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Clôture du festival - Philharmonie

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ack to the future<br />

rainy days 2010<br />

<strong>Philharmonie</strong> Luxembourg<br />

19.–28.11.2010<br />

Établissement public Salle de Concerts<br />

Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte


Impressum<br />

© <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg<br />

2010<br />

Établissement public Salle de<br />

concerts Grande-Duchesse<br />

Joséphine-Charlotte<br />

1, Place de l’Europe<br />

L-1499 Luxembourg<br />

www.philharmonie.lu<br />

www.rainydays.lu<br />

ISBN 978-2-9599696-6-9<br />

EAN 9782959969669<br />

Für den Inhalt verantwortlich:<br />

Matthias Naske<br />

Redaktion:<br />

Bernhard Günther<br />

Dominique Escande<br />

Karsten Nottelmann<br />

Redaktionelle Mitarbeit:<br />

Raphaël Rippinger<br />

Annegret Kornmann<br />

Noemi Deitz<br />

Ada Günther<br />

Johannes Kadar<br />

Design: Pentagram Design<br />

Limited, Berlin<br />

Satz: Bernhard Günther<br />

Druck: Imprimerie Centrale<br />

Printed in Luxembourg<br />

Die Texte auf den Seiten<br />

6–14, 26–37, 47–51, 66–68,<br />

74–99, 106–107, 112, 122,<br />

129–132, 139–141, 166–167<br />

und 173–178 sind Originalbeiträge.<br />

Die Photos auf den Seiten<br />

8, 21, 22, 32, 45, 46, 61, 83,<br />

105, 182 und 200 entstanden<br />

im Rahmen des Projekts<br />

«back to the future» der<br />

Klassen T3AR1 und T2AR3<br />

am Lycée Technique des<br />

Arts et Métiers Luxembourg-<br />

Limpertsberg (LTAM) für<br />

das Festival rainy days 2010<br />

(siehe Seite 200). Wir danken<br />

den Schülern und Lehrern für<br />

die Kooperation.<br />

Umschlagillustration:<br />

Patrick Ackermann<br />

Nous remercions / Dank an:<br />

les musiciens, auteurs et<br />

partenaires <strong>du</strong> <strong>festival</strong>;<br />

L’Orchestre Philharmonique<br />

<strong>du</strong> Luxembourg; Ircam Paris,<br />

Cdmc Paris, Conservatoire<br />

de Musique de la Ville de<br />

Luxembourg<br />

Tous droits réservés /<br />

Alle Rechte vorbehalten /<br />

All rights reserved


Prélude<br />

back to the future<br />

Sabine Sanio: Mit dem Rücken zur Zukunft<br />

Luigi Nono: Geschichte und Gegenwart in der Musik von heute<br />

Burkhard Spinnen: Von XY lernen, heißt…?<br />

Jorge Sánchez-Chiong: Die Umwidmung einer Maschine<br />

Pierre-Albert Castanet: Les grimoires de Mnémosyne<br />

Jean-François Lyotard: Réécrire la modernité<br />

Martin Kaltenecker: Le plaisir <strong>du</strong> sensible recomposé<br />

John Oswald: Plunderphonics<br />

6<br />

9<br />

16<br />

23<br />

26<br />

33<br />

38<br />

47<br />

53<br />

Programme<br />

19.11.2010 18:00 «Gassatim-Konzert» – Ouverture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />

Martin Kaltenecker: Un charivari démocratique. Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert<br />

Zum Gassatim-Konzert<br />

20.11.2010 20:00 Brice Pauset / Johannes Ockeghem<br />

Alice Tacaille: Canons: architectures sonores<br />

Wolfgang Fuhrmann: Lyrisches Schweben<br />

21.11.2010 18:30 / 20:00 Bernhard Lang / Joseph Haydn<br />

«The medium is the message». Bernhard Lang. Entretien avec Armin Köhler<br />

Die Frage nach dem Original. Bernhard Lang im Gespräch mit Bernhard Günther<br />

Martine Kaufmann: Les sept dernières paroles <strong>du</strong> Christ en Croix. Joseph Haydn<br />

Wolfgang Fuhrmann: Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze<br />

24.11.2010 20:00 Noise Watchers<br />

Commentaires d’œuvres / Werkkommentare<br />

26.11.2010 20:00 Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />

Jürgen Ostmann: Bloßgelegte Zusammenhänge<br />

Helmut Lachenmann: Hat das Werk Anton Weberns 1970 eine aktuelle Bedeutung?<br />

Bertrand Demoncourt: Concerto pour clarinette et orchestre en la majeur KV 622<br />

Jürgen Ostmann: «Ach, wenn wir nur auch clarinetti hätten!»<br />

Martin Kaltenecker: Accanto<br />

Helmut Lachenmann: Accanto<br />

27.11.2010 19:00 / 20:00 / 21:00 / 22:00 «75 e anniversaire de Helmut Lachenmann»<br />

Jürgen Ostmann: Vorspiele<br />

Hélène Pierrakos: Préludes<br />

Brigitte Massin: Nacht und Träume (Nuit et rêves)<br />

Helmut Lachenmann: Schubert-Variationen, Wiegenmusik, Guero<br />

Martin Kaltenecker: Cinq Variations sur un thème de Schubert (1956)<br />

Martin Kaltenecker: Wiegenmusik<br />

François Bohy: Guero<br />

Schönheit? Georg Friedrich Haas im Gespräch mit Bernhard Günther<br />

Christian Goubault: Pour Chouchou. Claude Debussy: Children’s Corner<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel<br />

«Ein metaphysischer Road Trip nach innen». Mark Andre im Gespräch mit Bernhard Günther<br />

Helmut Lachenmann: Got Lost (Sarah’s Song)<br />

Luigi Nono: Pour Helmut<br />

Helmut Lachenmann: Über Luigi Nono<br />

Luigi Nono: Sofferte onde serene<br />

Horst A. Scholz: Serynade<br />

Marino Formenti: Serynade<br />

28.11.2010 19:00 «In Nomine»<br />

Torsten Blaich: Zwischen den Zeiten<br />

28.11.2010 20:00 «Fast Forward» – Clôture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />

John Oswald, Glenn Gould, rascali klepitoire, and plunderphonics<br />

Julian Cowley: Philip Jeck. Turning the tables on imperfections<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: Pattern + Variation. Bach’s Goldberg Variations Remix<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: Asymmetries. Acoustica 2010<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: Tone Motion. Wolfgang Mitterer’s Music for checking e-mails<br />

19.–28.11.2010 Installations sonores / Klanginstallationen<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: From A to B and Back Again. DJ Spooky iPhone App mix station<br />

Hélène Pierrakos: Ludwig? Inconnu à l’adresse indiquée. Entretien avec Jacques Rebotier<br />

64<br />

66<br />

69<br />

72<br />

74<br />

79<br />

82<br />

84<br />

89<br />

95<br />

98<br />

100<br />

101<br />

104<br />

106<br />

108<br />

110<br />

112<br />

113<br />

116<br />

120<br />

122<br />

123<br />

124<br />

125<br />

126<br />

127<br />

128<br />

129<br />

134<br />

136<br />

139<br />

142<br />

143<br />

146<br />

148<br />

149<br />

150<br />

152<br />

154<br />

158<br />

160<br />

162<br />

166<br />

167<br />

168<br />

172<br />

173<br />

175<br />

Service<br />

Compositeurs, interprètes & ensembles<br />

181<br />

183


PRELUDE<br />

5


ack to the future<br />

«Die Vergangenheit ist immer neu. Sie verändert sich dauernd, wie das Leben fortschreitet.<br />

Teile von ihr, die in Vergessenheit versunken schienen, tauchen wieder auf, andere wiederum<br />

versinken, weil sie weniger wichtig sind. Die Gegenwart dirigiert die Vergangenheit wie<br />

die Mitglieder eines Orchesters. Sie benötigt diese Töne und keine anderen. So erscheint<br />

die Vergangenheit bald lang, bald kurz. Bald klingt sie auf, bald verstummt sie. In die<br />

