Summaries / Resúmenes - Studia Moralia

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10.07.2015 Views

422 JOSEF SPINDELBÖCKund daher die Dynamik eines Zugehens auf das Gute als Ziel miteinschließt.Es überrascht daher nicht, dass der Aspekt der Finalitätoder Zielbezogenheit, die Problematik der Sinnorientierungsowie die Nützlichkeits- und Zweckfrage in jeder ethischenAuseinandersetzung entweder explizit thematisiert und auf denBegriff gebracht werden oder aber doch zumindest implizit vorausgesetztund mitbedacht werden. Gegenüber dem Verdacht,die Herausstellung des Finalitätsbezugs der Ethik könnte einemso genannten Eudämonismus Vorschub leisten und damit denCharakter einer reinen „Pflichtethik“ gefährden, ist stets neunach argumentativer Absicherung ethischer Einsicht sowie nachweiterer Klärung und Präzisierung zu suchen. 3Bereits eine natürliche philosophische Ethik – die ihrerMethode nach unabhängig von der faktisch erfolgtenOffenbarung Gottes vorgeht, ohne eine solche prinzipiell auszuschließen– ist in ihrer klassischen Form final strukturiert. ImMittelpunkt steht die Frage nach dem guten und gelingendenLeben. Aristoteles bestimmte so das Glück als Ziel ethischenHandelns. 4 Dieses ist freilich nicht zu deuten als ein hedonistischesund nur auf sich selbst bezogenes Glück des kleinenMannes, der die Erhabenheit sittlicher Pflicht nicht kennt undsich darum auf ein stilles Reservat privater Träume zurückzieht.Bei den großen Philosophen und Ethikern der Antike und desMittelalters, über die Stoa bis hin zu Thomas von Aquin, ist diesesGlück als solches sittlich bestimmt als das Erreichen des„bonum“ in seiner Fülle.Nun geht es darum, in ethisch verantwortbarer Weise auf-3Vgl. dazu auch Peter Inhoffen, Moraltheologie – Weisheitslehre oderNormwissenschaft?, in: Wolfgang Weirer/Reinhold Esterbauer (Hg.),Theologie im Umbruch – zwischen Ganzheit und Spezialisierung (=Theologie im kulturellen Dialog, Bd 6), Graz-Wien-Köln 2000, 131-148, bes.140 ff.4„So ist also die Glückseligkeit das Beste, Schönste und Erfreulichste,und man kann dies nicht voneinander trennen … Denn all dies miteinanderkommt den besten Tätigkeiten zu. Und diese nun, oder die eine beste unterihnen, nennen wir die Glückseligkeit.“ – Aristoteles, Nikomachische Ethik,Erstes Buch, Nr. 9 (1099 a).

