Bolgár tanulmányok IV. (A Hajdú-Bihar Megyei ... - Déri Múzeum
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Ibolya V. Szathmári<br />
EIN LEBENDIGER BULGARISCHER VOLKSBRAUCH: MARTEN1SCHKA<br />
Die Volkskultur und die volkstümliche Lebensweise der Bulgaren wird von ungarischen<br />
Forschern schon seit langer Zeit untersucht. In der vorliegenden Arbeit wird auf all jene in Ungarisch<br />
verfassten Aufzeichnungen und Bearbeitungen hingewiesen, die seit Mitte des vergangenen<br />
Jahrhunderts in Verbindung mit der Lebensweise und den Bräuchen des bulgarischen Volkes regelmässig<br />
erschienen sind. Zu den erwähnten Themenkreisen erblickten vom Beginn der 1870/80-er<br />
Jahre an aus der Feder von Fülöp Félix Kanitz und Adolf Strausz auch schon Sammelbände das<br />
Licht der Welt, womit diese den bulgarischen Forschern sogar um zwei Jahrzehnte voraus waren.<br />
Hervorragende Verdienste in der Bekanntmachung mit der bulgarischen Ethnographie haben sich<br />
auch Géza Czirbusz, Zoltán Szilárdy, István Györffy und der ehemalige Direktor des <strong>Déri</strong> Museums<br />
zu Debrecen, IstvánEcsedi, erworben.<br />
In der vorliegenden Arbeit wird — anknüpfend an den vergleichend-historischen Charakter der<br />
Forschungen — ein auch heute noch anzutreffender bulgarischer Volksbrauch vorgestellt. Er wird<br />
Martenischka genannt und ist mit dem Traditionskreis des Frühlingserwartens verbunden.<br />
Die Untersuchung eben dieses Traditionskreises stand schon des öfteren im Mittelpunkt der<br />
Forschungen der bulgarischen Ethnographen (Ch. Vakarelski, Arnaudov, Kolewa, Wasiljewa,<br />
Jordanowa, J. Popowa). Die Forscher stellen einhellig fest, dass es sich hierbei um einen der am weitesten<br />
verbreiteten und bekanntesten Bräuche unter den traditionellen Volksbräuchen zum Frühlin<br />
bei dem bulgarischen Volk handelt: Der 1. März ist das Fest des Frühlings und Martenischka ist<br />
Zeichen und Verkünder des Frühlings. An diesem Tag wurde jedem lebenden Wesen Martenischka<br />
angesteckt, damit es das ganze Jahr hindurch glücklich und gesund bleibe.<br />
In der vorliegenden Arbeit wird darauf hingewiesen, dass man sich bei der Untersuchung des<br />
Traditionskreises von Martenischka vor Augen halten muss, dass der 1. März einerseits den Frühlingsbeginn<br />
darstellt, andererseits aber auch — dem alten Kalender zufolge — einstmals das Neujahr<br />
den Jahresbeginn für die slawischen Völker bedeutete. So können in dem sich um diesen Tag webenden<br />
Brauchkreis gleichermassen die mit dem Jahresbeginn wie auch mit dem Frühlingsbeginn verbundenen<br />
Bräuche entdeckt werden.<br />
Bis in die alte Glaubenswelt der Naturwölker reicht jene Vorstellung zurück, wonach der<br />
ewige Feind des Menschen, das Schlechte und das Böse, dann besonders schadhaft, wird, wenn<br />
etwas neues beginnt. Der Frühling und der Jahresbeginn (der 1. März) sind nun aber gerade solche<br />
Wendepunkte; sie bringen die Neubelebung und Wiedergeburt der Natur, den Beginn neuen Lebens<br />
und den Beginn eines neuen Jahres. Da vermehren sich auch die Schädlinge und die feindlichen<br />
Mächte, vor denen geschützt werden muss. Unter den magischen Methoden dieses Schutzes ist in<br />
Bulgarien auch Martenischka anzutreffen. Dieser Brauch hat also die Funktion, das Böse zu vertreiben<br />
und fernzuhalten von all den Lebewesen, denen Martenischka angesteckt wurde. Diese schützende<br />
und behütende Funktion, mit dem Fremdwort: die apotropäische Eigenschaft, werden Martenischka<br />
durch die Farben Rot und Weiss verliehen. Diesen Farben wird seit Urzeiten schon schützende<br />
und abwehrende Kraft zugesprochen.<br />
So wurde das aus roten und weissen Fäden geflochtene Martenischka eben aufgrund seiner<br />
schützenden und behütenden Eigenschaft am 1. März neugeborenen Kindern, um die man sich<br />
bangte, jungem Viehzeug, kurz vor der Blüte stehenden Obstbäumen u. a. angesteckt.<br />
Der Zeitpunkt für das Anbringen von Martenischka (1. März) lag fest, während es bei der<br />
Dauer des Tragens Abweichungen geben konnte (Vom 1. bis 9. März, den ganzen Monat hindurch,<br />
bis zur Ankunft der ersten Schwalbe oder des ersten Storches). Das abgenommene Martenischka<br />
konnte, unter einem Stein verborgen, nach einer gewissen Zeit auch weissagende Funktion annehmen<br />
(in Bezug auf die Heirat von Mädchen und den Reichtum der kommenden Ernte). Diese Funktion<br />
wird durch die Bezeichnung von Martenischka als „gadajene", „gaduschka" oder „gadalunka",<br />
welche besonders in Mittel- und Nordbulgarien gebräuchlich sind, ausgedrückt. Die im ganzen