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Willy Knecht ist pensionierter Brandfahnder in Bönigen BE. SICHERHEIT 2009_2 32 BRANDERMITTLUNG Spurensuche als Leidenschaft Der Autor hält Rückschau auf seine 25-jährige Tätigkeit als Brandfahnder und späterer Dezernatsleiter bei der Kantonspolizei Bern. Grundseriöse Arbeit, ein grosses Beziehungsnetz sowie eine gute Dosis Unvoreingenommenheit und Sozialkompetenz liessen diese Jahre zu den besten seines Lebens werden. Oft lagen Freude, Tragik und auch Misserfolg nahe beieinander. In meiner Jugendzeit war die Lektüre von Karl May ein Muss. Dabei staunte ich immer wieder über die Fähigkeiten des Old Shatterhand. Anhand von Spuren konnte er ganze Abläufe rekonstruieren oder voraussagen. Dass Spurensuche und Spurenlehre einmal zu meiner täglichen Arbeit auf dem Schadenplatz werden sollte, hätte ich damals nie gedacht. Im Chaos auf Spurensuche Zuerst herrscht auf dem Brandplatz das Chaos, alles ist verkohlt, es gibt keine erkennbaren Zu - sammenhänge, und wer möchte während Stunden, ja oft Tagen in Schutt und Asche, Trümmern und Überresten von Gerätschaften arbeiten? Die kleine Gruppe von Brandfahndern, die sich des Schadenobjekts anzunehmen hat, ist ganz auf sich allein gestellt. Vorerst muss viel Schutt abgetragen werden. Aber schon bei dieser Tätigkeit wird höchste Aufmerksamkeit verlangt. Kein Gegenstand hat mehr seine ursprüngliche Form oder Farbe. Alles scheint schwarz zu sein, vieles ist fragmentiert. Nur geschulte Vorstellungskraft ermöglicht die Zuordnung von Fundstücken und lässt diese theoretisch wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren. Nun gilt es, die Brandzerstörungsgrade zu erkennen. Die unterschiedliche sog. Brandzehrung kann Auskunft über Intensität, Dauer und namentlich Verlauf des möglicherweise primären Feuers geben. Vielleicht führte zum Beispiel ein stromführender Leiter durch das erkannte Brandzentrum. Dann müssen die blanken Drähte auf unregelmässige Spuren wie etwa eine mechanische Druckverletzung untersucht werden. Eventuell trifft man auf eine unterbrochene Leitung, an deren Ende später im Labor eindeutige Spuren eines Lichtbogenfeuers nachgewiesen werden können. Vielleicht stand ein Papierkorb im nun erkannten Zentrum, eventuell waren dort unvorsichtigerweise glimmende Raucherwarenreste entsorgt worden. Selbstverständlich sind in einem solchen Fall weitgehend alle aussagekräftigen Beweismittel vernichtet worden, aber das sauber ermittelte und dokumentierte Brandspurenbild wird nach einer sorgfältigen Ermittlung auch vor Gericht keine Zweifel offenlassen. Anforderungen an den Brandermittler Hand aufs Herz: Wussten Sie, was ein Brandermittler können muss? Im klassischen Krimi steht Mordaufklärung im Vordergrund, die Arbeit von Brandermittlern hingegen wird nie gezeigt. Nur erfahrene Ermittler mit langjähriger Tätigkeit können Neueinsteiger nach und nach in die Geheimnisse der Spurenlehre und Interpretation einführen. Ein Brandermittler muss über solide Grundkenntnisse im Bauwesen (Materialkenntnis, Technik usw.), über das brandtechnische Verhalten verschiedenster Stoffe, Wissen über physikalische, chemische und biologische Abläufe usw. verfügen. Die Tätigkeit an der Schadenfront verlangt viel Geschick, Gefühl und eine überaus grosse Selbstdisziplin. Unverzichtbares Beziehungsnetz Wie aber kann ein Brandfahnder überhaupt an dieses immense Wissen gelangen? Ich denke, ganz einfach: Ich habe immer dafür plädiert, zusätzliche Kenntnisse bei spezialisierten Partnern zu holen. Stets muss die Verbindung zu ihnen gesucht und gepflegt werden, es sei denn, die rechtliche Situation lasse im Frühstadium einer Ermittlung keine solchen Kontakte zu. Der einsame Wolf in Gestalt des Brandfahnders lässt in jedem Fall eine rechtmässige Kontaktierung zu, auch wenn es oft eine Gratwanderung ist. In meiner 25-jährigen Tätigkeit habe ich ein unermessliches Beziehungsnetz im In- und Ausland auf-
auen können, ein Netz, das leider bei der Pensionierung nicht vorbehaltlos an den Nachfolger weitergegeben werden kann, denn es gründet auf sehr persönlicher Zusammenarbeit. Sehen oder sehen wollen Jede polizeiliche Arbeit, erfolge sie nach einem Verkehrsunfall, bei der Bearbeitung einfacher Diebstähle, schwerer Delikte gegen Leib und Leben oder nach einem Brand- oder Explosionsereignis, fusst auf der Basis von Informationen, die nach einem Ereignis wie eine Flut über die Sachbearbeiter hereinbrechen, Meinungsäusserungen oder Beobachtungen, welche mitunter sehr persönlich gefärbt sein können. Ich habe heute, als freischaffender Brandexperte, einige Fälle zur Bearbeitung vorgelegt erhalten, welche selbst durch professionell arbeitende Brandermittler zu früh abgeschlossen worden