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02.06.2013 Views

Norbert Parschalk Zeithistoriker aus Vahrn, Lehrer und Dissertant zum Thema „Geschichtsunterricht in den Abschlussklassen der deutschen Oberschulen in Südtirol“; Autor des Comic-Bandes „Andreas Hofer“ und der Wanderausstellung „Trotz Triumph Trauma eines Tirolers“ Die Fragen: 3 In der von Ihnen gestalteten Wanderausstellung wird die „einfältige“ und einfache Welt von früher der vielfältigen und verwirrenden Welt von heute gegenübergestellt. Glauben Sie, dass es in der heutigen Welt daher spezifi sche, neue Identitätskompetenzen braucht? Einfalt klingt positiv, Vielfalt negativ. Wir müssen aber aufpassen. Wenn wir zum Beispiel auf die Decke hier im alten Rathaus schauen, dann sehen wir immer mit den Augen von heute auf die Welt von gestern. Wir haben aber nicht die Augen von gestern. Und so vergessen wir leicht, dass Geschichte nicht die Wahrheit ist, sondern immer nur etwas das erzählt wurde. Und diese Wahrheit wird im Laufe der Geschichte immer wieder korrigiert. Auch für die Ausstellung haben wir eine erweiterte Sicht gewählt, und aus der Heldengeschichte eine tragische Geschichte gemacht. Daher auch die Wahl des Titels: Kurz nach dem Trotz und dem Triumph kam das Trauma. Im zweiten Teil der Ausstellung wird neu gespielt. Wie ist das heute? Wie sind Helden? Man soll von der Gegenwart in die Vergangenheit kommen und wieder zurück und jeder soll die Geschichte auf eigene Weise sehen und verarbeiten. Dann muss jeder selber darauf kommen, was gut und was schlecht ist. 4 Sie befassen sich in Ihrer Dissertation mit dem Geschichtsunterricht: Sind Sie der Meinung, dass Geschichtsunterricht dazu dient die Identität der Schülerinnen und Schüler heranzubilden, zu stärken, zu beeinfl ussen? Geschichtsvermittlung in der Schule ist mein Forschungsgebiet. Lehrer können Inhalte spannend machen indem sie mit Imagination, Emotion und Ästhetik arbeiten und biografi ebezogen ansetzen. Sie können entscheiden, ob sie auf die kleinen Helden eingehen oder auf die großen. Natürlich besteht die Gefahr, dass die Wahrheit verzerrt oder manipuliert wird. Da muss ich als Lehrer aufpassen. 5 Wozu braucht es eigentlich Helden? Nützen sie auf dem Identitätsbildungsweg von Jugendlichen? Und wie wird man eigentlich ein Held? Im Amt für AV-Medien habe ich ein Verzeichnis zu Helden-Filmen durchgeschaut und mir da die Helden angesehen. Ich habe festgestellt: Alle sterben jung! Deshalb haben wir in unserer Ausstellung das Symbol der Schuhe gewählt: Andreas Hofer trug das ganze Leben lang die normalen Holzschuhe der normalen Menschen. Erst im letzten Lebensjahr hat er sie ausgetauscht gegen die Heldenstiefel. Hätte Hofer das letzte Jahr nicht erlebt, wäre er niemals ein Held geworden. So besteht die Heldenbiografi e von Hofer quasi nur aus dem letzten Lebensjahr. Und wie ist das mit Hofers Frau, Anna Ladurner? Deren Biografi e bekommt man nur schwer zusammen. So sieht man wieder, dass es Geschichte nur gibt, wenn sie erzählt wird. Zur Frage ob es heute noch Helden braucht, sage ich ja! Vielleicht genügt aber auch ein gutes Vorbild. Dafür kommen auch die Eltern in Frage. Helden haben es heut allerdings auch schwerer…. 24

