10.02.2015 Views

2006. évi 1. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

2006. évi 1. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

2006. évi 1. szám - Jura - Pécsi Tudományegyetem

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

Herbert Küpper: Das parlamentarische Misstrauen gegenüber der Regierung…<br />

67<br />

tarischen Vertrauens gehört.<br />

In den rechtlichen Grundlagen des § 39/A Abs.<br />

3 ungVerf, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 dtGG wird die<br />

Vertrauensfrage an keine weiteren rechtlichen Voraussetzungen<br />

gebunden. Insbesondere muss keine<br />

Vertrauenskrise oder ähnliches vorliegen, und ebenso<br />

wenig schreiben die genannten Normen vor, was<br />

unter Vertrauen zu verstehen ist. Der Regierungschef<br />

oder die Regierung haben daher ein rechtlich ungebundenes<br />

politisches Ermessen, ob und wann sie das<br />

politische Vertrauen des Parlaments einfordern.<br />

b) Folgen einer gescheiterten Vertrauensfrage<br />

Die Rechtsfolgen einer gescheiterten 19 Vertrauensfrage<br />

unterscheiden sich deutlich von denen eines<br />

erfolgreichen Misstrauensvotums. Während das<br />

konstruktive Misstrauensvotum die alte Regierung<br />

sogleich durch eine neue ersetzt, beendet eine<br />

fehlgeschlagene Vertrauensfrage das Mandat der<br />

amtierenden Regierung, ohne für die Wahl einer<br />

Nachfolgeregierung zu sorgen.<br />

Der Rücktritt der Regierung ist allerdings nur in<br />

Ungarn zwingend (§ 39/A Abs. 5 ungVerf). 20 Die<br />

zurückgetretene Regierung bleibt danach zunächst<br />

gemäß § 39/B ungVerf als geschäftsführende Regierung<br />

mit verringerten Befugnissen im Amt; 21<br />

auch der Ministerpräsident übt gemäß § 39/C Abs.<br />

1 ungVerf geschäftsführend die Geschäfte weiter<br />

aus, wiederum mit reduzierten Kompetenzen. Das<br />

Parlament hat nun im normalen, auch nach jeder<br />

Parlamentsneuwahl zu praktizierenden Verfahren<br />

gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 auf Vorschlag des Präsidenten<br />

der Republik einen neuen Ministerpräsidenten<br />

zu wählen. Gelingt dem Parlament innerhalb von 40<br />

Tagen keine Neuwahl, so gibt § 28 Abs. 3 Buchst. b)<br />

ungVerf dem Präsidenten der Republik das Recht,<br />

das Parlament aufzulösen. Da das Parlament selbst<br />

keinen Kandidaten benennen kann, muss es passiv<br />

bleiben und ist an die Vorschläge des Staatspräsidenten<br />

im Sinne einer ja/nein-Entscheidung gebunden.<br />

22 Durch den Vorschlag eines (oder mehrerer)<br />

inakzeptablen/r Kandidaten hat es der Präsident<br />

der Republik daher in gewissem Maße in der Hand,<br />

selbst die Voraussetzungen der Parlamentsauflösung<br />

herbeizuführen.<br />

In Deutschland hingegen schreibt Art. 68 dtGG<br />

dem Bundeskanzler nicht vor, wie er auf ein verweigertes<br />

Vertrauen zu reagieren hat. Unbestritten<br />

ist, dass er im Amt bleiben und versuchen kann, als<br />

Minderheitenkanzler mit wechselnden Mehrheiten<br />

zu regieren. 23 Das gilt auch dann, wenn der Kanzler<br />

die Vertrauensfrage mit der Abstimmung über eine<br />

Gesetzesvorlage verbunden hatte.<br />

Als zweite Alternative kann der Bundeskanzler<br />

gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 dtGG dem Bundespräsidenten<br />

