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KRITIKEN

Von Monstern besessen

«I'm going through changes», so heisst es in der Titelmusik

der Netflix Serie «Big Mouth». Die Animationsserie

ging Ende Jahr in die fünfte Runde. Von

Masturbation bis hin zur Entdeckung der eigenen

Sexualität: Die Figuren von «Big Mouth» erleben

viel. In den neuen 10 Episoden entdecken sie auch

noch die Liebe.

"Big Mouth" erzählt von einer Gruppe Schüler*innen,

die durch die Höhen und Tiefen der Pubertät

gehen. Nick und sein bester Freund Andrew,

basierend auf den Schöpfern Nick Kroll und Andrew

Goldberg, probieren endlich mit ihren pubertierenden

Körpern und den damit verbundenen Emotionen

klarzukommen. Jessi und Missy entdecken,

was es heisst eine Frau zu sein. Jay experimentiert

mit Kissen, Lola hat extreme Emotionsausbrüche

und Matthew versteckt hinter seiner sarkastischen

Fassade einen sensiblen Kern. Doch anders als wir

in der nicht-animierten Welt, gehen die Schüler*innen

nicht allein durch die Pubertät. Sie werden

von Hormon-Monstern, einem Shame Wizard, den

Anxiety Mosquitos und in der neusten Staffel auch

von Lovebugs und Hateworms begleitet, die ihnen

das Leben schwer machen.

Voll von unzensierter Vulgarität und anstössigen

Witzen ist dies keine Animationsserie für Kinder.

Eigentlich schade, denn den Pubertierenden könnte

es helfen, die Veränderungen ihres Körpers durch

Monster erklärt zu bekommen. Doch obwohl die

Pubertät für das Publikum schon vorbei ist, hat die

Serie viel zu bieten. Schon nur die grossartige Darbietung

des Cast ist ein Pluspunkt. Serienschöpfer

Nick Kroll übernimmt dabei nicht nur den von ihm

inspirierten Nick, sondern gleich auch noch Hormon-Monster

Maury, Turnlehrer Coach Steve, die

missmutige Lola und weitere Figuren, von denen

keine die gleiche Stimme hat. Die Themen der Serie

sind genau so umfangreich wie Krolls Stimmen.

Verschiedene Sexualitäten, Rassismus, Feminismus,

Bodyimage und Depressionen - alles wird in der Serie

angesprochen. Nicht jedes dieser Themen wird

gleich gut eingebracht.Doch die ernsteren Aspekte

werden nie als «Punchline» missbraucht, was in

Komödien sonst schnell mal passieren kann.

Die fünfte Staffel von "Big Mouth" bietet viele unterhaltsame

und teils absurde Momente, darunter

auch ein Weihnachtsspecial. Und vielleicht kann

die Serie uns "auspubertierten" Menschen helfen zu

verstehen, wieso 13-jährige wirken, wie von einem

Monster besessen zu sein.

Franziska Schwarz

Big Mouth

Nick Kroll, Andrew Goldberg,

Mark Levin, Jennifer Flackett

2017-2021

5 Staffeln (51 Episoden)

Missliche Lage

«Alles, was ich wollte, war mein Abschluss und einen

Freund und das alles weit weg von meinen Eltern.»

Dieser Satz hat mich gleich zu Beginn des Filmes

gepackt. Geht es nicht allen neuen Student*innen

so? Oder nur mir?

Das erste Mal auf eigenen Beinen stehen, allein wohnen

und selbst Erfahrungen sammeln. So beginnt

die Geschichte von Sonja, der 20-jährigen Mathestudentin

aus Berlin. Ihre Geschichte nimmt schnell

eine überraschende Wendung, als sie sich in Ladja

verliebt und er sie in seinen Lifestyle hineinzieht:

Party, lange aufbleiben und nie Geld haben. Sonja

erfährt ihre Grenzen und was sie alles für Geld tut.

Aus Geldnot heraus gerät sie über einen Bekannten

ins Rotlicht-Milieu und ist von sich selbst überrascht,

wie weit sie geht.

Sonja lernt, wer wahre Freunde sind und wie es ist

ein Doppelleben zu leben, um Uni, Freund und Arbeit

unter einen Hut zu bekommen.

Ein Film, in dem es darum geht Grenzen auszutesten

und Grenzen zu überschreiten.

Als nicht gerade klassisches Beispiel eines deutschen

Spielfilms hat mich «Fucking Berlin» definitiv überrascht.

Der Film zeigt Prostitution aus einem anderen

Blickwinkel und dessen Problematik im Alltag.

Mich mit Sonja zu identifizieren, fiel mir zu Beginn

etwas schwer, weil ich mir sicher war, ich hätte andere

Entscheidungen getroffen als sie. Trotzdem

habe ich mit der Handlung mitgefiebert, denn ich

wollte unbedingt das Ende erfahren. Vor allem wie

Sonja dabei aus ihrer misslichen Lage wieder herauskommt.

Oft habe ich mich selbst gefragt, was

ich getan hätte. Ich muss zugeben: Ich hätte keine

Lösung gefunden, wäre ich in ihrer Situation.

Der Film «Fucking Berlin» ist zwar schon ein wenig

älter (Erscheinungsjahr 2016), ist aber trotzdem

ein guter Film, um einen Einblick in die Prostitution

zu bekommen. Wichtig finde ich auch, dass

der Film zeigt, wie das Leben anderer Einfluss auf

unser eigenes haben kann. Sonjas Leben wird durch

Ladjas Geldnot auf den Kopf gestellt, was anfangs

des Filmes als normal dargestellt wird und in einer

Stadt wie Berlin nichts Neues zu sein scheint. Der

Film zeigt die sozialen Verhältnisse, die in einer

Grossstadt wie Berlin zu einer Normalisierung von

Drogenkonsum und Prostitution führen. Ich kenne

Berlin vom Reisen und finde, dass die Darstellung

der Stadt in «Fucking Berlin» sehr überzeugend gelingt.

Fesselnd ist der Film auf jeden Fall. Noch spannender

macht ihn aber die Tatsache, dass er einer wahren

Geschichte entspricht. Zu finden ist der Film auf

Netflix und nur auf Deutsch verfügbar.

Lea Müller

Fucking Berlin

Regie: Florian Gottschick

2016

96 Minuten

12.21

spectrum

29

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