Spectrum_03_2021

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03.05.2021 Views

CRITIQUESLe calme au cœur des tempêtesne perle d’humanité.U Les mots manquent pour traduire la profondeurde ce roman. À première vue relativementbanal, le récit habituel d’une enfant qui grandit etvoit apparaître des fissures dans la façade de sa viede famille, le roman se révèle d’une justesse et d’unedouceur pénétrantes. Vu au travers des yeux d’uneenfant qui grandit, tout change de perspective. Àl’image de son regard sur ce petit frère un peu gênant,avec ses bégaiements et ses maladies imaginaires,qu’elle commence peu à peu à comprendreet qui lui devient un ancrage essentiel. Ou de sonjugement sur sa voisine, d’abord compagne de jeupuis tortionnaire cruelle sur les bancs d’école. Oumême de sa vision de la Vieille, figure historique dela ville dont plus personne ne se soucie vraiment etqu’elle aide le temps d’un été.Une certitude : l’existence de Betty n’a rien d’un longfleuve tranquille, et ce, avant même qu’elle ne commence.Sixième enfant de parents qui en ont perdudeux, elle vit bercée des récits de son père, n’aimantrien tant que de rester à ses côtés. Ce n’est qu’à sessept ans que sa famille, élargie par la naissance dedeux benjamins, décide de mettre un terme à sa vienomade et de se fixer une fois pour toutes. Mais pasavant que Betty n’ait pu être témoin des violencesfaites à son père, un Indien.Cet héritage, elle le porte aussi et devra lutter, nonseulement pour le faire accepter, mais aussi, et surtout,pour l’assumer pleinement elle-même. Ce romanest le récit de ce processus, alimenté par lesdrames individuels de son entourage, mais aussipar sa propre force, son propre talent. Inspirée parson père, elle rédige ses propres histoires, se déchargeantainsi de son vécu, libérant son âme parce biais, afin de pouvoir continuer son bonhommede chemin, malgré les épreuves qui la frappent, sansrien oublier pour autant.Mais son histoire n’est pas que la sienne. C’est l’histoirede toute une famille, une histoire de douleur etde résilience, de deuils et de joies partagés.Michèle DussexBettyTiffany McDanielGallmeister2020716 pagesLe Nouvel Évangile : celui de larévoltel’occasion de l’édition virtuelle du Festival duÀ Film et Forum International sur les DroitsHumains, le metteur en scène et cinéaste helvétiqueMilo Rau présente son dernier long-métrageen compétition, Le Nouvel Évangile. Comme à sonhabitude, le réalisateur brouille les frontières entrele genre documentaire et le récit fictionnel en nousemmenant dans une ville italienne où s’écrit un cinquièmeévangile, sur fond de critique sociale.Si Pasolini faisait déjà de Jésus une figure politiquedans son film Il vangelo secondo Matteo (1964), MiloRau va plus loin en présentant un casting diversifiéqui regroupe cette fois-ci de vraies personnes impliquées,autour du Jésus incarné par Yvan Sagnet – lepremier Jésus noir dans l’histoire du cinéma européen.On compte en effet quelques femmes parmiles apôtres, pour le plus grand nombre de confessionmusulmane. Ainsi que des acteur·ice·s confirmé·e·s,qui ne sont autres que Maia Morgenstern – Mariedans la Passion of the Christ de Mel Gibson – et le regrettéEnrique Irazoqui qui incarnait le Christ dansle film de Pasolini. Le long-métrage repose sur unesérie de mises en abyme qui dressent des parallèleset des correspondances entre plusieurs scènes bibliques,ou plusieurs séquences de films adaptés dela vie de Jésus. Ainsi, lors d’une scène de répétition,Enrique Irazoqui donne des conseils à Yvan Sagnetsur sa manière d’interpréter le Christ.Avec son Nouvel Évangile, le cinéaste bernois fait ànouveau résonner un texte ancien avec des problématiquescontemporaines. Partant du problème dessans-papiers travaillant dans l’agriculture italienne, ilréinvestit la figure du Christ, grâce à l’activiste YvanSagnet, pour en faire une figure révolutionnaire appelantà la révolte au nom de la dignité humaine etde l’amour de son prochain. Par sa contestation del’ordre social et religieux, notamment en insistantsur l’égalité entre tous les hommes, Jésus de Nazareths’est attiré les foudres des pharisien·ne·s. Par sacontestation de l’ordre social et politique, le Jésusde Milo Rau suscite la même animosité chez desexploiteurs qui s’enrichissent sur le dos de travailleur·euse·sagricoles sans-papiers. De la tomate à larévolution, il n'y a qu'une impasse : la Bible.Indra CrittinLe Nouvel ÉvangileMilo RauAllemagne/Suisse/Italie2020107’Trailer:28 spectrum 05.21