Teresa Palfrader Willeit Ist auf einem Bauernhof im Gadertal aufgewachsen. Sehr früh ist ihr bewusst geworden, dass sie sich in den unterschiedlichen Sprachkontexten zurechtfi nden muss. Besonders wichtig wurde für sie das Lesen. Damit begann sie früh und unter anderem beeindruckte sie Alexander Solschenizyn. Mit Begriffen wie Zivilcourage, Verantwortungsbewusstsein setzte sie sich auseinander: Teilhabe an der kleinen Geschichte sollte auch ihre Aufgabe werden. Die Fragen : 1. Was hat es für Sie bedeutet (und was bedeutet es immer noch) sich dauernd in unterschiedlichen sprachlichen Kontexten zurecht fi nden zu müssen? Es war eine ganz normale Welt, in der ich aufwuchs. Wir waren in Ladinien immer gut sprachlich daheim. Ich hatte einen Nachbarn aus dem Pustertal, er hieß Martin. Aber wir nannten ihn alle Martìn. Heute werden einfach alle Kinder Martin gerufen. Zu den anderen Sprachen bin ich ganz selbstverständlich gekommen, über die Schule. Beim Sprachenlernen ist die Rhythmik ganz wichtig, über Gedichte, übers Radio nimmt man von Klein auf viel auf. In der Mittelschule bin ich in die deutsche Welt gekommen – in sie geworfen worden. Wenn man muss, lernt man viel schneller eine Sprache – das habe ich auch in den Aussagen von Ljubica gehört. Man hat mich verspottet – aber zu Weihnachten hab ich dann deutsch gekonnt. Viel aufgenommen hab ich halt auch durchs Lesen. Da sind die Welten völlig anders, denn die Bilder, die in uns beim Wort „sole“ entstehen, sind anders als jene zu „Sonne“. Wichtig ist die Öffnung. Für uns Ladiner ist es immer schon so, dass wir verschiedene Sprachen als gleichwertig erleben. 2. Welcher Kontext, welche Leute und welche Situationen haben zur Bildung Ihrer Identität beigetragen? Die Identität ist eine Medaille mit zwei Seiten: Eine ist die Identität, die in unserer Identitätskarte steht: Ich mit meinem Namen, meiner Sprache, meiner Augenfarbe. Aber die zweite Seite ist das Menschsein. Darin seh ich auch die wahren Helden. Jene, die zu sich und ihren Idealen gestanden sind, nicht einer äußeren Macht gefolgt sind. Beide Seiten müssen zusammen passen. Ich selber wurde sehr durch die bäuerliche Umgebung geprägt. Das Körperliche, die Natur, die Arbeit. 3. Von Ihrer Geschichte ausgehend, wollen wir uns den Geschichten öffnen: Welche Bedeutung hat das Jubiläumsjahr 2009 für Sie und wie erleben Sie es in Ihrer Umgebung? In meiner Stube gab es zwei Bilder: auf einem war der Bruder des Vaters zu sehen, auf dem anderen der Bruder der Mutter. Einer der beiden war im 1. Weltkrieg gegen die Italiener gefallen: da war alles klar, alle kannten die Geschichte. Beim anderen aber hab ich nie recht eine ordentliche Antwort erhalten – da war die Geschichte wohl etwas komplizierter. Ich erinnere mich an 1959, da war ich 16. Der Vater ging mit einer Abordnung Schützen zu einer Veranstaltung und ich musste für ihn beim Großvater das Gewand holen. Dem passte das gar nicht. Es war die Zeit, wo wieder viel Politik spürbar war, wo das Deutschsein auf einmal wieder so wichtig wurde. Zwischen diesen Konfl ikten bin ich groß geworden. Ich habe dann in eine Antinazi-Familie geheiratet und da hab ich mir meine Geschichte neu erschlossen: Ich habe so gemerkt, dass in meiner eigenen Familie einige Jahre (jene der Option) verschwiegen wurden. Helden gibt es also nur, wenn die Politik sie braucht. Für mich sind Helden aber jene, die aus dem Gewissen handeln – Mayr-Nusser ist mir da lieber als Hofer. 25

