Information and liaison bulletin - Institut kurde de Paris

DER TAGESSPIEGEL, 20.7.1989
Teheran sieht sein Verhältnis
zu Österreich belastet
Wegen der Haftbefehle 1m Zusammenhang mil Kurdenrnorden
Wien (Reuter) Die iranische Botschaft in Wir bangen um ihn Wir haben keine Ahnung,
Wien hat die im Zusammenhang mit dem Mord ob er noch lebt:
an drei Kurden ausgestellten Haftbefehle gegen Von der österreichischen ..Justiz und der
zwei Iraner kritisiert .• Diese Haftbefehle sind Polizei waren keinerlei Informationen da~über
ungerechtfertigt., 'sagte ein Botschaftssprecher. erhältlich. worauf sich der Vo~rf stütze, ob
Die beiden Iraner, die nach Botschaftsangaben die Männer auch anderer Delikte verdächtigt
als offizielle iranische Vèrtreter in Wien den werden. warum Bosorgian zunächst. auf freien
ermordeten Kurdenführer Kassemlu getroffen Fuß gesetzt worden war und ob die iranische
hatten, werden wegen unterlassener Hilfelei- Botschaft überwacht werde. Dementier.t wurden
stung gesucht. Einer dieser mit Diplomatenpäs- Berichte, daB die Haftbefehle die Polizeiansicht
sen reisenden Iraner hielt sich nach Angaben wiedergäben. Iran stehe hinter dem Mordan.
des Sprechers bis Dienstag in der Botschaft auf. schlag vorn Donnerstag.
Der zweite Mann sei verschwunden. .
Das Verhalten der Wiener Behörden belaste Kassemlus Witwe: "Es war Iran M
das iranisch-österreichische Verhältnis. sagte Die Witwe des dem Mordanschlag zum Opfer
der Sprecher. Ober den derzeitigen Verbleib des gefallenen Kassemlu, Helene Kassemlu, be-
Mannes, der sich in. der Botschaft aufgehalten schuldigte gestern auf einer Pressekonferenz in
hatte. seit dem Mordüberfall auf die drei Wien iranische Kreise, hinter dem Mord an
Kurden mehrfach von der Polizei vernommen ihrem Mann zu stecken. Sie habe in ihren
worden war und dessen Name mit Bosorgian Gesprächen mit den österreichischen Behör.den
angegeben wird, wollte der Sprecher keine den Eindruck gewonnen. daß auch diese
A.ngaben machen. Er sagte lediglich. es sei Informationen über die iranjsche Urheberschaft
.mverständlich. warum gegen Bosorgian ein besäßen. .
'iaftbefehl ausges'tellt werde, nachdem ihn die Die aus der Tschechoslowakei stammende
'olizei habe gehen lassen. Witwe war nach Wien gekommen, um den
Der Sprecher sagte weiter, in der Botschaft Leichnam ihres Ehemannes nach Paris zu
1abe Bosorgian den Behörden immer für überführen, wo der ermordete Generalsekretär
3efragungen zur Verfügung gestanden. Wo sich der Kurdischen Demokratischen Partei Irans an
jer zweite Iraner aufhalte. wisse man nicht: diesem Donnerstag beigesetzt' werden soll.
.. _~~p. TAGESSPIEGEL, 22.7.1989 ,
.Ermordung der Kurdenführer führt zu
Konflikt zwischen Wien,und Teheran
Iran verweigert Uberi~~e' ;ïriès Verdä~tig~ri
-';'Vox:wurl Mocks
Wien (dpalReuter/AP). Wegen der Ermor- Berufung a.ur Si.cherheit~kreise hi~ß es jedoch.
dung von drei Kurdenführern in Wien schwelt ~s gebe HIDwelse auf eIDe VerWIcklung Irans
zwischen Osterreich und Iran ein diplomati- 10 den Uberfall.
scher Konflikt. Wie ein Polizeisprecher gestern Die iranische Botscpaft in \Vien war bemüht,
in Wien erklärte. lehnt Iran die Ubergabe des Spekulationen über eine 'Verschärfung des
tatverdächtigen Iraners Bosorgian ab. geg~n den diplomatischen ~onflikts zwischen Os~erreich
ein österreichischer Haftbefehl ergangen 1St. Er und Iran zu dampfen. Man habe ln den
hält sich in der Botschaft des Landes auf. Gesprächen mit dem österreichischen Außen-
Verschärft wurde der Konflikt auch durch ministerium den Eindruck gewonnen,. beide
Äußerungen des österreichischen Außenmini- Seiten wollten die Spannungen aus der Welt
sters Mock. der eine Verwicklung p-ans in den schaffen. " .
