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Motocross Enduro Ausgabe 08/2017

Willkommen im Modelljahr 2018 Nachdem wir in der letzten Ausgabe bereits die 2018er KTM-Zweitaktmodelle und die GasGas EC/XC 300 vorgestellt haben, geht unsere Präsentations-Exkursion in dieser Ausgabe nahtlos weiter. Marko Barthel machte sich auf Richtung Kanada. Im Banff-Nationalpark wurden die neuen Husqvarnas TE 250i und TE 300i präsentiert. Mehr darüber und wie sich die beiden Einspritzer fahren, lest ihr ab Seite 14.

MODELLE 2018:

MODELLE 2018: PRÄSENTATION BETA RR 24 MCE August '17 Die 4-Takter: „Easy Riders in rosso“ Wenn ich so zurückblicke auf die diversen Jahrgänge der roten Dirtbikes aus Rignano sull Arno, dann fallen mir deren leicht abgrenzbare individuellen Qualitäten und Eigenschaften auf. Jeder der vier angebotenen Hubräume verfügt, völlig unabhängig vom jeweils hohen Niveau der Performance, über eine nachvollziehbar eigenständige Charaktersignatur. Verbindende Elemente waren (und sind!) jedoch schon immer jene ausgewogene Balance zwischen Front- und Heckbereich, eine souverän präzise Fahrstabilität und gute Handling-Eigenschaften. Bei Letzteren liegt die Bewertung ganz bewusst auf „gut“, nicht auf „sehr gut“ oder „super flink“. Kurzum, im Fahreinsatz zeigten sich die bisherigen 4T RRs zwar nie von der behäbigen Seite, doch man gewann unterschwellig schon den Eindruck, dass da noch „a bisserl was gehen“ könnte. Nun, für 2018 geht da noch mehr als nur ein bisschen! Mit einer satten Gewichtsreduktion von 5,3 kg bei den Viertaktmodellen braucht man nicht gerade fünf Runden auf dem Testparcours, um eine sehr deutliche Verbesserung des Handlings festzustellen – da reichen eigentlich schon 50 Meter. Insbesondere beim Enduro-typischen „in den Rasten stehen“ und mit den Knien dirigieren, stellt sich ein sofort verifizierbarer Lässigkeitsgewinn ein. Super Sache, insbesondere wenn man, wie wir anlässlich der Präsentation, bei 34 Grad im ausgetrockneten florentinischen Hinterland unterwegs ist. Ein weiterer, recht schnell auffallender Zugewinn scheint die Einführung der EFI mit zwei Einspritzdüsen zu sein. Mit jenen soll sich die Motorleistung breitbandiger steigern lassen, bei gleichzeitig optimiertem Kraftstoffverbrauch. Die Behauptung mit dem reduzierten Kraftstoffverbrauch können wir letztendlich nur während einem längeren Einzeltest überprüfen, doch die Sache mit der gesteigerten Motorleistung fiel schon während der zeitlich begrenzten Präsentationsausritte auf. Und dies umso mehr an der kleinsten Hubraumvertreterin ihres „Taktes“, der RR 350. Attestierte ich jener in der Vergangenheit zwar stets einen schön sanften Antritt „von unten“, so attestierte ich ihr in gleichem Zuge auch eine auffallende Durchzugsschwäche im betreffenden Drehzahlbereich. In ganz engen Kehren oder Lowspeed-Passagen erforderte die RR 350 häufig ein Runterschalten in den ersten Gang und/oder erhebliche Kupplungsunterstützung. Schon die kaum hubraumstärkere RR 390 konnte solche Passagen dramatisch souveräner absolvieren. Aber aufgepasst, die 2018er RR 350 steht ihrer größeren Schwester in solchem Geläuf nun kaum noch nach. Deutlich direkter und druckvoller hängt sie nun bei niedrigsten Drehzahlen am Gas, ohne ein Jota ihrer legendär anmachenden Drehfreude eingebüßt zu haben. Wer (wie ich selbst) bislang als erklärter Liebhaber Betas vielseitiger RR 390 gilt, der kann, muss aber nicht, mit der kleineren Hubraumschwester liebäugeln. Denn auch die RR 390 hat spürbar an Durchzug zugelegt, und zwar recht gleichmäßig von ganz unten bis recht weit oben im Drehzahlband. Im Vergleich zu den genannten