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<strong>Press</strong> <strong>Report</strong> <strong>Europe</strong> <strong>WSF</strong> <strong>2009</strong><br />
zur Verbreitung des Islam in Lateinamerika”. Der amerikanische Starsoziologe David Harvey ist da, Frankreichs<br />
Präsidentenwitwe Danielle Mitterrand wurde gesichtet, Befreiungstheologe Leonardo Boff lästert in Belém über den<br />
deutschen Papst.<br />
ANTI-DAVOS AM AMAZONAS: GIPFEL DER GUTEN ABSICHTEN<br />
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Die weltweite Finanzkrise hat dem Treffen, das in den vergangenen Jahren eher lustlos dahinplätscherte, zu neuer<br />
Bedeutung verholfen. “Wir erleben eine Zivilisationskrise”, sagt Altvater. “Der Niedergang des Finanzsystems geht einher<br />
mit Klimawandel, Hungersnöten und Energieknappheit. Mit sozialistischen Modellen des 20. Jahrhunderts kommen wir<br />
dieser Krise nicht bei. Wir müssen unsere Lebensweise umstellen, das geht nur dezentral”.<br />
So wie in Belém. Aus allen Winkeln des Planeten sind die Besucher an den Amazonas geströmt, die meisten mit dem<br />
Bus, viele mit dem Flugzeug. Valdemiro Rosinho Kaixanu kam per Kanu und Dampfschiff.<br />
14 Tage war der Kazike des Indianerstammes der Kaixanu auf dem Amazonas unterwegs. Jetzt lehnt er einen Steinwurf<br />
von Professor Altvater entfernt an einem Geländewagen und klagt, dass in seiner Heimat an der Grenze zu Peru die<br />
Wälder schwinden. “Wir werden von illegalen Holzhändlern bedroht, aber Präsident Lula schenkt uns kein Gehör”, sagt<br />
er. Dann führt er den Besucher zu seiner Unterkunft, da hat er sein Adressbuch mit den Telefonnummern für<br />
Journalisten.<br />
Die indianischen Teilnehmer des Weltsozialforums hausen unter blauen Plastikplanen auf dem Gelände einer Schule am<br />
Rande des Campus. Doch eine stämmige Matrone, die sich als Angestellte der Landesregierung ausgibt, verwehrt den<br />
Zugang. Einige Indios hatten über die verstopften Chemieklos und ihre miesen Schlafstätten geklagt, jetzt hat die<br />
Regierung das Fotografieren und Führen von Interviews in dem Indianerlager verboten.<br />
Für die Unterbringung der Ureinwohner war kein Geld da<br />
Das ist die andere Seite des angeblich regierungsunabhängigen Weltsozialforums: Brasiliens Bundesregierung und die<br />
Gouverneurin von Pará, eine Parteigenossin von Präsident Lula, haben fast 150 Millionen Real in die Logistik des<br />
Weltsozialforums investiert, etwa 50 Millionen Euro. Aber für eine angemessene Unterbringung der Ureinwohner war<br />
offenbar kein Geld übrig, Kritik ist unerwünscht.<br />
Vertreter der linken Landesregierung sitzen in zahlreichen Gesprächspodien und ergehen sich in Lobeshymnen auf<br />
Gouverneurin Ana Júlia Carepa. Dass die verschwendungssüchtige Dame eine Allianz mit dem korrupten Polit-Mafioso<br />
Jáder Barbalho geschlossen hat und ihre halbe Familie in der Regierung beschäftigt, ist kein Thema auf dem Forum.<br />
Carepa gibt sich als Ökologin, dabei wird in keinem anderen Bundesstaat so viel abgeholzt wie in Pará.<br />
Nicht nur Provinzpolitiker haben das Weltsozialforum als Werbeträger entdeckt. Fünf lateinamerikanische Präsidenten<br />
ließen sich in Belém als Vorkämpfer einer “neuen Welt” feiern, dem Motto des Forums. Von einem “magischen Moment”<br />
für Lateinamerikas Linke schwärmte Ecuadors Staatschef Rafael Correa. “Die andere Welt existiert bereits”, tönte<br />
Venezuelas Präsident Hugo Chávez und pries sein Modell eines “Sozialismus des 21. Jahrhunderts”. Das<br />
Weltsozialforum repräsentiere “die natürliche Wählerschaft” der linken Präsidenten, meint auch Politikwissenschaftler<br />
Altvater.<br />
IHRE MEINUNG IST GEFRAGT<br />
Dabei übersehen viele Intellektuelle, dass der freie, nahezu anarchische Geist des Forums dem autoritären Charakter<br />
der meisten linken Regierungen auf dem Kontinent widerspricht. In Nicaragua, Venezuela und Brasilien versuchen die<br />
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