Gegenwart wirkt nur jener Teil des Vergangenen hinein, der dazu bestimmt ist, sie zu erhellen<br />

oder zu ver<strong>du</strong>nkeln.»<br />

(Italo Svevo: La coscienza di Zeno, 1923)<br />

1<br />

Georg Friedrich Haas (27.11.)<br />

S. 130<br />

2<br />

Sabine Sanio<br />

S. 9<br />

3<br />

Klanginstallationen<br />

(19.–28.11.):<br />

DJ Spooky<br />

S. 172 f.<br />

Jacques Rebotier<br />

S. 172, 174–179<br />

4<br />

Hans Engel: Das Instrumentalkonzert<br />

(Führer <strong>du</strong>rch<br />

den Konzertsaal. Die Orchestermusik,<br />

Bd. 3). – Leipzig,<br />

1932, zitiert nach Regina<br />

Busch: «August Halm über<br />

die Konzertform», in:<br />

Notizbuch 5/6: Musik / hrsg.<br />

von Reinhard Kapp. – Berlin,<br />

Wien: Me<strong>du</strong>sa, 1982, S. 109<br />

5<br />

Torsten Blaich zum Konzert<br />

«In Nomine» am 28.11.<br />

S. 154<br />

6<br />

vgl. dazu den Text von<br />

Jorge Sánchez-Chiong<br />

S. 26–31<br />

7<br />

S. 26 f.<br />

8<br />

John Perry Barlow in<br />

seiner Keynote Address<br />

«The Abolition of Property<br />

in Cyberspace» auf der<br />

Konferenz «DDMI Europe»<br />

in London, 03.04.2001,<br />

vgl. https://projects.eff.org/<br />

~barlow/barlow.html<br />

Die Vergangenheit erscheint heute länger als je zuvor – darüber sind sich nicht<br />

wenige der im Festival rainy days 2010 zu entdeckenden Künstler einig:<br />

«Dass sich Komponisten mit Musik der Vergangenheit auseinandersetzen – und im 20. und<br />

21. Jahrhundert viel stärker, als das früher der Fall war –, hängt natürlich mit der Situation<br />

zusammen, dass Musik der Vergangenheit in einem viel stärkeren Ausmaß präsent ist, als<br />

sie das jemals vorher in der Musikgeschichte war» 1 . Woran liegt das? Einerseits wohl<br />

daran, dass «die alten Hoffnungen auf die Zukunft als das Zeitalter des wirklich<br />

Neuen und ganz Anderen heute aus der Mode gekommen sind» 2 . Anders ausgedrückt:<br />

«Die Zukunft ist auch nicht mehr, was sie einmal war.» Aber ist das so neu?<br />

Vermutlich nicht, wenn man bedenkt, dass als Urheber dieses Ausspruchs unter<br />

anderem Paul Valéry, Karl Valentin, Woody Allen, André Fontaine, Robert de<br />

Niro/Alan Parker, Meat Loaf/Jim Steinman, Yogi Berra und Erkki Kurenniemi/<br />

Mika Taanila genannt werden.<br />

Ein anderer möglicher Grund für die heutige Gegenwärtigkeit der Vergangenheit<br />

liegt nahe: In den letzten zehn Jahren haben die technischen Möglichkeiten zum<br />

Abrufen und Bearbeiten von Material aus der gesamten Musikgeschichte rapide<br />

zugenommen – bis hin zu Mobiltelefonen, die DJ Spooky das Publikum der rainy<br />

days 2010 als Tool zum Selberkomponieren entdecken lässt. 3 Aber ist das so neu?<br />

Schon 1932 fand sich in einem Konzertführer die folgende Überlegung:<br />

«Heute, wo der Luftraum uns in magischer Weise zum Konzertsaal geworden ist, in dem<br />

die Sender Europas unendliche Musik bieten, ist die Möglichkeit für den Hörer und das<br />

Bedürfnis für den Künstler die landläufige Literaturkenntnis zu erweitern ständig im<br />

Wachsen. Der Bedarf an Musik zwingt zum Zurückgreifen auf wertvolle Vergangenheit.» 4<br />

Wie auch immer es sich verhält mit der Vergangenheit in der Gegenwart – eines<br />

ist sicher: Kaum ein künstlerisches Medium eignet sich so gut für Rückblenden,<br />

Erinnerungen, Jahrhunderte übergreifende Reflexionen und Querverbin<strong>du</strong>ngen<br />

– oder, bildlich gesprochen: für Zeitreisen – wie die Musik. «Das kompositorische<br />

Verfahren, auf vorhandenes musikalisches Material zurückzugreifen und in<br />

einer neuen Komposition zu verarbeiten, zählt zu den zentralen Prinzipien der<br />

abendländischen Musikgeschichte.» 5 Vom Sampling führt ein langer Weg zurück<br />

über DJs und Turntablisten, 6 John Cages Stücke mit Plattenspielern und Radios, 7<br />

Musique concrète, Potpourri, Opernparodien (von Händel über The Beggar’s Opera<br />

von 1728 bis zur Dreigoschenoper von 1928), die Parodiemessen des 15. Jahrhunderts<br />

u.v.a. Auf den Punkt gebracht: «How many musicians can honestly say<br />

they’ve never used something that was there before?» 8<br />

6


Dabei könnte man bei einem flüchtigen Blick auf verschiedene Stile, Genres und<br />

Oberbegriffe der Musik seit 1900 den Eindruck bekommen, irgendwann im 20. Jahrhundert<br />

hätte die Musikgeschichte neu begonnen. 9 Wenn man sich jedoch ein<br />

wenig Zeit für einen näheren Blick auf einige fraglos besonders revolutionäre<br />

Komponisten unter den vermeintlichen «Neutönern» wirft, entdeckt man allerdings<br />

schnell, dass viele der wirklich spannenden neuen Töne meistens mit einer<br />

großen Leidenschaft für die Geschichte einhergehen – von Arnold Schönbergs<br />

Anknüpfen an Bach, Beethoven und Brahms über Anton Weberns akribische<br />

Kenntnis der Alten Musik 10 bis zu Helmut Lachenmanns schonungslos liebevoller<br />

Auseinandersetzung mit Mozart. 11<br />

Spätestens jetzt ist es an der Zeit, vom Allgemeinen des diesjährigen Themas<br />

«back to the future» auf das Besondere der acht Konzerte und zwei Klanginstallationen<br />

der rainy days 2010 zu kommen. Denn wir freuen uns sehr auf die wahrlich<br />

außergewöhnliche Gelegenheit, gemeinsam mit Ihnen in der <strong>Philharmonie</strong><br />

Helmut Lachenmanns 75. Geburtstag zu feiern – mit zwei ganz besonderen Konzertprogrammen<br />

am 26. und 27.11. Zu den Gästen des vierstündigen Geburtstagskonzerts<br />

am 27.11. in der Salle de Musique de Chambre 12 gehören (neben<br />

Helmut Lachenmann und seiner Frau Yukiko Sugawara, die beide als Pianisten<br />

auf der Bühne sein werden) unter anderem die Komponisten Mark Andre und<br />

Georg Friedrich Haas, von denen jeweils eine neue Komposition uraufgeführt wird.<br />

Mit einer Uraufführung der Komponistin Olga Neuwirth wird das Festival am<br />

19.11. eröffnet – schon fast traditionellerweise im öffentlichen Raum der Stadt<br />

Luxemburg, und zwar mit einer ungewöhnlichen Verwirklichung musikalischer<br />

Ideen, die Joseph Haydn und Charles Ives als sehr zeitgenössische Komponisten<br />

ausweisen. 13 Haydn ist aus nächster Nähe anschließend am 21.11. im Dialog mit<br />

Bernhard Lang zu hören, welcher sich für die Donaueschinger Musiktage und<br />

die rainy days auf die Suche nach den Rätseln von Haydns wohl mysteriösestem<br />

Streichquartett begeben hat – zugleich (an der Seite des Auryn Quartetts) das<br />

<strong>Philharmonie</strong>-Debüt des Arditti Quartett, das mit der unglaublichen Zahl von<br />

