Spectrum_06_2021
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KRITIKEN
Von Monstern besessen
«I'm going through changes», so heisst es in der Titelmusik
der Netflix Serie «Big Mouth». Die Animationsserie
ging Ende Jahr in die fünfte Runde. Von
Masturbation bis hin zur Entdeckung der eigenen
Sexualität: Die Figuren von «Big Mouth» erleben
viel. In den neuen 10 Episoden entdecken sie auch
noch die Liebe.
"Big Mouth" erzählt von einer Gruppe Schüler*innen,
die durch die Höhen und Tiefen der Pubertät
gehen. Nick und sein bester Freund Andrew,
basierend auf den Schöpfern Nick Kroll und Andrew
Goldberg, probieren endlich mit ihren pubertierenden
Körpern und den damit verbundenen Emotionen
klarzukommen. Jessi und Missy entdecken,
was es heisst eine Frau zu sein. Jay experimentiert
mit Kissen, Lola hat extreme Emotionsausbrüche
und Matthew versteckt hinter seiner sarkastischen
Fassade einen sensiblen Kern. Doch anders als wir
in der nicht-animierten Welt, gehen die Schüler*innen
nicht allein durch die Pubertät. Sie werden
von Hormon-Monstern, einem Shame Wizard, den
Anxiety Mosquitos und in der neusten Staffel auch
von Lovebugs und Hateworms begleitet, die ihnen
das Leben schwer machen.
Voll von unzensierter Vulgarität und anstössigen
Witzen ist dies keine Animationsserie für Kinder.
Eigentlich schade, denn den Pubertierenden könnte
es helfen, die Veränderungen ihres Körpers durch
Monster erklärt zu bekommen. Doch obwohl die
Pubertät für das Publikum schon vorbei ist, hat die
Serie viel zu bieten. Schon nur die grossartige Darbietung
des Cast ist ein Pluspunkt. Serienschöpfer
Nick Kroll übernimmt dabei nicht nur den von ihm
inspirierten Nick, sondern gleich auch noch Hormon-Monster
Maury, Turnlehrer Coach Steve, die
missmutige Lola und weitere Figuren, von denen
keine die gleiche Stimme hat. Die Themen der Serie
sind genau so umfangreich wie Krolls Stimmen.
Verschiedene Sexualitäten, Rassismus, Feminismus,
Bodyimage und Depressionen - alles wird in der Serie
angesprochen. Nicht jedes dieser Themen wird
gleich gut eingebracht.Doch die ernsteren Aspekte
werden nie als «Punchline» missbraucht, was in
Komödien sonst schnell mal passieren kann.
Die fünfte Staffel von "Big Mouth" bietet viele unterhaltsame
und teils absurde Momente, darunter
auch ein Weihnachtsspecial. Und vielleicht kann
die Serie uns "auspubertierten" Menschen helfen zu
verstehen, wieso 13-jährige wirken, wie von einem
Monster besessen zu sein.
Franziska Schwarz
Big Mouth
Nick Kroll, Andrew Goldberg,
Mark Levin, Jennifer Flackett
2017-2021
5 Staffeln (51 Episoden)
Missliche Lage
«Alles, was ich wollte, war mein Abschluss und einen
Freund und das alles weit weg von meinen Eltern.»
Dieser Satz hat mich gleich zu Beginn des Filmes
gepackt. Geht es nicht allen neuen Student*innen
so? Oder nur mir?
Das erste Mal auf eigenen Beinen stehen, allein wohnen
und selbst Erfahrungen sammeln. So beginnt
die Geschichte von Sonja, der 20-jährigen Mathestudentin
aus Berlin. Ihre Geschichte nimmt schnell
eine überraschende Wendung, als sie sich in Ladja
verliebt und er sie in seinen Lifestyle hineinzieht:
Party, lange aufbleiben und nie Geld haben. Sonja
erfährt ihre Grenzen und was sie alles für Geld tut.
Aus Geldnot heraus gerät sie über einen Bekannten
ins Rotlicht-Milieu und ist von sich selbst überrascht,
wie weit sie geht.
Sonja lernt, wer wahre Freunde sind und wie es ist
ein Doppelleben zu leben, um Uni, Freund und Arbeit
unter einen Hut zu bekommen.
Ein Film, in dem es darum geht Grenzen auszutesten
und Grenzen zu überschreiten.
Als nicht gerade klassisches Beispiel eines deutschen
Spielfilms hat mich «Fucking Berlin» definitiv überrascht.
Der Film zeigt Prostitution aus einem anderen
Blickwinkel und dessen Problematik im Alltag.
Mich mit Sonja zu identifizieren, fiel mir zu Beginn
etwas schwer, weil ich mir sicher war, ich hätte andere
Entscheidungen getroffen als sie. Trotzdem
habe ich mit der Handlung mitgefiebert, denn ich
wollte unbedingt das Ende erfahren. Vor allem wie
Sonja dabei aus ihrer misslichen Lage wieder herauskommt.
Oft habe ich mich selbst gefragt, was
ich getan hätte. Ich muss zugeben: Ich hätte keine
Lösung gefunden, wäre ich in ihrer Situation.
Der Film «Fucking Berlin» ist zwar schon ein wenig
älter (Erscheinungsjahr 2016), ist aber trotzdem
ein guter Film, um einen Einblick in die Prostitution
zu bekommen. Wichtig finde ich auch, dass
der Film zeigt, wie das Leben anderer Einfluss auf
unser eigenes haben kann. Sonjas Leben wird durch
Ladjas Geldnot auf den Kopf gestellt, was anfangs
des Filmes als normal dargestellt wird und in einer
Stadt wie Berlin nichts Neues zu sein scheint. Der
Film zeigt die sozialen Verhältnisse, die in einer
Grossstadt wie Berlin zu einer Normalisierung von
Drogenkonsum und Prostitution führen. Ich kenne
Berlin vom Reisen und finde, dass die Darstellung
der Stadt in «Fucking Berlin» sehr überzeugend gelingt.
Fesselnd ist der Film auf jeden Fall. Noch spannender
macht ihn aber die Tatsache, dass er einer wahren
Geschichte entspricht. Zu finden ist der Film auf
Netflix und nur auf Deutsch verfügbar.
Lea Müller
Fucking Berlin
Regie: Florian Gottschick
2016
96 Minuten
12.21
spectrum
29