15.01.2020 Views

D'HANDWIERK JANUAR 2020

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MAGAZINE<br />

TRIBUNE<br />

LIBRE<br />

WORK-LIFE BALANCE<br />

Flexibilisieren wir kleine<br />

und mittelständische<br />

Unternehmen ins Aus?<br />

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht im Zentrum der aktuellen Familienpolitik. Zurecht. Arbeit ist kein Selbstzweck. Das stimmt.<br />

Lohnarbeit ist aber bis auf weiteres die Funktionsgrundlage unseres Wirtschafts-, Sozial- und Politiksystems und für den einzelnen<br />

Arbeitnehmer die Voraussetzung für eine einigermaßen planungssichere und selbstbestimmte Lebensführung. Es sei denn, er oder<br />

sie hätte sich für die berufliche Selbständigkeit entschieden und nimmt sein Schicksal in eigene Hände.<br />

/01/<strong>2020</strong><br />

Die Politik hat natürlich längst<br />

begriffen, dass diese Thematik<br />

eine sprudelnde Quelle für<br />

Zustimmung, Stimmung und Stimmen<br />

ist. Dementsprechend überschlagen<br />

sich Vorschläge und Initiativen, um<br />

die Flexibilität für Arbeitnehmer<br />

stetig auszubauen. Elternurlaub plus,<br />

Vaterschaftsurlaub, Familienurlaub,<br />

Sprachurlaub, Sozialurlaub, zusätzliche<br />

gesetzliche Urlaubs- und Feiertage und,<br />

im Moment, eine Diskussion über das<br />

Recht auf Teilzeitarbeit.<br />

„Die einseitige Regierungspolitik in Familienund<br />

Arbeitsrechtfragen könnte mittelfristig zur<br />

Folge haben, dass kleine und mittelständische<br />

Strukturen nicht mehr wirtschaftlich betrieben<br />

werden können. “<br />

Während Arbeitnehmer ihre berufliche<br />

Tätigkeit immer flexibler um ihr Leben<br />

herum organisieren können, stehen<br />

vor allem kleine- und mittelständische<br />

Unternehmen vor massiven Problemen<br />

ihren Geschäftsbetrieb noch irgendwie<br />

am Laufen zu halten. Die Regierung<br />

deutet zwar an, dass man die Anliegen<br />

der Unternehmen verstehe und<br />

Rechnung tragen werde. Konkret getan<br />

hat sich in dieser Richtung aber nichts.<br />

Im Gegenteil scheint man der Meinung<br />

zu sein, dass es innerhalb der Unternehmen<br />

nur eine Frage der „guten“<br />

Organisation sei, um mit den Flexibilitätsansprüchen<br />

der Arbeitnehmer<br />

richtig umzugehen, und dass vom<br />

Arbeitsrecht keine Flexibilisierungs-<br />

maßnahmen zugunsten der Betriebe<br />

nötig seien.<br />

Gerade im Handwerk ist die „Vermännlichung“<br />

des Elternurlaubes zu spüren.<br />

Das „Warum der Papa die neue Mamma<br />

ist“-Phänomen, wie es kürzlich im<br />

Tageblatt beschrieben wurde, ist sicherlich<br />

ein Erfolg für die Gleichberechtigungspolitik.<br />

Die kleinen und mittelständischen<br />

Unternehmen geraten derweil<br />

an ihre Grenzen.<br />

Das 20 Mann/Frau starke Schreinerunternehmen,<br />

von denen sich zeitgleich<br />

die Hälfte in einer work-life Balance<br />

Maßnahme stecken, ist mit Sicherheit<br />

kein Einzelfall. Dem betroffenen<br />

Unternehmer muss der Ratschlag,<br />

sein „Unternehmen doch besser zu<br />

organisieren“ wie blanker Hohn<br />

vorkommen. Die Reihen der Unternehmer,<br />

die sich veräppelt vorkommen<br />

und ihre Aktivität als kleines und<br />

mittleres Unternehmen in Frage gestellt<br />

sehen,wächst täglich. Das ist breiten<br />

Teilen der Regierung und der Politik<br />

im Allgemeinen, die sich eh nur peripher<br />

mit wirtschaftlichen Sachverhalten<br />

auseinandersetzen wollen, bis jetzt<br />

herzlich egal. Politiken haben im<br />

58<br />

Idealfall eine Lenkungsfunktion.<br />

Die einseitige Regierungspolitik<br />

in Familien- und Arbeitsrechtfragen<br />

könnte mittelfristig zur Folge haben,<br />

dass kleine und mittelständische<br />

Strukturen, die heute über 90 Prozent<br />

der Unternehmen ausmachen, nicht<br />

mehr wirtschaftlich betrieben werden<br />

können und sich strategisch neue<br />

aufstellen oder schließen müssen.<br />

Die Alternative sind Einmann(frau)<br />

Betriebe, die von Politiken nicht<br />

betroffen sind oder Großunternehmen,<br />

die tatsächlich die kritische Größe<br />

haben, um sich anders zu organisieren.<br />

Das Risiko, dass die Politik mehr<br />

und mehr um Arbeitsplätze herum<br />

flexibilisiert, die in Luxemburg nicht<br />

mehr nachhaltig angeboten werden<br />

können, ist also nicht von der Hand<br />

zu weisen. Eine gute Politik zeichnet sich<br />

durch einen engen Realitätsbezug und<br />

durch eine gewisse Fairness gegenüber<br />

allen Betroffenen aus. Gegenüber den<br />

mittelständischen Unternehmen besteht<br />

in diesem Sinn ein klarer Nachholbedarf.<br />

Ein guter Anfang wäre es, die Anzahl<br />

an gleichzeitig genommenen Sonderurlaube<br />

auf 10 Prozent der Belegschaft<br />

zu beschränken. Ist diese Quote<br />

überschritten müssen zeitlich gestaffelte<br />

Lösungen mit dem jeweiligen<br />

Arbeitnehmer gefunden werden.<br />

Anders sind diese neue Arbeits- und<br />

Urlaubsformen, die wir als Handwerk<br />

ja grundsätzlich unterstützen, nicht<br />

nachhaltig zu organisieren.<br />

Fédération des Artisans<br />

Président<br />

Michel Reckinger<br />

www.fda.lu

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