über 3.000 Uraufführungen an der neuen Blüte der alten Gattung Streichquartetts<br />

im 20. Jahrhundert ganz wesentlich beteiligt ist. 14<br />

Auf drei noch weiter in die Musikgeschichte zurückführende Zeitreisen laden<br />

erstens der Pianist Nicolas Hodges und das Alte-Musik-Ensemble Capella de<br />

la Torre am 20.11. ein – die Gesamturaufführung seiner Canons für Klavier in<br />

Verbin<strong>du</strong>ng mit einer Renaissance-Messe von Johannes Ockeghem, die den Lauf<br />

der Musikgeschichte verändert hat 15 –, zweitens der Organist Francesco Filidei in<br />

einem gemeinsam mit den Noise Watchers und FIMOD veranstalteten Orgelkonzert<br />

in Dudelange am 24.11. 16 sowie schließlich das ensemble recherche am<br />

28.11. mit einer kontrastreichen Auswahl sehr kurzer Stücke von rund 20 Komponisten<br />

– das Ergebnis der Einla<strong>du</strong>ng des Ensembles, sich mit einer Melodie auseinanderzusetzen,<br />

die im 16. und 17. Jahrhundert kaum ein namhafter Komponist<br />

unverwendet ließ. 17<br />

Das direkt anschließende Abschlusskonzert im Grand Auditorium 18 lädt nicht nur<br />

zu einem völlig anderen Blick auf die heutigen Möglichkeiten der musikalischen<br />

Vergangenheitsbewältigung, sondern ist auch eine bemerkenswerte Premiere:<br />

Vier Pioniere der elektronischen Musik – der Plunderphonics-Erfinder John<br />

Oswald, der Turntablist Philip Jeck sowie Wolfgang Mitterer und DJ Spooky –<br />

werden erstmals gemeinsam auf der Bühne stehen, um mit Hilfe von MIDI-<br />

Konzertflügel, iPad, Orgel, Turntables u.v.a. «Fast Forward» von Johann Sebastian<br />

Bach in Richtung Zukunft aufzubrechen. Wir wünschen Ihnen eine spannende<br />

Zeitreise sowie eine anregende Lektüre dieses Katalogs.<br />

9<br />

Beispielsweise finden<br />

sich Neue Musik (oder,<br />

etwas neuer: neue Musik),<br />

Neuromantik, Neoklassik,<br />

Neoklassizismus, Neue<br />

Sachlichkeit, Neoexpressionismus,<br />

Neotonalität, Neue<br />

Einfachheit, Neoprimitivismus,<br />

New Age, New Complexity,<br />

Neue Moderne,<br />

Zweite Moderne, Gegenmoderne,<br />

Postmoderne.<br />

10<br />

vgl. z.B. das Ricercar im<br />

Konzert des OPL (26.11.)<br />

S. 104–109<br />

11<br />

vgl. Accanto im Konzert<br />

des OPL (26.11.)<br />

S. 47–51, 113–119<br />

12<br />

«75 e anniversaire de<br />

Helmut Lachenmann» (27.11.)<br />

S. 120–151<br />

13<br />

«Gassatim-Konzert» (19.11.)<br />

S. 64–71<br />

14<br />

Bernhard Lang /<br />

Joseph Haydn (21.11.)<br />

S. 82–99<br />

15<br />

Brice Pauset /<br />

Johannes Ockeghem (20.11.)<br />

S. 72–81<br />

16<br />

Noise Watchers (24.11.)<br />

S. 100–103<br />

17<br />

«In Nomine» (28.11.)<br />

S. 152–157<br />

18<br />

«Fast Forward» (28.11.)<br />

S. 158–1171<br />

Bernhard Günther<br />

Dramaturg<br />

Matthias Naske<br />

Generaldirektor<br />

7


ack to the future<br />

(«A tribute to Leonardo da<br />

Vinci: Uomo vitruviano, 1487»)<br />

photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />

Technique des Arts et Métiers<br />

Luxembourg-Limpertsberg<br />

(LTAM), voir p. 200 /<br />

siehe S. 200<br />

8


Mit dem Rücken zur Zukunft<br />

Oder: Wie die Musik die Wirklichkeit entdeckt<br />

Sabine Sanio<br />

«Back to the future», das Motto des diesjährigen Festivals rainy days in Luxemburg,<br />

liefert eine paradoxe Umschreibung dafür, wie die alten Hoffnungen auf die Zukunft<br />

als das Zeitalter des wirklich Neuen und ganz Anderen heute aus der Mode<br />

gekommen sind: Es wird nicht mehr danach gefragt, wann der Fortschritt endlich<br />

sein Ziel erreichen wird, eine bessere Gesellschaft ohne Armut und Arbeit, voller<br />

Luxus und technischer Wunderwerke; die Annahme, dass sich die Zukunft, das<br />

Neue und ganz Andere jedesmal wieder als das längst Bekannte und der Aufbruch<br />

als Rückkehr herausstellen werde, gilt heute mit solcher Selbstverständlichkeit, dass<br />

wir dafür Redewen<strong>du</strong>ngen entwickeln, die an die Bilder von M.C. Escher erinnern,<br />

auf denen Menschen endlose Treppen steigen, ohne zu merken, dass sie im nächsten<br />

Augenblick wieder ganz unten am Fuße des Gebäudes ankommen werden.<br />

Der Engel der Geschichte<br />

Das Ende des Fortschrittsoptimismus hat neben Wortspielen wie «Zurück in die<br />

Zukunft» auch einige Geschichtsbilder hervorgebracht, welche die allgemeine<br />

Ratlosigkeit und Ermü<strong>du</strong>ng, die mit dem Ende des Fortschrittsglaubens eintraten,<br />

treffend benennen. Bleibt Nietzsches Rede von der Wiederkehr des Immergleichen<br />

relativ abstrakt, so hat Walter Benjamin in seinen geschichtsphilosophischen<br />

Thesen mit seiner Interpretation von Paul Klees Angelus Novus ein komplexes und<br />

doch prägnantes Bild für das Ende des Fortschrittsglaubens entworfen.<br />

Klees Angelus Novus ist für Benjamin der Engel der Geschichte. Der befindet sich<br />

vor einem großen Berg voller Trümmer, während ein heftiger Wind, ja ein Sturm<br />

seine Flügel aufbläht. Benjamin zufolge weht dieser Sturm vom Paradies her,<br />

von dem sich der Engel zwangsläufig immer weiter entfernt. Da er seine Augen<br />

nicht von den Trümmern der historischen Katastrophen abzuwenden vermag,<br />

wendet er der Zukunft den Rücken zu – die Ohnmacht, in der sich der Engel befindet,<br />

entziffert Benjamin als Bild für die Vergeblichkeit aller Bemühungen um<br />

geschichtlichen Fortschritt, ja schlimmer: Der Fortschritt ist Benjamin zufolge der<br />

Sturm, der den Engel nicht nur vom Paradies wegtreibt, sondern auch verhindert,<br />

dass er bei den gerade überstandenen Katastrophen noch verweilen könnte:<br />

«Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige<br />

Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die<br />

Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene<br />

zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen<br />

Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen<br />

kann. Der Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken<br />

kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir<br />

Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.» 1<br />

Ästhetische Praxis und Alltagskultur<br />

Angesichts der heute gängigen Vorbehalte gegenüber allen Utopien vom besseren<br />

Leben hat auch die Idee des Neuen in der Kunst kaum noch Konjunktur. Stattdessen<br />

wenden sich gerade Komponisten gerne den Neuheiten zu, die Technik<br />

und neue Medien mit schöner Regelmäßigkeit pro<strong>du</strong>zieren. Auch wenn die Auseinandersetzung<br />

mit der Tradition und den eigenen Vorbildern für jeden Künstler<br />

1<br />

Walter Benjamin: «Über den<br />

Begriff der Geschichte»,<br />

in: ders.: Angelus Novus. –<br />

Frankfurt/Main: Suhrkamp<br />

1977, S. 251–261, hier<br />

S. 255. Den Text verfasste<br />

Walter Benjamin in seinem<br />

Todesjahr 1940.<br />

9


zur Klärung des eigenen Standortes auch heute noch unverzichtbar ist, so haben<br />

sich die Bereiche, in denen Künstler ihre Themen finden können, im 20. Jahrhundert<br />

doch radikal erweitert. Am Beginn stand eine vehemente Kritik der bürgerlichen<br />