Qualitäten von RR 350/390 kann ich leider noch immer nicht ganz warmwerden mit dem für meinen Geschmack zu vehementen Leistungsschub der RR 430. Dieser scheint sich nach kurzem Testritt sogar noch leicht akzentuiert zu haben – ein Eindruck, der mit Sicherheit auch dem extrem trockenen und rutschigen Hartboden unseres Testparcours geschuldet war. Offen gestanden hat mir unter den gegebenen Bedingungen die (noch) größere RR 480 sogar besser gefallen. Jene lässt sich schön untertourig und in diesem Bereich feinfühlig dosierbar über solch traktionsarmes Terrain dirigieren. Im Zusammenspiel mit dem Zugewinn an Lockerheit im Handling also weiterhin eine Empfehlung fürs relaxte Offroadwandern wert – auch und gerade, da die 480er, wie all ihre kleineren Geschwister, keinerlei Neigung zum plötzlichen Ausploppen aufweist. Aber wehe ihr wollt mit dieser mächtigsten Beta immer mal wieder das Drehzahllimit ausloten: Da werden selbst breite Pfade sehr schnell zur Schmal(st)spur- Angelegenheit …! Apropos Endurowandern – die neuen Schalldämpfer der RR-4T-Serie reduzieren bei gehobener Drehzahl den Schallpegel um 1,5 dB. Ein Fakt, der sich zwar nicht gerade beeindruckend anhört, sich jedoch im Einsatz als vernehmbar leiser und dadurch auf Dauer angenehmer erweist. Ein Schlusswort noch zur leicht überarbeiteten Sachs- Gabel: Wie schon in der Vergangenheit scheint mir diese Gabel ein klein bisschen besser zu Betas Viertakt-Modellrange zu passen. Und nun, mit dem geringfügig gleichmäßigeren und „flüssigeren“ Dämpfungsverlauf, käme zumindest bei mir kein Wunsch nach einer anderen Gabel auf. Die 2-Takter: „Purtroppo lascivo“* Die Erwartungshaltung mancher Enduristen war hoch – frühestens seit KTM vergangenes Jahr ihren neuen Zweitaktmotor mit Ausgleichswelle vorstellte und spätestens seit KTM dort heuer sogar eine elektronische Benzineinspritzung implementierte. Müsste Beta nun nicht sofort kontern oder zumindest mit einem „eingespritzten“ und „ausgleichsgewellten“ Zweitakt-Triebwerk gleichziehen? Doch nix da, Beta blieb lässig und vor allen Dingen blieben sie in ihrem selbstauferlegten (!) Entwicklungsfahrplan in Sachen RR-2T-Serie. Die Gründe hierfür scheinen schlüssig. Zum einen waren Betas RR- 250/300-Motoren bereits sehr gut und werden diese Position mit den avisierten Verfeinerungen für 2018 noch ausbauen. Zum anderen ließen sich jene Triebwerke auch ohne das systembedingte „Übergewicht“, die faktische Komplexität und eine potenzielle Störanfälligkeit einer EFI relativ problemlos auf Euro 4 homologieren. So what? Klar, Beta wird mit künftigen Verschärfungen der Abgaswerte auch eine EFI für ihre Zweitaktmotoren anbieten müssen und mit Sicherheit laufen im Werk südöstlich von Florenz schon solche Projekte, aber muss man da gleich ohne Not eine bestens bewährte (Vergaser) Technologie über Bord werfen? Darüber könnte man sicher trefflich streiten, doch ich meine, nein. Dies umso mehr, seit ich meine Stiefel über den Sattel der neuesten RR-2T-Modelle schwingen durfte. Denn auch jene bieten spürbaren Performance- Mehrwert ohne Mehrpreis und ohne das flaue Gefühl potenziell fragiler Elektronik-Komplexität. Wie schon bei den viertaktenden Schwestermodellen der Fall, flitzen selbst die bislang nicht gerade als träge geltenden RR-250/300-2T-Modelle nun endgültig wie Schmidts Katze um Busch und Baum, über Stock und Stein. Im Gegensatz zu den obenerwähnten Viertaktmodellen fällt dies jedoch weniger beim Dirigieren mit den Knien auf, sondern vor allem beim Abwinkeln in enge Kehren mit verstärktem Lenkereinsatz. Überhaupt ist es eine Freude, wie zielgenau und natürlich diese Betas nun jeden Turn, jede