153 - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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06.12.2012 Views

einleitung LVII genommen werden sollte (vgl. oben S. XLII). Der Impuls geht also nicht von Leibniz aus, doch trifft er sich mit dessen schon länger gehegten Bestrebungen, die sowohl auf eine intensive Erforschung des Deutschen als auch auf dessen Pflege in Wort und Schrift abzielen. Die Initiative des Kurfürsten ruft Leibniz seine eigenen Unvorgreiffliche(n) Gedancken betreffend die aufrichtung eines Teutsch gesinneten Ordens in Erinnerung, die er bereits 1697 an Gerhard Meier ausgeliehen hat, der seinerseits die Schrift im Kreis der bremischen Gelehrten herumgereicht, inzwischen aber völlig aus den Augen verloren hat (N. 297, N. 342). Leibniz vermittelt seine Gedancken im Mai mit Erfolg auch an seine Berliner Bekannten, so an Johann von Besser (N. 382), möglicherweise aber auch an andere Angehörige des Hofes (vgl. N. 418). Freilich hat die erklärte Sympathie für die Förderung des Deutschen auch einen Versuch zur Folge, diesen Gedanken nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwand zu institutionalisieren — eine Initiative, die Leibniz abwehrt (vgl. oben S. XLII). 11. Nova literaria Die Mitteilung und Kommentierung literarischer Neuerscheinungen im weitesten Sinn bzw. wissenschaftlicher Funde, Nachrichten von neuen Projekten oder vom Entstehen bzw. von der weiteren Entfaltung gelehrter Kontroversen machen seit Jahren einen wesentlichen, wenn nicht den größten Teil von Leibniz’ Korrespondenz aus. Durch ein Unternehmen seines wissenschaftlichen Zuarbeiters J. G. Eckhart wird erstmals die Flut derartiger Mitteilungen kanalisiert und nicht selten durch zusätzliche Recherchen aufbereitet. Der seit Januar 1700 erscheinende Monatliche Auszug aus allerhand neu-herausgegebenen/nützlichen und artigen Büchern ist unzweifelhaft in erster Linie Eckharts Werk. Zwar neigten schon die Zeitgenossen dazu, in Leibniz den Verfasser der hier veröffentlichten Besprechungen zu sehen; so schreibt W. E. Tentzel am 16. April 1701 an Eckhart: ” Neque . . . exiguo tibi honori est, quod ipse Leibnitius a non paucis pro Excerptorum auctore habetur.‘‘ (Göttingen Staats- u. Universitätsbibl. cod. ms. philos. 135 Bl. 443 bis 444). Leibniz’ dichte Korrespondenz mit Eckhart erlaubt nun aber, beider Anteile vergleichsweise präzise zu scheiden. Eckhart hat sich mit dem Verleger, Nikolaus Förster, herumzuschlagen (N. 99), bei ihm liegt die Redaktion und nicht zuletzt auch ein großer Anteil der Materialbeschaffung. Auf der anderen Seite liefern zwar die beständig eingehenden Büchersendungen an die Bibliothek Stoff für Eckharts Besprechungen; dafür

LVIII einleitung behält sich Leibniz aber nicht nur das Einrücken eigener Beiträge vor (die der Briefwechsel nur selten explizit nennt, vgl. N. 52, N. 117), sondern übt auch in Abwesenheit eine regelrechte Zensur über Eckharts Beiträge (vgl. N. 48 ” tuae [...] censurae submitto‘‘) wie die seiner Freunde, insbesondere die E. S. Cyprians, dessen orthodoxe Polemik gegen Gottfried Arnold er zu zügeln bestrebt ist (N. 97). Neben den Ermahnungen, vorsichtig und bescheiden aufzutreten, ja Tadel nur in Form von Zitaten zu üben (N. 97) und auch darauf zu verzichten, allzu ehrgeizige junge Wissenschaftler lächerlich zu machen (N. 112), liefert Leibniz sachliche Korrekturen und Ergänzungen (N. 52, N. 103), die sich oft im einzelnen nicht nachweisen lassen, da Eckhart seine Unterlagen offenbar nicht aufbewahrte. Ist aus Termingründen doch einmal gedruckt worden, was Leibniz noch nicht gesehen hatte, macht dieser aus seinem Unwillen kein Hehl (N. 103). Selbstverständlich ist Eckhart auch über das im Monatlichen Auszug verarbeitete Material und die regelmäßige Berichterstattung über eingegangene Bücherlieferungen hinaus (N. 48, N. 56, N. 58, N. 60, N. 88) für Leibniz eine wichtige Quelle einschlägiger Nachrichten, deren Herkunft nicht immer zu klären ist. Zwar schöpft Eckhart vielfach aus seiner privaten Korrespondenz, teils explizit (N. 111), teils mit bewußter Unterdrückung seiner Quelle (N. 134). Mitteilungen über wissenschaftliche Vorhaben in seinem Bekanntenkreis stehen hier neben den neuesten politischen Spottliedern (N. 111) und der Nachricht über ein großes zu verkaufendes Herbarium (N. 77). Zuweilen gibt Eckhart aber auch bloße Gerüchte weiter, so wenn es heißt, der Hildesheimer Arzt und Historiker Behrens wäre verstorben: Leibniz entsendet ihn unverzüglich nach Hildesheim, um sich Handschriften aus dem Besitz des Toten zu sichern, und es entbehrt nicht der Komik, wenn Eckhart nun schildert, wie er mit der Tatsache fertig wird, daß der Totgeglaubte bei seiner Ankunft in Hildesheim noch höchst lebendig ist (vgl. besonders N. 110, N. 117, N. 123). In der übrigen Korrespondenz lassen sich mehr oder minder regelmäßige Berichterstattung aus den Zentren von Wissenschaft und Buchhandel von Mitteilungen über die eigene Arbeit unterscheiden. Zur erstgenannten Kategorie gehören wie schon seit Jahren neben Thomas Burnett, dessen Bericht über die Londoner Neuerscheinungen im vorliegenden Band nur von einem Leibnizschen Antwortschreiben (N. 211) reflektiert wird, und Otto Menckes Nachrichten aus der Werkstatt der Acta eruditorum (N. 198, N. 233, N. 402) Friedrich Löffler und François Pinsson, wobei ersterer wie gewöhnlich den Akzent auf Schriften und Kontroversen der Leipziger Universität legt. Im Mittelpunkt des Interesses steht jetzt der terministische Streit (N. 370), über den sich Leibniz auch von