Kultur. Nach dem Ersten Weltkrieg erklären die Dadaisten und Surrealisten<br />

ihre Aktionen zu Anti-Kunst, um die affirmativen Tendenzen der Künste zu unterlaufen;<br />

ihr Abschied von der alten Vorstellung des für den bürgerlichen Kunstmarkt<br />

pro<strong>du</strong>zierenden Künstlers war eine Attacke gegen den bürgerlichen Kunstbetrieb.<br />

Klassische Kunstinstitutionen wie der Konzertsaal erschienen ihnen als museale,<br />

tote Orte, das vitale künstlerische Interesse richtete sich infolgedessen auf das<br />

alltägliche Leben. Ein Künstler wie der Surrealist André Breton wollte den Alltag<br />

nicht einfach nur erkunden, er wollte ihn revolutionieren. Die Kunst geriet auf<br />

diese Weise in direkte Konkurrenz zu den Revolutionsplänen der Kommunisten.<br />

2<br />

Vgl. Herbert Marcuse: «Über<br />

den affirmativen Charakter<br />

der Kultur», in: ders.: Kultur<br />

und Gesellschaft. – Frankfurt/<br />

Main: Suhrkamp, 1965, Bd. 1,<br />

S. 56–101, hier S. 63<br />

3<br />

Vgl. von der Autorin: 1968<br />

und die Avantgarde. – Sinzig:<br />

Studiopunkt, 2008<br />

4<br />

Vgl. Odo Marquard: «Kunst<br />

als Antifiktion. Versuch über<br />

den Weg der Wirklichkeit ins<br />

Fiktive», in: ders.: Aesthetica<br />

und Anaesthetica. Philosophische<br />

Überlegungen. –<br />

Paderborn: Schöningh, 1989,<br />

S. 82–99<br />

5<br />

Vgl. Boris Groys: Über das<br />

Neue. Versuch einer Kulturökonomie.<br />

– München/Wien:<br />

Fischer, 1992, S. 80 f.<br />

Mit Herbert Marcuses Diagnose vom «affirmativen Charakter der Kultur» inspirierte<br />

die Kritik an der bürgerlichen Kultur noch die Studentenrevolte, 2 und auch in<br />

den neoavantgardistischen Strömungen der 1960er und 1970er Jahre ist sie noch<br />

virulent – damals wurde das alltägliche Leben erneut zentrales Thema künstlerischer<br />

Aktivitäten. Obwohl auch Happening, Fluxus und Performance häufig<br />

die Provokation suchten und heute wie die Vorboten studentischer Aktionen,<br />

Demonstrationen und Sit-ins wirken, 3 spielt die dadaistische Anti-Kunst-Haltung<br />

in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Rolle mehr – dafür haben sich<br />

gewissermaßen im Gegenzug die Ideen der Surrealisten und Dadaisten als eigenständige<br />

künstlerische Konzepte bewährt. Nach dem Erlahmen des revolutionären<br />

Elans bildet die Erkun<strong>du</strong>ng der Wirklichkeit den Kern des neuen ästhetischen<br />

Konzepts. Die damit verbundene Haltungsänderung begreift Odo Marquard, in<br />

dessen Interpretation die Kritik am bürgerlichen Kulturverständnis keine Rolle<br />

spielt, als Reaktion auf die zunehmende Fiktionalisierung der modernen Wirklichkeit.<br />

Säkularisierung sowie die neuen technischen und medialen Entwicklungen<br />

rauben den Künsten, so Marquard, ihre alte Bedeutung als Ort des Scheins und<br />

der Fiktion. Die Künstler erklären daraufhin die Erforschung der Wirklichkeit zu<br />

ihrem neuen Programm. 4<br />

Der Bart der Mona Lisa<br />

Bereits 1913 gab Marcel Duchamp das Malen auf und entwarf seitdem «Readymades»,<br />

gefundene und subtil modifizierte Objekte, in denen er seine Überlegungen<br />

zum Selbstverständnis der Künste formulierte. Als Vorlage für seine mit einem<br />

Schnurrbart versehene Mona Lisa (L.H.O.O.Q.) diente ihm eine billige Postkartenrepro<strong>du</strong>ktion<br />

– nicht nur ein Verweis auf die aufkommende Massenkultur mit<br />

den allgegenwärtigen Topstars der Kunstgeschichte, die die Maler damals als<br />

existenzielle Bedrohung erleben mussten, sondern auch Beleg für Duchamps<br />

Entschlossenheit, den Hunger des Bürgertums nach Bildern nicht anders als mit<br />

Witz und Ironie zu bedienen. Das große Kunstwerk wird bei Duchamp zu einer<br />

respektlosen Karikatur: Mit ihrem Schnurrbart konfrontiert die ewig Lächelnde<br />

den Betrachter jedoch zugleich mit der paradoxen Situation der Kunst, die auch<br />

ex negativo im Spott darüber, an der längst anachronistischen Auratisierung<br />

einzelner Objekte hängen bleibt, während die alltägliche Erfahrung von den<br />

Begleiterscheinungen des modernen anonymen Lebens der Massen geprägt ist.<br />

Mona Lisas Schnurrbart zeigt exemplarisch, wie Duchamp das Altvertraute neu,<br />

mit anderen Augen zu sehen versucht. Das Herauslösen der Objekte aus ihrem<br />

alltäglichen Kontext avanciert zum entscheidenden Moment der Bildpro<strong>du</strong>ktion,<br />

da<strong>du</strong>rch werden sie fremd und erscheinen plötzlich wieder neuartig. Im Herauslösen,<br />

in der Auswahl des konkreten Materials kommt der Kommentar des Künstlers<br />

zum Tragen, der die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die von ihm ausgewählten<br />

Phänomene lenkt.<br />

Die Kulturökonomie des Readymade<br />

Ausgehend von Duchamps Readymades hat Boris Groys eine Kulturökonomie<br />

entworfen, die die Idee des Neuen zum Gegenstand hat. 5 Groys zufolge dient das<br />

Neue dazu, Elemente der profanen Realität zu kulturellen Werten zu erklären, um<br />

10


ihnen den Zutritt in die Archive, Museen, Bibliotheken und Konzertsäle zu ermöglichen:<br />

«Innovation», sagt Groys, «ist somit ein Akt der negativen Anpassung an<br />

die kulturelle Tradition.» Das Neue folgt dabei einer «kulturökonomischen Logik<br />

der Umwertung der kulturellen Werte» 6 .<br />

6<br />

Ebd., S. 19 f.<br />

Duchamp führte das Funktionieren dieser Ökonomie der Kultur vor, ohne sie bedienen<br />

oder beherrschen zu wollen. Dafür suchte er sich Objekte, die diese polare<br />

Struktur der gesellschaftlichen Wirklichkeit kenntlich machen. Sein Urinoir hatte<br />

er eigens dafür entworfen, um die Jury einer von Künstlern kuratierten Ausstellung<br />

zur Ablehnung eines eingereichten Werks zu provozieren. Sein letztes Werk, Étant<br />

donné, macht den Betrachter zum Voyeur – die Frage nach dem Sinn der Kunst<br />

wird radikal in Zweifel gezogen. Doch gerade dieser Zweifel scheint zu bewirken,<br />

dass wir uns schonungslos mit der Frage befassen, was wir beim Betrachten eines<br />

Kunstwerks eigentlich tun.<br />

Eine musikalische Verspätung?<br />

Die Musik hat die Idee einer Erkun<strong>du</strong>ng der Wirklichkeit erst mit einiger Verzögerung<br />

von der bildenden Kunst übernommen. An den Avantgardebewegungen am<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts waren fast keine Komponisten beteiligt: Der italienische<br />

