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Motocross Enduro Ausgabe 7/2016

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2017 lässt grüßen Es ist wieder einmal soweit. Die Technikbegeisterten unter euch können die kommenden Monate kaum erwarten. Wir kennen das, denn auch unsere Redakteure sitzen in den folgenden Wochen auf heißen Kohlen. Warum?, dürfte sich nun der ein oder andere fragen. Nun, diese Frage sei schnell beantwortet. Die neuen Modelle kommen! Der jährliche Hype aller Hersteller hat begonnen und der Run auf die 2017er Modell-Präsentationen ist eingeleitet...

TEST: SWM RS 650 R 24

TEST: SWM RS 650 R 24 MCE Juli '16 Im Stand: Überraschende Renaissance Einmal neuere Motorradgeschichte im Schnelldurchgang: Ein ehemaliger technischer Direktor Husqvarnas (Ampelio Macchi) sichert sich das Namensrecht einer legendären, aber längst „verstorbenen“ italienischen Enduromarke (SWM), findet in Daxing Gong (Inhaber der chinesischen Shineray-Gruppe) einen Investor. Er „reanimiert“ in Varese das ehemalige Husqvarna-Werk (nebst einem Großteil der ehemaligen Belegschaft!), um dort auf Basis bewährter Husqvarna-Technologie der letzten Generation (vor dem Verkauf an KTM) in leicht abgeänderter Form neue Enduromodelle unter dem Namen SWM (steht für Speedy Working Motors) zu produzieren. Ja, so leicht liest sich das, war es aber mit Sicherheit gar nicht. Da war es mit Sicherheit leichter, auf die noch vorhandene Ex- Husqvarna-Technologie zurückzugreifen, dezent auf den Stand der Zeit zu hieven und mit einer eigenen optischen Identität (Farben und Formen) zu versehen. Herausgekommen ist hierbei unter anderem diese SWM RS 650 R, deren Gene jeder Kenner der ehemaligen Modellgeschichte Husqvarnas sofort dem ehemaligen Big-Single namens TE 630 zuordnen kann. Einem Modell, das damals im Jahr 2011 mit dem Spruch „Racing Spirit für den Alltag“ beworben wurde. Nun sieht diese SWM RS 650 R jedoch etwas weniger nach Racing, dafür umso mehr nach Alltagstauglichkeit aus. Technische Zeugen für diese Behauptung finden sich in erster Linie bei den leicht reduzierten Federwegen (vorne von 270 mm auf 210 mm, hinten von 320 mm auf 270 mm), der Bereifung (Pirelli Scorpion A/T statt Metzeler MCE Karoo), aber auch bei solchen Details wie Haltegriffen für die (vorzugsweise) Sozia. Damit also eine klare Zusage in Richtung Dualsport, will heißen, Sportmotorräder mit hohem und vielfältigem Nutzwert. Die Felgenwahl von 21 Zoll vorne und 18 Zoll hinten ist hierbei schlau gewählt, öffnet sie doch den Zugang zu vielfältig bestollten Gummipneus, die dann bei Bedarf den Radius ganz erheblich in Richtung Pampaeinsatz erweitern helfen. Bei solch einem puristischen Grundkonzept sind zwar weder überbordende Serienausstattung noch irgendwelche Gimmicks zu erwarten, doch die Abwesenheit von Handprotektoren und Bodenwanne vermisst man dann draußen im Gröberen doch schmerzlich. Aber okay, eigentlich sollte ich in diesem Zusammenhang lieber meine verwöhnte Klappe halten, denn mit einem Verkaufspreis von 6490 Euro ist diese SWM um satte 800 Euro billiger als die damals eh schon günstige Husqvarna TE 630…! Bleibt in diesem Kapitel noch abschließend eine Anmerkung zur Optik dieser SWM. Denn jene dürfte nachhaltig polarisieren, mit ihrer sehr traditionalistischen Farbgebung (eben die klassischen SWM-Rennfarben), aber auch die gewagte Mischung aus kantigem Bodywork und geschwungener Doppelauspuffanlage. Ich persönlich sag’ mal nur „Neo- Retro-Scramblerlook“ oder so was in die Richtung. Letztendlich liegt die Schönheit im Auge des Betrachters und ich bin im Grunde heilfroh, dass mit einer neuen „alten“ Enduromarke wieder ein Stück mehr Vielfalt in eine Szene mit zuletzt monopolistischen Tendenzen eingezogen ist. In Aktion: Town and Country Draufsetzen und wohlfühlen – diese Gedanken schießen