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Bulletin de liaison et d'information - Institut kurde de Paris

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Revue <strong>de</strong> Presse-Press Review-Berhevoka Çapê-Rivista Stampa-Dentro <strong>de</strong> la Prensa-Baszn Öz<strong>et</strong>i<br />

Wurst vor <strong>de</strong>r<br />

•..<br />

AUSSENPOLITIK<br />

Nase<br />

Die Bun<strong>de</strong>sregierung sträubt sich<br />

gegen die Aufnahme<br />

<strong>de</strong>r Türkei in die Europäische<br />

Union - und bekommt<br />

<strong>de</strong>swegen Ärger mit <strong>de</strong>n USA.<br />

Nun habe sich das "wahre Gesicht<br />

Kohls" offenbart, zürnt die türkische<br />

Tageszeitung MILLlYET. Und<br />

das Massenblatt TÜRKIYE sieht <strong>de</strong>n Bonner<br />

Kanzler schon als Inkarnation Karls<br />

<strong>de</strong>s Großen, <strong>de</strong>r "Europa in ein einiges,<br />

christliches Reich" verwan<strong>de</strong>ln wolle.<br />

Die türkischen Medien zeigen sich geschockt.<br />

Anfang März in Brüssel hatten<br />

christ<strong>de</strong>mokratische Partei- und Regierungschefs<br />

- unter ihnen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche - <strong>de</strong>r<br />

Türkei unmißverständlich be<strong>de</strong>ut<strong>et</strong>: Dem<br />

Land wird <strong>de</strong>r Zutritt zur Europäischen<br />

Union wohl auf alle Zeiten versperrt.<br />

Seither ist Bun<strong>de</strong>skanzler Helmut Kohl,<br />

bislang st<strong>et</strong>s als För<strong>de</strong>rer türkischer Europa-Hoffnungen<br />

geschätzt, am Bosporus<br />

zum politischen Gegner mutiert.<br />

Bonn habe sich als "falscher Freund"<br />

entpuppt, erklärt <strong>de</strong>r Außenstaatssekr<strong>et</strong>är<br />

Onur Oymen, ehemals türkischer Botschafter<br />

am Rhein. Verärgert bestellte er<br />

die Chefs großer <strong>de</strong>utscher Firmen wie Siemens<br />

und Merce<strong>de</strong>s ein und schloß als Vergeltung<br />

einen Boykott <strong>de</strong>utscher Waren<br />

nicht aus.<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n wird die für<br />

diese Woche anges<strong>et</strong>zte Ankara-Reise <strong>de</strong>s<br />

Bonner Außenministers Klaus Kinkel zu<br />

einer heiklen Mission. Die Visite gilt <strong>de</strong>m<br />

Amt inzwischen "als einer <strong>de</strong>r schwierig-<br />

!!<br />

Au8enminister<br />

............<br />

... ...<br />

•<br />

.'<br />

........<br />

Deutschland<br />

sten Besuche, die ein <strong>de</strong>utscher<br />

Außenminister machen mußte".<br />

Einige Berater ri<strong>et</strong>en Kinkel sogar<br />

zu einer Absage.<br />

Der AA-Chef will die <strong>de</strong>utsche<br />

Position erklären. Doch die<br />

Banner Türkeipolitik ist alles<br />

an<strong>de</strong>re als ein<strong>de</strong>utig. Klar ist allein<br />

<strong>de</strong>r Dissens zwischen Kohl<br />

und Kinkel.<br />

"Europa ist kein christlicher .<br />

Klub", hatte Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt<br />

Roman Herzog - ganz auf Li- Erbakan<br />

nie mit <strong>de</strong>m Außenamt - erst<br />

vor einem Vierteljahr <strong>de</strong>m türkischen<br />

Staatspräsi<strong>de</strong>nten Süleyman Demirel versichert,<br />

Bonn stehe fest auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Assoziierungsabkommens von 1963,<br />

einschließlich <strong>de</strong>r damals von <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Gemeinschaft eröffn<strong>et</strong>en Beitrittsperspektive.<br />

Herzog: "Die Türkei<br />

gehört zu Europa!"<br />

1m trauten Kreis mit seinen europäischen<br />

Parteifreun<strong>de</strong>n sprach <strong>de</strong>r Kanzler<br />

ganz an<strong>de</strong>rs. Ihm sei' "aus <strong>de</strong>m Erdkun<strong>de</strong>unterricht<br />