Futurist Luigi Russolo wurde zwar für seine Geräuscherzeuger berühmt, war<br />

aber bildender Künstler. In Paris war Erik Satie der einzige Komponist, der mit<br />

den Avantgardisten in zwar losem, doch kontinuierlichem Kontakt stand.<br />

Die Wiener Komponisten um Schönberg hatten zwar nachdrückliche Erfahrungen<br />

mit Skandalen bei der Uraufführung ihrer Werke, doch anders als etwa den Dadaisten<br />

ging es ihnen nie um die Provokation als solche, im Gegenteil: Sie wollten<br />

ihre Werke vor den Angriffen des Publikums schützen und gründeten deshalb<br />

einen Verein für musikalische Privataufführungen.<br />

Während die Maler am Beginn des 20. Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit<br />

dem neuen technischen Konkurrenten, der Photographie, bereits hinter sich hatten<br />

und vielleicht auch deshalb die handwerkliche Umsetzung ihrer Ideen anders als<br />

früher bewerteten, stand den Komponisten diese Erfahrung noch bevor. Erst Mitte<br />

des 20. Jahrhunderts werden synthetische Klanggenerierung und -übertragung für<br />

die Komponisten zu einer praktikablen Alternative oder Ergänzung zum Instrumentalklang.<br />

Heute ist die Entwicklung mit voller Wucht im Gange und noch<br />

lange nicht abgeschlossen; wie das Photohandy fürs Visuelle, so verändern die mobilen<br />

Musikmaschinen – Handyradio und MP3-Player – die auditive Alltagskultur.<br />

Wandlungen des musikalischen Materialbegriffs<br />

Lange Zeit hatte in der Musik die Erforschung des musikalischen Materials als<br />

Motor der musikgeschichtlichen Entwicklung gegolten; inzwischen hat sich diese<br />

Situation von Grund auf verändert – Gegenstand kompositorischer Reflexion<br />

und Erforschung kann heutzutage alles sein, was als ein Moment musikalischer<br />

Komposition, Aufführung oder Rezeption dazu beiträgt, Musik und musikalische<br />

Erfahrung zu ermöglichen. Zugleich hat sich die Erkun<strong>du</strong>ng des musikalischen<br />

Materials in eine Erkun<strong>du</strong>ng unserer alltäglichen Klangumwelt verwandelt; im<br />

Mittelpunkt steht dabei stets die Perspektive des Hörers. Man denke etwa an<br />

Helmut Lachenmanns «Musique concrète instrumentale», in der die Musikinstrumente<br />

gegen ihre übliche Verwen<strong>du</strong>ngsweise zum Klingen gebracht werden. Selbst<br />

wenn er ausbleibt, ist der vertraute Klang des Instruments doch stets gegenwärtig.<br />

Zum Tragen kommt hier ein grundlegender Wandel im Verständnis des musikalischen<br />

Materials. Carl Dahlhaus verweist zur Erläuterung auf die Differenz gegenüber<br />

der romantischen Ästhetik: Während die klassisch-romantische Idee von<br />

Musik auf der Vorstellung beruhte, dass die Form das Material verzehre und in<br />

sich aufnehme, sei dieses Verhältnis von Form und Material nun ins Gegenteil<br />

verkehrt: Die Form diene nur noch dazu, das Material zu präsentieren und vorzuzeigen.<br />

7 Von Dahlhaus 1969 als Einspruch gegen die Entwertung des idealistischen<br />

Formgedankens formuliert, trifft diese Beschreibung sehr genau den Charakter<br />

7<br />

Carl Dahlhaus: «Plädoyer für<br />

eine romantische Kategorie.<br />

Der Begriff des Kunstwerks<br />

in der neuesten Musik»,<br />

Neue Zeitschrift für Musik<br />

1/1969, S. 18–22, hier S. 20<br />

11


des neuen künstlerischen Verfahrens, das uns sensiblisieren will für die sinnlichen<br />

Qualitäten der alltäglichen Wirklichkeit, für das moderne städtische Leben, wo<br />

unterschiedlichste Lebensformen und verschiedene Epochen aufeinandertreffen,<br />

sich überlagern und vermischen.<br />

8<br />

Vgl. Für die Vögel. John Cage<br />

im Gespräch mit Daniel<br />

Charles. – Berlin: Merve, 1984<br />

(zuerst Paris: L’Herne, 1976),<br />

S. 88 f.<br />

Neben der Sehnsucht nach dem Leben selbst ist in dem neuen Materialverständnis<br />

auch die Erfahrung der Moderne virulent – mit ihrer Teilhabe an der alltäglichen<br />

Lebenspraxis wollten die Avantgardisten diese ja auch revolutionieren. Insbesondere<br />

beschäftigte sie die Frage, wie sich das Leben <strong>du</strong>rch die in<strong>du</strong>strielle Massenfertigung<br />

und die modernen Kommunikationsmedien verändern würde. Bereits<br />

im frühen 20. Jahrhundert besaßen sie ein feines Gespür für die aufkommende<br />

Massengesellschaft. «Duchamp hat dieses Problem sehr klar formuliert. Mehr oder<br />

weniger sagt er, man müsse sich anstrengen, die Unmöglichkeit des Erinnerns zu<br />

erreichen, selbst wenn die Erfahrung von einem Objekt zu dessen Double führt.<br />

In der gegenwärtigen Zivilisation, in der alles standardisiert ist und alles wiederholt<br />

wird, besteht der einzige Ausweg darin, den Raum zwischen Objekt und<br />

Duplikat zu vergessen. Wenn wir diese Kraft der Vergeßlichkeit nicht besäßen,<br />

wenn uns die heutige Kunst nicht vergessen helfen würde, würden wir überschwemmt,<br />

unter den Lawinen genau identischer Objekte versinken. […] Jede<br />

Wiederholung muß eine vollkommen neue Erfahrung ermöglichen. Natürlich<br />

schaffen wir das nicht immer, aber wir sind auf dem besten Wege.» 8 Dieses<br />

Statement von John Cage aus den 1970er Jahren betont das utopische Moment<br />

von Duchamps ironischer Aneignung der Massenpro<strong>du</strong>ktion. Angesichts von<br />

in<strong>du</strong>strieller Massenpro<strong>du</strong>ktion wie von Freuds Entlarvung der Illusion vom<br />

autonomen Subjekt, das sich der zwanghaften Wiederkehr der Verdrängungen<br />

seiner frühen Kindheitsgeschichte ausgesetzt sieht, wird sogar die unvermittelte<br />

Erfahrung von Gegenwart zur Utopie.<br />

Duchamp vermittelte Cage zwei Einsichten, die für sein Komponieren außerordentlich<br />

wichtig werden sollten, nämlich zum einen die Möglichkeit des Verzichts<br />

auf die künstlerische Verantwortung angesichts der Fülle und Vielfalt, mit der sich<br />

die Wirklichkeit uns und eben auch unseren Ohren darbietet. Dafür steht eine<br />

experimentelle Verfahrensweise, die darauf angelegt ist, im direkten Umgang mit<br />

Objekten und Ereignissen deren spezifisch ästhetisches Potenzial freizulegen.<br />

Zum anderen übernahm Cage von Duchamp die Einsicht, dass keinerlei Gründe<br />

für einen Begrenzung des ästhetischen Materials existieren – jeder Klang und<br />

jedes Geräusch kann musikalisches Material werden. Die Entdeckung der unbeabsichtigten<br />

Klänge, der Entschluss, das Hören als Gegenstand für eine Komposition<br />

statt wie bisher die Komposition als Gegenstand des Hörens zu begreifen, die<br />

spielerische Erkun<strong>du</strong>ng von Audiotechnik, die Aufhebung aller Beschränkungen<br />

nicht allein für musikalisches Material, sondern auch für Orte zur Aufführung von<br />

Musik – mit diesen und ähnlichen Ideen rückte das Erkunden der Welt der Klänge<br />

und Geräusche ins Zentrum der Musik.<br />

Utopie der Gegenwartserfahrung<br />

In dem Bestreben, die gesellschaftliche Wirklichkeit zum Gegenstand ästhetischer<br />

Erfahrung zu machen, kommt die alte Idee der Zweckfreiheit der Künste zum<br />

Tragen. Nur wenn der gesamte Prozess ästhetischer Erfahrung von allen Zwecken,<br />

Funktionen und instrumentellen Zwängen verschont bleibt, kann er sich frei entfalten<br />

und zur ihm eigenen Form und Intensität finden. In der Idee einer Erforschung<br />

der alltäglichen Wirklichkeit <strong>du</strong>rch die Künste artikuliert sich die Hoffnung<br />

auf eine interesselose Annäherung an die Gegenstände und Phänomene. Insbesondere<br />