mir bei der ersten Sitzprobe spontan durch den Kopf. Eine angenehm breite Sitzbank (die sich später dann auch durch „Dauersitzkomfort“ auszeichnet) und prima Layout der Bezugspunkte zwischen Lenker, Fußrasten und nicht allzu hoher Sitzposition. Summa summarum vermittelt dies ein gutes und stets natürliches Kontrollgefühl – selbst beim endurotypischen „Stehen in den Rasten“. Einen kleinen Dämpfer erhält dieser positive erste Eindruck dann doch noch: Das Zündschloss ist zu tiefliegend und beengt eingebaut, um den Zündschlüssel locker mit Handschuhen im Schloss zu drehen. Schnell wettgemacht wird diese eigentlich vom Hersteller leicht behebbare Detailschwäche durch den kernigen motorischen Auftritt. Vollmundig und sonor, aber dennoch nie störend laut, ballert das 600-Kubikzentimeter-Triebwerk im Leerlauf los. Die Kupplung lässt sich schön leicht und mit gutem Feedback aktivieren, nur das Getriebe erfordert ein etwas nachdrücklicheres Einlegen der Gänge. Im untersten Drehzahlbereich erweist sich diese SWM dann auch als klassischer Big-Single, der dort mit geradezu physisch fühlbarer Rauigkeit loslegt und es scheinbar kaum erwarten kann, „in die Touren“ zu kommen. Wobei mit „Touren“ keinesfalls der obere Drehzahlbereich gemeint ist, denn schon gegen Ende des unteren Drehzahlbereichs beginnt sich so was wie Laufkultur zu entwickeln und fortan zieht unser Testproband dann auch bärig druckvoll durch, bleibt dabei aber stets vorbildlich gleichmäßig in der Entfaltung. Erst jenseits von etwa 7000 Umdrehungen/ min. fällt der Kraftfluss sanft ab, vermag aber durchaus noch bis gut 8000 Umdrehungen/min. weiterzudrehen. Insgesamt ein charaktervolles, aber auch effektives Triebwerk, das mit diesen Eigenschaften nicht nur auf kurvigen Landstraßen genuss- und druckvolles Herausbeschleunigen ermöglicht, sondern mit seiner Linearität und damit überraschungsfreien Dosierbarkeit auch auf rutschigen Schotterpisten und überhaupt im Offroadeinsatz bestens zu überzeugen weiß. Somit hat unser Testbike nicht nur auf 300 Kilometern Asphalt in Südfrankreich überzeugt, sondern auch auf gut 150 Kilometern provenzalischer Schotterpisten, felsigem Terrain und Singletrails. Limitierend wirkten bei letzterem selbstredend die Serienbereifung, der lange Radstand nebst eingeschränktem Lenkwinkel und natürlich auch das relativ hohe Gesamtgewicht. Dennoch, es war absolut verblüffend, wie weit man mit diesem Dirtbike in der Pampa kommt und wie man sich im Verlauf des Tests immer mehr zutraut. Als alter Crosser und Endurist traut man ja eigentlich keinem Motorrad ohne Stollenbereifung…! Noch ein Wort zu den Werten: Mit einem durchschnittlichen Testverbrauch von gerade mal 4,2 l/100 km eignet sich die SWM RS 650 R durchaus auch für längere Trips und mit einer (laut Tacho) Spitzengeschwindigkeit von zirka 165 km/h ist sie zudem ziemlich flott – zumindest theoretisch, denn der fehlende Windschutz lässt bereits Geschwindigkeiten jenseits von 120 Stundenkilometern auf Dauer unangenehm auf Kopf Die RS 650 R in Aktion – quasi die XT 600 der Moderne und Brust drücken. Ein kurzes Windschild als Zubehör-Add-On (nebst einer Gepäckbrücke…) würde die Einsatzbandbreite dieses Dualsportlers nochmals merklich erweitern helfen – nur mal so als Anregung nach Bella Italia. Apropos Anregung, jener bedarf es dem Chassis der RS 650 R jedenfalls kaum, denn dieses Bike weist eine gekonnt stimmige Balance zwischen den verschiedenen Parametern auf. Erstaunlich feinfühlige und unisono arbeitende Federungskomponenten bügeln selbst in grobsteinigem Gelände so ziemlich alles glatt und die Gabel taucht bei sportivem Straßeneinsatz (hartes Abbremsen…) nicht allzu tief ein. Die Nickbewegungen des Fahrwerks halten sich also in Grenzen, was sicher nicht nur der guten Federungsabstimmung geschuldet ist, sondern auch den leicht

