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2006. évi 1. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

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70<br />

Herbert Küpper: Das parlamentarische Misstrauen gegenüber der Regierung…<br />

im rechtswissenschaftlichen Schrifttum deutliche Bedenken<br />

gegen die Verfassungskonformität dieses Vorgehens geäußert.<br />

Anfang 1982 stellte Bundeskanzler Helmut Schmidt<br />

die Vertrauensfrage, um die uneinige Regierungskoalition<br />

wieder hinter sich zu bringen. Der Bundestag sprach ihm das<br />

Vertrauen aus; das Bundesverfassungsgericht bekam daher<br />

keine Gelegenheit zur Prüfung.<br />

Ende 1982 gelang es Helmut Kohl, den bisherigen<br />

Bundeskanzler Helmut Schmidt durch ein konstruktives<br />

Misstrauensvotum zu stürzen; er stellte daraufhin die<br />

Vertrauensfrage, um Neuwahlen zu erreichen und sich vom<br />

Volk eine „Bestätigung“ geben zu lassen. Diesmal wehrten<br />

sich einige Abgeordnete gegen die Auflösung des Parlaments<br />

vor dem Verfassungsgericht; hierzu die Entscheidung vom<br />

16. Februar 1983, Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts<br />

(BVerfGE) 62/<strong>1.</strong><br />

2001 verband Bundeskanzler Gerhard Schröder eine<br />

Abstimmung mit der Vertrauensfrage, um die in der Frage<br />

tief gespaltene Regierungskoalition zu einer Zustimmung zu<br />

seiner Politik zu zwingen; hiermit hatte er Erfolg.<br />

9<br />

55/2004. (XII. 13.) AB, ABH 2004, S. 788, hatte nicht die<br />

politischen Vorgänge im Zusammenhang mit dem Wechsel<br />

von Medgyessy zu Gyurcsány zum Gegenstand, sondern war<br />

ein Normenkontrollverfahren zu § 7 Gesetz 1997:LXXIX über<br />

die Rechtsstellung und Verantwortlichkeit der Regierungsmitglieder<br />

und Staatssekretäre. Diese Entscheidung enthält<br />

zwar auch Äußerungen zu § 39/A ungVerf, ist aber in einem<br />

anderen Kontext entstanden und daher in ihrer Fragestellung<br />

mit den deutschen Entscheidungen kaum vergleichbar.<br />

10<br />

Eine bloße Einigkeit im Negativen – entweder gegen<br />

einzelne Minister oder gegen die Regierung insgesamt<br />

– würde es dem Parlament ermöglichen, keinerlei Verantwortung<br />

zu übernehmen und gleichzeitig das andere zentrale<br />

Verfassungsorgan Regierung daran zu hindern, seinerseits die<br />

Verantwortung für das Land zu tragen. Erfahrungen aus der<br />

Vergangenheit, z.B. in der Weimarer Republik in Deutschland,<br />

zeigen, dass der Gewinner einer solchen parlamentarischen<br />

Flucht aus der Verantwortung das letzte funktionsfähige<br />

Verfassungsorgan ist, nämlich das Staatsoberhaupt: Mager,<br />

Ute in v. Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.): Grundgesetz-<br />

Kommentar, Band 2. 4./5. Aufl., München, Beck, 2001, Art.<br />

67 Rn. <strong>1.</strong><br />

11<br />

Bei der Wahl des Regierungschefs durch ein neues<br />

Parlament hat das Staatsoberhaupt gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1<br />

ungVerf, Art. 63 Abs. 1 dtGG das Vorschlagsrecht und damit<br />

eine formale Beteiligung an der Personalentscheidung, die<br />

vor allem in Krisensituationen zu einem echten politischen<br />

Einfluss erstarken kann.<br />

12<br />

Geschäftsordnung des Parlaments 46/1994. (IX. 30.)<br />

OGY hat.<br />

13<br />

Um die Einhaltung der Frist auch außerhalb der<br />

Sitzungsperioden sicherzustellen, ermöglicht § 134 Abs. 1<br />

Buchst. a) Házszab. die Einberufung des Parlaments zu einer<br />

außerordentlichen Sitzung oder gar außerordnentlichen<br />

Sitzungsperiode.<br />

14<br />

Der Bundespräsident darf die Ernennung nur aus<br />

Rechtsgründen verweigern, d.h. wenn der Bundestag<br />

eine Person zum Bundeskanzler gewählt hat, deren Wahl<br />

rechtlich unzulässig ist, etwa weil es an der deutschen Staatsangehörigkeit<br />