Oberlall auf die Kurden. els wahrscheinlich Rund .1000 Personen hatten am Donnerstag
bezeichnete. in Paris dem in Wien ermordeten Vorsitzenden
Iran weist unterdessen die Anschuldigungen der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP),
zurück .und' forderte die Rücknahme der Kassemiu. das letzte Geleit gegeben. Die
insgesamt zwei Haftbefehle gegen Iraner. Zu- Trauerprozession bewegte sich von der Place
sammen' mit zwei weiteren Iranern gehörte de la Republique zum Pere-Lachaise-Friedhof
Bosorgian zu der iranischen Delegation. die zu im Osten der französischen Hauptstadt,. wo
einem Geheimtreffen mit den Kurden nach Kassemlu beigesetzt wurde. Die. fra)lzösische
Wien gekommen war. Bei dem Uberfall in einer Regierung wurde bei den Trauerfeierlichkeiten
Wiener Wohnung war er nicht anwesend und vom Minister für humane Aktionen: 'Kouchner. I
fand eines seiner Delegationsmitglieder später und Bildungsminister Jospin vertreten. Kouch-'
verletzt a~f der ~tr~ße. Nachd;m. er mehrmals ner sagte, Kassemlu habe im Namen der Kurden
von der osterrelchisc~en PolizeI vernommen Frieden schließen wollen, die .Friedensbotworden
~ar, suchte er ID der ~otschaft Zunuch~ schaft" habe seinen Gegnern jedoch Angst,
Der .zwe.lte gesuchte Iran:r 1st. nach Angabe gemacht, und deshalb habe er sterben müssen.'
der Iramschen Botschaft ln Wien verschwun- . . . .. I
den. . . .,. Initiative gegen Iran gefordert
Die Sprecherin des \Viener AuBenministe- Bonn (dpa). Die außenpolitische Sprecherin i
riums dementierte zugleich. Q,~ M~ck i~ ei~~m der. "Ç,B~!p.U:Bun~~.st~gsfr~ktion.,. Michaela
Interview der Wiener Tageszeitung'.Die Presse. Geiger.' llat ,die Burtàesreg1erung zu einer'
das iranische Verhalten in dem ... Fall als Initiative gegen Völker- und Menschenrechts •
•Schweinerei. bezeichnet habe. Nicht demen. verletzungen in Iran aufgefordert. Frau Geiger
tiert wurde jedoch die Äußerung. wonach eine begründete dies gestern in Bann mit .brutalen
iranische Täterschaft wahrscheinlich sei. Offi- Foltermethoden und zahlreichen :-linrichtunziell
wollte sich die Osterreichische Polizei und gen. in dem Land. die .jeden rechtsstaatlich
Justiz nicht zur Beweislage èiußern. Unter denkenden Menschen entsetzen" müßten.
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BERLJ:.J
22.7.1989
Orientalisches Ränkespiel
mb. Der Hintergrund der Ermordung der dre:
iranischen Kurdenführer in der vorigen Woche
in Wien. wobei auch der Führer der Demokra.
tischen Partei Kurdistans, Kassemlu, getötet
wurde, beginnt sich nur langsam aufzuhellen.
Offenbar fielen die drei einem düsteren orien.
talischen .Ränkespiel zum Opfer. Mittlerweile
weitet sich die Affäre auch zu einern diplo.
matischen Konflikt zwischen Iran und Oster.
reich aus, ähnlich den spektakulären Ausein.
andersetzungen zwischen Frankreich und Iran
im Jahre 1987 im Gefolge von blutigen
Bombenanschlägen in Paris. So wie damals ein
iranischer Dolmetscher in die Botschaft seines
Landes geflüchtet war, um; sich der französi.
schen Polizei zu entziehen. 50 ist jetzt ein Iranel
in der Vertretung Teherans in Wien unterge.
taucht. der offenkundig im Auftrag seines
Landes mit den Kurdenführern verhandeln
sollte. .
Nicht nur dies hat vor allem Iran in den
Verdacht gebracht. hinter den Morden zu
stehen, so unverständlich das auf den ersten
Blick erscheinen mag. Denn Kassemlus Kontakt
w!u den Iranern soll dem Ziel gedient haben.
ihm die Rückkehr in die Heimat zu ebnen. Er
hatte das Land nach der Niederlage der Kurden
gegen die neuen Führer des Landes na~h ~er
islamischen Revolution verlassen. Der Jetzl£e
Versuch eines Frontwechsels hängt ohne Zweifel
mit den jüngsten Maßnahmen Iraks gegen
die dortigen Kurden zusammen, die zwangsweise
aus den von ihnen bewohnten Grenzgebieten
umgesiedelt werden. Deshalb fiel auch
ein erster Verdacht auf Bagdad. mit dem
Kassemlu bislang locker zusammengearbeitet
hatte. Aber sowohl Irak als auch die iranischen
Volksmujahedin und auch die Witwe Kassemlus
bezichtigten vehement Iran der Tat, woran
mittlerweile auch die österreichischen Ermittlungsbhi}rden
nicht mehr zu zweifeln scheinen.
Wo aber läge das Motiv für die Mullahs in
Teheran. die doch aus einer Rückkehr Kassemlu~
propagandistischen Nutzen hätten schlagen
k::nnen? Kassemlu galt als besonders gemäßigter,
auf Ausgleich bedachter Mann. Das hätte
doch selbst lür Teheran zählen können. Wenn
dennoch nichts anderes geplant war, als
Kassemlu eine Falle zu stellen, so bedeutet dies.
daß Teheran .nicht im geringsten an einer
Aussöhnung mit den Kurden gelegen ist, die
allerdings für alle Staaten, in denen sie siedeln.
auf Grund ihrer Autonomiebestrebungen einen
Unsicherheitslaktor darstellen. Dies wirft allerdings
auch ein bezeichnendes Licht aul die
Rachsucht der Mullahs.
Mit Spannung dari man angesichts dieser
Sachlage abwarten, wie sich der Konflikt
zwischen Wien und Teheran weiterentwickelL