KRITIKENNichts wie es scheintemand kann die Miete für diesen Monat nichtJ bezahlen. Die logische Schlussfolgerung, umirgendwie an das Geld zu kommen: Man kauft Skimaskeund Spielzeugpistole und überfällt eine Bank.Genau diese Idee verfolgt die Hauptperson im RomanAnxious People. Eine Bank im digitalen Zeitalterzu überfallen, stellt sich jedoch als schwierigheraus, denn die auserkorene Bank lagert gar keinBargeld. Ab da nimmt das Glück des Bankräubersrasant ab. Er flüchtet und platzt aus Versehen in eineWohnungsbesichtigung im gegenüberliegenden Gebäude.Notgedrungen muss er die Besichtigendenals Geiseln nehmen. Was niemand weiss: Sie gebenvor, jemand zu sein, der sie nicht sind – die Geiseln,der Bankräuber und das Vater-Sohn-Polizisten-Duo, welches emsig versucht, dem Bankräuber aufdie Schliche zu kommen. Der Fakt, dass der Bankräubersich nach der Freilassung der Geislen in Luftauflöst, hilft natürlich nicht dabei, die Stimmung zuheben. Alle Charaktere kennen sich, manchmal auchunbewusst, was sich im Laufe des Romans à la LoveActually herausstellt.Fredrik Backman spielt liebevoll mit der Vielschichtigkeitder anfänglich durchschnittlich erscheinendenCharaktere. So werden Beziehungen zwischenEltern, Geschwistern, Freund*innen und Paarenauf eine subtile Art vertieft. Der Bankräuberwird nie beim Namen genannt, was im Laufe derGeschichte zu einigen Überraschungen führt. DerRoman wechselt kapitelweise zwischen Befragungsprotokollender Geiseln mit den zwei Polizisten,die unterschied licher nicht sein könnten, und denGeschehnissen in der Wohnung.Backman zielt auf die Intimität jeglicher menschlicherInteraktion ab, egal, wie kurz diese ist oderwie weit sie in der Zeit zurückliegt. Gleichzeitigkritisiert er zwischen den Zeilen den Kapitalismusund die Finanzwirtschaft. In Anxious People passiertvieles parallel, was zwar einiges an Konzentrationabverlangt aber dafür umso belohnender ist,wenn man am Ende der turbulenten Geschichtedas Gefühl hat, dass man tiefe Einblicke in das Lebender Charaktere erhalten hat. Backman schafftes, die vielen verschiedenen Stränge am Ende aufsehr überraschende Weise zusammenzuweben undspricht dabei tiefe Bedürfnisse des Menschen an,die bei allen doch ähnlicher sind, als man denkenkönnte.Céline MeiselAnxious PeopleFredrik Backman2019352 SeitenLichtblick ohne Durchblick?alte an deinen Träumen fest», «Nichts ist unmöglich»– Sprichworte, die allen bekannt sindHund nach denen auch Saliya Kahawate lebt. In derKomödie Mein Blind Date mit dem Leben erkranktder 15-jährige Saliya plötzlich an einer Augenkrankheitund verliert damit innerhalb weniger Monate95% seines Sehvermögens. Nur mit Mühe und einergrossen Lupe schafft er sein Abitur. Seinen grossenTraum einer Ausbildung zum Serviceangestellten ineinem Hotel will er dennoch nicht aufgeben. Als erjedoch mehrfach abgelehnt wird und ihm alle diesenPlan ausreden wollen, entscheidet er sich dafür zulügen und seine Krankheit geheim zu halten. Sobewirbt er sich beim Hotel Bayrischer Hof in Münchenund wird angenommen. Mit der Aufnahme alsLehrling beginnt für Saliya die Herausforderungseines Lebens.Der Film zeigt auf unterhaltsame Weise, wie er dieseHerausforderung mithilfe seines Kumpels Max, derdie gleiche Ausbildung macht, versucht zu meistern.Mit seinem komischen Verhalten tritt Saliyabildlich und wörtlich immer wieder der einen oderanderen Person auf die Füsse. Trotzdem kommt ermit seiner Entschlossenheit, vielen Bluffs und demnötigen Glück seinem Ziel immer näher. Als er sichschliesslich in Laura verliebt, fällt es ihm zunehmendschwer, bei den ganzen Lügen den Durchblickzu behalten. Die vielen Rückschläge lassen dieZuschauer*innen mit dem fast Blinden mitfühlen.Dennoch scheint die Geschichte unglaub lich,obwohl sie auf dem Leben des jungen gleichnamigenDrehbuchautors Saliya Kahawatte basiert, der ineinem Hamburger Hotel seine Ausbildung versuchthatte zu absolvieren. Mit der im Film dargestelltenLeichtigkeit schien ihm das jedoch in der Realitätnicht zu gelingen.Daher mag das Filmgeschehen für viele überzogenund unwirklich erscheinen. Auch wenn ichdem teils zustimme, finde ich, dass der Film dierichtige Mischung aus Humor und Drama liefertund so erfrischend wirkt. Zudem bekommen dieZuschauer*innen mit dem kleinen Einblick in dasLeben eines Blinden und dessen Hindernisse dieschöne Botschaft vermittelt, nicht aufzugeben.Auch wenn es in Wirklichkeit nicht immer ganz soeinfach funktioniert, gibt es doch oft am Ende desTunnels einen Lichtblick.Anja BlaserMein Blind Date mit dem LebenSaliya Kahawatte20171h 56min05.21spectrum29

