Das Bild des Post-Polio-Syndroms
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• Durch die kontrollierte/unterstützte<br />
Atemhilfe – mit einem CPaP (Continuous<br />
Positive Air Pressure, mit<br />
stetigem (Be-)Atmungsluftdruck),<br />
eher BiPaP (Bilevel Positive Air<br />
Pressure, mit wechselndem (Be-)<br />
Atmungsluftdruck), ggf. durch<br />
volumen- oder druckkontrollierte<br />
Beatmungsgeräte, zudem mit<br />
messbarer Verbesserung <strong>des</strong> Sauerstoff-Stoffwechsels,<br />
können sich<br />
Zwerchfell und Hirnfunktion wieder<br />
erholen, brauchen dafür aber<br />
gelegentlich längere Zeit.<br />
Behandlung beim <strong>Post</strong>-<strong>Polio</strong><br />
Syndrom<br />
• Die «Behandlung» der bisher<br />
beschriebenen Krankheitszeichen<br />
und der Betroffenen <strong>des</strong> <strong>Post</strong>-<strong>Polio</strong>-<br />
<strong>Syndroms</strong> – ähnlich wie bei «Burnout»<br />
– ist vorerst deren ganzheitliche<br />
(Seele, Körper, Geist) Kenntnisnahme,<br />
d.h. mit der Erfassung<br />
der persönlichen (berichteten)<br />
Krankheitsgeschichte, der medizinischen<br />
Gesichtspunkte und – im<br />
Hinblick auf den Zustand von Muskeln,<br />
Skelett, Muskelnerven, Herzund<br />
Atemfunktion – nicht zuletzt<br />
bezüglich persönlicher körperlicher,<br />
seelischer und gesellschaftlicher<br />
Situation. Daraufhin soll einer<br />
weiteren Verschlechterung vorgebeugt<br />
werden.<br />
• Statt perfekt zu sein, seien die Betroffenen<br />
sich selbst, offen, spontan,<br />
humorvoll, natürlich und authentisch;<br />
statt schnell zu sein,<br />
sollen sie sich Zeit nehmen, ruhig,<br />
besonnen, ausgeglichen und gegenwärtig<br />
leben; statt sich immer<br />
übermässig anzustrengen, sollen<br />
sie es gelassen nehmen, sich entspannen,<br />
optimistisch sein, positiv<br />
denken und versuchen loszulassen;<br />
statt es allen recht zu machen, sollen<br />
sie sich selbst bejahen, selbständig<br />
handeln, eigene Bedürfnisse<br />
erkennen, den eigenen Weg<br />
gehen, Rücksicht auf sich selbst<br />
nehmen, bestimmt und in Selbstverantwortung;<br />
statt stark sein zu<br />
wollen/sollen, sollen sie Respekt<br />
vor sich selbst haben, sich selbst<br />
«wahr»nehmen, sich Gefühle erlauben,<br />
auch Schwächen.<br />
• Die Kinderlähmungsbehinderten<br />
(und ihre menschliche Umgebung!)<br />
müssen sich klar werden, dass die<br />
Arbeit und auch die Freizeitgestaltung<br />
kontrolliert, möglicherweise<br />
vermindert, geändert oder mittels<br />
Hilfen (Mitmenschen, Geräte) erleichtert<br />
werden müssen. Dies ist<br />
nicht als Zeichen der Schwäche<br />
oder <strong>des</strong> Luxus, sondern als unerlässliche<br />
Voraussetzung zur Erhaltung<br />
der Arbeitsfähigkeit und der<br />
Lebensqualität zu verstehen.<br />
Physiotherapie<br />
• Grundsätzlich müssen sich (<strong>Post</strong>-)<br />
<strong>Polio</strong>myelitiker und Therapeut über<br />
Behandlung, Behandlungsziel und<br />
den möglichen Weg dazu im Zwiegespräch<br />
klar sein. Dafür braucht<br />
es körperliches und seelisches<br />
Feingefühl auf beiden Seiten.<br />
• Es muss beiden bewusst sein,<br />
dass der (zu erkämpfen gedachte,<br />
erwünschte) Zustand vor den<br />
ersten Anzeichen <strong>des</strong> <strong>Post</strong>-<strong>Polio</strong>-<br />
<strong>Syndroms</strong> wahrscheinlich nicht<br />
erreicht werden wird.<br />
• Beachte: Eigene Ziele für jeden<br />
Patienten selbst! Eingehen auf<br />
Fragen während der Erhebung/der<br />
Therapie/dem Verlauf – ggf. Angebot<br />
