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SPECTRUM #4 2017

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Journalist mit Leib und Seele<br />

DOSSIER<br />

Franz Fischlin hat in Freiburg Journalistik studiert und moderiert seit 2004 die Hauptausgabe<br />

der Tagesschau im Schweizer Fernsehen. Barcelona, Bannon und Badenfahrt sind Sendungsthemen,<br />

als Spectrum ihn bei der Arbeit besucht. NOAH FEND<br />

© Foto: Noah Fend<br />

Fernsehstudio Zürich, Samstagnachmittag,<br />

punkt drei Uhr. Der Eingangsbereich,<br />

die Gänge und die Büros an der<br />

Fernsehstrasse sind leer, als mich Franz<br />

Fischlin freundlich empfängt. Der Terroranschlag<br />

in Barcelona beschäftigt die<br />

Redaktion der Tagesschau auch an diesem<br />

Samstag, zwei Tage nach dem eigentlichen<br />

Ereignis. Zur Terrorzelle, die dahintersteckt,<br />

gäbe es eine Reportage des Korrespondenten,<br />

erzählt Fischlin im Lift nach<br />

oben in die Tagesschau-Redaktion. In gut<br />

vier Stunden geht er auf Sendung. Es sieht<br />

momentan nach einem ruhigen Arbeitstag<br />

aus. Alle Vorbereitungen laufen planmässig<br />

und deshalb bleibt Zeit für ein entspanntes<br />

Gespräch auf dem Sofa, direkt<br />

vor den Büros.<br />

Nervenkitzel im Traumjob<br />

„Ich habe das Glück, seit Jahren meinen<br />

Traumjob auszuüben“, meint Fischlin.<br />

Was für Andere purer Stress wäre, liebt er:<br />

Nicht zu wissen, was ihn erwartet, wenn<br />

er morgens zur Arbeit erscheint und live<br />

vor über 600'000 Zuschauerinnen und Zuschauer<br />

auf Sendung sein wird – Franz Fischlin<br />

braucht diesen Nervenkitzel. „Wie<br />

ein Sportler im Wettkampf habe ich während<br />

der Sendung eine Chance, die Vorbereitungen<br />

gut umzusetzen.“ Und wenn<br />

eine Sendung mal nicht gut läuft? „Dann<br />

ist sie nach 25 Minuten vorbei“, sagt Fischlin<br />

lachend. Das Schöne am Live-Fernsehen<br />

sei ja, dass man direkt ein Resultat<br />

habe. „Und wenn ich damit mal nicht<br />

zufrieden bin, weiss ich, dass ich bereits<br />

morgen die nächste Chance habe.“<br />

Der 55-jährige Moderator beim Treffen mit Spectrum auf der Tagesschau-Redaktion<br />

Erst als er 37-jährig zu TV3 kam, arbeitete<br />

er zum ersten Mal auch vor der Kamera.<br />

„Ich dachte lange, ich könne und wolle das<br />

nicht und eigentlich bin ich mit meiner Erscheinung<br />

bis heute nicht ganz versöhnt“,<br />

gesteht Fischlin und lacht: „Ich schaue<br />

meine Sendungen nie im Nachhinein und<br />

sage ‚oh lueg mal, no e schnadige Typ’. “. Er<br />

selbst sieht sich auch nicht als Moderator,<br />

sondern primär als Journalist, dessen Arbeit<br />

zu einem kleinen Teil vor der Kamera<br />

stattfindet: „Ich will nicht auf dem roten<br />

Teppich stehen, sondern als beobachtender<br />

Journalist daneben. Das ist für mich<br />

eine wichtige Grundhaltung.“<br />

„Uni Freiburg? Super!“<br />

Franz Fischlin studierte in Freiburg von<br />

1986 bis 1988 Journalistik und Kommunikationswissenschaften.<br />

An seine Zeit als<br />

Student denkt er gerne zurück: „Das Studium<br />

in Kommunikationswissenschaften<br />

an der Uni Freiburg hat zu Recht einen<br />

guten Ruf: Man suchte immer wieder den<br />

Bezug zur Praxis und integrierte diesen in<br />

die wissenschaftliche Lehre.“ Er habe im<br />

Studium gelernt, den Journalismus in grösseren,<br />

auch internationalen Zusammenhängen<br />

intellektuell zu verstehen. Mit einigen<br />

seiner früheren Kommilitonen habe<br />

er heute noch Kontakt „und auch Professor<br />

Bosshart hat sich immer mal wieder<br />

gemeldet. Er wollte wissen, wie es mir<br />

gehe und wer von meinen Kollegen nun<br />

im Journalismus geblieben sei. Sehr nett.“<br />

Genau diese Familiarität zeichne für ihn<br />

die Uni Freiburg aus.<br />

Journalismus als Anliegen<br />

Dass Franz Fischlin nicht nur ein erfahrener<br />

Journalist, sondern durch sein Studium<br />

auch noch ein wenig Kommunikationswissenschaftler<br />

ist, merke ich im<br />

Gespräch immer wieder. So ist es wohl<br />

kaum Zufall, dass ausgerechnet er den<br />

„Medienclub“ mit ins Leben rief, den er<br />

auch moderiert. „Ich sehe es als meine<br />

Aufgabe, Probleme wie zum Beispiel Fake<br />

News oder gesponserte Inhalte zu thematisieren.<br />

Obwohl der „Medienclub“ von<br />

anderen Medien anfangs kritisch beäugt<br />

wurde und Fischlin als „elitärer Hund“,<br />

wie er selber lachend feststellt, dargestellt<br />

wurde, ist er von der Wichtigkeit dieser<br />

Sendung überzeugt: „Mir liegt der Ruf<br />

des Journalismus am Herzen.“ Am Herzen<br />

liegt ihm auch die Zukunft der SRG.<br />

Er macht sich Gedanken darüber, wie es<br />

die SRG schaffen kann, den Bezug zu den<br />

Jungen nicht zu verlieren. Auch die „No<br />

Billag“-Initiative nimmt er sehr ernst: „Ich<br />

fi n d e e s w i c h t i g , d a s s w i r u n s d i e s e r D i s -<br />

kussion stellen und das will ich nicht nur<br />

meinen Chefs überlassen, sondern will<br />

mich auch selbst dazu äussern können.“<br />

Ruhig, sachlich und differenziert spricht er<br />

auch über die anstehenden Herausforderungen<br />

des Journalismus. Nicht zuletzt bei<br />

diesen Themen merkt man: Franz Fischlin<br />

ist Journalist mit Leib und Seele.<br />

Fanz Fischlin ist 1962 in Solothurn geboren<br />

und studierte von 1986 bis 1988<br />

Journalistik und Kommunikationswissenschaften<br />

an der Uni Freiburg. Seit<br />

2004 moderiert er die Hauptausgabe<br />

der Tagesschau und seit 2015 den Medienclub<br />

im Schweizer Fernsehen.<br />

4 / <strong>2017</strong><br />

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