153 - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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einleitung XXXI geworden ist; vom Sortieren der Post und Verwalten der Kasse über das Disziplinieren des Personals (vgl. N. 53, N. 57) bis hin zum pünktlichen Einmachen der Kirschen (N. 97) ist er für den gesamten Hausstand verantwortlich, auf Eckharts Exzerpierarbeit beruft sich Leibniz, als er seinen Kurfürsten um Urlaub bittet (N. 31). Darüber hinaus hat Eck- hart mit seinem Monatlichen Auszug im Januar die Herausgabe eines deutschsprachigen Rezensionsorgans in Angriff genommen, das Leibniz ein bequemes Forum für gelegent- liche Beiträge bietet und über das er die formale wie inhaltliche Kontrolle beansprucht (unten S. LVI f.). An Eckharts in der Regel zweimal wöchentlich nach Berlin gehenden Berichten läßt sich das im einzelnen verfolgen. Bedingt durch die Länge von Leibniz’ Abwesenheit steht diesen eine größere Zahl von Leibnizbriefen gegenüber, deren Skala von der ungeduldigen Zurechtweisung (N. 52, N. 80) bis zur geradezu freundschaftlichen Mitteilung reicht (N. 112). Häufiger erwähnt wird der bereits am 25. August 1696 als Kutscher angestellte, bis- her aber nur spärlich in I, 14 und I, 16 erwähnte Däne Ulrich Gürgensohn, dessen Frau offenbar auch in Leibniz’ Haushalt arbeitet (als Köchin?) und der darüber hinaus über eine zahlreiche Verwandtschaft zu verfügen scheint (N. 135). ” Ulrich‘‘ begleitet Leibniz nach Berlin, doch läßt sich nicht sagen, ob er mit dessen gelegentlich erwähntem Diener (N. 423) identisch ist. Mehrfach erwähnt wird Konrad Johann Dannenberg, der bereits seit 1687 als Kopist für Leibniz tätig ist und in unserem Berichtszeitraum zur Abschrift mittelalterlicher Kodizes verwendet wird. Auch er scheint dem Haushalt in der Schmie- destraße anzugehören. Der noch jugendliche Johann Barthold Knoche kümmert sich unter Aufsicht von Eckhart um den Haushalt, so wie vor ihm Matthias Zabany, der inzwischen bei Johan Gabriel Sparwenfeld Arbeit und Unterkunft gefunden hat. Daneben übernimmt Knoche Schreibarbeiten für Leibniz’ Korrespondenz. Im Februar setzt die lange Reihe seiner Briefe an Leibniz ein, in denen er vom Alltag in Hannover und Leibniz’ Haus berichtet (N. 25). Knoche ist es auch, der Leibniz den Tod des Mechanikers Hans Adam Scherp mitteilt, der seit 1697 an Leibniz’ Rechenmaschine gearbeitet hat und nach schwerer Krankheit am 25. Februar stirbt. Diskutiert wird auch weiterhin die Zukunft von Leibniz’ zeitweiligem Mitarbeiter auf mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet: Rudolf Christian Wagner, der zwischen Hannover und Helmstedt pendelt, aber auch weitere Exkursionen unternimmt, insbeson-

XXXII einleitung dere nach Sachsen. Seine Mentoren Leibniz und Johann Andreas Schmidt streben für ihn eine Professur der Mathematik in Helmstedt an, die er Ende 1701 auch wirklich erhält. 2. Im Dienste des Hauses Hannover Sieht man ab von seiner Vermittlerrolle in Angelegenheiten der Universität Helmstedt und der Kalenderreform (unten S. XXXVII), entfällt nur ein sehr geringer Teil von Leibniz’ Aktivitäten in unserem Berichtszeitraum unmittelbar auf die Tätigkeit für seinen Dienstherrn. Nicht von ungefähr definiert er selbst seinen Dienst gegenüber Georg Ludwig als ” travaillant le long du jour, tousjours à des choses qui sont ou pour le service de V. A. E. et de sa Maison, ou pour la reputation de sa Cour‘‘ (N. 41) — nur aus dieser Perspektive läßt sich Leibniz’ Arbeitsbilanz in den Augen des Kurfürsten einigermaßen rechtfertigen. Das gilt um so mehr, als Leibniz fast vier Monate in Berlin sich vorwiegend den Interessen des brandenburgischen Kurfürsten zu widmen scheint, dessen ohnehin gespannte Beziehungen zu Georg Ludwig durch den dänischen Krieg (vgl. unten S. XXXVIII f.) im Juni an den Rand von bewaffneten Auseinandersetzungen führen (N. 451). Leibniz’ auch in seiner übrigen Korrespondenz gestreute Behauptung, er hätte nur von ferne mit der geplanten Gründung der Sozietät der Wissenschaften zu tun, verfängt bei Georg Ludwig nicht (N. 31), der erst bei seinem Gesandten v. Ilten in Berlin Erkundigungen über die dortigen Pläne einziehen läßt und dessen berechtigte Skepsis in einer Aktennotiz zum Ausdruck kommt: ” Unß kompt es so vor als wenn er, Leibniz selbst auf solche vorschläge wegen oberwehnter Sozietät u. observatorii wol möge gedacht haben, und, umb selbige Churbrandenburgs H. goutirn zu machen, nach Berlin zu gehen verlange‘‘. So ist auch Leibniz’ Bericht über die aktuelle politische Lage aus Berlin (N. 92) hauptsächlich aus dem Bemühen zu erklären, seine Tätigkeit für Hannover nachzuweisen. Die Leibniz übertragene Überwachung der künstlerischen Ausstattung des noch immer nicht fertiggestellten Gedenkbandes für den verstorbenen Kurfürsten Ernst August besteht im wesentlichen in der (während Leibniz’ Abwesenheit von Eckhart geführten) Korrespondenz mit dem Augsburger Kupferstecher Johann Ulrich Kraus, dem die Anfertigung des Frontispizes übertragen worden ist, und dem Pariser Residenten des hannoverschen Hofes, Christophe Brosseau, der in Paris nach dem Tod von Samuel Blesendorff nach einem fähigen und nicht zu teuren (vgl. N. 357) Kupferstecher für das Großfolioportrait des Kurfürsten suchen soll. Neu hinzu kommt lediglich wohl schon im

