Menschen

beim Gedanken und im

Angesicht des Todes Trost bei

der Göttin und dem, was auf

Englisch ‚The Divine Feminine‘

genannt wird. Die Große Mutter

der Erde wird von vielen Menschen

als nahbarer empfunden

als ein abstrakter männlicher

Gott des Himmels. Die katholischen

Christen beten als Teil

Illustration: André Lorino

des Ave Maria die Zeile „Heilige Maria, Mutter Gottes,

bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres

Todes.“ Im Hinduismus beten die Menschen die

Göttin des Todes Kali an. Ihr Name erinnert an die

im Druidentum verehrte Cailleach und im tibetischen

Buddhismus an die Göttin Kalachakra, was übersetzt

das Rad der Zeit bedeutet. Samhain ist die Zeit, an der

die Druiden in Kontakt treten mit Cailleach und nicht

mehr Benötigtes losgelassen wird. Das Leben selbst

ist eine spirituelle Übung des Loslassens. Wenn wir

diese Übung meistern, dann meistern wir auch den

letzten Schritt und den Übergang in das Mysterium

des neuen Lebens.

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