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PERSPEKTIVEN
Text M. Yuval Hug
Über Sprache,
gesprochene Nichtsubjekte
und Verantwortung
In «JE SUIS UN MONSTRE QUI VOUS PARLE»
antwortet mir Paul B. Preciado auf meine Fragen.
Er antwortet mir auf Fragen, die in der Wiederholung
der alltäglichen Sprache keinen Platz haben.
Denn es gäbe keine Antworten auf diese Fragen.
Keine Sprache für die Antworten, die ich suche.
Preciado befinde sich in einem Käfig. Spricht. Synonymisiert
wird Kafkas Affe. Assimilisiert wird Rotpeters
Geschichte. Die Antwort auf meine Fragen:
Zitieren des gemeinsamen Nenners:
Ungeheuer.
Die Vorstellung, wir könnten durch die Gitter eurer
Käfige erkannt werden, ist fern – gibt es nicht.
Sobald du erkennst, sind die Gitter
nicht mehr da. Im Erkennen
liegt der Abbau dieser käfigartigen
Grenzen. Hoffnungslos ist der Gedanke
in diesem Käfig zu existieren.
Denn wir sind hier. Da gibt’s nichts
zu hoffen. Das Monster spricht.
Eingekerkert in Strukturen. In euren
Normen. In euren reinen Vorstellungen,
wie Mensch zu sein hat.
Denn er ist nicht so. Die Prämisse
des Ausschlusses, der Subjekt-Objekt-Beziehung,
der «Du, also ich» - oder viel eher,
der «Du, dass ich»-Devise, löst sich auf, sobald
Konzepte umgedeutet werden. Sobald du zu erkennen
beginnst. Sobald Verantwortung für nicht
gesprochene Fragen übernommen wird. Sobald du
hinterfragst, was dir erzählt wird, beginnt der leise
Vorgang des Zerfalls lauten Geschreis. Das heteronormative
Geschlechter- und Wertesystem steckt
in der Krise. Privilegien, die täglich reproduziert
werden, mögen Grund deines Wiederholens sein.
Privilegien, die sich das Subjekt durch sein Objektivieren
verspricht, indem es sich nach Ruhm und
Geld verzerrt. Objekte, die das Subjekt konzipierte,
Konzepte, die es heute noch iteriert, um seiner
Rolle gerecht zu werden. Mit Gerechtigkeit hat dies
freilich wenig zu tun. Denn nicht nur das Andere
wird vom Subjekt erdrückt. Es selbst erdrückt sich
mit den eigenen Mechanismen der Wiederholung,
des Nachplapperns und Nachahmens.
Ich schreie – und dennoch erkennst du mich nicht.
Ich tue – und dennoch erkennst du nur, was du zu
erkennen meinst. Ich habe keine Stimme. Wenn
ich «ich» sage, ist dieses «ich» leer. Da gibt es keine
Nachahmung, die mir auf meine Fragen antwortet.
An die ich mich assimilieren kann. Da gibt es keinen
Handlungsraum. So meint ihr. Eingekerkert in den
Blicken und Bedeutungen, die ihr mir anwerft, assimlierte
sich einst ein Monster. Selbst wenn ich sie
nicht fange, deine Blicke. Du wirfst
sie mir an, schmeisst mich um damit,
drängst mich in die Ecke. Die Ecke
eines Raumes, der für dich nicht
existiert. Oder in dem ich nicht für
dich existiere. Und dennoch bin ich
hier. Das Monster spricht.
Du antwortest mir nicht.
Sie sagen, es seien unsere Probleme.
Unsere Gefühle. Aber wohin mit
dem, was keinen Namen hat? Keine
Stimme hat? Es ist der Körper des
ewigen Exils. Der exilierte Körper, der schreit.
Der Körper, der mir mit der Akzeptanz des Exils
antwortet.
Für welche Sprache entscheidest du dich nun? Welches
Mittel, welche Sprache wendest du an?
Welchen Zweck verfolgst du, wenn du die Sprache
der heteronormativen Strukturen wählst? Eine
Sprache, in der du mich mit «Frau» ansprichst, mir
nicht antwortest, mich zum Monster machst. Indem
du mich in diesen Kerker deiner Vorstellungen
über «Frau» wirfst. Wir sind die Monster, die durch
euren Diskurs konstruiert werden. Die exilierten
Körper. Doch wir sind hier.
Zu lesen: Paul B. Preciado und C. Riley Snorton.
02.21
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