Spectrum_01_2021

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22.02.2021 Views

DOSSIERText Anja Blaser und Corina DürrFoto ZVGIllustration Emanuel Hänsenberger«Im Blindflug unterwegs»Der Blick in die Zukunft kann in uns oft ein Gefühl derAngst auslösen – besonders in diesen aussergewöhnlichenZeiten. Ein Gespräch mit der psychologischenBeratungsstelle der Universität Freiburg über Sorgenunserer Zeit.ie zeitlich unbestimmte VerschiebungDdes Präsenzstudiums auf Fernunterricht,eine unsichere Praktikumsstelle oderdas in der Luft hängende Austauschsemester.«Von dem Gefühl, man sei in die Bewegungslosigkeitverbannt, berichten zurzeitviele Studierende», so die Psychologin RitaRaemy und Psychologiepraktikant YvesSteiner. Spectrum hat mit der psychologischenStudierendenberatung der UniversitätFreiburg darüber gesprochen, worinihre Arbeit besteht, was Studierende indiesen ausserordentlichen Zeiten beschäftigtund wie sich Zukunftsängste angehenlassen.Der unipsychologische Dienst unterstützt Studierende und andere Universitätsangehörige beim Umgangmit ihren Zukunftsängsten.Momente der KriseSteht der Auszug von Zuhause in eine neueStadt an? Nähert sich die stressige Prüfungsphase?Oder macht dir einfach die Pandemiezu schaffen? Wir alle kennen es, dasGefühl des totalen Kontrollverlusts, wenndas Handeln und Planen gar unmöglich erscheinenund man mit seinen Träumen gegeneine Wand rennt. Und tatsächlich: «VieleStudierende haben Angst, die Zukunft zuverpassen und fühlen sich, als wären sie imBlindflug unterwegs», so Psychologin Raemy.Obwohl die Gegenwart von so manchenStudierenden bereits vollgepackt ist, sei derBegriff Zukunft trotzdem für viele zentral.«Viele verbinden damit Aufregung undTräume, befürchten jedoch, diese nicht zuerreichen.» Was kann bei solchen ÄngstenAbhilfe schaffen? Und kann man überhauptin einer derart neuen Situation wie der Pandemiesinnvolle Ratschläge erteilen?Eine Lösungsfindung und ein beratendesGespräch seien immer möglich. Genaudafür sei das Team der psychologischenStudierendenberatung auch sehr breit aufgestellt,so Raemy. Da in der jetzigen Situationaber vieles nicht beeinflussbar ist, greife18 spectrum 02.21

man zurzeit durchaus zu anderen Ansätzen.«Strategien, welche sich jetzt gut zu einerLösung der Angst eignen, sind Gedankender Zuversicht und die Rückbesinnung aufdie eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen.»Man versuche, die eigenen Stärken in denFokus zu setzen und die Person darin zubekräftigen, was sie kann – Hilfe zur Selbsthilfealso.Hilfe bei OrientierungslosigkeitDie vor 25 Jahren ins Leben gerufene psychologischeStudierendenberatung der UniFreiburg besteht aus einem Team von fünfPsycholog*innen mit unterschiedlichenSpezialgebieten. Rita Raemy selbst hat eineAusbildung in systemischer Therapie, Hypnotherapieund Sexologie, während ihreKolleg*innen weitere zahlreiche Kompetenzfelderabdecken. Diese Diversität solleine individuelle Beratung begünstigen.Gegründet wurde die Beratungsstelle mitdem Ziel zur Krisenintervention und einemAngebot an Kurzzeittherapien, wobei heuteoft auch vom Coaching inspirierte Ansätzegenutzt werden. Pro Jahr nehmen imSchnitt 200 bis 250 Studierende, aber auchDoktorand*innen oder Lehrbeauftragteeine psychologische Beratung in Anspruch.Erfahrungsgemäss seien meist auf das Studiumbezogene Anliegen der Grund für eineKonsultation, doch auch bei jeglichen weiterenpsychologischen Themen bietet dieBeratungsstelle Unterstützung an.Die eigene Angst verstehenViele Universitätsangehörige möchtenderzeit über das Thema Zukunft sprechen,wenn sie die Unterstützung der psychologischenBeratungsstelle in Anspruchnehmen. Was also hilft, wenn eine diffuseZukunftsangst überhandnimmt? «Sich aufsich selbst und die eigenen Stärken besinnen,das ist momentan wichtig», rätRaemy. Wenn Handeln zurzeit schwierigoder gar unmöglich erscheint, sei esnützlich, als erstes zur Ruhe zu kommen.Dann könne man versuchen zu verstehen,wie die eigene Zukunftsangst überhauptzustande kommt, um sich dann gegen dieseAngst abzugrenzen. Pandemiebedingt gibtes zurzeit etwa weniger Möglichkeiten aufein Praktikum oder einen Nebenjob. Diesführe dazu, dass viele ihre Kompetenzenan zweifeln und befürchten, dass ihre Ausbildunggefährdet ist. Deshalb sei es wichtig,sich der eigenen Situation bewusst zuwerden: «Zukunft hat ja auch mit dem Hierund Jetzt zu tun.» Das jetzige Handeln seiausschlaggebend für die Gedanken über dieZukunft. Dabei sei es essenziell zu akzeptieren,dass momentan nicht alles so schnellvorwärtsgehe, wie man es sich gewohnt sei.Aber auch in den Büros der psycholo-gischen Studierendenberatung komme esvor, dass den Mitarbeitenden die Decke aufden Kopf falle. Lachend erzählen Raemyund Steiner von ihrem Ritual, in solchenSituationen dem Komiker Thomas Wieselzuzuhören und gemeinsam zu lachen. Es seieinfach gut, gewisse Situationen mit Humornehmen zu können – gerade, weil derzeit dieNachrichten vieler Medien belastend seien.«Man muss sich auch darauf besinnen, dassman Lebensfreude und Hoffnung habenkann. Dass man sich selbst damit am Lebenerhält.» PPsychologischeStudierendenberatungFür Studierende und Mitarbeitendeder Universität Freiburg ist die ersteBeratung kostenlos, für jede weitereBeratung wird 20.- pro Sitzung verrechnet.Konsultationen werden inDeutsch, Französisch, Englisch undItalienisch angeboten.Kontakt für Terminvereinbarungenund weitere Informationen:conseilpsychologique@unifr.ch;Tel.: 026 300 70 4102.21spectrum19

