In die andere Richtung gelangen Sie mit derselben Fähre zum Vergnügungspark Gröna Lund auf Djurgården, wo antike Riesenräder und Achterbahnen begeistern. Um einzuschätzen, wie sich dies auf Stockholms nüchterne Skyline auswirkt, stellen Sie sich vor, man würde Coney Island an die Wall Street verlegen. Die große Insel Djurgården war einst ein königliches Jagdrevier, das die egalitären Schweden bereits vor Jahrhunderten zu einem weitläufigen, urbanen Erholungsbereich machten. Museen und Restaurants, Fahrradwege, Uferpromenaden und prachtvolle Villen verstecken sich zwischen den Bäumen, darunter Waldemarsudde (waldemarsudde.se), Prinz Eugens Anwesen aus der Zeit der Jahrhundertwende. Unweit des Fähranlegeplatzes befindet sich eine riesige Scheune, in der die mit 64 Kanonen bestückte Vasa (vasamuseet.se) untergebracht ist. 1628 brach das Schiff von hier zu seiner Jungfernfahrt auf, kenterte nach einer Meile und nahm Kurs auf den Meeresboden. 1961 wurde es gehoben. Ich war bereits zuvor mehrere Male in Stockholm und ging stets an dem Museum vorbei. Mit kompletter Takelage, wie ein Karnevalsschiff inmitten einer Geisterparade schwebend, raubte mir die Vasa den Atem. Ich wünschte, ich könnte Gleiches vom nahe gelegenen neuen ABBA Museum (abbathemuseum. com) behaupten. Nichts gegen die Schweden mit der Hitgarantie, doch die Pailletten von Anni-Frid Lyngstads 70er-Jahre-Overalls ließen mich eher kalt. Die skandinavische Fusionsküche dominiert die Gespräche in der Gourmetwelt nicht mehr wie einst, doch in Schweden vermag man noch immer sowohl vertraute als auch ungewöhnliche Zutaten aus dem hohen Norden zu überraschenden Dingen zu verarbeiten. Eine der besten Anlaufstellen ist das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete und um die Ecke gelegene Oaxen Krog (oaxen.com) an einer Helling in Djurgården. Ich wusste, wohin es gehen sollte, als man mich – noch bevor das Essen ernsthaft begann – mit frittierter Kabeljaublase und gegrillten, fein gehobelten Schalotten verwöhnte. Darauf folgte ein ungemein schmackhaftes Elchherz. Morris bezeichnete Stockholms Schönheit als „spärlich, nicht überbordend“, was vielleicht ein Grund dafür ist, dass die Stadt selten ein entfesseltes Jauchzen wie Paris oder Rom hervorruft. Dies würde die bescheidenen Schweden wohl ohnehin in Verlegenheit bringen. Doch die Tatsache, dass Stockholm seit Langem extrem reich ist, kann die Stadt nicht verstecken. Der Spaziergang von Djurgården in das Grand Hôtel ( grandhotel. se), wo ich in dieser Nacht untergebracht war, verläuft über den Strandvägen, die Uferpromenade. 1868 beauftragte der Holzmagnat Friedrich Bünsow den jungen Architekten Isak Gustaf Clason mit dem Bau eines Wohnkomplexes, der dort entstehen sollte. Clason erschuf mit dem Bünsowska Huset eine Respekt gebietende Festung aus ornamentierten Ziegeln, Türmchen mit Schieferdächern und Dachgauben. Das Bünsowska Huset gab den Ton für eine ganze Straße an Wohnpalästen an, die in den Jahren vor der 1897 in Schweden stattfindenden Weltausstellung entstanden. Ich bezweifle, dass jemand eine prächtigere Hafenpromenade findet. Sollten Sie daran vorbeikommen, überlegen Sie sich einen Abstecher in das Designgeschäft Svenskt Tenn (svenskttenn.se). Es wurde 1924 gegründet und ist ein sprudelnder Quell modernen schwedischen Geschmacks, was auch auf das Wirken des brillanten, aus Wien zugezogenen Josef Frank zurückzuführen ist, der in den 30ern hier arbeitete. Nach dem Strandvägen ist die passende Anlaufstelle das 1874 eröffnete und treffend benannte Grand Hôtel. Hier dinierten die ersten Nobelpreisträger im Jahre 1901. In der jüngeren Vergangenheit wirkte es jedoch, als hätten die Angestellten gerade erst abgetragen. Die gute Nachricht ist, dass das Grand im vergangenen Jahr aufgefrischt wurde und nun modern, wenngleich noch immer recht formell wirkt. Einer der Vorzüge, die das Grand für immer für sich beanspruchen wird, ist die unschlagbare Aussicht auf das riesige » 64 DEPARTURES-INTERNATIONAL.COM