<strong>du</strong>rch Ausschluss der die Naturwissenschaften dominierenden Idee der<br />

Naturbeherrschung kann sich diese Annäherung auf der Basis wechselseitigen<br />

Respekts vollziehen. Die Erforschung der Wirklichkeit muss stets auch die Erforschung<br />

unserer Möglichkeiten, diese überhaupt wahrzunehmen und zu erleben,<br />

einschließen. Als Drittes kommt heute die Frage nach den Medien hinzu. Diese<br />

bilden Vermittlungsinstanzen, die unsere Vorstellung von der Wirklichkeit ebenso<br />

prägen wie die Art und Weise unseres Wahrnehmens.<br />

12


Da die Künste von jeher im Mo<strong>du</strong>s der sinnlichen Wahrnehmung operieren,<br />

schreibt sich in ihnen fort, was die messianische Färbung in Benjamins Darstellung<br />

des Engels der Geschichte ausmacht: Der Engel kann seinen Blick nicht von den<br />

Trümmern der vergangenen Katastrophen lösen, von denen ihn der Sturm doch<br />

wegtreibt. Im Blick des Engels artikuliert sich die Hoffnung auf Versöhnung –<br />

doch dafür müsste das geschehene Unglück zumindest anerkannt werden. Der<br />

Blick ist diese Anerkennung, auch wenn er die Trümmer nicht wiederaufzurichten,<br />

die Toten nicht wieder zum Leben zu erwecken vermag. Auch in den Künsten<br />

ist die sinnliche Wahrnehmung kein Geschehen, das sich auf die bloße Faktizität<br />

des Beobachteten beschränken ließe. Wahrnehmung bedeutet immer auch, die<br />

Existenz des Wahrgenommenen anzuerkennen. Je mehr sich der Wahrnehmende<br />

dem Gegenstand seiner Wahrnehmung überlässt, desto intensiver kann sich die<br />

Beziehung zu ihm entfalten.<br />

Benjamins Engel resümiert jedoch eine Erfahrung, die auch für die Avantgardebewegungen<br />

am Beginn des 20. Jahrhunderts prägend war: Auf die in<strong>du</strong>striell<br />

perfektionierte Tötungsmaschinerie des Ersten Weltkriegs hatten die Dadaisten<br />

mit wütender Enttäuschung über die verlogene bürgerliche Kultur reagiert, die<br />

dadaistischen Provokationen waren keineswegs reiner Selbstzweck, um mit dem<br />

Skandal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen; sie waren ganz im<br />

Gegenteil zuallererst ein drastisches Spiegelbild, das die Künstler ihrem bürgerlichen<br />

Publikum vorhielten. Bei allem Witz sind auch bei Duchamp die Vorbehalte<br />

gegenüber dem bürgerlichen Kunstbetrieb immer gegenwärtig.<br />

Wiederholungsmaschinen<br />

Die Gewalterfahrungen, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa geprägt<br />

haben, haben heute etwas von ihrer Wucht, Dominanz und Destruktivität verloren.<br />

Auch in den Künsten geht es nicht mehr so brachial und kämpferisch zu.<br />

Doch Machtverhältnisse lassen sich ebenso gut in den Verführungskünsten der<br />

Medien inszenieren. Auch die Schneidetechnik des Cutters im Film wie des Technikers<br />

im elektronischen Studio hat etwas Gewalttätiges. Wie sehr diese technifizierte<br />

Gewalt unseren Alltag heute <strong>du</strong>rchdringt, zeigt sich in der Erforschung der kompositorischen<br />

Möglichkeiten des Tonbands, die in den frühen 1960er Jahren<br />

einsetzte: Damals entdeckten die amerikanischen Komponisten Terry Riley und<br />

Steve Reich die Loops und Delays, die inzwischen auch in der Popmusik allgegenwärtig<br />

sind. Wer moderne Abspielgeräte und Tonträger wie Musikinstrumente<br />

behandelt, der macht aus technischen musikalische Möglichkeiten und bringt uns<br />

dazu, dass wir uns selbst beim Hören beobachten. John Oswald, Philip Jeck und<br />

Bernhard Lang, alle drei Gäste der rainy days 2010, haben jeweils völlig eigenständige<br />

und sehr unterschiedliche Konzepte entwickelt, um die Erfahrung des<br />

Loops – der geschlossenen Schallplattenrille und der sich ständig wiederholenden<br />

Tonbandschleife – musikalisch und kompositorisch zu verarbeiten. Loops und<br />

ihre digitale Weiterentwicklung, das Sample, sind letztlich nichts anderes als Bruchstücke<br />

der auditiven Realität, die, herausgebrochen aus den vertrauten Kontexten,<br />

jeden Abbildcharakter verlieren, sodass sie wie abstrakte, reine Instrumentalmusik<br />

gehört werden.<br />

Paul Klee: Angelus Novus<br />

(1920,Israel Museum,<br />

Jerusalem)<br />

Wiederholung als Repro<strong>du</strong>ktion in der Zeit unterliegt heute den modernen Medientechnologien,<br />

die längst auch unsere Wahrnehmung verändert haben. Das Spiel<br />

mit den Plattentellern und mit Loopgeneratoren gehört ebenso dazu wie Improvisationen<br />

über bekannte Themen oder Zitatcollagen. Phänomene, die früher als<br />

völlig unberechenbar gegolten hätten, werden heute planmäßig erzeugt und sind<br />

damit auch kompositorisch beherrschbar. Bernhard Lang nutzt die Wiederholung<br />

als einen Prozess, der ständig Differenz erzeugt und ihm zugleich die Möglichkeit<br />

vollständiger Immanenz bietet. Seine Monadologien sind fast <strong>du</strong>rchgängig Metakompositionen,<br />

in denen sich Lang mit Werken der Musikgeschichte auseinandersetzt<br />

– die Wiederholung verlangt ein insistierendes Hören, die in kleinste Loops<br />

aufgespaltene musikalische Vorlage changiert unablässig zwischen untergründiger<br />

Vertrautheit und radikaler Fremdheit.<br />

13


9<br />

Vgl. Alvin Lucier: «Untersuchen,<br />

Erproben, Erforschen.<br />

Die Werkzeuge meiner<br />

Arbeit», in: Reflexionen. –<br />

Köln: MusikTexte, 1995,<br />

S. 441–467<br />

Sabine Sanio, geboren 1958,<br />

studierte Germanistik und<br />

Philosophie (Promotion).<br />

Derzeit Gastprofessorin für<br />

«Theorie und Geschichte<br />

der auditiven Kultur» am<br />

Studiengang Sound Studies<br />

der UdK Berlin; zahlreiche<br />

Veröffentlichungen zu<br />

musikalischen Strömungen<br />

in den Grenzbereichen<br />

zwischen Musik, bildender<br />

Kunst und Literatur; zum<br />

Verhältnis von Kunst und<br />

Medien sowie zur Ästhetik<br />

des 20. und 21. Jahrhunderts,<br />

in Buchform: Alternativen zur<br />

Werkästhetik (Saarbrücken,<br />

1999) sowie: 1968 und die<br />

Avantgarde (Sinzig, 2008).<br />

Sie lebt in Berlin.<br />

Einen ganz anderen Zugang zur Wirklichkeit des Auditiven bietet der amerikanische<br />

Komponist Alvin Lucier: Seine Kompositionen sind Konstruktionen von Erfahrungen.<br />

Die Vorbilder für diese Konstruktionen findet er mit Vorliebe in wissenschaftlichen<br />

Experimenten, mit denen man im 19. Jahrhundert die Strukturen und<br />

Gesetzmäßigkeiten des Hörens untersuchte. Der Versuchsaufbau wird hier zum<br />

ästhetischen Modell, Aufführungen sind nach Art eines Experiments angelegt.<br />

Luciers Kompositionen sind Anleitungen zum Hören, erst mit ihnen lernen wir,<br />

die Eigenschaften der Klänge, die in ihnen demonstriert werden, überhaupt wahrzunehmen.<br />

9<br />

Indem er die alten naturwissenschaftlichen Versuchsanordnungen als Anleitungen<br />

für seine musikalischen Inszenierungen interpretiert, macht er die analytischatomisierenden<br />