Richtungsänderung absolvieren – und all dies, ohne auf schnelleren Passagen irgendwie zappelig oder nervös zu wirken. Letzteres ist umso erstaunlicher, da die serienmäßige Sachs-Gabel an den RR- 250/300-2T-Modellen nicht ganz die gleichmäßige Smoothness aufwies, wie ich es anlässlich dieser Präsentation bei den RR-4T-Modellen verspüren konnte. Aus der Erinnerung heraus zu den 2017er RR-250/300-Modellen kann ich ohne direkten Vergleich jedoch nicht zweifelsfrei sagen, ob die jüngsten Pendants tatsächlich signifikant kraftvoller auftreten. Was ich aber sagen kann, ist, dass beide Motoren weiterhin herausragende Vertreter ihrer jeweiligen Hubraumklassen darstellen und mit Betas hauseigener Auslassteuerung (BPV genannt) über ein außergewöhnlich effektives Tool zur ganz individuellen Abstimmung verfügen. Klar verfügen alle hier präsentierten RR-Enduros auch über einen der populären Mappingschalter mit zwei Zündkurven. Doch deren tatsächliche Effektivität ist ganz deutlich unterhalb der genannten, von außen blitzschnell per Inbusschlüssel verstellbaren BPV-Auslasssteuerung anzusiedeln. Ein mehrmaliger Wechsel zwischen RR 250 und RR 300 hat bei mir die 250- er-Version als erklärtem 2T-Liebling zementiert. Ich empfinde deren Art der Leistungsentfaltung trotz recht spontaner Gasannahme als gleichmäßig/berechenbarer, drehfreudiger und vor allem mit einem ausreichenden, nie überfordernden Drehmomentpeak gesegnet. Da langt mir die RR 300 bisweilen zu kräftig zu, zumindest zu kräftig, um damit nicht auf Dauer zu ermüden oder gar vorschnell die Traktion zu verlieren. Das mag aber bei vielen von euch, die mehr als 80 kg wiegen und/oder gerne besonders niedertourig durch die Pampa zirkeln, völlig anders aussehen – für meine 73 kg „Trockengewicht“ passt die 2018er RR 250 perfekt. Kurzfazit: Auch ohne irgendwelche revolutionär neuen Triebwerke bleiben Betas RR-250/300-Modelle genau das, was sie schon immer waren – ziemlich geile Dirtbikes … *) Übersetzt: „Leider geil“ Die neue 125er: „La bomba di Beta“ Wer hätt’s gedacht? Da steht sie nun, Betas 125er Bombe, bereit für alle Teenager, Junggebliebenen und Berufsjugendlichen. Während andere Hersteller sich (zu?) plötzlich aus diesem Geländesport- Hubraumsegment verabschiedet haben oder nur derartige 125er ohne Straßenzulassung anbieten, sagen die Macher aus Rignano Sull’Arno nun ganz erwartungsvoll „Hallo“. Wenn man sich die Features der kleinen 125er so ansieht, dann müssen die Erwartungen auch dementsprechend hoch sein. Und sie enttäuscht im Fahreinsatz auch in keinster Weise, nein, vielmehr sorgt sie für umfassende Begeisterung! Und diese Begeisterung machte vor keinem der anwesenden internationalen Kollegen halt – die brandneue RR 125 2T war für Fahrtests quasi ständig „ausgebucht“ und in aller Nationalitäten Munde. Zu Recht, denn obwohl die beiden verfügbaren 125er erst ganz knapp vor dieser Präsentation fertiggestellt wurden, konnten sie fast auf Anhieb alle Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen. Ich schreibe übrigens ganz bewusst „fast auf Anhieb“, denn während meiner ersten Runde zeigte Betas Zweitaktwelpe noch eine leichte Tendenz, aus den Kurven „rauslaufen“ zu wollen. Da lag ich mit meiner visuellen Einschätzung schon nah dran, denn ich empfand den Frontbereich der RR 125 als etwas „choppermäßig“ überhöht. Aber wie schön, dass man bei solchen Präsentationen stets auf die Dienste der anwesenden Werksmechaniker zurückgreifen kann (mille grazie!). Diese erhöhten den Gabelrohrüberstand dann flugs um zirka 5 mm und voilà, die RR 125 reihte sich fortan nahtlos in die präzis/ kurvenfreudige Linie ihrer großen