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13.07.2013 Views

Meilenweit für die Umwelt Christian Weymayr, in: Die Zeit, 10.9.1993 1 1 Neulich auf der Fahrrad--Demo waren alle, alle da: Ökos, Müslis, Alternative, Punks, 2 Mountainbike— und Liegeradfreaks, Muttis und Vatis. Keine Frage, die Umwelt macht vielen Men- 3 schen Sorgen. Der Müll ist ein gutes Beispiel. Kaum einer kann sich der Trenn--Euphorie entziehen, 4 die das duale System auf den Punkt gebracht hat. Oder nehmen wir das leibliche Wohl: Bioläden, 5 die uns mit umweltgerecht erzeugten Lebensmitteln und Socken aus naturbelassener Wolle versor- 6 gen, werden mittlerweile von Supermärkten kopiert. Setzt sich allmählich der umweltbewußte, der 7 ökologische Lebensstil durch? 2 8 Ansatzweise vielleicht, aber nicht in der Substanz: Fahrräder boomen, doch kaum einer fährt damit 9 täglich zur Arbeit. Für den motorisierten Bürger im Sammelwahn ist kein Container zu weit, um 10 11 den Joghurtbecher seiner Wiederverwertung zuzuführen. Das Bioladen--Quellwasser — aus Norwegen im Einwegkarton herangekarrt — macht deutlich, daß auch die demonstrativ Ökobewußten 12 zwar einzelne Aspekte der umweltverträglichen Lebensführung beherzigen, aber gleichzeitig andere 13 völlig ausklammern. 3 14 Der Soziologe Fritz Reusswig hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Politische Ökologie unser 15 16 grünes Gewissen ausgeleuchtet: ≫Ökologisches Bewußtsein hat sich keineswegs nur im ’angestammten’ Milieu der Müslis und Ökos durchgesetzt. Im Gegenteil: Die Öko--Orientierung in Deutschland 17 wuchs in den achtziger Jahren, obwohl das ’alternative Milieu’ sich zwischen 1983 und 1992 von 18 vier Prozent auf zwei Prozent der Bevölkerung reduziert hatte.≪ 4 19 Umweltbewußtsein haben also auch die ≫Etablierten≪ entwickelt. Im Vergleich verhalten sich die 20 ≫Alternativen≪ nicht unbedingt besser: ≫Sie wissen zwar mehr über die Umwelt und ihre Krise, 21 sind aber weniger nachhaltig bereit, ihr Verhalten danach einzustellen. Aufgrund ihrer relativ 22 geringen Technikadaptation ist ihre Energieeffizienz zudem sehr schlecht.≪ Ein Auto bleibt auch 23 dann ein ökologischer Störfall, wenn man es bunt anmalt. 5 24 Über die spießig--unmündigen Mitbürger rümpft die Ökointelligenz gern die Nase, auf die Reusswig 25 sie nun haut: ≫Global 2000 im Bücherschrank und die Ökologischen Hefte auf dem Tisch — das 26 kann unter Umständen mit einem weniger ökologischen Lebensstil einhergehen als etwa Roger examen toelichting vragen antwoorden Duits 1995–1 VWO ◭ ◭ ◮ ◮

27 Whittaker und der Otto--Katalog.≪ Für die Umwelt zählen letztlich die Resultate und nicht die 28 Motive: Wenn Energie und Rohstoffe verschwendet werden, ist schließlich egal, wie das geschieht 29 — ob unbewußt oder bewußt, ob mit gutem oder schlechtem Gewissen, ob mit Lust oder Frust. 6 30 In einer Studie aus Bern und München kamen Ökosoziologen zu folgendem Ergebnis: ≫Wer einer 31 32 höheren Schicht angehört, fährt zwar häufiger Auto und verbraucht mehr Energie, aber kauft mehr in Bio-/ Ökoläden. Höher Gebildete brauchen überdurchschnittlich viel warmes Wasser (Hygiene- 33 ansprüche in Angestelltenberufen), aber kaufen ebenfalls in Bioläden und fahren öfter mit der S-- 34 35 Bahn zur Arbeit. Familien mit Kindern benutzen häufiger das Auto, aber sortieren Alu/Weißblech besonders gut aus und kaufen umweltbewußter ein. Ältere Menschen schludern bei der Abfalltren- 36 nung, aber haben kaum Wäschetrockner und sind im Verkehrsbereich sehr umweltfreundlich.≪ 7 37 Jeder, wie er kann. Oder nur jeder, wie er will? Daß wir uns, wie die Soziologen mitleidlos analysiert 38 haben, nur die Rosinen aus dem Ökokuchen herauspicken, gibt uns zwar ein gutes Gewissen, bringt 39 aber der Umwelt nicht viel. examen toelichting vragen antwoorden Duits 1995–1 VWO ◭ ◭ ◮ ◮