von anderen Möglichkeiten.<br />
Eine erfolgreiche Therapie ist nur<br />
zu erwarten bei guter Zusammenarbeit,<br />
gegenseitigem Vertrauen<br />
von Therapeuten und Patienten<br />
und Vertrauen in die Behandlung.<br />
• Die passive (v.a. Tetrapolios) aber<br />
auch muskelaktive Bewegungstherapie<br />
sollte individuell sein, entsprechend<br />
Muskel(faser)-zustand,<br />
ggf. mit quantifizierendem (Ausdauer,<br />
subjektiv/objektiv, EMG-)<br />
Bio-Feedback, wenn möglich mit<br />
gleichbleibender Kraftaufwendung/<br />
Bewegungsgeschwindigkeit (isokinetisch),<br />
langsam, sorgfältig,<br />
schmerzfrei, nicht ermüdend, kontinuierlich,<br />
dauerhaft und regelmässig<br />
(min<strong>des</strong>tens wöchentlich; bei<br />
fehlender Möglichkeit, die Behandlung<br />
wirken zu lassen, besser nur<br />
alle 2–3 Tage > eine Überanstrengung<br />
wird meist erst 24–48 Std.<br />
später bemerkt!) sein, mit Intervallübungen,<br />
auch im Sinne einer<br />
Leistungswiederanpassung (Rekonditionierung)<br />
und gefolgt von<br />
konsolidierenden Ruhephasen.<br />
• Schmerzen nach physiotherapeutischer<br />
Behandlung können – wie<br />
auch Schmerzen bei/nach einer<br />
anderen (u. U. alltäglichen) (Über-)<br />
Anstrengung – Zeichen einer (therapeutischen)<br />
Überforderung sein.<br />
• Die Schmerzbehandlung (allgemein,<br />
auch bei PPS-Betroffenen)<br />
ist eine Behandlung durch verschiedene<br />
Fachkräfte und in verschiedenen<br />
Formen. Neben den<br />
körperlichen Behandlungen sind<br />
auch seelisch- und verhaltenstherapeutische<br />
Vorgehen zu suchen<br />
resp. zu verordnen.<br />
Medikamente<br />
• Vitamin-B-Präparate (auch im<br />
Hinblick auf die bei Kinderlähmungs(spät)folgen<br />
(vielerorts)<br />
empfundenen Nervenschmerzen)<br />
und Vitamin C (nicht bei/<br />
nach akuter muskulärer Verletzung<br />
wie z. B. nach exzentrischer<br />
Überbelastung!) sind bei Stress,<br />
Minderbelastbarkeit, Nervosität,<br />
Müdigkeit, Konzentrationsschwäche,<br />
Verspannungen (körperlich<br />
und seelisch) und bei (Nerven-)<br />
Schmerzen empfohlen.<br />
• Die Einnahme von Vitamin D empfiehlt<br />
sich im Hinblick auf eine<br />
Verbesserung der (nerven-)muskulären<br />
Leistung durch Vermehrung<br />
und Vergrösserung von Muskel-<br />
II-Fasern und zum Vorbeugen von<br />
Stürzen.<br />
• Mit den gemachten Überlegungen<br />
zu einem äusserlich sichtbar<br />
möglichen, v.a. muskulären Carnitinmangel<br />
beim Betroffenen mit<br />
<strong>Post</strong>-<strong>Polio</strong>-Syndrom und zur Verbesserung<br />
der gestörten (Muskel-<br />
I-Faser-)Stoffwechselsituation,<br />
<strong>des</strong> Energiehaushaltes und zur<br />
Schmerzbehandlung bei exzentrischer<br />
Muskelbelastung, ist die Einnahme<br />
von L-Carnitin angebracht.<br />
• Im Hinblick auf eine veränderte<br />
Krankheitsabwehr und Entzündung<br />
im Zentralnervensystem<br />
zeigen erste Untersuchungen eine<br />
Verbesserung von Kraft und Lebensqualität<br />
durch die Gabe (in<br />
eine Vene) von Immunglobulinen<br />
(IvIgG) mit folgender Abnahme von<br />
Entzündungszeichen. Schlüssige<br />
positive Langzeitresultate fehlen.<br />
Die Behandlung wird fachärztlich<br />
nicht empfohlen. Zudem müssen<br />
auch Nebenwirkungen beachtet<br />
werden.<br />
• Lamotrigin (Antiepileptikum) verbessert<br />
die Lebensqualität von<br />
<strong>Post</strong>-<strong>Polio</strong>-Syndrom-Betroffenen,<br />
doch hat es auch viele Nebenwirkungen<br />
(u.a. Schläfrigkeit, Krankheitsabwehr-Veränderungen).<br />
Dr. Thomas C. Lehmann<br />
2/2014 Faire Face II