Leibniz, Akademie-Ausgabe, Bd. I, 22 - Gottfried Wilhelm Leibniz ...
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694 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1703 N. 407 Urtheil, aus vielen Büchern, eine Anzeigung der merckwürdigsten Geschäffte, von Jahr zu Jahr, zusammen bringet, und, welches sonderlich zu loben, auf die Quellen zeiget, daraus er seine Nachrichtungen hergeleitet; also, daß man bey den, von Ihm angeführten Scribenten, nach Belieben, ein mehrers finden, und den Erzehlungen den Glauben 5 beymessen kan, welchen der Urheber verdienet. Es ist nicht ohne, daß viele vermeinen, es sey nicht artig, oder, wie sie es lächerlich nennen, nicht galant geschrieben, wenn man Zeugen anführet: aber, wie weit sie hierinn irren, weiset so wohl die Vernunfft, als das Urtheil berühmter und hochverständiger Leute unserer Zeiten; weilen ja jederzeit besser ist, daß man den Grund wisse, darauff ein 10 Geschicht-Schreiber bauet, als daß man traue auf sein blosses Wort. Und, ob schon die uhralten Römer und Griechen dergleichen nicht beobachtet, so wird doch billig hierinn jetzo von ihnen abgewichen, und ist die jetzige Weise unter die jenige Stücke zu rechnen, worinn man heut zu Tag den Alten vorgehet, und deßwegen auch der Nachwelt gewissere Nachricht hinterlassen kan, als offt von ihnen geschehen. Wenn Wissenschafften beschrie- 15 ben werden, so in Vernunfft-Schlüssen bestehen, brauchet man nicht die Vorgänger zum Beweiß, sondern nur, zur Danckbarkeit und wohlverdienten Lob, anzuführen. Aber Geschichte, die man nicht selbst gesehen, oder in gläublichen Urkunden gefunden, oder durch gemeinen Ruff erfahren, erfordern anderer Bezeugung, von denen zu vermuthen, daß sie einige Kundschafft von der Sache erlangen können. Daher auch der Cardinal 20 Baronius, und andere trefliche Männer, auf solche Weise verfahren. Es thut auch Mein Hochgeehrter Herr sonderlich wohl, in dem Er je zu Zeiten in strittigen Sachen, auf die Acten und Scripturen weiset, welche von Leuten, so der Sache kündig, an den Tag gegeben; Auch auf Müntzen, Grab-Schrifften, Sinn-Bilder, 6 f. artig . . . nennen erg. L 1 9 unserer Zeiten erg. L 1 11 uralten (1 ) Romischen und Griechischen Scribenten (2 ) Römer und Griechen L 1 14 kan, (1 ) als von ihnen zu zeiten (2 ) als offt . . . geschehen L 1 16 und . . . Lob erg. L 1 17 f. oder in . . . erfahren erg. L 1 19 einige (1 ) wißenschafft (2 ) kundschafft L 1 23–695,4 sich auff Münzen, (1 ) bildniße, und dergleichen denckmahle beziehet, welche die Histori gleichsam unterstüzen, und (a) es (b) wird es | sonderlich gestr. | sehr angenehm seyn, wenn er auch künfftig die Medaillen, (2 ) Statuen, Grabschriften und ander dergleichen denckmahle beziehet, welche die Histori gleichsam unterstüzen, und wird es sehr angenehm seyn, wenn er auch künfftig die Medaillen und Uberschrifften (a) der begrabniße großer Leute, Sinnbilder, und bildniße (b) hoher Personen, und beruhmter Leute | großer gestr. Personen versehentlich nicht gestr. | bewahret, und wo sie zu finden anweißet. (3 ) bildniße, Grabschrifften, Sinnbilder, und andere dergleichen denckmahle beziehet, welche die Histori gleichsam unterstüzen, (a) und wo sie zu finden andeutet. zumahl (b) zumahl wenn er andeutet wo sie anzutreffen . . . konnen L 1 20 Baronius: vgl. C. Baronio (SV.).