Meilenweit für die Umwelt<br />

Christian Weymayr, in: Die Zeit, 10.9.1993<br />

1 1 Neulich auf der Fahrrad--Demo waren alle, alle da: Ökos, Müslis, Alternative, Punks,<br />

2 Mountainbike— und Liegeradfreaks, Muttis und Vatis. Keine Frage, die Umwelt macht vielen Men-<br />

3 schen Sorgen. Der Müll ist ein gutes Beispiel. Kaum einer kann sich der Trenn--Euphorie entziehen,<br />

4 die das duale System auf den Punkt gebracht hat. Oder nehmen wir das leibliche Wohl: Bioläden,<br />

5 die uns mit umweltgerecht erzeugten Lebensmitteln und Socken aus naturbelassener Wolle versor-<br />

6 gen, werden mittlerweile von Supermärkten kopiert. Setzt sich allmählich der umweltbewußte, der<br />

7 ökologische Lebensstil durch?<br />

2 8 Ansatzweise vielleicht, aber nicht in der Substanz: Fahrräder boomen, doch kaum einer fährt damit<br />

9 täglich zur Arbeit. Für den motorisierten Bürger im Sammelwahn ist kein Container zu weit, um<br />

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den Joghurtbecher seiner Wiederverwertung zuzuführen. Das Bioladen--Quellwasser — aus Norwegen<br />

im Einwegkarton herangekarrt — macht deutlich, daß auch die demonstrativ Ökobewußten<br />

12 zwar einzelne Aspekte der umweltverträglichen Lebensführung beherzigen, aber gleichzeitig andere<br />

13 völlig ausklammern.<br />

3 14 Der Soziologe Fritz Reusswig hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Politische Ökologie unser<br />

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grünes Gewissen ausgeleuchtet: ≫Ökologisches Bewußtsein hat sich keineswegs nur im ’angestammten’<br />

Milieu der Müslis und Ökos durchgesetzt. Im Gegenteil: Die Öko--Orientierung in Deutschland<br />

17 wuchs in den achtziger Jahren, obwohl das ’alternative Milieu’ sich zwischen 1983 und 1992 von<br />

18 vier Prozent auf zwei Prozent der Bevölkerung reduziert hatte.≪<br />

4 19 Umweltbewußtsein haben also auch die ≫Etablierten≪ entwickelt. Im Vergleich verhalten sich die<br />

20 ≫Alternativen≪ nicht unbedingt besser: ≫Sie wissen zwar mehr über die Umwelt und ihre Krise,<br />

21 sind aber weniger nachhaltig bereit, ihr Verhalten danach einzustellen. Aufgrund ihrer relativ<br />

22 geringen Technikadaptation ist ihre Energieeffizienz zudem sehr schlecht.≪ Ein Auto bleibt auch<br />

23 dann ein ökologischer Störfall, wenn man es bunt anmalt.<br />

5 24 Über die spießig--unmündigen Mitbürger rümpft die Ökointelligenz gern die Nase, auf die Reusswig<br />

25 sie nun haut: ≫Global 2000 im Bücherschrank und die Ökologischen Hefte auf dem Tisch — das<br />

26 kann unter Umständen mit einem weniger ökologischen Lebensstil einhergehen als etwa Roger<br />

examen<br />

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