153 - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek
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einleitung XXXIX Hauptanliegen Dänemarks ist die schon wiederholt versuchte Unterwerfung der Herzöge von Holstein-Gottorp, der jüngeren Linie des Hauses Oldenburg, aus dem das dänische Königshaus hervorgegangen ist, und damit die Aneignung Schleswigs herzoglichen Anteils, für das im Gegenzug Herzog Friedrich IV. Souveränität beansprucht. In diesem Zeichen steht dessen Schanzenbau im Umfeld der Landesfestung Tönning seit 1699. Während die Seemächte noch bemüht sind, die Konfliktparteien zurückzuhalten (vgl. den Briefwechsel mit James Cressett), marschiert überraschend Polen in Livland ein und eröffnet damit im Februar den Nordischen Krieg. Anders als bei Dänemark und Rußland (dessen Eingreifen im September nicht mehr in den Berichtszeitraum unseres Bandes fällt) sind im Fall König Augusts weniger strategische Ziele ausschlaggebend für den Kriegseintritt als persönliche Motive und die vermeintlich günstige Gelegenheit, den von der Domänenreduktion Karls XI. empfindlich getroffenen livländischen Adel gegen die schwedische Krone auszuspielen. Zwar gelingt Jacob Heinrich von Flemming an der Spitze von sächsischen Truppen die Einnahme von Dünamünde, er scheitert aber an Riga, dessen Belagerung schließlich aufgehoben werden muß. Der Hohn, der sich über ihn ergießt, hat besonders in einem von Eckhart mitgeteilten Spottgedicht Ausdruck gefunden (N. 111 ” Pour les noces de M. Flemming‘‘). Weit näher liegt freilich Leibniz und seinen Korrespondenten der im März in Schleswig-Holstein ausgebrochene Krieg. Bis Ende April sind Eroberung und Ausplünderung des Landes herzoglichen Anteils weit fortgeschritten (vgl. N. 74), das holstein-gottorpsche Schanzensystem eingenommen und der Herzog mit dem größten Teil seiner Truppen in Tönning eingeschlossen. In Erfüllung des zuletzt im März 1698 erneuerten Defensivbündnisses mit Schweden und Holstein-Gottorp greifen Hannover und Celle Ende Mai ein, während zugleich die Seemächte ihre Flotten zusammenziehen und Karl XII. seine Kriegsvorbereitungen beschleunigt. Der in Berlin weilende Leibniz wird von Eckhart, der Kurfürstin Sophie und dem Lüneburger Johann Friedrich Pfeffinger, der über gute Kontakte zum Militär verfügt, aus deren jeweiligen Perspektiven genau über die Mobilisierung in Hannover, den Schleswig-Holstein-Feldzug und die kursierenden Gerüchte informiert. Für wenig mehr als eine Woche wird die Lage für die Zurückgebliebenen brisant, als — ungehindert durch Brandenburg — sächsische Truppen unter dem Kommando des dänischen Generalmajors Graf von Ahlefeld von Süden her in die welfischen Lande einfallen. Zwar bewährt sich jetzt, daß Kurfürst Georg Ludwig eine Truppenreserve zurückgelassen hat, und Wolfenbüttel tritt im letzten Moment von seinen erst im Januar eingegangenen Verpflichtungen gegen Dänemark zurück — Ahlefeld muß sich
XL einleitung nach einem Gefecht fluchtartig durchs Hildesheimische zurückziehen. Dennoch ist der Schaden groß und der Schrecken allgemein, wie aus Sophies (N. 113) und Eckharts Schilderungen (N. 109, N. 111, N. 114, N. 118) hervorgeht. Pfeffinger steuert u. a. die Nachricht bei, man hätte sogar die Prinzessin von Ahlden nach Celle geholt (N. 440), nicht ohne einen Unterton der Kritik an der Handhabung dieser Angelegenheit. Bis zum Friedensschluß von Traventhal (18. August) reißt die detaillierte Kriegsberichterstattung nicht ab, doch speist sie sich nun wieder vorwiegend aus Zeitungslektüre und diplomatischen Kanälen (vgl. N. 464, N. 469, N. 477, N. 478). Dagegen wird die unkomfortable Lage zwischen den Fronten, in die Brandenburg durch seine wenig durchdachte Bündnispolitik geraten ist, im Gespräch mit Sophie Charlotte und Ilgen noch eine größere Rolle spielen (vgl. unten S. XLIII). 