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Spectrum_04_2021

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wird für die Produktion von Aphrodisiaka

gebraucht. «Dieses skurrile Beispiel zeigt

gut, wie vielfältig und unvorhersehbar die

Auswirkungen eines Strassennetzwerks sein

können», fasst die Sozialanthropologin zusammen.

Weckruf gen Westen

Was also können bzw. sollen europäische

Gesellschaften und Regierungen im Anblick

dessen unternehmen? Keinesfalls sollte die

EU oder die Schweiz Initiativen in gleich

grossem Stil auf die Beine stellen. «Man

dachte, dass die Zeit von Megaprojekten

vorbei sei, da diese meist ökologisch desaströs

sind. Bis China seine BRI lanciert und

das Rad zurückgedreht hat.» Was es nun

brauche, seien interessante Konkurrenzprojekte

seitens Europa, meint Joniak-Lüthi.

Diese sollten kleiner, dafür ökologisch

sinnvoll sein sowie nachhaltig in die lokale

Wirtschaft eingebettet werden. Nur so kann

den Investitionsländern eine faire Alternative

geboten werden.

«Die anderen Staaten

haben gemerkt, dass

man China zu viel Raum

und Zeit überlassen hat.

Jetzt regt sich etwas.»

Seit einigen Jahren sind die USA, Australien,

die islamischen Länder und auch die EU in

diesem Bereich aktiver geworden. Letztere

hat ebenfalls in Infrastrukturprojekte in

Zentralasien investiert und einen Entwicklungsplan

entworfen. Am vergangenen G7-

Gipfel in England wurde unter dem von

den USA angestossenen «Build Back Better

World»-Projekt (B3W) gar eine Alternative

zu Chinas neuer Seidenstrasse angekündigt.

Dabei sollen gerade Länder in Lateinamerika,

Asien und Afrika, welche von der Pandemie

stark getroffen wurden, finanzielle

Unterstützung beim Bau von Infrastrukturprojekten

erhalten. Diese Pläne sollten aber

weniger als ein provokatives westliches

Gegenprojekt wahrgenommen werden,

als vielmehr die Handelsbeziehungen zu

China verbessern. Im Vordergrund des G7-

Projekts stehen ausserdem Anliegen zum

Klimaschutz und zur Biodiversität. «Die anderen

Staaten haben also gemerkt, dass man

China zu viel Raum und Zeit überlassen hat.

Jetzt regt sich etwas.» Prof. Joniak-Lüthi ist

gespannt, was aus solchen Plänen werden

wird. Wir auch. P

Agnieszka Joniak-Lüthi ist seit September

2020 als Professorin Teil

der Einheit für Sozialanthropologie

in Freiburg. Zuvor hat sie unter anderem

an den Universitäten Bern,

St.Gallen, an der LMU München, aber

auch in Xinjiang und Sichuan in China

doziert und geforscht. China ist ihr

primäres Forschungsgebiet, weswegen

sie sich in den letzten Jahren intensiv

der sozialwissenschaftlichen

Erforschung der dortigen Infrastruktur

gewidmet hat. Das vom SNF finanzierte

Projekt «ROADWORK: An

Anthropology of Infrastructure at

China’s Inner Asian Borders» leitet

sie seit 2018.

Weitere Informationen

zum Forschungsprojekt

unter:

Eine Schafherde überquert die neue Autobahn, Südost-Kasachstan.

Mehr Informationen zur Ausbildung

12 spectrum 09.21

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