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vor 7 Jahren

Trendguide Niederrhein Vol. 6

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Portrait Und so kam er

Portrait Und so kam er im Winter 1970 von Emmerich nach Mönchengladbach und zog bei Mathilde Brückmann ein. Einer Witwe mit großem Haus, die viele Spieler bei sich aufgenommen hatte, und die alle nur „Tante Titti“ nannten. „Als ich zum ersten Mal zum Training in Gladbach kam, wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte – ob ich z. B. einen Günter Netzer einfach duzen konnte. Aber in der Kabine merkte ich schnell, dass das „Sie“ unter Mitspielern ziemlich albern gewesen wäre“, erzählt Rainer Bonhof. Das Entscheidende sei schließlich, wie man sich auf dem Platz behauptet. Bonhof hat zuerst ordentlich „auf die Socken“ bekommen, das gehörte dazu, aber er hat sich gewehrt. Und genau das wollten die Kollegen und Trainer sehen. Berti Vogts hatte ihn zum Gegenspieler auserkoren und diese Aufgabe sehr ernst genommen. Irgendwann sagte Hartwig Bleidick zu ihm: „Komm, Berti, lass gut sein. Der Kerl ist in Ordnung.“ Als der junge Rainer, noch nicht ganz volljährig, an den Bökelberg kam, schickte sich die Borussia gerade an, zum ersten Mal Deutscher Meister zu werden. Als schwierig hat er diese Situation aber nicht empfunden. Er habe das erste halbe Jahr noch in der A-Jugend gespielt, aber immer bei den Lizenzspielern mittrainiert – eine optimale Lehre. So konnte er sich langsam an das Niveau herantasten und mitbekommen, wie viel man investieren musste, um Deutscher Meister zu werden. Nebenbei ist er in den ersten sechs Monaten noch arbeiten gegangen und hat in einer Kfz-Werkstatt Autos repariert. Wenn Training oder Spiele waren, hatte er frei. Natürlich habe er das als eine Herausforderung angesehen, denn er wollte nicht einfach nur in Gladbach sein, sondern schon in dieser Mannschaft einen Platz bekommen und eine Meisterschaft gewinnen. Vollspann – Innenspann, – AuSSenspann Das schien zunächst schwierig, und er war sogar nahe dran zu resignieren, denn Trainer Hennes Weisweiler sagte wenige Tage nach dem Start des 17-Jährigen bei Borussia: „Junge, Dein Spiel ist eine Katastrophe.“ Aber der Trainer hatte eine Schwäche für Typen wie ihn, Typen, die noch formbar waren. Er hat Bonhof einen Ball mit den Worten „Der gehört jetzt Dir, und in 3 Monaten will ich den zerfetzt wiederhaben“ in die Hand gedrückt. Was machte Bonhof? Er zog sich abends die Turnschuhe an und trat den Ball hinterm Haus von Tante Titti gegen eine kleine Mauer, immer wieder: Vollspann, Innenspann, Außenspann. Nach 3 Wochen hat er den Ball ausgewechselt… Diese Episode sagt viel über Rainer Bonhof aus, über den gesagt wird, er sei ganz sicher nicht im Übermaß mit Talent gesegnet gewesen, aber er habe Ehrgeiz für Zwei gehabt. 12 Foto Borussia Gleich in seiner ersten Saison war er beim Spiel gegen Werder Bremen dabei, als es den legendären Pfostenbruch gab. Borussia-Stürmer Herbert Laumen ist damals mit viel Schwung ins Tornetz geflogen, und einer der Pfosten war

offenbar so morsch, dass er brach und das ganze Tor zusammenstürzte. Bonhof erzählt: „Es stand damals 1:1, und es gab Bemühungen, das Tor wieder aufzubauen, aber die waren, um ehrlich zu sein, nicht so wahnsinnig groß. Wir haben nicht gewusst, wie es weitergeht, dachten das Spiel werde wiederholt. Später kam Manager Helmut Grashoff und sagte, die Partie werde gegen uns gewertet. Wir sind übrigens trotzdem Meister geworden.“ Es gab bei Borussia diesen unbedingten Willen, in jedem Spiel gewinnen zu wollen, erst Hennes Weisweiler und dann Udo Lattek haben das auch befeuert. Beide waren verrückt nach Titeln. Dieser Geist hat sich auf die Mannschaft übertragen. Jedes Training war schon ein Wettkampf. Und dazu kam natürlich, dass es dort richtig viele gute Fußballer gab. Nicht umsonst galt die Borussia-Mannschaft damals als die spielstärkste Mannschaft. Vor allem Bonhofs Schusstechnik war damals überragend. Mit seinen Freistößen verbreitete er Angst und Schrecken im internationalen Fußball. Die Legendäre Fohlenelf Der Offensivfußball unter dem damals neuen Trainer Hennes Weisweiler hatte die ersten Früchte getragen und eine Begeisterungswelle nicht nur am fußballverrückten Niederrhein ausgelöst. Ihm verdankt der Klub nicht nur den Sprung 1965 in die Bundesliga, sondern auch den bis heute bekannten Spitznamen „Fohlenelf“, der durch die kontinuierliche Förderung junger Spieler zu dieser Zeit entstand. Weisweiler presste Spieler nicht in ein festes Spielsystem, sondern förderte den Individualismus und ließ ihnen weitgehende Freiheiten auf dem Spielfeld. Daraus resultierte eine unbekümmerte und offensive Spielweise, das Markenzeichen der Fohlenelf. „Wir waren jung, wild und ungestüm. Das gefiel den Leuten in dieser Zeit. Wir unterschieden uns halt ein bisschen von den anderen Mannschaften“, so sagte einmal Jupp Heynckes in einem Interview, worin er das Leichte, das Unbeschwerte hervorhob, das Gladbach verkörperte. Ich bin immer gefunden worden Nach seinem viel zu frühen Karriereende 1983 durch einen Kreuzbandriss und mit nur 31 Jahren machte Bonhof seine Trainerscheine, und Berti Vogts holte ihn nach der Weltmeisterschaft 1990 als Co-Trainer zur Nationalmannschaft. Anschließend war er kurzzeitig Trainer der U-21-Nationalmannschaft und wurde 1998 Nachfolger von Friedel Rausch als Trainer von Borussia Mönchengladbach, wo er mit dem Team erstmals aus der Bundesliga abstieg. Nach einem Start mit drei Niederlagen in der 2. Liga endete sein Engagement allerdings bald wieder. Von 2002 bis 2005 war Bonhof Trainer der U-21-Nationalmannschaft in Schottland und von 2006 bis 2008 arbeitete er als Scout für den FC Chelsea. 2009 kehrte er zu Borussia Mönchengladbach zurück und nahm das Angebot an, als zweiter Vize-Präsident neben Siegfried Söllner zu fungieren. Reihe hinten: Hans-Jürgen Wittkamp, Dietmar Danner, Jupp Heynckes, Wolfgang Kneib, Uli Stielike, Rainer Bonhof. Reihe vorne: Allan Simonsen, Herbert Heidenreich, Christian Kulik, Hans Klinkhammer, Berti Vogts. 13

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