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Bulletin de liaison et d'information - Institut kurde de Paris

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Revue <strong>de</strong> Presse-Press Review-Berht ,'oka Çapê-Rivista Stampa-Dentro <strong>de</strong> la Prensa-Basm Öz<strong>et</strong>i<br />

wischt." Auch Josef hatte das geglaubt und<br />

sich angesichts <strong>de</strong>r Realität in <strong>de</strong>n Rausch<br />

geflücht<strong>et</strong>. Er habe "Heroin genommen",<br />

sagt Gottlieb, <strong>de</strong>m die Erinnerung Tränen<br />

in die Augen treibt, "weil es hier schwer ist,<br />

jeman<strong>de</strong>n zu fin<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>m man re<strong>de</strong>n<br />

kann - und außer<strong>de</strong>m wollte er unbedingt<br />

einen BMW fahren".<br />

Wegen <strong>de</strong>r chromblitzen<strong>de</strong>n lllusionen<br />

seines Sohnes, klagt Josefs Vater, sei es in<br />

<strong>de</strong>n Wochen vor seinem Tod immer wie<strong>de</strong>r<br />

zu Auseinan<strong>de</strong>rs<strong>et</strong>zungen gekommen. Der<br />

arbeitslose Mann, <strong>de</strong>r zu Hause mit einem<br />

alten Lexikon sein Deutsch zu verbessern<br />

sucht, grämt sich. Die Familie, die sich im<br />

AussIedlerwohnungen In Hambu",: Kaum Chancen für die Generation <strong>de</strong>r Mitgenommenen<br />

Bremer Nor<strong>de</strong>n in einer karg mit Gebrauchtmöbeln<br />

ausstaffierten Wohnung<br />

einzurichten versucht, hat <strong>de</strong>n rasant wachsen<strong>de</strong>n<br />

Ansprüchen <strong>de</strong>s Sohnes nicht mehr<br />

genügen können.<br />

"Warum ist das hier alles gebraucht, eine<br />

alte Couch, ein alter Fernseher?" habe Josef<br />

kritisiert. "Das müßte alles neu sein."<br />

Der Vater versuchte, <strong>de</strong>n Sohn tapfer mit<br />

auswendig gelernten <strong>de</strong>utschen Sprichwörtern<br />

zu belehren: "Mit Geduld und<br />

Zeit kommt man weit."<br />

Aber gegen die Verheißungen einer<br />

Werbewelt, in <strong>de</strong>r coole junge Männer attraktive<br />

Frauen mal eben im offenen Roadster<br />

auf einen Drink an die Côte d'Azur<br />

fahren, konnte er nicht anre<strong>de</strong>n.<br />

Josefs Schicksal, so <strong>de</strong>r Vater heute resigniert,<br />

könne nur noch "eine Warnung für<br />

an<strong>de</strong>re sein". Doch bei Verlierern, in <strong>de</strong>ren<br />

Biographie Sprach- und Bildungslücken,<br />

Anspruchs<strong>de</strong>nken und karge Wirklichkeit.<br />

Ausgrenzung und Selbstisolation auf verhängnisvolle<br />

Weise verknüpft sind, gelten<br />

die Warnungen <strong>de</strong>r Elterngeneration nicht<br />

viel.<br />

Auch <strong>de</strong>r Einwan<strong>de</strong>rernachwuchs vom<br />

Bosporus ist inzwischen in <strong>de</strong>r Suchtgeseilschaft<br />

angekommen. Noch bis Anfang<br />

<strong>de</strong>r achtziger Jahre war Rauschgift beijungen<br />

Türken als Zeichen von Schwäche und<br />

Deka<strong>de</strong>nz weitgehend verpönt.<br />

Doch in <strong>de</strong>n l<strong>et</strong>zten Jahren hat sich <strong>de</strong>r<br />

Konsum harter Drogen in <strong>de</strong>r türkischen<br />

Jugendszene "erheblich erhöht" , wie Mihri<br />

Kaya, Familientherapeut und Suchtberater,<br />

in Berlin beobacht<strong>et</strong> hat.<br />

Allein <strong>de</strong>r Kokainkonsum bei <strong>de</strong>n Türken-Kids<br />

in <strong>de</strong>r Hauptstadt habe sich mehr<br />

als verdoppelt. Etwa zehn Prozent, schätzt<br />

Kaya, seien körperlich o<strong>de</strong>r psychisch abhängig<br />

von Drogen. Doch <strong>de</strong>n Weg in<br />

Selbsthilfegruppen und Therapie fin<strong>de</strong>n abhängige<br />

junge Türken nur selten. Zu sehr<br />

verhin<strong>de</strong>rt die traditionelle Angst vor <strong>de</strong>m<br />

Gesichtsverlust, in <strong>de</strong>r türkischen Kultur<br />

tief verankert, das Eingeständnis einer Kapitulation<br />

vor <strong>de</strong>m Stoff.<br />

In <strong>de</strong>n Jugendgangs, so Kaya, spielen<br />

Drogen ähnlich wie in <strong>de</strong>n Schwarzengh<strong>et</strong>tos<br />

<strong>de</strong>r Vereinigten Staaten eine "bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Rolle".<br />

