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3-4/2005 UINL - Notarius International

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<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/<strong>2005</strong> E. Brancós Núñez, Verbraucherwiderruf und notarielle Beurkundung 287<br />

werber die Wohnung innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss<br />

ansieht, sofern er dies nicht bereits vor Vertragsschluss<br />

getan hat. Gleiches gilt für den Versicherungsvertrag,<br />

bei dem die Leistungen meist erst sehr lange<br />

Zeit nach Ablauf der gewöhnlich für das Widerrufsrecht<br />

vorgesehenen Frist von einem Monat erbracht werden.<br />

Genauso wenig geht das Widerrufsrecht auf<br />

Formmängel zurück, die die Nichtigkeit des Vertrages<br />

zur Folge haben.<br />

Das Widerrufrecht findet seine Rechtfertigung in<br />

der Notwendigkeit, unüberlegte Verträge zu verhindern,<br />

die Folge aggressiver Verkaufstechniken sind.<br />

Dann ist es allerdings absurd, ein Widerrufsrecht zu gewähren,<br />

wenn das Rechtsgeschäft notariell beurkundet<br />

wurde. Allein schon das Aufsuchen des Notars, die<br />

Belehrung durch den Notar und sein Beistand schließen<br />

jede Möglichkeit eines unüberlegten Vertragsschlusses<br />

aus.<br />

Der Schutz des Verbrauchers ergibt sich aber nicht ausschließlich<br />

aus der Rechtmäßigkeit der Vertragsklauseln,<br />

die er unterzeichnet. Es gibt auch andere Gesetze,<br />

Regelungen oder auch Situationen, die einen entscheidenden<br />

Einfluss auf den Vertrag haben können:<br />

Bestimmungen über ausländische Investitionen, über die<br />

Geschäftsfähigkeit oder die Verfügungsbefugnis, die<br />

steuerliche Behandlung, den ehelichen Güterstand, den<br />

Umweltschutz, die Grundstücksbelastungen etc., die der<br />

Verbraucher ohne die Meinung oder den Rat eines<br />

Fachmannes nicht kennt. Auch wenn das grundlegende<br />

Ziel des Widerrufsrechts darin besteht, einen unüberlegten<br />

Vertragsabschluss zu vermeiden, d.h. eine informierte<br />

Entscheidung zu ermöglichen, so trägt das<br />

Widerrufsrecht jedenfalls nicht dazu bei, die erforderlichen<br />

Kenntnisse zu erlangen: Wer die Regeln nicht<br />

kennt, kann deren Folgen nicht selbst erkennen. Vor einer<br />

Gefahr, die man gar nicht erkennt, fürchtet man<br />

sich nicht. Der Schutz durch das Widerrufsrecht ist also<br />

illusorisch, da es auf der falschen Annahme beruht, dass<br />

sich der Verbraucher all dessen bewusst ist, was seine<br />

Entscheidung beeinflussen kann. Es fehlt an der informierten<br />

Zustimmung, die zu erreichen die Hauptaufgabe<br />

des Notars und unabdingbares Element für eine korrekte<br />

Willensbildung und Vertragsschluss ist. Das<br />

Widerrufsrecht ist eher trügerisch, da es den Käufer im<br />

Ungewissen lässt. Was er nicht kennt, kann er auch nicht<br />

voraussehen.<br />

5.3. Überlegungsrecht<br />

Daraus folgt, dass das Überlegungsrecht, angesichts<br />

der Notwendigkeit, den Erwerber vor unüberlegten<br />

Handlungen zu schützen, unabhängig davon, ob er<br />

Verbraucher ist oder nicht, sehr viel vorteilhafter ist als<br />

das Widerrufsrecht. Ein Überlegungsrecht wurde etwa in<br />

Frankreich eingeführt (Gesetz vom 23. Dezember 2000:<br />

Zustellung und Übergabe des Entwurfs der öffentlichen<br />

Urkunde + 7 Tage Überlegungsfrist) und ebenso in<br />

Deutschland (§ 17 Abs. 2a BeurkG). Es ist mit Sicherheit<br />

wirksamer als das Widerrufsrecht. Insbesondere ist auch<br />

zu bedenken, dass beim Immobilienkauf in der Regel<br />

auch ein Finanzierungsgrundpfandrecht bestellt wird, das<br />

bei einem Widerruf abgelöst werden müsste; dies führt<br />

dazu, dass der finanzierte Betrag für die Dauer der<br />

Widerrufsfrist zu hinterlegen ist. Dabei ist eine kurze<br />

Ausübungsfrist zwecklos; eine lange Frist behindert die<br />

Abwicklung des Rechtsgeschäftes.<br />

Man kann auch eine Tendenz feststellen, dass manche<br />

Verbraucher aufgrund des Widerrufsrechts mehrere<br />

Kaufgeschäfte gleichzeitig abschließen, um sich dann<br />

erst zu entscheiden. Dem könnte man entgegentreten, indem<br />

man eine gewisse Begründung oder Rechtfertigung<br />

für den Widerruf einführt. Ein Beispiel: Man könnte das<br />

Widerrufsrecht ausschließen, wenn die Vertragsklauseln<br />

genau dem dispositiven Gesetzesrecht entsprechen und<br />

wenn der Erwerber den Vertragsgegenstand zuvor prüfen<br />

konnte. Kennt man den Gegenstand, akzeptiert man den<br />

Preis und enthalten die vertraglichen Klauseln genau die<br />

Bestimmungen, die das Gesetz bei Fehlen einer vertraglichen<br />

Regelung ohnehin vorsieht, so besteht keine<br />

Notwendigkeit für ein Widerrufsrecht – es sei denn aus<br />

Kaufreue.<br />

5.4. Gesamtergebnis<br />

Um auf unseren Ausgangspunkt zurückzukommen:<br />

Das Widerrufsrecht erscheint nur bei oberflächlicher<br />

Betrachtung als ein Mittel, das dem Gesetzgeber erlauben<br />

würde, sich „entspannt zurückzulehnen“, da es dem<br />

Verbraucher einen weit reichenden Schutz bietet.<br />

Analysiert man jedoch die Wirkung des Widerrufrechts<br />

im einzelnen, so muss man feststellen, so ist der Nutzen<br />

des Widerrufsrechts nur sehr begrenzt:<br />

- Bei missbräuchlichen AGB-Klauseln spielt das<br />

Widerrufsrecht keine Rolle.<br />

- Beim Fehlen vertraglicher Pflichtangaben ergibt<br />

sich die Lösung aus einer Auflösungsklage, nicht aus<br />

einem Widerrufsrecht ergibt<br />

- Bei einem unüberlegten Vertragsabschluss schafft es<br />

bei einem komplizierten Vertrag die falsche Illusion,<br />

dem Verbraucher eine Frist zur Reaktion auf Nachteile<br />

einzuräumen, die er gar nicht erkennen kann.<br />

Wirklich wirksam kann das Widerrufsrecht nur bei aggressiven<br />

Vermarktungsstrategien sein – und bei einem<br />

einfachen Vertrag.<br />

Das trifft auf Rechtsgeschäfte über Immobilien nicht<br />

zu; hier ist die einzige wirksame Maßnahme eine Überlegungsfrist.<br />

Übereilungsschutz besteht aber bei notarieller<br />

Beurkundung ohnehin immer.

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