Sicherheit Sécurité Sicurezza - Swissi

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SICHERHEIT 2009_2 64 RISIKOMANAGEMENT KMU nachhaltig sichern Der Umgang mit Risiken erhält heute zunehmende Bedeutung. Für die nachhaltige Sicherheit von KMU ist der Nutzen eines operativen Risikomanagements gross. Die beiden Autoren stellen den Risikomanagementkreislauf vor und nehmen dabei auf die Strompanne bei der SBB und ihre Konsequenzen Bezug. Andreas Brunner ist Abteilungsleiter Fahrbahn & Geomatik SBB in Luzern. Josef Luthiger ist Berater für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Sicherheitsinstitut in Zürich. Gross war das Gespött der Bahnnation Schweiz über die SBB unmittelbar nach dem Stromunterbruch vom 22. Juni 2005, der sämtliche Züge zum Stillstand gebracht hatte. Dem Unternehmen drohte neben dem finanziellen Schaden ein erheblicher Imageverlust. Es analysierte seine bisher grösste Betriebspanne und stellte fest, dass diese mit einem systematischen Risikomanagement (RM) auf Stufe Division hätte verhindert werden können. Die SBB sah im Ereignis eine Chance für einen Lernprozess im Umgang mit Risiken. Seither wird dem RM erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. SBB mit strukturiertem RM Die SBB verwendet auf Stufe Konzern ein Corporate RM-System, das sich an den Bedürfnissen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung orientiert und auf die strategische Planung des Unternehmens abgestimmt ist. Es bildet das Fundament des gesamten RM-Prozesses und wurde im | DIE BROSCHÜRE ZUM THEMA Kommen Sie der Krise zuvor «Das Glück bevorzugt den, der vorbereitet ist», heisst es in der 24-seitigen illustrierten Broschüre des Sicherheitsinstituts über das Kontinuitätsmanagement. Sie ist in deutscher, französischer oder englischer Sprache erhältlich: Sicherheitsinstitut info@swissi.ch, www.swissi.ch Unsere erfahrenen Ingenieure beraten Sie gerne: Beirat Risk Management c/o Sicherheitsinstitut beirat.riskmanagement@swissi.ch Nachgang zur Betriebspanne vollständig überarbeitet. Im Corporate RM werden alle unternehmerischen Risiken analysiert, beurteilt und gesteuert. Die auf die Erfassung betrieblicher Risiken ausgerichteten operativen RM-Systeme stellen eine zweckmässige Ergänzung zum Corporate RM dar. Die Risikobewältigung folgt dem Prinzip von Vermeiden, Vermindern, Transferieren oder selber Tragen. Risiken managen statt Schaden meistern Nicht erst ein Ereignis – wie bei der SBB – sollte bei Unternehmen Auslöser für die Einführung des strukturierten RM sein. Vielmehr sichert eine Firma ihre Zukunft, indem sie die Risiken wirkungsvoll bewirtschaftet und die Schadensbewältigung nur als eine von mehreren Mass - nahmen ansieht. Der RM-Prozess einer Unternehmung wird meistens in einen strategischen und einen operativen Teil gegliedert. Wichtig ist, dass es sich beim RM-Prozess um einen Regelkreis handelt. Das operative RM beinhaltet den Prozess der systematischen, laufenden Risiko - analyse des Unternehmens und seiner Geschäftsabläufe. Dabei stehen Einzelrisiken im Vordergrund. Ziel ist, die betriebswirtschaftlich optimale und nicht die maximale Sicherheit zu erreichen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Verkettung der Einzelrisiken. Unerkannte Risiken gefährden Existenz Rund 40% der Unternehmungen überleben einen schweren Schadenfall nicht – das zeigt die Erfahrung! Ereignisse bezüglich Produkthaftung und Klumpenrisiken wie die einseitige Abhängigkeit von Grosskunden gehören für KMU zu den häufigsten existenzbedrohenden Risiken. Einer der Autoren erlebte dies als Mit arbeiter der Opto Speed, die in der Optoelektronik tätig war. Die Firma war vor zehn Jahren ein Schweizer Vorzeige unternehmen und gewann den Swiss Economic Award 2000. Zu den Kunden gehörten die namhaftesten Telekomunternehmen. Nach dem Terroranschlag von New York brach der Telekommarkt ein. In der Folge kündigte der grösste Kunde seinen Rahmenvertrag für Fotodioden. Damit fiel mehr als die Hälfte des Umsatzes weg, die Firma geriet in finanzielle Schwierigkeiten und meldete im Juli 2003 Insolvenz an. Zwar hatte die Geschäftsleitung für die Abfassung von Rahmenverträgen jeweils Juristen konsultiert, doch hatte sie es versäumt, die wesentlichen Risiken des Unternehmens zu ermitteln und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Von der Insellösung zum operativen RM Viele Unternehmen befassen sich in Teilgebieten mit operativen Risiken und haben wirksame Lösungen realisiert. Auslöser dafür sind oft gesetzliche Bestimmungen. In vielen Firmen werden die Risiken Brandschutz und Arbeitssicherheit aktiv bewirtschaftet und die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen wird periodisch überprüft. Der Umgang mit den beiden Risiken ist jedoch eine Insellösung. Oft fehlt ein systematischer Überblick über sämtliche relevante Risiken. Einfach erkennbare Mängel wie Stolperstellen, ungenügende Beschilderung oder Klemmstellen an Maschinen werden relativ schnell behoben. Stolperstellen werden aber ein Unternehmen kaum existenziell bedrohen. Schwieriger aufzudecken sind systemische Risiken, beispielsweise mangelhafte Sicherheitsüberlegungen in einer Anlagensteuerung, die schwere Unfälle oder lange Stillstandzeiten verursachen können. Wie erfolgreich eine Firma ihre Risiken bewirtschaftet, hängt stark von der Unternehmenskultur ab. Die Herausforderung liegt darin, RM zu einem integralen Be-

