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GAB August 2018

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20 BÜHNE<br />

INTERVIEW<br />

Ingrid El Sigai und Thomas Peter in „Der Impresario von den Kanaren“<br />

KAMMEROPER<br />

FRANKFURT<br />

Lieber ungewöhnlich:<br />

Bajazzo trifft Impresario<br />

Für die diesjährige Sommersaison<br />

im Musikpavillon im<br />

Palmengarten kombiniert Kammeroper-Intendant<br />

Rainer Pudenz zwei<br />

kurze Opern, deren Zusammenspiel<br />

als ungewöhnlich gilt: Der Barock-<br />

Einakter „Der Impresario von den<br />

Kanaren“ mit dem aus der Romantik<br />

stammenden „Bajazzo“. Die Frankfurter<br />

Sopranistin, Radio- und TV-<br />

Sprecherin und Moderatorin Ingrid<br />

El Sigai ist langjähriges Mitglied der<br />

Kammeroper Frankfurt und erklärt<br />

im Interview, was das Herausragende<br />

dieses Opernabends ist.<br />

Was ist für Sie das Besondere an der<br />

Kammeroper?<br />

Die Kammeroper ist sehr familiär. Und<br />

wenn die Aufführungen im Palmengarten<br />

sind, dann ist das einfach ein wunderschönes<br />

Ambiente und ein wahnsinnig ungewöhnlicher<br />

Aufführungsort. Ich spiele ja in<br />

Theatern und nur ganz selten open air.<br />

Auch die Inszenierungen von Rainer<br />

Pudenz sind immer ein bisschen<br />

ungewöhnlich …<br />

Ja, und das liegt mir total! Der klassische<br />

Bereich, wie der der Oper, hat mir manchmal<br />

ein bisschen etwas zu Ernsthaftes.<br />

Kunst steht oft in Verbindung mit Ernsthaftigkeit.<br />

Ich meine, man muss nicht immer<br />

alles verulken, aber man hat Angst, dass,<br />

wenn etwas komisch oder lustig ist, es dann<br />

keine Kunst mehr ist. Und ich finde, das<br />

durchbricht die Kammeroper in einer sehr<br />

liebevollen und sehr guten Art und Weise.<br />

Es darf gelacht werden, es darf geweint<br />

werden. Ich habe dort auch schon sehr<br />

anrührende Sachen gemacht. Man hat da<br />

keine Berührungsängste. Das gefällt mir. Es<br />

hat eine Freiheit, die ich sehr schätze.<br />

Es gibt in diesem Jahr mit Bajazzo<br />

und dem Impresario zwei Einakter<br />

zu sehen, deren Kombination als<br />

ungewöhnlich gilt. Können Sie das<br />

erklären?<br />

Der Bajazzo stammt aus einer Zeit in der<br />

Romantik, als es einen Wettbewerb für<br />

Einakter gab. Die Stücke durften nur eine<br />

Stunde lang sein. Für den Wettbewerb sind<br />

damals sehr viele Einakter entstanden. Für<br />

Aufführungen heute ist das immer schwer,<br />

weil eine Stunde einfach zu kurz ist. Daher<br />

führt man sie gerne zusammen auf. Und<br />

weil der Bajazzo von Ruggero Leoncavallo<br />

und die Cavalleria Rusticana die beiden<br />

Einakter sind, die sich durchgesetzt haben,<br />

werden diese heute normalerweise zusammen<br />

aufgeführt. Das ist zur Tradition<br />

geworden. Rainer Pudenz wollte diesmal<br />

nicht zwei romantische Opern bringen,<br />

FOTO: ALEXANDER SPODEN / KAMMEROPER FRANKFURT<br />

präsentiert<br />

sondern lieber einen barocken Einakter zu<br />

Beginn. Dafür hat er den ‚Impresario’ von<br />

Domenico Sarro gefunden. ‚Der Impresario<br />

von den Kanaren’ wurde 1724 geschrieben,<br />

ist aber hochaktuell! Ein Impresario besucht<br />

eine Sängerin, um sie zu engagieren. Zumindest<br />

tut er so. Er findet alles, was sie macht,<br />

großartig, aber die Sängerin hat nur Augen<br />

für sich selbst. Sie ist total narzistisch: Für<br />

sie ist die Hauptsache, dass sie singt groß<br />

rauskommt und dabei gut aussieht. Eigentlich<br />

will sie den Vertrag haben, aber ohne<br />

mit ihm ins Bett zu gehen. Das schwankt<br />

immer hin und her. Als ich das das erste<br />

Mal durchgelesen habe, dachte ich, mit der<br />

Weinstein-Affäre ist es hochaktuell.<br />

Der Impresario ist aber eher lustig,<br />

es ist kein Drama?<br />

Nein, es gibt keine Vergewaltigung und es<br />

stirbt auch keiner am Ende.<br />

Im Gegensatz zum Bajazzo …<br />

Der Bajazzo ist ein Eifersuchtsdrama<br />

innerhalb einer Schauspieltruppe. Eine<br />

Oper in der Oper, in der der Mord passiert.<br />

Es ist ein tolles Stück und es wird nicht<br />

so häufig gespielt. Und es passt sehr gut<br />

zum ‚Impresario’ als Barockoper. Es ist eine<br />

Steigerung, eine musikalische Verdichtung.<br />

Rainer Pudenz hat für beide Stücke ein<br />

einheitliches Bühnenbild gewählt, beides<br />

spielt in einer Café-Bar, in der Menschen<br />

sitzen, die in beiden Stücken vorkommen.<br />

Und Sie spielen Dorina, die eingebildete<br />

Sängerin. Hat sie das gereizt?<br />

Also, sagen wir es mal so: Ich habe zugesagt,<br />

bevor ich das Stück richtig kannte. Es<br />

war zunächst am Wichtigsten, zu schauen,<br />

ob die Oper meinem Stimmfach entspricht.<br />

Erst dann habe ich mich auch inhaltlich<br />

damit beschäftigt. Und habe mich<br />

dann aber sehr gefreut, weil sie einfach<br />

schön ist und auch Witz hat. Als Darsteller<br />

will man ja flexibel sein und alles darstellen.<br />

Man begreift alles als Herausforderung,<br />

auch einen Charakter zu erarbeiten, wenn<br />

er meinem nicht entspricht. Und ich glaube,<br />

dass ich gar nicht so zickig bin (lacht).<br />

Mich reizt eigentlich immer, das zu spielen,<br />

was ich nicht bin. Das ist die Herausforderung.<br />

Alles andere ist bloß eine kleine<br />

Fingerübung. Das ist ja langweilig.<br />

*Interview Björn Berndt<br />

Noch bis 18.8., Kammeroper im<br />

Musikpavillon des Palmengartens,<br />

Palmengartenstr. 11, Frankfurt, 19:30 Uhr,<br />

www.kammeroper-frankfurt.de

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