N. 407 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1703 695 und andere dergleichen Denckmahle, sich beziehet, so die Historie gleichsam unterstützen, zumahl wenn Er andeutet, wo sie anzutreffen. In dem unvergleichlichen Hoch-Gräflichen Schwartzburg-Arnstädtischen Müntz-Schrancken findet sich viel dergleichen. So wird auch der Herr Abt von Lokum mit nicht wenig helffen können. Und weilen heut zu Tage an den Stamm-Registern ein ziemliches gelegen, massen 5 grosser Herren Gerechtsame gemeiniglich darauf gegründet werden und daraus zu ersehen, wie die Lande und Gerechtigkeiten von einem Haus aufs andere kommen; so thut Mein Hochgeehrter Herr sonderlich ein gutes Werck, daß Er die Geburten und Eltern, Heyrathen, wie auch Todes-Fälle, der Fürsten, mächtiger Grafen, und anderer Herren gleiches Schlages, mit Fleiß bezeichnet, und denen eigene Capitel, bey jedem Jahre, ge- 10 widmet. Daß auch Hochgelehrter Leute Absterben, und Denckwürdigkeiten, nicht vergessen werden, wird denen lieb seyn, die mit der Historie der Gelehrsamkeit sich zu belustigen pflegen. Ich zweifele nicht, es werde Mein Hochgeehrter Herr, bey Fortsetzung seines löblichen Werckes, wie bißher, einen grossen Unterscheid unter denen Geschicht-Schreibern 15 machen, und, zumahl wenn Er sich unsern Zeiten nähert, auf die jenige nicht bauen, so von dem Schlag seyn, wie sie jetzo in Holland Hauffenweise heraus zu kommen pflegen, und von unberichteten Leuten eifrig gesuchet und gelesen werden, so grosse Staats- Geheimnisse, oder sonderbare Umstände, darinnen gefunden zu haben, vermeinen; Da doch der Grund aus denen Zeitungen genommen, und das übrige, von dürfftigen Leuten, 20 die der Buch-Händler lohnet, ohne Scheu dazu gedichtet worden. Auf solche Art macht man jetzo so genannte Memorien- oder Geschäfft-Bücher, von Ungenannten oder Unbekannten, vermeinten vornehmen Personen, von denen man dichtet, sie wären, in allerhand wichtigen Begebnissen, von grossen Herren, in geheim, und mit sonderbaren Vertrauen, gebrauchet worden. Da doch diese angegebene Memorien von 25 Leuten aufgesetzet, so die Oerter, und Personen, wohl nicht einmahl gesehen. Dergleichen 6 f. und darauß . . . kommen erg. L 1 15 denen Scribenten L 1 18 f. staats Geheimniße (1 ) darinn zu finden einbilden (2 ) , oder | ander gestr. | sonderbare Umbstande gefunden zu haben vermeynen L 1 20 geldbedürfftigen Leuten L 1 25 diese (1 ) schrifftsteller sich verrathen, daß (2 ) vermeynten Memo bricht ab (3 ) angegebene L 1 3 Müntz-Schrancken: die Münzsammlung von Graf Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt. 4 Abt: G. W. Molanus, der eine umfangreiche Münz- und Medaillensammlung besaß.
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N. 407 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1703 695<br />
und andere dergleichen Denckmahle, sich beziehet, so die Historie gleichsam unterstützen,<br />
zumahl wenn Er andeutet, wo sie anzutreffen. In dem unvergleichlichen Hoch-Gräflichen<br />
Schwartzburg-Arnstädtischen Müntz-Schrancken findet sich viel dergleichen. So wird<br />
auch der Herr Abt von Lokum mit nicht wenig helffen können.<br />
Und weilen heut zu Tage an den Stamm-Registern ein ziemliches gelegen, massen 5<br />
grosser Herren Gerechtsame gemeiniglich darauf gegründet werden und daraus zu ersehen,<br />
wie die Lande und Gerechtigkeiten von einem Haus aufs andere kommen; so thut<br />
Mein Hochgeehrter Herr sonderlich ein gutes Werck, daß Er die Geburten und Eltern,<br />
Heyrathen, wie auch Todes-Fälle, der Fürsten, mächtiger Grafen, und anderer Herren<br />
gleiches Schlages, mit Fleiß bezeichnet, und denen eigene Capitel, bey jedem Jahre, ge- 10<br />
widmet. Daß auch Hochgelehrter Leute Absterben, und Denckwürdigkeiten, nicht vergessen<br />
werden, wird denen lieb seyn, die mit der Historie der Gelehrsamkeit sich zu<br />
belustigen pflegen.<br />
Ich zweifele nicht, es werde Mein Hochgeehrter Herr, bey Fortsetzung seines löblichen<br />
Werckes, wie bißher, einen grossen Unterscheid unter denen Geschicht-Schreibern 15<br />
machen, und, zumahl wenn Er sich unsern Zeiten nähert, auf die jenige nicht bauen,<br />
so von dem Schlag seyn, wie sie jetzo in Holland Hauffenweise heraus zu kommen pflegen,<br />
und von unberichteten Leuten eifrig gesuchet und gelesen werden, so grosse Staats-<br />
Geheimnisse, oder sonderbare Umstände, darinnen gefunden zu haben, vermeinen; Da<br />
doch der Grund aus denen Zeitungen genommen, und das übrige, von dürfftigen Leuten, 20<br />
die der Buch-Händler lohnet, ohne Scheu dazu gedichtet worden.<br />
Auf solche Art macht man jetzo so genannte Memorien- oder Geschäfft-Bücher,<br />
von Ungenannten oder Unbekannten, vermeinten vornehmen Personen, von denen man<br />
dichtet, sie wären, in allerhand wichtigen Begebnissen, von grossen Herren, in geheim, und<br />
mit sonderbaren Vertrauen, gebrauchet worden. Da doch diese angegebene Memorien von 25<br />
Leuten aufgesetzet, so die Oerter, und Personen, wohl nicht einmahl gesehen. Dergleichen<br />
6 f. und darauß . . . kommen erg. L 1 15 denen Scribenten L 1 18 f. staats Geheimniße (1 ) darinn<br />
zu finden einbilden (2 ) , oder | ander gestr. | sonderbare Umbstande gefunden zu haben vermeynen L 1<br />
20 geldbedürfftigen Leuten L 1 25 diese (1 ) schrifftsteller sich verrathen, daß (2 ) vermeynten Memo<br />
bricht ab (3 ) angegebene L 1<br />
3 Müntz-Schrancken: die Münzsammlung von Graf Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt.<br />
4 Abt: G. W. Molanus, der eine umfangreiche Münz- und Medaillensammlung besaß.