2008, Volume 14, N°2 - Centre d'études et de recherches ...
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Der Perzeptionswan<strong>de</strong>l „Europas“ während <strong>de</strong>r Transformation <strong>de</strong>r ČSFR/ČR, 1989–2004 <strong>14</strong>9<br />
Ausmaß und die Geschwindigkeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Einigungsprozesses und u.a. in<br />
<strong>de</strong>r Frage, ob das neue Deutschland als potentielle Bedrohung <strong>de</strong>s künftigen<br />
Gleichgewichts in Europa wahrzunehmen sei. Der erfolgreiche Abschluss <strong>de</strong>r Einigung<br />
Deutschlands, <strong>de</strong>r die Beziehungen zwischen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik und <strong>de</strong>n<br />
ehemaligen Siegermächten <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges regelte, stellte nicht nur die<br />
<strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Beziehungen, son<strong>de</strong>rn darauf hin auch die Beziehungen zwischen<br />
<strong>de</strong>r BRD und ihren östlichen Nachbarn (vorrangig mit <strong>de</strong>r UdSSR und Polen<br />
schon 1990-91) auf eine neue völkerrechtliche Grundlage. Das hatte eine positive<br />
Folge in <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>r vorrangigen Ziele <strong>de</strong>r tschechoslowakischen<br />
Außenpolitik: im Juni 1991 verließen die l<strong>et</strong>zten Truppen <strong>de</strong>r Roten Armee die<br />
ČSFR und am 1. Juli 1991 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Warschauer Pakt aufgelöst. 7<br />
Die Visionen <strong>de</strong>r tschech(oslowak)ischen politischen Elite waren <strong>de</strong>shalb<br />
wi<strong>de</strong>rsprüchlich: auf <strong>de</strong>r einen Seite hatte sie ein radikales Ziel (das Land völlig<br />
vom sowj<strong>et</strong>ischen Einfluss zu befreien); auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite gab sie gemäßigteren<br />
Mo<strong>de</strong>llen für die Lösung <strong>de</strong>r neuen Aufgaben <strong>de</strong>n Vorzug (die neuen Sicherheitsmo<strong>de</strong>lle<br />
s<strong>et</strong>zten die Beibehaltung von wirtschaftlichen Beziehungen mit <strong>de</strong>n übrigen<br />
osteuropäischen Staaten, inklusive <strong>de</strong>r UdSSR, voraus). 8<br />
I.3 Die Beziehungen <strong>de</strong>r ČSFR zu Deutschland<br />
Die „Regierung <strong>de</strong>r nationalen Verständigung“, wie sich die erste Koalitionsregierung<br />
<strong>de</strong>r ČSFR nannte, zeigte sich sehr entgegenkommend gegenüber Deutschland<br />
und äußerte sich ein<strong>de</strong>utig positiv zum <strong>de</strong>utschen Vereinigungsprozess. 9 Sie wur<strong>de</strong><br />
dafür auch seitens <strong>de</strong>r nationalistischen Opposition kritisiert (von links, d.h. von<br />
<strong>de</strong>n Kommunisten, aber auch von rechts, u.a. von <strong>de</strong>n Republikanern SPR-RSČ), 10<br />
7. Die Unterschrift <strong>de</strong>s Protokolles über die Nichtigkeit <strong>de</strong>s Vertrages über die Verbreitung <strong>de</strong>r sowj<strong>et</strong>ischen<br />
Nuklearwaffenbasen auf tschechoslowakischem Gebi<strong>et</strong> (aus <strong>de</strong>m Jahre 1968) am<br />
27.06.1991 stellte <strong>de</strong>n wichtigsten Teil <strong>de</strong>s Wan<strong>de</strong>ls <strong>de</strong>r internationalen rechtlichen und politischen<br />
Bindungen <strong>de</strong>r staatlichen Sicherheitspolitik dar. Dazu J. DIENSTBIER, Od snění k realitě.<br />
Vzpomínky z l<strong>et</strong> 1989-1999 (Seit <strong>de</strong>n Träumen zur Realität. Erinnerungen aus <strong>de</strong>n Jahren<br />
1989-1999), Nakladatelství Lidové noviny, Praha, 1999, S.207.<br />
8. J. KARLAS, P. KRATOCHVÍL, Czechoslovakia/the Czech Republic and European Integration:<br />
During and After the Cold War, in: Journal of European Integration History, 2(2004), S.25-42.<br />
Zum „Dienstbier-Plan“ à la Marshall Plan für Osteuropa, vgl. S.34.<br />
9. So z.B. Havel Anfang Januar 1990 als er <strong>de</strong>n ersten Staatsbesuch nach seiner Wahl als Staatspräsi<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>r »SSR gera<strong>de</strong> in Deutschland vornahm. Damals benutzte er in Berlin eine Paraphrase von<br />
J.F. Kennedys berühmter Äußerung aus <strong>de</strong>m Jahr 1963 – „ich bin ein Berliner“ – und hieß die Nie<strong>de</strong>rreißung<br />
<strong>de</strong>r Berliner Mauer als Symbol <strong>de</strong>s Kalten Krieges gut (Lidová <strong>de</strong>mokracie (Volks<strong>de</strong>mokratie),<br />
03.01.1990). Bei an<strong>de</strong>rer Gelegenheit sagte er ein<strong>de</strong>utig, dass „Die Deutschen haben ein<br />
Recht auf Vereinigung und das vereinigte Deutschland sollte <strong>de</strong>r Motor <strong>de</strong>r europäischen Vereinigung<br />
sein“ (Die Welt, März 1990).<br />
10. Die Entwicklung <strong>de</strong>r tschechischen politischen Parteien (und ihrer Bezeichnungen in Deutsch)<br />
übersichtlich in: R. KIPKE, Die politischen Systeme Tschechiens und <strong>de</strong>r Slowakei. Eine Einführung,<br />
West<strong>de</strong>utscher Verlag, Wiesba<strong>de</strong>n, 2002, S.70 ff. Weiter: K. VODIČKA, Politisches System<br />
Tschechiens. Vom kommunistischen Einparteiensystem zum <strong>de</strong>mokratischen Verfassungsstaat,<br />
LIT Verlag, Münster, 1996.