KRITIKEN

Nichts wie es scheint

emand kann die Miete für diesen Monat nicht

J bezahlen. Die logische Schlussfolgerung, um

irgendwie an das Geld zu kommen: Man kauft Skimaske

und Spielzeugpistole und überfällt eine Bank.

Genau diese Idee verfolgt die Hauptperson im Roman

Anxious People. Eine Bank im digitalen Zeitalter

zu überfallen, stellt sich jedoch als schwierig

heraus, denn die auserkorene Bank lagert gar kein

Bargeld. Ab da nimmt das Glück des Bankräubers

rasant ab. Er flüchtet und platzt aus Versehen in eine

Wohnungsbesichtigung im gegenüberliegenden Gebäude.

Notgedrungen muss er die Besichtigenden

als Geiseln nehmen. Was niemand weiss: Sie geben

vor, jemand zu sein, der sie nicht sind – die Geiseln,

der Bankräuber und das Vater-Sohn-Polizisten-

Duo, welches emsig versucht, dem Bankräuber auf

die Schliche zu kommen. Der Fakt, dass der Bankräuber

sich nach der Freilassung der Geislen in Luft

auflöst, hilft natürlich nicht dabei, die Stimmung zu

heben. Alle Charaktere kennen sich, manchmal auch

unbewusst, was sich im Laufe des Romans à la Love

Actually herausstellt.

Fredrik Backman spielt liebevoll mit der Vielschichtigkeit

der anfänglich durchschnittlich erscheinenden

Charaktere. So werden Beziehungen zwischen

Eltern, Geschwistern, Freund*innen und Paaren

auf eine subtile Art vertieft. Der Bankräuber

wird nie beim Namen genannt, was im Laufe der

Geschichte zu einigen Überraschungen führt. Der

Roman wechselt kapitelweise zwischen Befragungsprotokollen

der Geiseln mit den zwei Polizisten,

die unterschied licher nicht sein könnten, und den

Geschehnissen in der Wohnung.

