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➀ Hastig ziehe ich den Schlüssel aus<br />
dem Zündschloss. raus aus den<br />
Ballerinas und rein in die blau metallisierten<br />
Jimmy Choo‘s. Die autotür<br />
fliegt ins Schloss. ich stöckle<br />
über den mit Kies übersäten<br />
Parkplatz und mit jedem Schritt,<br />
den ich mache, spüre ich ein Stechen<br />
im Herz. Jedes noch so kleine<br />
Steinchen könnte den fragilen<br />
Hacken eine Wunde zufügen, und<br />
damit auch mir. ich entscheide<br />
mich für einen schuhschonenden<br />
Gang und hüpfe auf Zehenspitzen<br />
über den Meraner Sandplatz,<br />
was mich nicht wenige staunende<br />
Blicke von Passanten kostet. ist<br />
mir heute auch wurscht, denn immerhin<br />
hab ich ein Date mit einem<br />
Modedesigner und da will ich<br />
gut besohlt sein. ich halte nach<br />
einem kleinen weißen Schild mit<br />
7 schwarzen Buchstaben ausschau<br />
und werde sofort fündig:<br />
D i M i T r i. τέλειος (Perfekt!)<br />
➅ dass ich mich in kei-<br />
ner gut aufgehoben<br />
fühlte. Also entschloss<br />
ich mich für eine Ausbil-<br />
dung zum Fashiondesigner<br />
in Mailand, dann<br />
München und Paris. Nach<br />
verschiedenen Bewerbungen<br />
traf ich auf Vivienne Westwood,<br />
Text Christine Lasta<br />
Foto Andreas Ortner<br />
➁ Ich springe über<br />
die wunderschöne<br />
Jugendstiltreppe<br />
und klingle. Die Tür<br />
öffnet sich und ein<br />
freundlicher, hüb-<br />
scher, schmaler<br />
Mann schüttelt mir<br />
die Hand. Das ist<br />
er also, der SüdtirolerModeschöpfer<br />
mit dem unaus-<br />
sprechlichen Namen<br />
Dimitrios GeorgiosPanagiotopoulos.<br />
Er bittet<br />
mich ins Atelier,<br />
stellt mich seinen<br />
Mitarbeitern vor,<br />
die auf kilometer-<br />
langen Papierrollen<br />
eifrig zeichnen,<br />
messen und schnei-<br />
den. „Bis später!",<br />
➆ später habe ich<br />
für Jil Sander und<br />
Hugo Boss gearbeitet,<br />
bis ich<br />
dann 2007 meinen<br />
eigenen Shop in<br />
Meran eröffnet ha-<br />
be. Ich hatte nicht<br />
vor, lange hierzubleiben<br />
und dachte<br />
➂ höre ich Di- mitri mit hoher<br />
Stimme sagen. Schade. Mir<br />
hätte es gefal- len, inmitten all<br />
der Stoffrollen und Schneiderpuppen<br />
mit ihm zu plaudern. „Wo möchten<br />
Sie denn hingehen?“, fragt er mich.<br />
Ich schätze ihn auf mein Alter und aus<br />
Rücksicht auf meine Schuhe sprudelt es<br />
aus mir heraus: „Vielleicht in ein nah gelegenes<br />
Café? Und können wir uns duzen?“<br />
Er lächelt und ich sehe eine schöne<br />
Zahnreihe blitzen. „Natürlich. Wollen wir<br />
ins Rossini?“ Ich denke an die 25 über-<br />
zwingbaren Meter Luftlinie und bejahe.<br />
Als ob er sich meines Problems bewusst<br />
wäre und er mir die Pflastersteine<br />
ebnen wollte, geht der erfolgreiche halbgriechische<br />
Modeschöpfer voraus.<br />
➇ mir ir-<br />
gendwann bin<br />
ich eh ratzfatz wie-<br />
der in London, doch<br />
wie man sieht, bin ich<br />
immer noch da.“ „Bist<br />
du glücklich hier in<br />
Meran?“ Stille. Dimitri<br />
ist kein Mann, der<br />
aus Verlegenheit<br />
mit den Händen<br />
fuchtelt<br />
➃ Ich beneide ihn<br />
um seine bequemen<br />
und doch<br />
schicken braunen<br />
Stiefeletten! Wie<br />
ist ein Designer<br />
eigentlich gekleidet?,<br />
frage ich<br />
mich. Mein Blick<br />
wandert aufwärts:<br />
blaue Jeans im<br />
Used-Look, legeres<br />
dunkelblaues<br />
➄ Hemd, Handtasche. Einfach,<br />
aber sehr stimmig, finde ich!<br />
Wir setzen uns und bestellen<br />
Kaffee. Ich lege mein Aufnahmegerät<br />
auf den Holztisch. „Dimitri?<br />
Wie und wo hat deine kreative Karriere<br />
eigentlich angefangen?“ Der<br />
Hotelierssohn aus Naturns spricht<br />
schnell. „Ich habe als Kind mit meiner<br />
Oma gern gebastelt und ge-<br />
stickt und meiner Mutter erklärt,<br />
welche Schuhe zu welchem Kleid<br />
passen. In meinen Jugendjahren<br />
habe ich alle Oberschulen von Meran<br />
besucht und erkennen müssen,<br />
➈ und selbst bei der<br />
scheinbar unangenehmen<br />
Frage bleiben<br />
seine Hände ruhig auf<br />
dem Tisch liegen. „Was<br />
heißt glücklich?“ Pause.<br />
Er bewegt sich noch<br />
immer nicht und weicht<br />
geschickt aus. „Ich habe<br />
mir hier meine kleine<br />
Firma aufgebaut, mit<br />
fünf Mitarbeitern. Zu<br />
denen kann ich nicht sagen:<br />
"Ich gehe jetzt ins<br />
Ausland. Hat jemand<br />
Lust mitzukommen?"<br />
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