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dere nach Sachsen. Seine Mentoren <strong>Leibniz</strong> und Johann Andreas Schmidt streben für ihn<br />

eine Professur der Mathematik in Helmstedt an, die er Ende 1701 auch wirklich erhält.<br />

2. Im Dienste des Hauses Hannover<br />

Sieht man ab von seiner Vermittlerrolle in Angelegenheiten der Universität Helmstedt<br />

und der Kalenderreform (unten S. XXXVII), entfällt nur ein sehr geringer Teil von<br />

<strong>Leibniz</strong>’ Aktivitäten in unserem Berichtszeitraum unmittelbar auf die Tätigkeit für seinen<br />

Dienstherrn. Nicht von ungefähr definiert er selbst seinen Dienst gegenüber Georg<br />

Ludwig als ” travaillant le long du jour, tousjours à des choses qui sont ou pour le service<br />

de V. A. E. et de sa Maison, ou pour la reputation de sa Cour‘‘ (N. 41) — nur aus<br />

dieser Perspektive läßt sich <strong>Leibniz</strong>’ Arbeitsbilanz in den Augen des Kurfürsten einigermaßen<br />

rechtfertigen. Das gilt um so mehr, als <strong>Leibniz</strong> fast vier Monate in Berlin<br />

sich vorwiegend den Interessen des brandenburgischen Kurfürsten zu widmen scheint,<br />

dessen ohnehin gespannte Beziehungen zu Georg Ludwig durch den dänischen Krieg<br />

(vgl. unten S. XXXVIII f.) im Juni an den Rand von bewaffneten Auseinandersetzungen<br />

führen (N. 451). <strong>Leibniz</strong>’ auch in seiner übrigen Korrespondenz gestreute Behauptung,<br />

er hätte nur von ferne mit der geplanten Gründung der Sozietät der Wissenschaften zu<br />

tun, verfängt bei Georg Ludwig nicht (N. 31), der erst bei seinem Gesandten v. Ilten<br />

in Berlin Erkundigungen über die dortigen Pläne einziehen läßt und dessen berechtigte<br />

Skepsis in einer Aktennotiz zum Ausdruck kommt: ” Unß kompt es so vor als wenn er,<br />

<strong>Leibniz</strong> selbst auf solche vorschläge wegen oberwehnter Sozietät u. observatorii wol möge<br />

gedacht haben, und, umb selbige Churbrandenburgs H. goutirn zu machen, nach Berlin<br />

zu gehen verlange‘‘. So ist auch <strong>Leibniz</strong>’ Bericht über die aktuelle politische Lage aus<br />

Berlin (N. 92) hauptsächlich aus dem Bemühen zu erklären, seine Tätigkeit für Hannover<br />

nachzuweisen.<br />

Die <strong>Leibniz</strong> übertragene Überwachung der künstlerischen Ausstattung des noch immer<br />

nicht fertiggestellten Gedenkbandes für den verstorbenen Kurfürsten Ernst August<br />

besteht im wesentlichen in der (während <strong>Leibniz</strong>’ Abwesenheit von Eckhart geführten)<br />

Korrespondenz mit dem Augsburger Kupferstecher Johann Ulrich Kraus, dem die Anfertigung<br />

des Frontispizes übertragen worden ist, und dem Pariser Residenten des hannoverschen<br />

Hofes, Christophe Brosseau, der in Paris nach dem Tod von Samuel Blesendorff<br />

nach einem fähigen und nicht zu teuren (vgl. N. 357) Kupferstecher für das<br />

Großfolioportrait des Kurfürsten suchen soll. Neu hinzu kommt lediglich wohl schon im

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