22.02.2021 Views

Spectrum_01_2021

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

SEXUALITÄT

Text Chantal Mathys

Illustration Zarina Fäh

Tabuthema Bisexualität –

«Ich falle aus dem Raster»

Schweizer Parlamente sagten 2020 «Ja» zur Ehe für alle.

Dennoch haben es viele Menschen immer noch schwer

in der Gesellschaft. Nina*, Mitte zwanzig und bisexuell,

erzählt von ihren Alltagserfahrungen.

isexualität. Die sexuelle Orien-

oder Neigung, sich

Btierung

sowohl zu Menschen des männlichen

als auch des weiblichen Geschlechts

sexuell und/oder emotional hingezogen

zu fühlen. Als Biphobie

bezeichnet man dessen Diskriminierung,

welche sich in Gefühlen von

Hass, Angst oder Ablehnung gegenüber

Bisexualität äussert. Für Nina*,

die seit kurzem zu ihrer Bisexualität

steht, ist das der Grund dafür, warum

sie im Gespräch mit Spectrum anonym

bleiben möchte.

Auf der Suche nach dem wahren Ich

Dass sie sich zu zwei Geschlechtern hingezogen

fühlt, hat sie gegen Ende der Pubertät

gemerkt. Der Gedanke, eine weib liche

Freundin – und nicht einen männlichen

Freund – vorzustellen, begann ihr zu gefallen.

«Das machte für mich keinen Unterschied»,

sagt sie. Auch Sexszenen und

-träume mit Frauen begannen grosse Erregung

in ihr auszulösen. Dennoch schob sie

solche Gedanken schnell wieder zur Seite.

«Trotz der steigenden Kenntnisse, insbesondere

in Grossstädten, ist die Angst vor

Ablehnung oft gross», informiert Vanessa

Michel von der Freiburger Fachstelle für

sexuelle Gesundheit. Deshalb reagierte

Nina auf die Frage, ob sie auch auf Frauen

stehe, lange witzelnd. Im Sinne von «Ja klar,

du nicht?» oder sie überging die Frage komplett.

Grösstenteils positive Reaktionen

Erst vor kurzem beantwortete sie die

Frage mit einem richtigen Ja – ohne Ironie

oder Unsicherheit. «Da wusste ich: Ja,

so bin ich und das ist in Ordnung», erzählt

Nina. Damals begann sie auch ihrem engen

Freundes kreis davon zu erzählen. Teils mit

* Pseudonym. Name der Redaktion bekannt.

mehr, teils mit weniger erstaunten Reaktionen.

Bis dato waren aber alle positiv oder

neutral gestimmt. Dass das nicht immer

der Fall ist, sei ihr bewusst. Deshalb weiss

auch ihre Familie noch nichts von ihrer

Sexualität. «Sie würden es nicht verstehen,

warum ich jetzt so etwas sage. Solange

ich noch nicht mit einer Freundin vor der

Tür stehe, macht es keinen Sinn, davon zu

erzählen», meint sie. Die wissenschaftliche

Mitarbeiterin Michel erklärt: «Wie man mit

der Situation umgeht, ist von vielen Faktoren

abhängig. Familienverhältnisse, Werte

und Ausbildung sind nur einige Beispiele.»

Studien geben Hinweise darauf, dass sich

die Frage des Coming-outs bei Bisexuellen

oftmals nicht-linear und eher spät stelle.

Daher würden Fachpersonen in Beratungsgesprächen

eine respektvolle und inklusive

Sprache verwenden, damit man sich frei

von Vorurteilen mitteilen könne, so Michel.

Auch Ninas langjähriger fester Freund

versteht sie noch nicht. Obwohl er seit

geraumer Zeit um ihre Gefühle Bescheid

weiss, ist er sich ihrer Liebe und Anziehung

unsicher. «Bei ihm sind viele Fragen aufgetaucht.

Das müsste aber nicht sein, denn

meine Liebe zu ihm hat sich deswegen nicht

geändert.» Und doch ist es eines der häufigsten

Vorurteile, dass bisexuelle Menschen

untreu seien und sich einfach nicht

entscheiden könnten. In zahlreichen

Gesprächen versucht Nina, ihm diese

Unsicherheit zu nehmen. Denn ihren

aktuellen Beziehungsstatus möchte

sie nicht ändern. Über die Zukunft

macht sich Nina wenig Gedanken.

Schubladendenken muss aufhören

Viel anzupacken gibt es auch in der

Gesellschaft. «Als Bisexuelle falle

ich aus dem Raster. Wenn ich einen

festen Freund habe, bin ich hetero. Wenn

ich auf eine Frau stehe, bin ich lesbisch.»

Nina wünscht sich für die Zukunft, dass man

dieses Schubladendenken auflöst.

Auch der Kanton Freiburg setzt sich vermehrt

für die Rechte der LGTB+ Community

ein. Die zuständige Freiburger

Fachstelle erarbeitet derzeit eine Strategie

zur sexuellen Gesundheit. Eine der darin

enthaltenen Massnahmen ist der Kampf gegen

sexuelle Gewalt und Diskriminierung,

beruhend auf den Menschenrechten und

den sexuellen Rechten. Das Ziel ist es,

Diskriminierungen aller Art zu eliminieren,

damit sich Menschen wie Nina weniger

verstecken müssen. P

Hast du Fragen zur

(Bi-)Sexualität?

Die Freiburger Fachstelle für sexuelle

Gesundheit (FFSG) informiert, berät,

unterstützt und begleitet die Freiburger

Bevölkerung im Bereich der

sexuellen Gesundheit. Besuche für

mehr Informationen fr.ch/de/gsd/

ffsg. Weitere Informationsangebote

sind Sarigai, Centre Empreinte,

Checkpoint oder LOS.

02.21

spectrum

29

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!