Tendenzen der Naturwissenschaften rückgängig und versucht<br />

stattdessen, die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten zu<br />

demonstrieren. Für den Rezipienten ist dies häufig eine große Herausforderung,<br />

da Luciers Kompositionen von sehr ungewöhnlichen akustischen Phänomenen<br />

handeln. Die sinnliche Wahrnehmung manifestiert sich bei Lucier in zwei ganz<br />

unterschiedliche Haltungen: Da ist einmal die Haltung des naturwissenschaftlich<br />

agierenden Forschers sowie zum anderen die Haltung der Kontemplation und<br />

Versenkung, die gewöhnlich der Religion und Kunst zugerechnet werden. Diese<br />

alten Zuordnung geht bei Lucier jedoch häufig verloren – die genaue Beobachtung<br />

des gerade aktuellen Geschehens kann sich jederzeit und unversehens in<br />

ästhetische Erfahrung verwandeln.<br />

Erfahrung und Versöhnung<br />

In der Musik gehört das spielerische Erkunden neuer Medien und moderner<br />

Audiotechniken heute zu den wichtigsten Formen der Wirklichkeitserkun<strong>du</strong>ng.<br />

Ebenso wie über die Wirklichkeit erfahren wir dabei stets etwas über die Art und<br />

Weise, wie wir diese wahrnehmen, sowie darüber, wie die neuen Medien unser<br />

Wahrnehmen verändern. Doch zugleich bedeutet der Abschied von der Idee der<br />

Originalität, vom Neuen, das der Künstler herstellt und das vorher unbekannt,<br />

ja undenkbar war, stets den Verzicht auf das Spiel mit Phantasien über die eigene<br />

Größe und die Sehnsucht nach Allmacht.<br />

Anders als der Engel der Geschichte sehen sich die Künste bisweilen zwar den<br />

atomisierten Versatzstücken weitgehend vergessener Traditionslinien gegenüber,<br />

doch bleibt dabei offen, ob es sich um eine unaufhörliche Folge von Katastrophen<br />

handelt oder aber um Elemente eines Lebens, das man sich zumindest in der<br />

Phantasie dem Luxus und dem süßen Nichtstun hingegeben denkt. Doch über<br />

die historische Erfahrung können die Künste, auch wenn sie ihr Ausdruck<br />

zu verleihen suchen, nicht frei verfügen, sie sind ihr ebenso ausgesetzt wie<br />

jeder Einzelne von uns. Auch wenn es sich dabei, wie Benjamin sagt, um eine<br />

Geschichte von Katastrophen handelt, unbestritten bleibt, dass weder Fortschritt<br />

noch Utopie, sondern allein die Versöhnung mit der eigenen Geschichte in der<br />

Lage wäre, die Folge der Katastrophen zu unterbrechen.<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

Auf der Suche nach<br />

L.H.O.O.Q.<br />

(Screenshot mit den ersten<br />

131 von ungefähr 11.300<br />

Bildsuchergebnissen auf<br />

www.google.com,<br />

29.10.2010)<br />

14


Die Umwidmung einer Maschine<br />

Die Turntables als Instrument<br />

Jorge Sánchez-Chiong<br />

Werbeeinschaltung<br />

Die Turntables sind heute omnipräsent, selbst in der Werbung werden sie eingesetzt,<br />

um uns etwas zu verkaufen, das unzertrennlich mit Jugend und Lässigkeit<br />

assoziiert wird. Im Sinne eines Marshall McLuhans sind die Turntables nicht mehr<br />

«hot» – sie sind kein Bestandteil des alltäglichen Gebrauchs, keine heiße Ware des<br />

gängigen Massenkomsums mehr –, sie sind «cool» geworden: als Haushaltsgeräte<br />

eines Otto Normalverbrauchers längst vergessen, aber als Ikone der Freizeit und<br />

Freiheit, des Nightlifes und eines Lifestyles des Feierns erkenn- und lesbar.<br />

Technics SL-1210 MK2<br />

John Cage<br />

Imaginary Landscape N° 1<br />

for two variable-speed phono<br />

turntables, frequency recordings,<br />

muted piano and cymbal<br />

(1939)<br />

Grandwizard Theodore<br />

Irgendwie ähneln sie den Stumm- und Schwarzweißfilmen, die – trotz der dezidierten<br />

Unterhaltungsabsichten – heute eher dazu prädestiniert sind, als Gegenstände<br />

der Kunst als des Entertainments gelesen zu werden: Ihre Alltäglichkeit und Handhabung<br />

liegen uns fern, eine vorteilshafte Patina ist auf sie gewachsen, ein gewisser<br />

Abstand hat sie veredelt. Sie sind ja keine «Plattenspieler» mehr, sie sind «Turntables»<br />

und immer in der Mehrzahl, weil sie nicht mehr wie in Omas Wohnung<br />

als Einzelstück auftreten, sondern paarweise, als clubtaugliches Kombi, wie wir es<br />

aus der Innenausstattung von Modelokalen kennen. Als Ikone genießen sie auch<br />

eine hohe Wandelbarkeit, die wahrscheinlich auf ihre divergierenden Ursprünge,<br />

die zwischen audiophilem und Underground-Ding liegen, zurückzuführen ist;<br />

eine Wandelbarkeit, die sowohl Glamour wie auch Volksnähe ausdrucken kann,<br />

die vom Edelclub bis zum Gangsterrap reicht, aber immer Allegorie des Coolen<br />

bleibt.<br />

Allegorie des Coolen<br />

In den 1970er Jahren ist der Plattenspieler neben dem Kassettenrecorder und<br />

dem Radio das gängige Audiowiedergabegerät. Die höhere – vor allem satte und<br />

basslastige – Klangqualität seines Abspielformats, der Vinylplatte, sowie seine<br />

Flexibilität und sein Manipulationspotential rücken den Plattenspieler allmählich<br />

in den Mittelpunkt öffentlicher Aktivitäten von Minderheiten, die vor allem in<br />

New York mit neuen Entwürfen des Feierns prägende Undergroundbewegungen<br />

gründen werden. Afroamerikaner, Homosexuelle, Hispanics, Communities mit<br />

hohem performativen Einsatz entwickeln neue kulturelle Strömungen wie Hip Hop<br />

und Disco, die sich rasch etablieren, sich verbreiten und gegen Ende des Jahrzehnts<br />

von Mainstream vereinnahmt werden.<br />

In dieser Zeit entwickelt sich der Plattenspieler zum Turntable und nicht nur das<br />

Gerät selbst, sondern auch seine ganze Peripherie (DJ-Mixer, Schallplattenkonzept,<br />

Anlage und nicht zuletzt DJ und Turntablist) werden mehr oder weniger zu dem,<br />

was wir heute kennen. Im Vordergrund dieser Entwicklungen und Standardisierungen<br />

steht der funktionelle Versuch, den Flow der Partys halten zu können:<br />

Der Plattenspieler wird zum robusten und flexiblen Abspielgerät, bei dem man<br />

zum Beispiel Geschwindigkeiten angleichen kann, um mehrere Musikstücke nacheinander<br />

(oder gleichzeitig) ohne Tempobruch abzuspielen. Dafür sind bald zwei<br />

Turntables notwendig, und die Verbin<strong>du</strong>ng zwischen den beiden wird <strong>du</strong>rch eine<br />

neue Art von Mischpult hergestellt: den DJ-Mixer mit dem von Grandmaster<br />

Flash entwickelten Crossfader, der die Handhabung von simultanen Platten<br />

26


ack to the future<br />

photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />

Technique des Arts et Métiers<br />

Luxembourg-Limpertsberg<br />

(LTAM), voir p. 200 /<br />

siehe S. 200


Les grimoires de Mnémosyne<br />

Pour un palimpseste des origines<br />

Pierre-Albert Castanet<br />

Toute œuvre est un palimpseste – et si l’œuvre est réussie,<br />

le texte effacé est toujours un texte magique.<br />

(Julien Gracq 1 )<br />

La musique adoucit les mœurs, dit-on. Mais enten<strong>du</strong>e au travers d’un cadre sociétal,<br />

le mélomane remarque aisément qu’elle n’appartient pas vraiment à une civitas<br />

unifiée, à une société pacifiée, à une civilisation opacifiée. «Elle est au contraire<br />

partagée entre des cités adverses, régies par des justifications antinomiques.» 2 Tout<br />

au long de l’histoire culturelle occidentale, jalousie et perfidie ont alors jalonné<br />

la part machiavélique des cultures rétrogrades et des références ataviques. Dans ce<br />

sillage héréditaire, la réception des ressentis musicaux a divisé autant les auteurs que<br />

les spectateurs, autant les organisateurs que les promoteurs de la culture.<br />