standteil des Denkens und Handelns aller Mitarbeitenden zu machen. Eine bereits vorhandene Fehlerkultur erleichtert die Integration eines RM. Zurück zur Bahnstrompanne bei der SBB: Eine vermeintlich unbedeutende falsche Angabe zur Transportkapazität der Übertragungsleitung in der Dokumentation hat letztlich die verhängnisvolle Kettenreaktion von der Kleinstörung zum Grossereignis ausgelöst. Aufbau eines operativen RM Was für die Arbeitssicherheit und den Brandschutz wichtig ist, gilt auch für die Integration eines RM: Nur wenn sich die Geschäftsleitung vollumfänglich zum strukturierten RM bekennt und dieses im Einklang mit den Unternehmenszielen steht, wird es massgebend zum Betriebserfolg beitragen. Der RM-Prozess basiert auf einem aus vier Schritten bestehenden Regelkreis. Der erste Schritt beim Aufbau des operativen RM besteht in der Identifikation der potenziellen Risiken. Die zentrale Frage ist dabei: Welches sind die Risiken, die der Unternehmung unerwartet grossen Schaden zufügen können, und wie werden diese systematisch aufgedeckt? Risikokataloge können die systematische Risikoidentifizierung unterstützen, bieten jedoch keine Garantie für die lückenlose Aufdeckung. Das kritische Hinterfragen der bestehenden Zustände und Prozesse sowie das Denken in Szenarien helfen beim Erkennen von Risiken. Externe Berater können hier einen echten Mehrwert erbringen, indem sie zu einer objektiveren Betrachtung neigen und ihre Erfahrung aus anderen Betrieben und Branchen einfliessen lassen. Es muss auch das scheinbar Undenkbare diskutiert werden: Beispielsweise wurde bei der SBB das Ereignis eines totalen Bahnstromausfalls nie antizipiert. Entsprechend waren auch keine Massnahmen für ein derartiges Szenario vorhanden. Sind sämtliche potenziellen Risiken und deren Auswirkungen bekannt, gilt es, diese zu bewerten und geeignete Massnahmen für die Bewältigung zu treffen. Mit ihrer Umsetzung gelangt man in die Phase der Risikoüberwachung. Die dauernde Risikokontrolle ist eine Führungsaufgabe, genauso wie die laufende Optimierung der übrigen Geschäftsprozesse. Der verantwortliche Risikomanager soll sich auf das Führen, Sensibilisieren für Risiken und deren Überwachung beschränken. Er hat die Eigenverantwortung der Risikoeigner zu fördern und das RM-Konzept periodisch auf seine Wirksamkeit zu überprüfen. Kommt es dennoch zum Schaden… Ein wirkungsvolles RM-Konzept kann ein negatives Ereignis nicht vollumfänglich verhindern. Tritt eines der unerwünschten Ereignisse dennoch ein, ist erstens die Kommunikation ein Schlüsselfaktor in der erfolgreichen Bewältigung. Dank einer professionellen Kommunikation hat die Die SBB hat aus der Strompanne vom 22. Juni 2005 die Konsequenzen für das Risikomanagement gezogen. Yoshiko Kusano/Keystone SBB keinen Reputationsschaden aus der «peinlichen» Strompanne erlitten. Zweitens wird mit einem Kontinuitätsmanagement für den Ernstfall erreicht, unter Zeitdruck schnell das Richtige zu tun. Damit werden die Schlüsselprozesse bestimmt und Massnahmen definiert. Diese zielen darauf ab, die Schlüsselprozesse nach dem Ereignis schnell wieder zur Verfügung zu haben. Fazit und Ausblick Das Risikobewusstsein ist seit den letzten zwei Jahrzehnten einem starken Wandel unterworfen. Der Einsatz neuer, unbekannter Technologien und eine sich wandelnde Ansicht der Gesellschaft über Risiken wird dem Umgang mit Risiken eine zunehmende Bedeutung zukommen lassen. Die Erfahrungen im Umgang mit unternehmensweiten RM-Systemen sind noch gering und die Risikowissenschaft entsprechend jung. W Beide Autoren sind Absolventen des Studiengangs Master of Advanced Studies in Risk Management an der Hochschule Luzern – Wirtschaft, in Luzern 65 SICHERHEIT 2009_2