Backman zielt auf die Intimität jeglicher menschlicher

Interaktion ab, egal, wie kurz diese ist oder

wie weit sie in der Zeit zurückliegt. Gleichzeitig

kritisiert er zwischen den Zeilen den Kapitalismus

und die Finanzwirtschaft. In Anxious People passiert

vieles parallel, was zwar einiges an Konzentration

abverlangt aber dafür umso belohnender ist,

wenn man am Ende der turbulenten Geschichte

das Gefühl hat, dass man tiefe Einblicke in das Leben

der Charaktere erhalten hat. Backman schafft

es, die vielen verschiedenen Stränge am Ende auf

sehr überraschende Weise zusammenzuweben und

spricht dabei tiefe Bedürfnisse des Menschen an,

die bei allen doch ähnlicher sind, als man denken

könnte.

Céline Meisel

Anxious People

Fredrik Backman

2019

352 Seiten

Lichtblick ohne Durchblick?

alte an deinen Träumen fest», «Nichts ist unmöglich»

– Sprichworte, die allen bekannt sind

H

und nach denen auch Saliya Kahawate lebt. In der

Komödie Mein Blind Date mit dem Leben erkrankt

der 15-jährige Saliya plötzlich an einer Augenkrankheit

und verliert damit innerhalb weniger Monate

95% seines Sehvermögens. Nur mit Mühe und einer

grossen Lupe schafft er sein Abitur. Seinen grossen

Traum einer Ausbildung zum Serviceangestellten in

einem Hotel will er dennoch nicht aufgeben. Als er

jedoch mehrfach abgelehnt wird und ihm alle diesen

Plan ausreden wollen, entscheidet er sich dafür zu

lügen und seine Krankheit geheim zu halten. So

bewirbt er sich beim Hotel Bayrischer Hof in München

und wird angenommen. Mit der Aufnahme als

Lehrling beginnt für Saliya die Herausforderung

seines Lebens.

Der Film zeigt auf unterhaltsame Weise, wie er diese

Herausforderung mithilfe seines Kumpels Max, der

die gleiche Ausbildung macht, versucht zu meistern.

Mit seinem komischen Verhalten tritt Saliya

bildlich und wörtlich immer wieder der einen oder

anderen Person auf die Füsse. Trotzdem kommt er

mit seiner Entschlossenheit, vielen Bluffs und dem

nötigen Glück seinem Ziel immer näher. Als er sich

schliesslich in Laura verliebt, fällt es ihm zunehmend

schwer, bei den ganzen Lügen den Durchblick

zu behalten. Die vielen Rückschläge lassen die

Zuschauer*innen mit dem fast Blinden mitfühlen.

Dennoch scheint die Geschichte unglaub lich,

obwohl sie auf dem Leben des jungen gleichnamigen

Drehbuchautors Saliya Kahawatte basiert, der in

einem Hamburger Hotel seine Ausbildung versucht

hatte zu absolvieren. Mit der im Film dargestellten

Leichtigkeit schien ihm das jedoch in der Realität

nicht zu gelingen.

Daher mag das Filmgeschehen für viele überzogen

und unwirklich erscheinen. Auch wenn ich

dem teils zustimme, finde ich, dass der Film die

richtige Mischung aus Humor und Drama liefert

und so erfrischend wirkt. Zudem bekommen die

Zuschauer*innen mit dem kleinen Einblick in das

Leben eines Blinden und dessen Hindernisse die

schöne Botschaft vermittelt, nicht aufzugeben.

Auch wenn es in Wirklichkeit nicht immer ganz so

einfach funktioniert, gibt es doch oft am Ende des

Tunnels einen Lichtblick.

Anja Blaser

Mein Blind Date mit dem Leben

Saliya Kahawatte

2017

1h 56min

05.21

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