RR-250/300-Geschwister ein – nur noch flinker, noch spielerischer. Von dieser kleinen Änderung des Set-ups schien auch die Federungsbalance wie auch das Absorptionsvermögen der Gabel zu profitieren. Nun war alles bestens im Lot und man selbst in der Lage, sich voll auf die Qualitäten des kleinen Ausnahmetriebwerks zu konzentrieren. Ausnahme deshalb, weil mir bis dato schlichtweg kein potenteres und vor allem „kompletteres“ 125er-Endurotriebwerk bekannt ist. Kongenial unterstützt durch eine hervorragende Getriebeabstufung und eine Kupplung mit klasse Feeling, kann diese Beta, sofern man es will und die Traktion es zulässt, quasi aus jeder Kehre „herausexplodieren“ und mit regelrecht jubelnder Drehfreude die Piste im Zeitraffer vorbeifliegen lassen. Das mag jetzt alles etwas überenthusiastisch klingen, aber okay, ich war nach meinen ersten Runden mit der RR 125 eben auch ziemlich überenthusiastisch! Aber gemach, dieses neue 125er-Triebwerk ist nun keinesfalls ein verkapptes MX-Motörchen, das lediglich Power ab den oberen Mitten zu generieren vermag. Klar benötigt sie für schnellstmögli-

RR 125 mit außergewöhnlich potentem und „komplettem“ Triebwerk RR 125 in Aktion: „La bomba di Beta …“ chen Vortrieb stets die richtige Kupplungsunterstützung zur richtigen Zeit. Klar ist hier im Gegensatz zu größeren Hubräumen weiterhin das Timing von höchster Priorität und ganz besonders klar, dass dieser Hubraum zumeist Attacke einfordert und sich seltenst für die gemütliche Endurowanderung anbietet. Jedoch verfügt dieser Motor über ein ganz ungewohnt hohes Maß an Kraft „von unten“ und eine generelle Durchzugsfähigkeit, die man solch einem Hubraum noch vor wenigen Jahren kaum zugetraut hätte. Zudem lässt sich auch Betas Neuzugang per zielgerichteter Verstellung der Auslasssteuerung noch weiter in die jeweils gewünschte Richtung optimieren. In unserem Falle war es so möglich, den Kraftschluss zwischen den Gängen ungewöhnlich nahtlos zu gestalten und somit im gleichen Zuge das Kupplungstiming bzw. deren Einsatz drastisch zu vereinfachen. Einfach mal so zum Ausprobieren bin ich zum Abschluss den gesamten Testparcours ohne jegliche Zuhilfenahme der Kupplung abgeritten. Bei betont „runder Fahrweise“ und trotz einer extra-fiesen „hängenden“ 180-Grad- Kehre war das absolut kein Problem und überzeugte mich damit restlos von den vielseitigen Stärken dieser neuen Kreation aus der fabricca Beta. Und ich dachte noch, dass da nicht mehr viel geht in dieser Hubraumklasse … Fazit: „Gewinnen ohne Glücksspiel“ Fürs Modelljahr 2018 hat Beta seine bisherige RR- Endurorange nicht nur signifikant und für jedermann schnell nachvollziehbar verbessert, sondern gleich um ein erfolgversprechendes Neumodell erweitert. Egal für welches Modell ihr euch aber letztendlich entscheiden solltet: Gewiss ist zumindest ein allgemeiner Performance-Gewinn und das sichere Gefühl, hier keine neu-technologischen Kinderkrankheiten durchstehen zu müssen. Dass dies alles ohne irgendwelche Preiserhöhungen oder Mehrkosten zu haben ist, das macht die toskanische Traditionsmarke nur umso attraktiver und vor allem sympathischer. In Zeiten, in denen Mitbewerber mit ihren Big-Singles bereits locker die 10.000- Euro-Barriere geknackt haben, ist die konservative Preispolitik Betas nicht nur ein willkommener Anachronismus, sondern auch ein Statement gegen die leider drohende (Preis)elitäre Entwicklung im Endurosport. Und, ach ja, die edlen Excel-Felgen gibt’s nun auch in Schwarz … :-) • Text u. Actionpilot: Alexander „il solista” Stephan • Fotos: Marco e Cristiano „il 2-pack” 25 MCE August '17

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