standteil des Denkens und Handelns aller<br />

Mitarbeitenden zu machen. Eine bereits<br />

vorhandene Fehlerkultur erleichtert die<br />

Integration eines RM. Zurück zur Bahnstrompanne<br />

bei der SBB: Eine vermeintlich<br />

unbedeutende falsche Angabe zur<br />

Transportkapazität der Übertragungsleitung<br />

in der Dokumentation hat letztlich<br />

die verhängnisvolle Kettenreaktion von<br />

der Kleinstörung zum Grossereignis ausgelöst.<br />

Aufbau eines operativen RM<br />

Was für die Arbeitssicherheit und den<br />

Brandschutz wichtig ist, gilt auch für die<br />

Integration eines RM: Nur wenn sich die<br />

Geschäftsleitung vollumfänglich zum<br />

strukturierten RM bekennt und dieses im<br />

Einklang mit den Unternehmenszielen<br />

steht, wird es massgebend zum Betriebserfolg<br />

beitragen.<br />

Der RM-Prozess basiert auf einem aus vier<br />

Schritten bestehenden Regelkreis. Der<br />

erste Schritt beim Aufbau des operativen<br />

RM besteht in der Identifikation der potenziellen<br />

Risiken. Die zentrale Frage ist<br />

dabei: Welches sind die Risiken, die der<br />

Unternehmung unerwartet grossen Schaden<br />

zufügen können, und wie werden<br />

diese systematisch aufgedeckt?<br />

Risikokataloge können die systematische<br />

Risikoidentifizierung unterstützen, bieten<br />

jedoch keine Garantie für die lückenlose<br />

Aufdeckung. Das kritische Hinterfragen<br />

der bestehenden Zustände und Prozesse<br />

sowie das Denken in Szenarien helfen<br />

beim Erkennen von Risiken. Externe Berater<br />

können hier einen echten Mehrwert<br />

erbringen, indem sie zu einer objektiveren<br />

Betrachtung neigen und ihre Erfahrung<br />

aus anderen Betrieben und Branchen<br />

einfliessen lassen. Es muss auch das<br />

scheinbar Undenkbare diskutiert werden:<br />

Beispielsweise wurde bei der SBB das Ereignis<br />

eines totalen Bahnstromausfalls nie<br />

antizipiert. Entsprechend waren auch<br />

keine Massnahmen für ein derartiges Szenario<br />

vorhanden.<br />

Sind sämtliche potenziellen Risiken und<br />

deren Auswirkungen bekannt, gilt es, diese<br />

zu bewerten und geeignete Massnahmen<br />

für die Bewältigung zu treffen. Mit ihrer<br />

Umsetzung gelangt man in die Phase der<br />

Risikoüberwachung. Die dauernde Risikokontrolle<br />

ist eine Führungsaufgabe, genauso<br />

wie die laufende Optimierung der<br />

übrigen Geschäftsprozesse. Der verantwortliche<br />

Risikomanager soll sich auf das<br />

Führen, Sensibilisieren für Risiken und deren<br />

Überwachung beschränken. Er hat die<br />

Eigenverantwortung der Risikoeigner zu<br />

fördern und das RM-Konzept periodisch<br />

auf seine Wirksamkeit zu überprüfen.<br />

Kommt es dennoch zum Schaden…<br />

Ein wirkungsvolles RM-Konzept kann ein<br />

negatives Ereignis nicht vollumfänglich<br />

verhindern. Tritt eines der unerwünschten<br />

Ereignisse dennoch ein, ist erstens die<br />

Kommunikation ein Schlüsselfaktor in der<br />

erfolgreichen Bewältigung. Dank einer<br />

professionellen Kommunikation hat die<br />

Die SBB hat aus der<br />

Strompanne vom<br />

22. Juni 2005 die Konsequenzen<br />

für das<br />

Risikomanagement<br />

gezogen.<br />

Yoshiko Kusano/Keystone<br />

SBB keinen Reputationsschaden aus der<br />

«peinlichen» Strompanne erlitten. Zweitens<br />

wird mit einem Kontinuitätsmanagement<br />

für den Ernstfall erreicht, unter Zeitdruck<br />

schnell das Richtige zu tun. Damit<br />

werden die Schlüsselprozesse bestimmt<br />

und Massnahmen definiert. Diese zielen<br />

darauf ab, die Schlüsselprozesse nach<br />

dem Ereignis schnell wieder zur Verfügung<br />

zu haben.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Das Risikobewusstsein ist seit den letzten<br />

zwei Jahrzehnten einem starken Wandel<br />

unterworfen. Der Einsatz neuer, unbekannter<br />

Technologien und eine sich wandelnde<br />

Ansicht der Gesellschaft über Risiken<br />

wird dem Umgang mit Risiken eine<br />

zunehmende Bedeutung zukommen lassen.<br />

Die Erfahrungen im Umgang mit unternehmensweiten<br />

RM-Systemen sind<br />

noch gering und die Risikowissenschaft<br />

entsprechend jung. W<br />

Beide Autoren sind Absolventen des<br />

Studiengangs Master of Advanced Studies<br />

in Risk Management an der<br />

Hochschule Luzern – Wirtschaft, in Luzern<br />

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