einleitung LVII<br />

genommen werden sollte (vgl. oben S. XLII). Der Impuls geht also nicht von <strong>Leibniz</strong><br />

aus, doch trifft er sich mit dessen schon länger gehegten Bestrebungen, die sowohl auf<br />

eine intensive Erforschung des Deutschen als auch auf dessen Pflege in Wort und Schrift<br />

abzielen. Die Initiative des Kurfürsten ruft <strong>Leibniz</strong> seine eigenen Unvorgreiffliche(n) Gedancken<br />

betreffend die aufrichtung eines Teutsch gesinneten Ordens in Erinnerung, die<br />

er bereits 1697 an Gerhard Meier ausgeliehen hat, der seinerseits die Schrift im Kreis der<br />

bremischen Gelehrten herumgereicht, inzwischen aber völlig aus den Augen verloren hat<br />

(N. 297, N. 342). <strong>Leibniz</strong> vermittelt seine Gedancken im Mai mit Erfolg auch an seine Berliner<br />

Bekannten, so an Johann von Besser (N. 382), möglicherweise aber auch an andere<br />

Angehörige des Hofes (vgl. N. 418). Freilich hat die erklärte Sympathie für die Förderung<br />

des Deutschen auch einen Versuch zur Folge, diesen Gedanken nicht ohne erheblichen<br />

finanziellen Aufwand zu institutionalisieren — eine Initiative, die <strong>Leibniz</strong> abwehrt (vgl.<br />

oben S. XLII).<br />

11. Nova literaria<br />

Die Mitteilung und Kommentierung literarischer Neuerscheinungen im weitesten Sinn<br />

bzw. wissenschaftlicher Funde, Nachrichten von neuen Projekten oder vom Entstehen<br />

bzw. von der weiteren Entfaltung gelehrter Kontroversen machen seit Jahren einen wesentlichen,<br />

wenn nicht den größten Teil von <strong>Leibniz</strong>’ Korrespondenz aus. Durch ein Unternehmen<br />

seines wissenschaftlichen Zuarbeiters J. G. Eckhart wird erstmals die Flut<br />

derartiger Mitteilungen kanalisiert und nicht selten durch zusätzliche Recherchen aufbereitet.<br />

Der seit Januar 1700 erscheinende Monatliche Auszug aus allerhand neu-herausgegebenen/nützlichen<br />

und artigen Büchern ist unzweifelhaft in erster Linie Eckharts Werk.<br />

Zwar neigten schon die Zeitgenossen dazu, in <strong>Leibniz</strong> den Verfasser der hier veröffentlichten<br />

Besprechungen zu sehen; so schreibt W. E. Tentzel am 16. April 1701 an Eckhart:<br />

” Neque . . . exiguo tibi honori est, quod ipse Leibnitius a non paucis pro Excerptorum<br />

auctore habetur.‘‘ (Göttingen Staats- u. Universitätsbibl. cod. ms. philos. 135 Bl. 443<br />

bis 444). <strong>Leibniz</strong>’ dichte Korrespondenz mit Eckhart erlaubt nun aber, beider Anteile<br />

vergleichsweise präzise zu scheiden. Eckhart hat sich mit dem Verleger, Nikolaus Förster,<br />

herumzuschlagen (N. 99), bei ihm liegt die Redaktion und nicht zuletzt auch ein großer<br />

Anteil der Materialbeschaffung. Auf der anderen Seite liefern zwar die beständig eingehenden<br />

Büchersendungen an die <strong>Bibliothek</strong> Stoff für Eckharts Besprechungen; dafür

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