Norbert Parschalk<br />

Zeithistoriker aus Vahrn, Lehrer und Dissertant zum Thema „Geschichtsunterricht in den Abschlussklassen<br />

der deutschen Oberschulen in Südtirol“; Autor des Comic-Bandes „Andreas Hofer“<br />

und der Wanderausstellung „Trotz Triumph Trauma eines Tirolers“<br />

Die Fragen:<br />

3 In der von Ihnen gestalteten Wanderausstellung wird die „einfältige“ und einfache Welt von früher<br />

der vielfältigen und verwirrenden Welt von heute gegenübergestellt. Glauben Sie, dass es in der<br />

heutigen Welt daher spezifi sche, neue Identitätskompetenzen braucht?<br />

Einfalt klingt positiv, Vielfalt negativ. Wir müssen aber aufpassen. Wenn wir zum Beispiel auf die Decke<br />

hier im alten Rathaus schauen, dann sehen wir immer mit den Augen von heute auf die Welt von<br />

gestern. Wir haben aber nicht die Augen von gestern. Und so vergessen wir leicht, dass Geschichte<br />

nicht die Wahrheit ist, sondern immer nur etwas das erzählt wurde. Und diese Wahrheit wird im Laufe<br />

der Geschichte immer wieder korrigiert. Auch für die Ausstellung haben wir eine erweiterte Sicht<br />

gewählt, und aus der Heldengeschichte eine tragische Geschichte gemacht. Daher auch die Wahl des<br />

Titels: Kurz nach dem Trotz und dem Triumph kam das Trauma.<br />

Im zweiten Teil der Ausstellung wird neu gespielt. Wie ist das heute? Wie sind Helden? Man soll von<br />

der Gegenwart in die Vergangenheit kommen und wieder zurück und jeder soll die Geschichte auf<br />

eigene Weise sehen und verarbeiten. Dann muss jeder selber darauf kommen, was gut und was<br />

schlecht ist.<br />

4 Sie befassen sich in Ihrer Dissertation mit dem Geschichtsunterricht: Sind Sie der Meinung, dass Geschichtsunterricht<br />

dazu dient die Identität der Schülerinnen und Schüler heranzubilden, zu stärken,<br />

zu beeinfl ussen?<br />

Geschichtsvermittlung in der Schule ist mein Forschungsgebiet. Lehrer können Inhalte spannend machen<br />

indem sie mit Imagination, Emotion und Ästhetik arbeiten und biografi ebezogen ansetzen. Sie<br />

können entscheiden, ob sie auf die kleinen Helden eingehen oder auf die großen. Natürlich besteht<br />

die Gefahr, dass die Wahrheit verzerrt oder manipuliert wird. Da muss ich als Lehrer aufpassen.<br />

5 Wozu braucht es eigentlich Helden? Nützen sie auf dem Identitätsbildungsweg von Jugendlichen? Und<br />

wie wird man eigentlich ein Held?<br />

Im Amt für AV-Medien habe ich ein Verzeichnis zu Helden-Filmen durchgeschaut und mir da die Helden<br />

angesehen. Ich habe festgestellt: Alle sterben jung! Deshalb haben wir in unserer Ausstellung das<br />

Symbol der Schuhe gewählt: Andreas Hofer trug das ganze Leben lang die normalen Holzschuhe der<br />

normalen Menschen. Erst im letzten Lebensjahr hat er sie ausgetauscht gegen die Heldenstiefel. Hätte<br />

Hofer das letzte Jahr nicht erlebt, wäre er niemals ein Held geworden. So besteht die Heldenbiografi e<br />

von Hofer quasi nur aus dem letzten Lebensjahr.<br />

Und wie ist das mit Hofers Frau, Anna Ladurner? Deren Biografi e bekommt man nur schwer zusammen.<br />

So sieht man wieder, dass es Geschichte nur gibt, wenn sie erzählt wird. Zur Frage ob es heute<br />

noch Helden braucht, sage ich ja! Vielleicht genügt aber auch ein gutes Vorbild. Dafür kommen auch<br />

die Eltern in Frage. Helden haben es heut allerdings auch schwerer….<br />

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