7. Berlin und Lietzenburg Eingangs seines Briefes an Buchheim vom 12. Juni (N. 400) läßt Leibniz Revue passieren, was ihn nach Berlin geführt und was ihn dort festgehalten hätte. Am Anfang stünde Sophie Charlottes Befehl, sie in Berlin zu besuchen; die Teilnahme an den kurfürstlichen Hochzeitsfeierlichkeiten (vgl. unten S. XLIV) und seine Beraterrolle bei der Gründung der Sozietät der Wissenschaften hätten sich dann daraus ergeben. Allerdings hat Leibniz schon 1699 einer Einladung nach Berlin nicht Folge leisten können, und auch diesmal dient nicht ein ” Befehl‘‘ der brandenburgischen Kurfürstin, sondern Erholungsbedürftigkeit zur offiziellen Entschuldigung für seine Reise, die er im übrigen mit der Aura des Geheimnisvollen umgibt (vgl. N. 31 u. N. 49). Den Ausschlag gibt ganz offensichtlich die im Frühjahr erstmals sich bietende Gelegenheit, das Projekt einer Sozietät der Wissenschaften in Berlin zu verwirklichen. Pläne dafür hat Leibniz schon um 1695 entwickelt, doch rückt eine gelehrte Gesellschaft in seinem Sinne erst in greifbare Nähe, als Sophie Charlotte im Herbst 1697 ihr Interesse an der Einrichtung eines Observatoriums in Berlin bekundet (vgl. I, 14 N. 440). Leibniz greift mit Begeisterung das Projekt auf, weitet es aber sofort wieder aus zugunsten der Einbeziehung weiterer Wissenschaften; in der ferneren Planung wird zunächst das Gewicht auf das überschaubare Ziel einer wissenschaftlichen Sternwarte gelegt. Leibniz’ Ansprechpartner ist im Auftrag der Kurfürstin seit März 1698 der Hofprediger Jablonski. Entscheidend ist aber von Anbeginn die Frage der Finanzierung, da der Kurfürst weder willens noch in der Lage ist, in
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nach einem Gefecht fluchtartig durchs Hildesheimische zurückziehen. Dennoch ist der<br />
Schaden groß und der Schrecken allgemein, wie aus Sophies (N. 113) und Eckharts Schilderungen<br />
(N. 109, N. 111, N. 114, N. 118) hervorgeht. Pfeffinger steuert u. a. die Nachricht<br />
bei, man hätte sogar die Prinzessin von Ahlden nach Celle geholt (N. 440), nicht ohne<br />
einen Unterton der Kritik an der Handhabung dieser Angelegenheit.<br />
Bis zum Friedensschluß von Traventhal (18. August) reißt die detaillierte Kriegsberichterstattung<br />
nicht ab, doch speist sie sich nun wieder vorwiegend aus Zeitungslektüre<br />
und diplomatischen Kanälen (vgl. N. 464, N. 469, N. 477, N. 478). Dagegen wird die unkomfortable<br />
Lage zwischen den Fronten, in die Brandenburg durch seine wenig durchdachte<br />
Bündnispolitik geraten ist, im Gespräch mit Sophie Charlotte und Ilgen noch eine<br />
größere Rolle spielen (vgl. unten S. XLIII).<br />
7. Berlin und Lietzenburg<br />
Eingangs seines Briefes an Buchheim vom 12. Juni (N. 400) läßt <strong>Leibniz</strong> Revue passieren,<br />
was ihn nach Berlin geführt und was ihn dort festgehalten hätte. Am Anfang stünde<br />
Sophie Charlottes Befehl, sie in Berlin zu besuchen; die Teilnahme an den kurfürstlichen<br />
Hochzeitsfeierlichkeiten (vgl. unten S. XLIV) und seine Beraterrolle bei der Gründung<br />
der Sozietät der Wissenschaften hätten sich dann daraus ergeben.<br />
Allerdings hat <strong>Leibniz</strong> schon 1699 einer Einladung nach Berlin nicht Folge leisten<br />
können, und auch diesmal dient nicht ein ” Befehl‘‘ der brandenburgischen Kurfürstin,<br />
sondern Erholungsbedürftigkeit zur offiziellen Entschuldigung für seine Reise, die er im<br />
übrigen mit der Aura des Geheimnisvollen umgibt (vgl. N. 31 u. N. 49). Den Ausschlag<br />
gibt ganz offensichtlich die im Frühjahr erstmals sich bietende Gelegenheit, das Projekt<br />
einer Sozietät der Wissenschaften in Berlin zu verwirklichen. Pläne dafür hat <strong>Leibniz</strong><br />
schon um 1695 entwickelt, doch rückt eine gelehrte Gesellschaft in seinem Sinne erst in<br />
greifbare Nähe, als Sophie Charlotte im Herbst 1697 ihr Interesse an der Einrichtung eines<br />
Observatoriums in Berlin bekundet (vgl. I, 14 N. 440). <strong>Leibniz</strong> greift mit Begeisterung das<br />
Projekt auf, weitet es aber sofort wieder aus zugunsten der Einbeziehung weiterer Wissenschaften;<br />
in der ferneren Planung wird zunächst das Gewicht auf das überschaubare<br />
Ziel einer wissenschaftlichen Sternwarte gelegt. <strong>Leibniz</strong>’ Ansprechpartner ist im Auftrag<br />
der Kurfürstin seit März 1698 der Hofprediger Jablonski. Entscheidend ist aber von Anbeginn<br />
die Frage der Finanzierung, da der Kurfürst weder willens noch in der Lage ist, in