Information and liaison bulletin - Institut kurde de Paris

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Nr. 29/17. Jull1989
KURDEN
Diedem Tod
ins Auge blicken
Geheime Friedensverhandlungen der Kurden mit dem iranischen
Regime endeten in Wien im Kugelhagel.
Um 19.20 Uhr ging die Tür auf, und
zwei oder drei Männer betraten den
Raum. Wortlos eröffneten sie das Feuer",
gab der einzige Überlebende, ein iranischer
Diplomat, bei den Ermittlungen an.
Die Waffen, zwei Pistolen mit Schalldämpfern
und eine Maschinenpistole, fanden
sich später unter Autos und in Müllcontainern
am Wiener Naschmarkt.
Am Tatort, einer Wohnung in der Linken
Bahngasse 5 im dritten Gemeindebezirk,
blieb~n drei Tote zurück: der Generalsekretär
der Kurdischen Demokratischen
Partei (KDP), Abdul Rahman Ghassemlou,
59. sein Stellvertreter Abduallah Ghaderi,
37, sowie der irakische Kurde Fadil Rasoul.
3R. Ein vierter Mann rettete sich, getroffen
von einem Schuß in den Mund und
den Arm, auf die Straße, wo er auf einen
weiteren Mann traf. der auf dem Weg zur
Wohnung in der Linken Bahngasse war
und sich - als Zeuge von der Polizei einvernommen
- als iranischer Kurde ausgab.
In der iranischen Botschaft wußte Mohamed
Khiarischi, Leiter der Wiener Expositur
der iranischen Nachrichtenagentur
IRNA, bereits Bescheid: "Wir haben zunät'hst
gehört, daß drei iranische Diplomaten
unter den Toten sind. Da können
Sie sich vorstellen, was bei uns los war."
, -
Ein Konsul und ein Botschaftsangehöriger
machten sich dann auf den Weg zum Tat-
..""
. "
....
Kurdenführer Ghassemlou
in den heimatlichen Bergen: Bereit
zum Frieden mit den Mullahs
ort. Die iranische Botschaft in der Jaurèsgasse
war spätabends noch von regem Leben
erfüllt, weil just an diesem Donnerstag,
dem 13. Juli, der Imam Khomeini 40
Tage tot war, ein Gedenktag nach muslimischem
Brauch,
Ghassemlou war nach Wicil
gekommen, um für die kurdische
Minderheit Friedensverhandlungen
mit dem iranischcll
Mullahregime zu führen. Seil
Monaten hatte er aus Paris F~iden
in Richtung Teheran gesponnen,
wie der frühae iranische
Staatspräsident Abolhassan
Bani Sadr in seinem Pariser
Exil gegenüber profil bestätigt:
"Man stand kurz vor dem endgültigen
Durchbruch. Ghassemlou
war zur letzten Etappe
nach Wien aufgebrochen." Die
Schüsse in der Bahngasse setzten
den Verhandlungen ein
jähes Ende.
Fadil Rasoul mußte als Vermittler
des Friedensgespräches
ebenfalls sein Leben lassen. Ein
iranischer Diplomat hatte ihn
Ende Juni in einem Vier-Augen-
Gespräch gebeten, Kontakte zur
KDP-Führung in Paris herzustellen. Rasaul
willigte ein. Durch sein bewegtes Leben
und seine publizistische Tätigkeit war
er im ganzen Nahen Osten bekannt. Er
wurde in Suleimaniye im irakischen Kurdengebiet
geboren, nahm an der kommunistischen
Bewegung teil, war dann bewaffneter
Kämpfer der "Peschmerga"
(,.Die dem Tod ins Auge blicken") gegen
die nahöstlichen Regimes und mußte
schließlich in den Libanon flüchten.
Dort fand er im Bürgerkrieg Unterschlupf
in Palästinenserlagern, studierte
später in Bagdad politische Wissenschaften.
Seit Ende der siebziger Jahre lebte
Rasoul in Österreich und heiratete eine
,Wienerin. Er stand der Patriotischen Uni-
\on Kurdistans (PUK) im Irak nahe. wollte
'aber keiner bestimmten Fraktion angehören.
Seit vier Jahren gab er die Zeits,chrift
,.AI Heiwar" ("Der Dialog") heralUS,
die in Beirut gedruckt und im ganzen
Nahen Osten verbreitet wird.
\ Fadil Rasoul war freier Mitarbeit~.r de,
von Bruno Kreisky gegründeten Osterr~ichischen
Instituts für Internationale Politiik
in Laxenburg. Er schrieb zwei in
Fachkreisen sehr geschätzte Bücher übel
deh Nahen Osten.\) Rasoul hielt Vorlesungeh
an der Universität Kairo und hatte eine~
Lehrauftrag für Politikwissenschafter
an tier Wiener Universität.
Rasouls Institutskollege in Laxenburg
JoHn Bunzl, beschreibt dessen Qualität;r
alsl Vermittler: "Er war mein bestel
Freiund, der erste nahöstliche Intellektuel.
le, mit dem ich wirklich gut konnte. Viel.
leidht haben wir uns von Minderheit Zl
Mi~derheit verstanden, er als Kurde une
ich \als Jude - und wir beide als Linke:
Rasoul hatte mit seiner Zeitschrift da~
Kurlststück zuwege gebracht, von den zer.
\
I) Fadi\ Ra~oul: ..Irak-Iran. Ursachen und Dimen~ionen ~i
nc!