man zurzeit durchaus zu anderen Ansätzen.

«Strategien, welche sich jetzt gut zu einer

Lösung der Angst eignen, sind Gedanken

der Zuversicht und die Rückbesinnung auf

die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen.»

Man versuche, die eigenen Stärken in den

Fokus zu setzen und die Person darin zu

bekräftigen, was sie kann – Hilfe zur Selbsthilfe

also.

Hilfe bei Orientierungslosigkeit

Die vor 25 Jahren ins Leben gerufene psychologische

Studierendenberatung der Uni

Freiburg besteht aus einem Team von fünf

Psycholog*innen mit unterschiedlichen

Spezialgebieten. Rita Raemy selbst hat eine

Ausbildung in systemischer Therapie, Hypnotherapie

und Sexologie, während ihre

Kolleg*innen weitere zahlreiche Kompetenzfelder

abdecken. Diese Diversität soll

eine individuelle Beratung begünstigen.

Gegründet wurde die Beratungsstelle mit

dem Ziel zur Krisenintervention und einem

Angebot an Kurzzeittherapien, wobei heute

oft auch vom Coaching inspirierte Ansätze

genutzt werden. Pro Jahr nehmen im

Schnitt 200 bis 250 Studierende, aber auch

Doktorand*innen oder Lehrbeauftragte

eine psychologische Beratung in Anspruch.

Erfahrungsgemäss seien meist auf das Studium

bezogene Anliegen der Grund für eine

Konsultation, doch auch bei jeglichen weiteren

psychologischen Themen bietet die

Beratungsstelle Unterstützung an.

Die eigene Angst verstehen

Viele Universitätsangehörige möchten

derzeit über das Thema Zukunft sprechen,

wenn sie die Unterstützung der psychologischen

Beratungsstelle in Anspruch

nehmen. Was also hilft, wenn eine diffuse

Zukunftsangst überhandnimmt? «Sich auf

sich selbst und die eigenen Stärken besinnen,

das ist momentan wichtig», rät

Raemy. Wenn Handeln zurzeit schwierig

oder gar unmöglich erscheint, sei es

nützlich, als erstes zur Ruhe zu kommen.

Dann könne man versuchen zu verstehen,

wie die eigene Zukunftsangst überhaupt

zustande kommt, um sich dann gegen diese

Angst abzugrenzen. Pandemiebedingt gibt

es zurzeit etwa weniger Möglichkeiten auf

ein Praktikum oder einen Nebenjob. Dies

führe dazu, dass viele ihre Kompetenzen

an zweifeln und befürchten, dass ihre Ausbildung

gefährdet ist. Deshalb sei es wichtig,

sich der eigenen Situation bewusst zu

werden: «Zukunft hat ja auch mit dem Hier

und Jetzt zu tun.» Das jetzige Handeln sei

ausschlaggebend für die Gedanken über die

Zukunft. Dabei sei es essenziell zu akzeptieren,

dass momentan nicht alles so schnell

vorwärtsgehe, wie man es sich gewohnt sei.

Aber auch in den Büros der psycholo-

gischen Studierendenberatung komme es

vor, dass den Mitarbeitenden die Decke auf

den Kopf falle. Lachend erzählen Raemy

und Steiner von ihrem Ritual, in solchen

Situationen dem Komiker Thomas Wiesel

zuzuhören und gemeinsam zu lachen. Es sei

einfach gut, gewisse Situationen mit Humor

nehmen zu können – gerade, weil derzeit die

Nachrichten vieler Medien belastend seien.

«Man muss sich auch darauf besinnen, dass

man Lebensfreude und Hoffnung haben

kann. Dass man sich selbst damit am Leben

erhält.» P

Psychologische

Studierendenberatung

Für Studierende und Mitarbeitende

der Universität Freiburg ist die erste

Beratung kostenlos, für jede weitere

Beratung wird 20.- pro Sitzung verrechnet.

Konsultationen werden in

Deutsch, Französisch, Englisch und

Italienisch angeboten.

Kontakt für Terminvereinbarungen

und weitere Informationen:

conseilpsychologique@unifr.ch;

Tel.: 026 300 70 41

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