eduzierten Federwegen. Folglich liegt diese SWM stets satt und bestens kontrollierbar auf der Piste, schwingt locker durch Serpentinen und Großstadtverkehr und folgt selbst bei Topspeed unbeirrt souverän der eingeschlagenen Fahrtrichtung. Die Bremsen halten in diesem Bezug das Performanceniveau, geben ein gutes Feedback und bieten eine sichere Bremsleistung. Lediglich die vordere Bremsscheibe machte gelegentlich durch Quietschgeräusche bei starkem Abbremsen unangenehm auf sich aufmerksam. Letztendlich ein vernachlässigbarer Schönheitsfehler bei einem Dirtbike, das derart viele Facetten unseres Sports abzudecken weiß. Ich kann mir dieses Motorrad sehr gut für jemanden vorstellen, der nicht nur werktags damit zur Arbeit fährt, sondern auch am Wochenende gerne auf Entdeckungsreise in unbekannte Regionen und/oder unbekanntes Terrain geht. Sozusagen ein treuer, sportiver Begleiter für alle Fälle, die das Motorradleben so bietet. Eigentlich bräuchte ich selbst auch mal so was, nach all den einsatzbegrenzten „Spezialmotorrädern“, die ich so in den vergangenen Jahren bei mir rumstehen hatte … Fazit: Der Schwabe in dir oder das Beste kommt zum Schluss Bentornate SWM! Nicht nur, dass auch wir uns über die Rückkehr einer alten Enduromarke freuen, über den Zuwachs an Diversität in diesem Marktsegment oder gar dass etliche ehemalige Angestellte im Vareser Werk nun wieder eine Arbeit gefunden haben – nein, wir freuen uns insbesondere über ein Motorrad, dass Charakter und Vielfalt, Sinn und sinnliches Vergnügen bereitet. Irgendwie erscheint mir diese SWM RS 650 R so was wie die moderne italienische Reinkarnation der ehemaligen Yamaha XT 600 zu sein – nur besser, vor allem abseits allen Asphalts! Dass dieses gefällige Gesamtpaket dann für extraschlanke 6490 Euro über „den Tresen“ geht, halte ich jedoch für die eigentliche Sensation. Wann wurde eigentlich mal irgendetwas mit Motor derart billiger? Das appelliert doch glatt an den Schwaben in dir und suggeriert, heimlich – zuschlagen, so lange das noch geht … • Text u. Actionpilot: Alexander Stephan • Fotos: Moira R. Ruthland, Carlo Bagali ni und Lyndon S.

Motocross Enduro / Ausgaben 2014-2022

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