die Auflösung des Parlaments vorschlagen;<br />

diesen Vorschlag kann er jederzeit zurückziehen,<br />

falls ihm die Zusammenstellung einer Mehrheit<br />

gelingt. Der Bundespräsident kann in freier Würdigung<br />

der politischen Situation dem Vorschlag<br />

des Bundeskanzlers entsprechen, wofür ihm die<br />

Verfassung einundzwanzig Tage Zeit lässt. Er kann<br />

auch die Parlamentsauflösung ablehnen und den<br />

Kanzler damit zum Weiterregieren zwingen. 24 Der<br />

Bundestag hat seinerseits gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz<br />

2 dtGG jederzeit die Möglichkeit, seiner drohenden<br />

Auflösung durch die Wahl eines neuen Bundeskanzlers<br />

mit der Mehrheit seiner Mitglieder zuvorzukommen.<br />

Der Kandidat wird dabei vom Parlament selbst<br />

benannt; ein Vorschlag des Bundespräsidenten ist<br />

nicht notwendig. Damit räumt das Grundgesetz den<br />

„Selbstheilungskräften“ des Bundestags Vorrang vor<br />

den Interventionsrechten des Bundespräsidenten ein.<br />

Eine dritte Handlungsalternative des Bundeskanzlers,<br />

die als einzige der Rechtslage in Ungarn<br />

ähnelt, ist der Rücktritt: Dieser hat zur Folge, dass<br />

die Bundesregierung ihr Amt zunächst als geschäftsführende<br />

Regierung gemäß Art. 69 Abs. 3 dtGG<br />

fortführt, bis das Parlament in dem normalen 25<br />

Verfahren des Art. 63 Abs. 1 dtGG auf Vorschlag<br />

des Bundespräsidenten mit der Mehrheit aller Abgeordneten<br />

einen neuen Bundeskanzler wählt. Auch<br />

in Deutschland droht dem Parlament die Gefahr<br />

der Auflösung, wenn es sich dem Kandidaten des<br />

Präsidenten verweigert (Art. 63 Abs. 4 dtGG). Diese<br />

Gefahr ist allerdings wesentlich geringer als in<br />

Ungarn gemäß § 28 Abs. 3 Buchst. b) ungVerf, denn<br />

das deutsche Parlament kann mit der Mehrheit aller<br />

Abgeordneten ab dem zweiten Wahlgang eine andere<br />

als die vom Bundespräsidenten vorgeschlagene<br />

Person zum Bundeskanzler wählen mit der Folge,<br />

dass der so Gewählte vom Bundespräsidenten zum<br />

Bundeskanzler ernannt werden muss. Das deutsche<br />

Parlament ist daher anders als das ungarische nur<br />

im ersten Wahlgang an den Personalvorschlag des<br />

Staatsoberhaupts gebunden, danach bei der Kandidatensuche<br />

aber frei. Art. 63 Abs. 4 Satz 1 ermöglicht<br />

sogar nach Ablauf einer 14-Tages-Frist die Wahl eines<br />

Bundeskanzlers mit relativer Mehrheit, ohne dass<br />

dieser die absolute Mehrheit erreicht. Nur wenn der<br />

Bundestag nur eine relative Mehrheit für die Wahl<br />

eines Bundeskanzlers zustande bringt (d.h. einen<br />

Minderheitenkanzler wählt), kann der Bundespräsident<br />

zwischen Ernennung des Gewählten und<br />

Auflösung des Bundestags wählen (Art. 63 Abs. 4<br />

Satz 3 dtGG).<br />

Ein Vergleich der Rechtsfolgen einer gescheiterten<br />

Vertrauensfrage zeigt, dass in Ungarn dem Präsidenten<br />

der Republik eine recht starke Rolle bei der<br />

Bestimmung des neuen Regierungschefs zukommt,<br />

weil er das Parlament auflösen kann, wenn es sich<br />

JURA 2006/<strong>1.</strong>

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!