fehlt. Auch wenn der Wahlvorgang rechtlich<br />

fehlerhaft ist, z.B. wenn die Stimmenzahl nicht die vorgeschriebene<br />

Mehrheit erreicht, hat der Bundespräsident das<br />

Recht, die Ernennung zu verweigern.<br />

15<br />

Im Fall Medgyessy/Gyurcsány hingegen lag die<br />

Besonderheit darin, dass in Betracht gezogen wurde, im Wege<br />

eines Misstrauensantrags durch die Regierungskoalition<br />

innerhalb bestehender Mehrheiten ein Wechsel in der Person<br />

des Ministerpräsidenten zu vollziehen, ohne den Präsidenten<br />

der Republik zu involvieren. Die Opposition war an diesen<br />

Vorgängen nicht beteiligt. Damit sind die ungarischen<br />

Vorgänge ebenso atypisch wie die deutschen Vertrauensfragen,<br />

die die rechtlichen Voraussetzungen zur vorzeitigen<br />

Parlamentsauflösung schaffen sollten.<br />

16<br />

Ipsen, Jörn: Zur Regierung verurteilt, NJW 2005,<br />

S. 2201-2204, spricht daher auf S. 2202 davon, dass die<br />

Vertrauensfrage ein „Disziplinierungsmittel“ in den Händen<br />

des Regierungschefs sei. Ähnlich Schenke, W.-R., in Bonner<br />

Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, C. F. Müller,<br />

Loseblatt ab 1950, Art. 68 Rn. 29-30 (Stand 1989); Vincze (s.o.<br />

Fn. 3), S. 34<strong>1.</strong><br />

17<br />

Direkt in § 39/A Abs. 4 ungVerf, indirekt aus Art. 81<br />

Abs. 1 Satz 2 dtGG.<br />

18<br />

Einige Probleme der ungarischen Regelung deutet<br />

Vincze (s.o. Fn. 3), S. 341, an.<br />

19<br />

Hat die Vertrauensfrage Erfolg, ändert sich nichts: Der<br />

amtierende Regierungschef und seine Regierung behalten ihre<br />

Stellung. Dieser Fall ist rechtlich unproblematisch.<br />

20<br />

Zweifelhaft ist der zeitliche Rahmen dieser Frist: Vincze<br />

(s.o. Fn. 3).<br />

21<br />

Das reguläre Regierungsmandat soll allerdings<br />

nicht erst mit dem Rücktritt enden, sondern bereits mit der<br />

verlorenen Abstimmung im Parlament: Petrétei József: Magyar<br />

alkotmányjog II. Budapest, Pécs, Dialog Campus, 2001,<br />

S. 120. Mit § 33/A ungVerf ist diese Ansicht kaum vereinbar.<br />

22<br />

Zlinszky (s.o. Fn. 6), S. 92-93. Eher theoretischer Natur<br />

ist der Ausweg, den Bitskey Botond/Tordai Csaba: A jogállam,<br />

a parlamentarizmus és a köztársasági elnök. Magyar<br />

Jog 2005, S. 218-220, auf S. 219 vorschlagen: Das Parlament<br />

wählt mit einer „reservatio mentalis“ den Kandidaten<br />

des Staatspräsidenten, nur um ihn sofort danach über ein<br />

konstruktives Misstrauensvotum durch einen ihm (dem Parlament)<br />

genehmen Kandidaten zu ersetzen.<br />

23<br />

Dreier, Horst: Grundgesetz-Kommentar, Band II.<br />

Tübingen, Mohr Siebeck, 1998, Art. 68 Rn. 21; Mager (s.o. Fn.<br />

10), Art. 68 Rn. 24; Vincze (s.o. Fn. 3), S. 34<strong>1.</strong><br />

24<br />

Hieran kann auch der Bundestag nichts ändern, denn er<br />

hat kein Selbstauflösungsrecht. Der Bundestag kann höchstens<br />

einen anderen Bundeskanzler wählen, wofür er die Mehrheit<br />

aller Mitglieder zusammenbringen muss.<br />

25<br />

Es ist das Verfahren, das nach jeder Neuwahl des<br />

Bundestags durchlaufen wird. Art. 63 Abs. 1 dtGG entspricht<br />

in seiner Funktion daher § 33 Abs. 3 Satz 1 ungVerf.<br />

26<br />

Zlinszky (s.o. Fn. 6), S. 93, spricht kritisch von einem<br />

„szinte kötetlen elnöki hatalmi kör“. Auf die dennoch<br />

vorhandenen verfassungsrechtlichen Grenzen weisen<br />

Bitskey/Tordai (s.o. Fn. 22), S. 218-219, hin.<br />

27<br />

Mit diesem Begriff wird die zur Wahl des Bundeskanzlers<br />

notwendige Mehrheit aller Abgeordneten bezeichnet.<br />

28<br />

Zum Streitstand vor dem Urteil des Bundes verfassungs<br />

gerichts von 2005 s. Mager (s.o. Fn. 10), Art. 68 Rn.<br />

9-23.<br />

29<br />

Leitsatz Nr. 6 des Urteils 1983.<br />

30<br />

Leitsatz Nr. 5 des Urteils 1983, Leitsatz Nr. 2 des<br />

Urteils 2005.<br />

31<br />

Ipsen (s.o. Fn. 16), S. 2202.<br />

32<br />

Schenke, Wolf-Rüdiger, Baumeister, Peter: Vorgezogene<br />

Bundestagswahlen: Überraschungscoup ohne<br />

Verfassungsbruch, NJW 2005, S. 1844-1846.<br />

33<br />

Das Bundesverfassungsgericht spricht von „Verantwortungskette“:<br />

NJW 2005, S. 2673.<br />

34<br />

Leitsatz Nr. 4. c) des Urteils 2005.<br />

35<br />

So wörtlich im Urteil 2005, NJW 2005, S. 2673.<br />

36<br />

Diese Formulierung wird nach dem Bundes präsidenten<br />

seitdem „Köhler-Formel“ genannt.<br />

37<br />

Urteil 2005, NJW 2005, S. 2673.<br />

38<br />

Leitsatz Nr. 4 b) des Urteils 2005.<br />

39<br />

Hierzu gibt es eine lange Reihe von Urteilen des<br />

Supreme Court, angefangen mit Ware v. Hylton, 3 U.S. (3<br />

Dall.) 199 (1796) über Marbury v. Madison, 5 U.S. (1 Cr.) 137<br />

JURA 2006/<strong>1.</strong>

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