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20 BÜHNE<br />
INTERVIEW<br />
Ingrid El Sigai und Thomas Peter in „Der Impresario von den Kanaren“<br />
KAMMEROPER<br />
FRANKFURT<br />
Lieber ungewöhnlich:<br />
Bajazzo trifft Impresario<br />
Für die diesjährige Sommersaison<br />
im Musikpavillon im<br />
Palmengarten kombiniert Kammeroper-Intendant<br />
Rainer Pudenz zwei<br />
kurze Opern, deren Zusammenspiel<br />
als ungewöhnlich gilt: Der Barock-<br />
Einakter „Der Impresario von den<br />
Kanaren“ mit dem aus der Romantik<br />
stammenden „Bajazzo“. Die Frankfurter<br />
Sopranistin, Radio- und TV-<br />
Sprecherin und Moderatorin Ingrid<br />
El Sigai ist langjähriges Mitglied der<br />
Kammeroper Frankfurt und erklärt<br />
im Interview, was das Herausragende<br />
dieses Opernabends ist.<br />
Was ist für Sie das Besondere an der<br />
Kammeroper?<br />
Die Kammeroper ist sehr familiär. Und<br />
wenn die Aufführungen im Palmengarten<br />
sind, dann ist das einfach ein wunderschönes<br />
Ambiente und ein wahnsinnig ungewöhnlicher<br />
Aufführungsort. Ich spiele ja in<br />
Theatern und nur ganz selten open air.<br />
Auch die Inszenierungen von Rainer<br />
Pudenz sind immer ein bisschen<br />
ungewöhnlich …<br />
Ja, und das liegt mir total! Der klassische<br />
Bereich, wie der der Oper, hat mir manchmal<br />
ein bisschen etwas zu Ernsthaftes.<br />
Kunst steht oft in Verbindung mit Ernsthaftigkeit.<br />
Ich meine, man muss nicht immer<br />
alles verulken, aber man hat Angst, dass,<br />
wenn etwas komisch oder lustig ist, es dann<br />
keine Kunst mehr ist. Und ich finde, das<br />
durchbricht die Kammeroper in einer sehr<br />
liebevollen und sehr guten Art und Weise.<br />
Es darf gelacht werden, es darf geweint<br />
werden. Ich habe dort auch schon sehr<br />
anrührende Sachen gemacht. Man hat da<br />
keine Berührungsängste. Das gefällt mir. Es<br />
hat eine Freiheit, die ich sehr schätze.<br />
Es gibt in diesem Jahr mit Bajazzo<br />
und dem Impresario zwei Einakter<br />
zu sehen, deren Kombination als<br />
ungewöhnlich gilt. Können Sie das<br />
erklären?<br />
Der Bajazzo stammt aus einer Zeit in der<br />
Romantik, als es einen Wettbewerb für<br />
Einakter gab. Die Stücke durften nur eine<br />
Stunde lang sein. Für den Wettbewerb sind<br />
damals sehr viele Einakter entstanden. Für<br />
Aufführungen heute ist das immer schwer,<br />
weil eine Stunde einfach zu kurz ist. Daher<br />
führt man sie gerne zusammen auf. Und<br />
weil der Bajazzo von Ruggero Leoncavallo<br />
und die Cavalleria Rusticana die beiden<br />
Einakter sind, die sich durchgesetzt haben,<br />
werden diese heute normalerweise zusammen<br />
aufgeführt. Das ist zur Tradition<br />
geworden. Rainer Pudenz wollte diesmal<br />
nicht zwei romantische Opern bringen,<br />
FOTO: ALEXANDER SPODEN / KAMMEROPER FRANKFURT<br />
präsentiert<br />
sondern lieber einen barocken Einakter zu<br />
Beginn. Dafür hat er den ‚Impresario’ von<br />
Domenico Sarro gefunden. ‚Der Impresario<br />
von den Kanaren’ wurde 1724 geschrieben,<br />
ist aber hochaktuell! Ein Impresario besucht<br />
eine Sängerin, um sie zu engagieren. Zumindest<br />
tut er so. Er findet alles, was sie macht,<br />
großartig, aber die Sängerin hat nur Augen<br />
für sich selbst. Sie ist total narzistisch: Für<br />
sie ist die Hauptsache, dass sie singt groß<br />
rauskommt und dabei gut aussieht. Eigentlich<br />
will sie den Vertrag haben, aber ohne<br />
mit ihm ins Bett zu gehen. Das schwankt<br />
immer hin und her. Als ich das das erste<br />
Mal durchgelesen habe, dachte ich, mit der<br />
Weinstein-Affäre ist es hochaktuell.<br />
Der Impresario ist aber eher lustig,<br />
es ist kein Drama?<br />
Nein, es gibt keine Vergewaltigung und es<br />
stirbt auch keiner am Ende.<br />
Im Gegensatz zum Bajazzo …<br />
Der Bajazzo ist ein Eifersuchtsdrama<br />
innerhalb einer Schauspieltruppe. Eine<br />
Oper in der Oper, in der der Mord passiert.<br />
Es ist ein tolles Stück und es wird nicht<br />
so häufig gespielt. Und es passt sehr gut<br />
zum ‚Impresario’ als Barockoper. Es ist eine<br />
Steigerung, eine musikalische Verdichtung.<br />
Rainer Pudenz hat für beide Stücke ein<br />
einheitliches Bühnenbild gewählt, beides<br />
spielt in einer Café-Bar, in der Menschen<br />
sitzen, die in beiden Stücken vorkommen.<br />
Und Sie spielen Dorina, die eingebildete<br />
Sängerin. Hat sie das gereizt?<br />
Also, sagen wir es mal so: Ich habe zugesagt,<br />
bevor ich das Stück richtig kannte. Es<br />
war zunächst am Wichtigsten, zu schauen,<br />
ob die Oper meinem Stimmfach entspricht.<br />
Erst dann habe ich mich auch inhaltlich<br />
damit beschäftigt. Und habe mich<br />
dann aber sehr gefreut, weil sie einfach<br />
schön ist und auch Witz hat. Als Darsteller<br />
will man ja flexibel sein und alles darstellen.<br />
Man begreift alles als Herausforderung,<br />
auch einen Charakter zu erarbeiten, wenn<br />
er meinem nicht entspricht. Und ich glaube,<br />
dass ich gar nicht so zickig bin (lacht).<br />
Mich reizt eigentlich immer, das zu spielen,<br />
was ich nicht bin. Das ist die Herausforderung.<br />
Alles andere ist bloß eine kleine<br />
Fingerübung. Das ist ja langweilig.<br />
*Interview Björn Berndt<br />
Noch bis 18.8., Kammeroper im<br />
Musikpavillon des Palmengartens,<br />
Palmengartenstr. 11, Frankfurt, 19:30 Uhr,<br />
www.kammeroper-frankfurt.de