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„Stand bis Starnberg

„Stand bis Starnberg mit meinem Koffer auf der Plattform; unangenehm war nur der Kohlenrauch“, schildert Thomas Mann im Tagebuch vom 17. Mai 1919 die Fahrt an den Würmsee, so dessen ursprünglicher Name, wo er den Unruhen nach der Zerschlagung der Räterepublik Bayern entgehen wollte. Im noblen Feldafing überließ ihm sein Freund Georg Martin Richter für 10 000 Mark zwei Zimmer im ersten Stock seines Ferienhauses zur ständigen Nutzung. „Mausloch mit Grammofon“ oder auch „Villino“ nannte Mann das im englischen Stil erbaute Häuschen am Westufer des Starnberger Sees, in dem er sich fern vom familiären Trubel seines Münchner Anwesens dem Schreiben widmete. Erst 1994 entdeckte der Münchner Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer die kleine Villa bei einem seiner literarischen Spaziergänge durch Zufall auf Bundeswehrgelände und konnte sie in den folgenden Jahren in eine literarische Gedenkstätte umwandeln. Zwischen 1919 und 1924 entstanden dort große Teile des „Zauberbergs“ und der weltanschaulichen Essays, in denen sich – laut Heißerer – Manns Wendung vom „polemisierenden Antidemokraten“ zum „politischen Verantwortungsethiker“ zeigt. Besonders wichtig für Werk und Leben des Nobelpreisträgers wurde seine erste Begegnung mit dem vorzüglichen Grammofon des Hausherrn Richter, auf dem er seine Lieblingsplatten beständig spielen ließ. Das berühmte Kapitel „Die Fülle des Wohllauts“ im „Zauberberg“ verdankt seine Entstehung also unmittelbar den Aufenthalten im Feldafinger Ferienhaus „Villino“. Dabei ist Mann nur durch einen „schlimmen Zwischenfall“ zu dem Apparat gekommen: Entgegen der Abmachung hatte Richter den Kaufpreis des Hauses bei der Steuer angegeben, worüber es zu einem heftigen Streit mit dem Freund kam. Um seinen guten Willen zu zeigen, kaufte der Kunsthändler ein Segelboot und das Grammofon samt Platten. Während. Letzteres in Mann „eine etwas ins Lasterhafte abbiegende Leidenschaft“ weckte, blieb die Jolle unaufgetakelt im Bootshaus liegen. Thomas Mann ruderte lieber, badete im „herrlich meerartigen“ See und genoss seine plötzlich wiedergefundene „Tonio-Kröger-Einsamkeit“ bei ausgedehnten Spaziergängen in den waldreichen Hügellandschaften zwischen Starnberg und Tutzing. 68

Keine künstlerische Ruhe, sondern eine trinkfeste Stammtischgesellschaft suchte der umstrittene Filmemacher, Maler und Schriftsteller Herbert Achternbusch am See. Der erbarmungslose Selbstdarsteller, der sein Leben noch immer in Endlosprosa über die Bücher verteilt, fand sie am gegenüberliegenden Ufer in Ambach, einem kleinen hübschen Dorf mit 300 Einwohnern, in dem sich noch am ehesten die geschlossene Atmosphäre jener phantasievollen Landhäuser erhalten hat, mit der das aufstrebende Bürgertum des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Starnberger See zu einer aparten Kulturlandschaft umgestaltete. TRENDGUIDE HOME | STARNBERG Eine kurvenreiche Straße windet sich hinab zum Wasser, vorbei an alten Bauernhäusern und sanft geschwungenen Wiesen, wo wohlgenährte Katzen auf der Lauer liegen, vorbei an der Holzhausener Kirche und an weitläufigen Obstgärten. Obwohl die schmale Seeuferstraße in Ambach für den Durchgangsverkehr gesperrt ist, fällt es schwer, dort einen Parkplatz zu ergattern. Denn gleich gegenüber dem Dampfersteg liegt das wahrscheinlich bekannteste Lokal am See: das Gasthaus „Zum Fischmeister“, das sich seit Generationen im Besitz der Familie Bierbichler befindet. Ende der 1970er-Jahre gründete der Kreuz-und-quer-Denker Achternbusch dort gemeinsam mit dem Wirtssohn Sepp Bierbichler und dessen Schwester Annamirl eine Wohngemeinschaft, die sich auch erfolgreich als Filmensemble versuchte. Die Künstler-WG hielt zwar nur wenige Jahre, begründete aber einen Mythos, der bis heute die Kreativen aus München und der Republik anzieht. Wobei der „Bierbichler“, wie die Einheimischen das Lokal nennen, nüchtern betrachtet nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein schmuckes bayerisches Wirtshaus mit kleinem Biergarten in traumhafter Lage ist. Nur einen Steinwurf vom Bierbichler entfernt erwarb 1918 der erfolgreiche Verleger und Schriftsteller Waldemar Bonsels das Haus des ungarischen Historienmalers Gyula Benczur. Nach dem Welterfolg seines Buches „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ konnte sich Bonsels diese spontane Entscheidung leisten. Bis heute erreichte die Geschichte um die neugierige Biene Millionenauflagen. Starnberger See 69

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