waren. Sie arbeiteten grundsätzlich nicht schlecht, gaben sich Mühe, unterlagen aber einem unglücklichen Umstand der Ermittlerpraxis: «Man sieht nur das, was man will – und will nur das, was man sieht!» Ich denke an einen Fall, wo ein mehrfach vorbestrafter Kleinkrimineller Opfer eines Brandes ge- worden war. Endlich glaubten wir, ihn einmal als Täter erwischt zu haben, viele Details sprachen gegen ihn. Beim Abgleich der effektiven Daten, Informationen und Brandspurenbilder ergab sich aber keine Logik mehr. Zwar lag mit Sicherheit Brandstiftung vor, aber die Indizien genügten nicht mehr, den körperlich angeschlagenen Mann im oberinstanzlichen Verfahren schuldig zu sprechen. Was war passiert? Irgendeinmal war der Informationsfluss abgebrochen worden, zu früh, wie sich später zeigte. Brandstiftungen Die eigentlichen Schwierigkeiten ergeben sich, wenn nach einer sorgfältigen und oft stundenlangen Tatortanalyse alle in Frage kommenden Brand - entstehungsmöglichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Dann bleibt noch die Möglichkeit menschlichen Einwirkens. Wie soll der Feuerwehr erklärt werden, dass aus dem Brandobjekt plötzlich ein Tatort geworden ist? Eigentlich könnten alle anwesenden oder vorher weggegangenen Personen als Täter in Frage kommen. Sie tragen keine brandrelevanten Spuren und können nicht, wie z.B. Einbrecher, anhand mitge- W Tiefgaragenbrand von Gretzenbach SO: Der riesige Schutthaufen … Fotos: Urs Flüeler/Keystone W Incendie dans un garage souterrain à Gretzenbach SO: un énorme tas de décombres … W Incendio in un garage sotterraneo a Gretzenbach, SO: l’enorme cumulo di macerie ... 33 SICHERHEIT 2009_2
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auen können, ein Netz, das leider bei der Pensionierung<br />
nicht vorbehaltlos an den Nachfolger weitergegeben<br />
werden kann, denn es gründet auf sehr<br />
persönlicher Zusammenarbeit.<br />
Sehen oder sehen wollen<br />
Jede polizeiliche Arbeit, erfolge sie nach einem Verkehrsunfall,<br />
bei der Bearbeitung einfacher Diebstähle,<br />
schwerer Delikte gegen Leib und Leben<br />
oder nach einem Brand- oder Explosionsereignis,<br />
fusst auf der Basis von Informationen, die nach einem<br />
Ereignis wie eine Flut über die Sachbearbeiter<br />
hereinbrechen, Meinungsäusserungen oder Beobachtungen,<br />
welche mitunter sehr persönlich<br />
gefärbt sein können.<br />
Ich habe heute, als freischaffender Brandexperte, einige<br />
Fälle zur Bearbeitung vorgelegt erhalten, welche<br />
selbst durch professionell arbeitende Brandermittler<br />
zu früh abgeschlossen worden waren. Sie<br />
arbeiteten grundsätzlich nicht schlecht, gaben sich<br />
Mühe, unterlagen aber einem unglücklichen Umstand<br />
der Ermittlerpraxis: «Man sieht nur das, was<br />
man will – und will nur das, was man sieht!»<br />
Ich denke an einen Fall, wo ein mehrfach vorbestrafter<br />
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worden war. Endlich glaubten wir, ihn einmal als<br />
Täter erwischt zu haben, viele Details sprachen gegen<br />
ihn. Beim Abgleich der effektiven Daten, Informationen<br />
und Brandspurenbilder ergab sich aber<br />
keine Logik mehr. Zwar lag mit <strong>Sicherheit</strong> Brandstiftung<br />
vor, aber die Indizien genügten nicht mehr,<br />
den körperlich angeschlagenen Mann im oberinstanzlichen<br />
Verfahren schuldig zu sprechen. Was<br />
war passiert? Irgendeinmal war der Informationsfluss<br />
abgebrochen worden, zu früh, wie sich später<br />
zeigte.<br />
Brandstiftungen<br />
Die eigentlichen Schwierigkeiten ergeben sich,<br />
wenn nach einer sorgfältigen und oft stundenlangen<br />
Tatortanalyse alle in Frage kommenden Brand -<br />
entstehungsmöglichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
ausgeschlossen werden können. Dann bleibt<br />
noch die Möglichkeit menschlichen Einwirkens. Wie<br />
soll der Feuerwehr erklärt werden, dass aus dem<br />
Brandobjekt plötzlich ein Tatort geworden ist?<br />
Eigentlich könnten alle anwesenden oder vorher<br />
weggegangenen Personen als Täter in Frage kommen.<br />
Sie tragen keine brandrelevanten Spuren und<br />
können nicht, wie z.B. Einbrecher, anhand mitge-<br />
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Tiefgaragenbrand von<br />
Gretzenbach SO: Der<br />
riesige Schutthaufen …<br />
Fotos: Urs Flüeler/Keystone<br />
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Incendie dans un garage<br />
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SO: un énorme tas<br />
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Incendio in un garage<br />
sotterraneo a Gretzenbach,<br />
SO: l’enorme<br />
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