SINNFRAGE UND GRUNDENTSCHEIDUNG 423zuzeigen, was dieses „bonum“ ist. Da es unter den Menschendarüber unterschiedliche Meinungen gibt, gilt es nachAuffassung dieser klassischen Ethiker diese in kritischer Weisezu analysieren und nach der objektiven Ordnung der Güter undWerte zu fragen. Es geht um eine Rangordnung jener Güter, diedem Menschen als Glücksgüter erscheinen und ihn zum sittlichenHandeln motivieren. Das höchste Gut wird einer natürlichenEthik zuerst als innerweltliches „summum bonum“erscheinen, auch wenn dabei der Gottesgedanke im Sinn derimmer noch philosophisch bleibenden „theologia naturalis“bereits einfließt. „Finis ultimus“ ist so die Vollendung dermenschlichen Person in all ihren Anlagen, Kräften und Zielen,soweit dies für ein sterbliches Wesen erreichbar ist.Klarerweise ist es vor allem die theologische Ethik, die nichtnur nach einem immanenten Zielcharakter des sittlich Gutenfragt, sondern das sittliche Handeln insgesamt auf einen transzendenten„finis ultimus“ bezieht. 5 Hier ist die bereits vonThomas von Aquin gemachte Feststellung erhellend, dass manGott als dieses letzte Ziel auch dann erstreben könne, wenn ernicht ausdrücklich ins Bewusstsein des sittlich Handelnden tritt.Da die den Dingen eigenen Vollkommenheiten nichts anderessind als eine Teilhabe und ein Abbild des göttlichen Seins, wirdin deren Bejahung einschlussweise Gott selbst als letztes Zielaller Dinge und allen Strebens mitbejaht und miterstrebt. 6 Fürdie christliche Theologie ist Gott das höchste Gut des Menschen.Anthropologisch gewendet geht es bei der Erreichung des letztenZieles darum, dass der Mensch in der eschatologisch vollendetenEinheit mit Gott sein Endziel erreicht, d.h. in der seligenSchau des dreifaltigen Gottes, die alle Kräfte und Fähigkeiten5Vgl. die klassisch gewordene Darlegung bei Thomas von Aquin, STh I-II q.1 („De ultimo fine hominis in communi“) mit den folgendenQuaestiones, in denen genauer geklärt wird, was die einzelnen Menschenunter diesem letzten Ziel der „beatitudo“ verstehen und wie sie gemäß philosophischerund offenbarungstheologischer Einsicht zu fassen ist.6Vgl. Thomas von Aquin, STh I q.6 a.1 ad 2: “Ad secundum dicendumquod omnia, appetendo proprias perfectiones, appetunt ipsum Deum,inquantum perfectiones omnium rerum sunt quaedam similitudines diviniesse, ut ex dictis patet.”

422 JOSEF SPINDELBÖCKund daher die Dynamik eines Zugehens auf das Gute als Ziel miteinschließt.Es überrascht daher nicht, dass der Aspekt der Finalitätoder Zielbezogenheit, die Problematik der Sinnorientierungsowie die Nützlichkeits- und Zweckfrage in jeder ethischenAuseinandersetzung entweder explizit thematisiert und auf denBegriff gebracht werden oder aber doch zumindest implizit vorausgesetztund mitbedacht werden. Gegenüber dem Verdacht,die Herausstellung des Finalitätsbezugs der Ethik könnte einemso genannten Eudämonismus Vorschub leisten und damit denCharakter einer reinen „Pflichtethik“ gefährden, ist stets neunach argumentativer Absicherung ethischer Einsicht sowie nachweiterer Klärung und Präzisierung zu suchen. 3Bereits eine natürliche philosophische Ethik – die ihrerMethode nach unabhängig von der faktisch erfolgtenOffenbarung Gottes vorgeht, ohne eine solche prinzipiell auszuschließen– ist in ihrer klassischen Form final strukturiert. ImMittelpunkt steht die Frage nach dem guten und gelingendenLeben. Aristoteles bestimmte so das Glück als Ziel ethischenHandelns. 4 Dieses ist freilich nicht zu deuten als ein hedonistischesund nur auf sich selbst bezogenes Glück des kleinenMannes, der die Erhabenheit sittlicher Pflicht nicht kennt undsich darum auf ein stilles Reservat privater Träume zurückzieht.Bei den großen Philosophen und Ethikern der Antike und desMittelalters, über die Stoa bis hin zu Thomas von Aquin, ist diesesGlück als solches sittlich bestimmt als das Erreichen des„bonum“ in seiner Fülle.Nun geht es darum, in ethisch verantwortbarer Weise auf-3Vgl. dazu auch Peter Inhoffen, Moraltheologie – Weisheitslehre oderNormwissenschaft?, in: Wolfgang Weirer/Reinhold Esterbauer (Hg.),Theologie im Umbruch – zwischen Ganzheit und Spezialisierung (=Theologie im kulturellen Dialog, Bd 6), Graz-Wien-Köln 2000, 131-148, bes.140 ff.4„So ist also die Glückseligkeit das Beste, Schönste und Erfreulichste,und man kann dies nicht voneinander trennen … Denn all dies miteinanderkommt den besten Tätigkeiten zu. Und diese nun, oder die eine beste unterihnen, nennen wir die Glückseligkeit.“ – Aristoteles, Nikomachische Ethik,Erstes Buch, Nr. 9 (1099 a).

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