nicht bekannt, daß Anatolien<br />

ein Teil Europas ist", spott<strong>et</strong>e Kohl. Man<br />

müsse <strong>de</strong>n Türken sagen, daß die Türkei<br />

nicht zu Europa gehöre.<br />

Nur gut eine Woche später bekräftigte<br />

<strong>de</strong>s Kanzlers Außenminister mit seinen<br />

EU-Kollegen in Apeldoorn das Gegenteil.<br />

Die Europäische Union wolle, so Kinkel,<br />

daß die Türkei "nicht auf ein Abstellgleis<br />

geschoben wird" .<br />

Immer wenn es zur Sache geht,<br />

schwenkt <strong>de</strong>r Außenminister allerdings auf<br />

<strong>de</strong>n Kohl-Kurs um. Für die elf Staaten, mit<br />

<strong>de</strong>nen die EU vom kommen<strong>de</strong>n Jahr an<br />

konkr<strong>et</strong> über einen Beitritt verhan<strong>de</strong>ln<br />

will, wird die Gemeinschaft voraussichtlich<br />

eine ständige "Europa-Konferenz"<br />

einrichten. Die Türkei möchte Kinkel dort<br />

nicht dabeihaben. Je<strong>de</strong>r Anschein, Ankara<br />

könne in absehbarer Zeit EU-Mitglied wer<strong>de</strong>n,<br />

soll vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

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~ ......<br />

Çiller, Kinkel: Streit ums "Familienfoto"<br />

Auch auf <strong>de</strong>m "Familienfo---<br />

to" (AA-Jargon), das beim.<br />

Juni-Gipfel in Amsterdam von<br />

allen alten und zukünftigen~<br />

EU-Partnern geschossen wer<strong>de</strong>n<br />

soll, will Kinkel keinenL<br />

türkischen Vertr<strong>et</strong>er sehen.<br />

Die scheinbar nebensächliche<br />

Foto-Frage, von Ankaras<br />

Außenministerin Tansu Çiller<br />

• gezielt hochgespielt, beför<strong>de</strong>rt •<br />

~ die Empörung <strong>de</strong>r Türken_<br />

Wer in diesem Jahr nicht au<br />

die Liste <strong>de</strong>r EU-Kandidaten<br />

kommt, so ihr zutreffen<strong>de</strong>r Verdacht, bleibt<br />

auf Jahrzehnte ausgeschlossen.<br />

Aber während Polen, Ungarn o<strong>de</strong>r Slowenen<br />

ihre Gesellschaften in hohem Tem<br />

po auf westeuropäischen Standard zu trimmen<br />

versuchen, drift<strong>et</strong> die Türkei täglich •<br />

weiter weg von Europa. Die Zahl <strong>de</strong>r Menschenrechtsverl<strong>et</strong>zungen<br />

nimmt eher zu<br />

<strong>de</strong>nn ab. Der islamistische Ministerpräsi<strong>de</strong>nt<br />

Necm<strong>et</strong>tin Erbakan brachte das Land<br />

in nur achtmonatiger Amtszeit bis kurz vor<br />

einen Militärputsch. .~<br />

Um die EU-Aufnahme <strong>de</strong>nnoch zu er7<br />

zwingen, bedient sich Ankaras Führung eines<br />

starken Hebels: Sie droht unverhohle..,.<br />

mit <strong>de</strong>r Blocka<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Nato-Ost-Erweiterung.<br />

Zumin<strong>de</strong>st die Bündnisvormach~ .-<br />

Amerika wur<strong>de</strong> damit beeindruckt. Stärker<br />

als die Europäer s<strong>et</strong>zen die USA auf die _<br />

strategische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Türkei als laizistischer<br />

Vorposten <strong>de</strong>s Westens gegen~.<br />

über <strong>de</strong>r islamischen Welt.<br />

Öffentlich mahnte die neue US-Außenministerin<br />

Ma<strong>de</strong>laine Albright im Februa<br />

ihre Bündniskollegen, <strong>de</strong>n Türken einen<br />

Weg in die Europäische Gemeinschaft zu<br />

ebnen. Wenig später bekannte Carey Cavanaugh,<br />

Zypern-Beauftragter <strong>de</strong>r amerikanischen<br />

Regierung, offen Washingtans<br />

"Sorge über die Art, wie die EU die Türkei<br />

behan<strong>de</strong>lt" .<br />

So ist Ankara im Begriff. Washington und<br />

die Europäer auseinan<strong>de</strong>rzubringen. "Die<br />

USA können nicht verlangen, daß wir <strong>de</strong>n<br />

europäischen Suizid begehen", beschwert<br />

sich ein hochrangiger AA-Mann. Mit Türken<br />

und Griechen in einer Gemeinschaft -<br />

das wür<strong>de</strong> die EU "total blockieren".<br />

Die EU sei "auf <strong>de</strong>m Weg zur Weltmacht"<br />

, schimpft auch Ingo Friedrich, Chef<br />

<strong>de</strong>r CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.<br />

"Wir lassen uns von <strong>de</strong>n USA nicht<br />

vorführen wie ein Nasenbär."<br />

Der Christsoziale gehört - ähnlich wie<br />

<strong>de</strong>r CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang<br />

Schäuble - zu <strong>de</strong>n schärfsten Türkei-Kritikern<br />

in <strong>de</strong>r Union. Die for<strong>de</strong>rn eine neue<br />

Ehrlichkeit. ,,1st es nicht extrem unfair, <strong>de</strong>r<br />

Türkei über 20 Jahre die Wurst vor die<br />

Nase zu hängen?" fragt Friedrich. "Wo<br />

doch alle wissen: Sie kriegen sie nicht!"<br />

Daß Europa mit einer brüsken Abwendung<br />

<strong>de</strong>n Islamisten in <strong>de</strong>r Türkei neuen<br />

~ Auftrieb beschert, ficht Friedrich nicht an.<br />

Das müsse man "eben in Kauf nehmen" .•<br />

DER SPIEGEL 1311997<br />

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