Eine "riesengroße Angst" vor Revolten<br />

seiner Landsleute hat Kazim Aydin, <strong>de</strong>r<br />

Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fö<strong>de</strong>ration Türkischer Elternvereine<br />

in Deutschland. Er weiß, daß<br />

die Weichen für <strong>de</strong>n Weg in die Sackgasse<br />

<strong>de</strong>r Ban<strong>de</strong>n meist schon in <strong>de</strong>r Kindheit gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Zwar besuchen mehr als<br />

23 000 türkische Schüler in Deutschland<br />

Gymnasien, und 14700 Türkinnen und Türken<br />

studieren an <strong>de</strong>utschen Hochschulen.<br />

Doch die künftigen Abiturienten und<br />

Hocbschulabsolventen sind nur eine kleine<br />

Min<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r mehr als 600 000 türkischen<br />

Jugendlieben unter 21 Jahren in<br />

Deutschland.<br />

In zahllosen Fällen wer<strong>de</strong>n die türkischen<br />

Kids Opfer traditioneller Familienstrukturen.<br />

Immer noch suchen häufig die<br />

Väter in türkischen Familien in <strong>de</strong>r alten<br />

Heimat eine Ehepartnerin o<strong>de</strong>r einen Ehepartner<br />

für ihr Kind aus.<br />

Viele <strong>de</strong>r jungen, aus <strong>de</strong>r Türkei eingeflogenen<br />

Ehefrauen können noch nicht einmal<br />

Türkisch lesen und schreiben. Nach einer<br />

Unesco-Statistik sind rund 27 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Frauen in <strong>de</strong>r Türkei Analphab<strong>et</strong>en.<br />

Geschickt nutzen die Patriarchen die liberalen<br />

Regelungen zur Familienzusammenführung<br />

und schaffen so neue Familien,<br />

in <strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>r als zweisprachige Analphab<strong>et</strong>en<br />

heranwachsen.<br />

"Dramatisch sind die mangeln<strong>de</strong>n<br />

Deutschkenntnisse bei <strong>de</strong>r Einschulung",<br />

so die Berliner Auslän<strong>de</strong>rbeauftragte Barbara<br />

John. Rund 30 bis 40 Prozent<br />

<strong>de</strong>r in Berlin eingeschulten türkischen<br />

Kin<strong>de</strong>r sprechen kein<br />

Deutsch. Die Folge ist oft ein<br />

frühes Bildungsfiasko. Ein Drittel<br />

<strong>de</strong>r jungen Türken in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Hauptstadt schafft nicht einmal<br />

• <strong>de</strong>n Hauptschulabschluß.<br />

Unterstützung durch Nachhilfe<br />

und Sprachkurse scheitert nicht<br />

selten am falschen Stolz <strong>de</strong>r B<strong>et</strong>roffenen.<br />

Der "verdammt harte<br />

Zusammenhalt <strong>de</strong>r Familien", so<br />

Aydin, verhin<strong>de</strong>re immer wie<strong>de</strong>r,<br />

"daß Hilfe von außen in Anspruch<br />

genommen wird". Auch Elternaben<strong>de</strong><br />

an <strong>de</strong>n Schulen wer<strong>de</strong>n<br />

von Türken meist nur sehr schwach<br />

besucht. In <strong>de</strong>r türkischen Tradition<br />

spielt die Schule, an<strong>de</strong>rs als in<br />

Mitteleuropa, keine zentrale Rolle.<br />

Regen Zulauf haben die Koranschulen,<br />

die Gruppen wie Milli<br />

Görü~ (siehe Seite 90) in vielen<br />

Städten unterhalten. Hier lernen<br />

Jungen und Mädchen zwar wenig<br />

fürs Leben, dafür aber die Heilige Schrift<br />

samt fundamentalistischer Deutung <strong>de</strong>r<br />

Worte <strong>de</strong>s Proph<strong>et</strong>en.<br />

Wolfgang Schenk, Berliner Hauptschullehrer<br />

und in <strong>de</strong>n achtziger Jahren schulpolitischer<br />

Sprecher <strong>de</strong>r Alternativen Liste,<br />

warnt: "Wenn es keine gemeinsamen Regeln<br />

mehr in <strong>de</strong>r Gesellschaft gibt, kommt<br />

es zur Explosion."<br />

Der Trend <strong>de</strong>r Abkapselung von <strong>de</strong>r Alltagsgewalt<br />

wird ironischerweise durch die<br />

Segnungen <strong>de</strong>s Medienzeitalters verstärkt.<br />

In Deutschland leben<strong>de</strong> Türken im Alter<br />

zwischen 14 und 19 Jahren sehen - dies belegen<br />

Untersuchungen <strong>de</strong>s Zentrums für<br />

Türkeistudien in Essen - via Kabel und Satellit<br />

fast nur noch türkische Programme<br />

und koppeln sich dadurch auch medial von<br />

<strong>de</strong>m Land ab, in <strong>de</strong>m sie geboren und aufgewachsen<br />

sind. Der Privatsen<strong>de</strong>r "Kanal<br />

7" o<strong>de</strong>r das Milli-Görü~-nahe "Türkische<br />

Fernsehen in Deutschland" (TFD) servieren<br />

zwischen Schnulzenmusik und Spielfilmen<br />

über edle Recken <strong>de</strong>s Islam im<br />

Kampf gegen europäische Ungläubige<br />

weltanschaulich wegweisen<strong>de</strong> Interviews<br />

mit Necm<strong>et</strong>tin Erbakan. Der Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />

steht <strong>de</strong>rzeit in vor<strong>de</strong>rster Front,<br />

DER SPIEGEL 16/1997<br />

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