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Spectrum_02_2022

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SEXUALITÄT

Texte Helene-Shirley Ermel

Illustration Pinterest

Bedeutet Polyamorie

Beziehungsunfähigkeit?

Was ist Polyamorie genau? Und verstehen wir den Begriff überhaupt?

Spectrum versucht über Vorurteile aufklären.

ob sie verheiratet sind oder nicht.

Betrachten wir das ganze Leben eines Menschen,

so ist er von Natur aus nicht monogam,

sondern geht meist seriell monogame

Beziehungen ein. Das bedeutet, ein Mensch

hat für eine bestimmte Zeit Gefühle für

eine bestimmte Person, und sobald die Beziehung

beendet ist, strebt er wieder nach

einer neuen erfüllenden monogamen Beziehung.

So gut wie niemand bleibt von der

ersten Schwärmerei bis ans Lebensende

mit demselben oder derselben Partner*in

zusammen.

Polyamorie: Traute Mehrsamkeit?

lternative Beziehungsformen werden

A zwar immer beliebter, trotzdem gibt es

unzählige Vorurteile. Warum fällt es uns so

schwer, neue Konzepte zu verstehen?

Was ist Polyamorie?

Polyamorie bedeutet frei übersetzt «Vielliebe»

und ist eine Beziehungsform, bei der

mehr als zwei Personen Beziehungen zueinander

eingehen und alle Beteiligten davon

wissen. Sie können in Hierarchien strukturiert

sein, müssen aber nicht. Natürlich bestehen

auch innerhalb dieser Beziehungen

romantische (und sexuelle) Gefühle.

Zu unterscheiden ist Polyamorie jedoch

von anderen non-«monogamen» Beziehungsformen

wie der Polygamie (der Vielehe

in einigen Kulturkreisen), der offenen

Beziehung (eine Beziehung zwischen zwei

Menschen öffnet sich zugunsten einer abwechslungsreicheren

Sexualität ohne Gefühle

zu Dritten) und beispielsweise der

Beziehungsanarchie (keine Unterschiede

zwischen romantischen Beziehungen und

Freundschaften).

«Super, ich suche eh nichts Festes»

Obwohl das Prinzip eigentlich ein einfaches

ist, sehen sich polyamoröse Menschen

oft mit Unverständnis konfrontiert. Viele

missverstehen Polyamorie als eine an sich

«monogame», aber offene Beziehung, in der

eine starke Hierarchie herrscht und weitere

Partner*innen nicht so wichtig seien. Zudem

ist die Annahme weit verbreitet, dass

Eifersucht ein zu grosses Problem sei, sehr

viel Konkurrenz zwischen den Beteiligten

herrsche und es gar unmöglich sei, Gefühle

für mehr als eine Person zu haben.

Für viele Menschen bedeutet Polyamorie

auch, untreu zu sein und Fremdgehen zu

legitimieren. Sie könnten sich nicht an eine

bestimmte Person binden, sondern müssten

sich ständig auf die Suche nach Neuem machen.

Doch Polyamorie funktioniert anders:

Alle Beteiligten wissen voneinander und

geben sich mit den langfristigen Beziehungen

einverstanden. Kommunikation ist die

wichtigste Voraussetzung für das Gelingen

eines polyamorösen Netzwerkes – wie in jeder

monogamen Beziehung eigentlich auch.

Warum nicht monogam?

Um eines zu Beginn klarzustellen: Als Monogamie

gilt in diesem Kontext die exklusive

Liebesbeziehung zweier Menschen, egal

Ein Problem kann dabei sein, dass alle Erwartungen

auf einer einzigen Person lasten.

Wie kann ein einziger Mensch alle Bedürfnisse

eines anderen erfüllen, ohne selbst

zu kurz zu kommen? Besonders für queere

Menschen, die sich zu mehr als einem Geschlecht

hingezogen fühlen, kann es auf

Dauer ein Gefühl der Unerfülltheit auslösen

oder Unwohlsein bereiten.

Oft hat man zudem das Gefühl, von vielen

Seiten toxische Meinungen zu hören:

«Mein*e Partner*in darf mit niemandem des

anderen Geschlechts ausser mir Kontakt

haben. Wenn Gefühle für andere aufkommen,

müssen wir schnellstmöglich Schluss

machen.» Das hindert jegliche Kommunikation

und kann einer gesunden Beziehung im

Weg stehen.

Wer in Betracht zieht, die Beziehung zu

öffnen oder Polyamorie für sich auszuprobieren,

darf sich also einiger Freiheiten erfreuen.

Dennoch ist sie nicht für jede*n die

beste Lösung – immerhin kann schon eine

Beziehung zu einem einzigen Menschen

viel Zeit beanspruchen, geschweige denn

zu mehreren. Auch das Aufkommen von

Eifersucht ist in der Polyamorie genauso

möglich, wie in der Monogamie. In jeder

Beziehungsform ist es das Wichtigste, respektvoll

miteinander zu kommunizieren

und zusammen - sei dies zu zweit, zu dritt

oder mehr - glücklich zu sein. P

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spectrum

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