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Spectrum_06_2021

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GESELLSCHAFT

Text Alyna Reading

Illustration Genderbox

Frauen- und Vorbilder

Das Geschlecht beeinflusst die Auswahl des Berufs oder

Studiums. Das Projekt «Vorbilder» versucht dafür zu sensibilisieren.

«Männerberufe» sind besser bezahlt als

«Frauenberufe». Frauen laufen öfter Gefahr

als Männer im Alter an Armut zu leiden.

Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist

die Teilzeitarbeit. 60% aller Frauen in der

Schweiz arbeiten 2018 arbeiteten 60% aller

Frauen in der Schweiz Teilzeit, während es

bei den Männern lediglich 20% waren. Noch

immer sind es die Frauen, die für unbezahlte

Hausarbeit und Kinderbetreuung das Pensum

ihrer Erwerbsarbeit reduzieren. Eine

Umfrage der Zeitschrift «annabelle» vom

November 2021 zeigt: Schweizer*innen

halten ein Erwerbspensum von 50-60% bei

Müttern und 80% bei Vätern für ideal. Weil

viele Frauen Teilzeit arbeiten, verdienen sie

weniger und erhalten eine entsprechend geringere

Rente im Alter.

Gleichzeitig erlauben viele «Männerberufe»

Teilzeitarbeit nicht. So werden die bestehenden

Strukturen aufrechterhalten. In

der vorher zitierten «annabelle»-Umfrage

geben über die Hälfte der befragten Männer

zwischen 16 und 34 an, dass es sie «manchmal»

oder sogar «häufig» belaste, allein für

das Haushaltseinkommen verantwortlich zu

sein. Wenn also mehr Frauen in «Männerberufen»

arbeiten würden, könnte sich so die

Teilzeitarbeit normalisieren.

er Verein «Genderbox» in Basel bietet

D Workshops und Hilfsmittel an für Ausund

Weiterbildungen rund um die Themen

Geschlecht, Vielfalt und Gleichstellung. Seit

dem Sommer 2019 arbeitet der Verein am

Projekt «Vorbilder»: Ein Angebot für Gymnasien

schweizweit, um Jugendliche darauf

aufmerksam zu machen, welche Rolle ihr

Geschlecht in der Berufswahl spielt.

Nicht moralisieren oder bewerten

Freija Geniale, Studentin der Sozialarbeit/

Sozialpolitik und Zeitgeschichte an der

Universität Freiburg, vertrat die «Vorbilder»-Projektleiterin

Salome Seiffert während

ihres Mutterschaftsurlaubs. Geniale

möchte Jugendliche früh auf Ungleichheiten

zwischen den Geschlechtern hinweisen.

«Vorbilder» bietet dazu Unterrichtseinheiten

von Doppellektionen bis hin zu ganzen

Projektwochen an. Während des Projektes

erarbeitet ein*e Expert*in mit den Jugendlichen

das Thema der «vergeschlechtlichten»

Berufs- und Studienwahl. Diese Workshops

sollen nicht moralisierend oder bewertend

sein, sondern bestehende Unterschiede

sichtbar machen. Geniale sagt dazu: «Die

Schüler*innen nehmen im Laufe des Projektes

von selbst wahr, welche Aspekte

diskriminierend sind oder mit unserer Sozialisation

als Frauen oder Männer zusammenhängen.»

Armut im Alter

Viele Frauen arbeiten in sozialen Berufen,

in denen sie «Care-Arbeit» leisten. Das ist

ein Sammelbegriff für Pflege-, Betreuungsund

Hausarbeit. Meistens wird diese Arbeit

schlecht bezahlt. Unsere Gesellschaft bewertet

die Arbeit von Frauen anders, als die

von Männern. Geniale nennt als Beispiel die

Arbeit mit Computern: Zu Beginn gehörte

der Computer zur Sekretär*in, also in die

Domäne der Frau. Mit dem Aufkommen der

Informationstechnologie verwandelte sich

die Arbeit mit Computern in eine «männliche»

Sphäre mit höherem Lohn.

Informatik oder Pflege

«Unser Ziel ist nicht, dass alle Frauen Informatik

und alle Männer Pflege studieren,

sondern dass die Jugendlichen ein Bewusstsein

für diese gesellschaftlichen Strukturen

entwickeln», erklärt Geniale. Im Verlaufe

des Projekts «Vorbilder» sollen sich die

Jugendlichen mit ihren eigenen Berufswünschen

und ihrer Sozialisation als ein

bestimmtes Geschlecht auseinandersetzen.

Dafür reden sie, wie der Projektname schon

verrät, viel über Vorbilder. Darüber, was

ein Vorbild überhaupt ist und ob es wichtig

ist, welches Geschlecht es hat. Darüber, an

welchen Vorbildern sich ihre Eltern oder

Grosseltern orientiert haben.

Im Zuge des Projekts suchen sich die Jugendlichen

eine Person als Vorbild aus: Jemand,

der in einem Beruf arbeitet, der sie interessiert,

aber ein anderes Geschlecht hat,

als sie selbst. Die Jugendlichen halten für

den Abschluss des Projektes einen Vortrag

oder schreiben einen Aufsatz, der dann auf

der Webseite von «Genderbox» veröffentlicht

wird. Geniale zeigt sich zuversichtlich

mit dem Projekt, das sich seit diesem August

in der Umsetzungsphase befindet: «Ich denke,

dass es mit Hilfe von solchen Projekten

langfristig möglich sein wird, die patriarchalen

Strukturen, in denen wir leben, zu überwinden.»

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