De plus, désirant saisir les arcanes de l’immémorial pour mieux les oublier, l’homme<br />

a souvent voulu examiner les sources archaïques de la vérité comme les lueurs<br />

prometteuses de la connaissance, c’est-à-dire remonter symboliquement à l’acte de<br />

naissance de l’arkè (l’origine). Certes, il est sans doute vain de prétendre échapper<br />

à un besoin fondamental aussi puissant que celui qui porte l’homme à se retourner<br />

vers ses racines, «mais l’analyse des sources est peut-être plus lucide et certainement<br />

plus pleine si l’on cherche non pas seulement à voir d’où vient l’homme,<br />

mais aussi où il est, et où il va peut-être.» 3 Alors que les années 1990 qualifiées par<br />

certains commentateurs de «postmodernes» ont fait jouer l’obsession mémorielle<br />

comme fer de lance d’un héritage légué par les ancêtres, on a commencé conjointement<br />

à assister à un reflux parcimonieux de cette gestion intra-communicationnelle<br />

avec les valeurs <strong>du</strong> passé et de l’altérité.<br />

Anciens et Modernes<br />

Au beau milieu <strong>du</strong> 18 e siècle, Jean-Jacques Rousseau apporte à la fin de la Lettre<br />

sur la musique française une pièce majeure au dossier de la «Querelle des Bouffons»,<br />

différend historique qui a opposé les partisans de l’opéra français et les aficionados<br />

de l’opéra italien. Au fil <strong>du</strong> temps, les divers maillons qui con<strong>du</strong>isent unidirectionnellement<br />

l’histoire vont se solidifier en une méga-chaîne engendrant<br />

une perpétuelle boucle auto-génératrice. Au reste, Benoît Duteurtre qui pense que<br />

la «musique contemporaine» est devenue synonyme d’«ennui» et de «pénitence»,<br />

n’a-t-il pas ravivé en 1990 – dans les pages <strong>du</strong> quotidien français Libération – une<br />

«nouvelle querelle des anciens et des modernes?» 4 Entre savoir et ignorance, entre<br />

tuilage et rupture, entre communion et désunion, l’histoire de la musique européenne<br />

a ainsi vécu quelques controverses mémorables mêlant partisans <strong>du</strong> classicisme<br />

établi (ou retrouvé) et apôtres de la modernité ou de l’avant-garde: consultez<br />

par exemple les célèbres épisodes qui ont vu s’affronter le Chanoine Artusi et<br />

Claudio Monteverdi (en faveur de la prima ou de la seconda prattica), les Gluckistes<br />

et Piccinistes, les Brahmsiens et Wagnériens, les d’Indystes et Ravéliens, les<br />

Zimmermanniens et Stockhauseniens ou encore les Bouléziens et Xenakiens…<br />

1<br />

Julien Gracq: Un beau ténébreux.<br />

– Paris: José Corti,<br />

1945, p. 64<br />

2<br />

Antoine Hennion: La Passion<br />

musicale, une sociologie<br />

de la médiation. – Paris:<br />

Métailié, 2007, p. 315<br />

3<br />

André Leroi-Gourhan: Le<br />

Geste et la parole. Technique<br />

et langage. – Paris: Albin<br />

Michel, 1964, p. 10<br />

4<br />

Benoît Duteurtre: Requiem<br />

pour une avant-garde. – Paris:<br />

Pocket, 2000, p. 166<br />

Mais au fond, c’est bien le 20 e siècle – avec sa musique «moderne» et ses prolongements<br />

«contemporains» – qui a déroulé le plus de plans de désorientation en<br />

33


5<br />

Charles Koechlin: Musique<br />

et société. – Sprimont: Mardaga,<br />

2009, vol. 2, p. 307<br />

6<br />

Charles Rosen: Schoenberg.<br />

– Paris: Minuit, 1979,<br />

p. 24<br />

7<br />

Lettre d’Arnold Schoenberg<br />

adressée à Josef Rufer le<br />

25 mai 1948, in: Arnold<br />

Schoenberg: Correspondance.<br />

1910–1951. – Paris: Lattès,<br />

1983, p. 262<br />

8<br />

Pour la référence de Serge<br />

Nigg à Vincent d’Indy, se<br />

reporter à l’ouvrage de<br />

Bernard Gavoty et Daniel<br />

Lesur: Pour ou contre la<br />

musique moderne? – Paris:<br />

Flammarion, 1956, p. 247<br />

9<br />

Alex Ross: The Rest is<br />

Noise. À l’écoute <strong>du</strong> XX e<br />

siècle. La modernité en<br />

musique. – Arles: Actes Sud,<br />

2010, pp. 714–715<br />

10<br />

«Le représentant le plus<br />

fameux <strong>du</strong> néo-médiévalisme<br />

fin de siècle», écrit Renaud<br />

Machart, in: John Adams. –<br />

Arles: Actes Sud, 2004,<br />

p. 127<br />

matière de genres, styles, matériaux, supports différents… Il est sans doute normal<br />

et naturel que face aux agissements les plus farfelus de l’art expérimental, les musiciens<br />

se soient réfugiés dans des valeurs indémodables qui ont fait leurs preuves.<br />

De fait, «depuis longtemps, les philanthropes (parfois aussi les démagogues)<br />

regrettent qu’un abîme sépare le gros public de l’art musical le plus beau.» 5<br />

On peut noter qu’effrayées par les techniques parfois violentes de la tabula rasa,<br />

plusieurs effigies se sont tournées – après moult essais pourtant novateurs – vers<br />

les figures connues d’un passé encore fertile, voire vers les lieux communs incandescents<br />

d’une pratique ancestrale indéniable. Ainsi, parmi de valeureux pionniers<br />

de ce 20 e siècle rebelle, songeons par exemple aux opus tardifs de Richard Strauss<br />

(après Elektra, il «s’est promptement réfugié dans le pastiche <strong>du</strong> 18 e siècle et dans<br />

les voluptés de la pâtisserie viennoise en composant Der Rosenkavalier»), 6 mais<br />

aussi au repliement stylistique <strong>du</strong> révolutionnaire Arnold Schoenberg (lequel avoue<br />

avoir cédé finalement à une ultime «pulsion» 7 tonale), à la tendance néo-baroque<br />

extrêmement prégnante de Paul Hindemith dans les années 1920, au renoncement<br />

expérimental d’André Jolivet <strong>du</strong>rant la Seconde Guerre mondiale, à la période<br />

«néo-cévenolienne» 8 de Serge Nigg (lequel a rompu à terme avec la doctrine<br />

sérielle), aux remords <strong>du</strong> dodécaphoniste Hans Werner Henze pour les empreintes<br />

tonales, voire modales ou même à l’affinité pour le contexte néo-romantique <strong>du</strong><br />

bruitiste Krzysztof Penderecki, pour cause de rapprochement (et de «retrouvailles»<br />

spirituelles) avec les fidèles…<br />

Retour à l’antique<br />

Nihiliste ou pacifiste, conventionnel ou impertinent, masochiste ou épicurien dans<br />

l’âme, allant de l’avant ou ne jurant qu’avec les lois d’antan, l’auditeur comme<br />

l’artiste embrassent de bon cœur les audaces ou les travers de la vie, ou bien se<br />

complaisent dans les volutes de la convenance, voire de la morne routine officialisée.<br />

Partagée de la même manière entre les différentes facettes de la création, une<br />

partie de l’histoire semble vouloir sécuriser ses hardiesses en plongeant généreusement<br />

dans les sources efficientes des anciens. Au travers de ce prisme par principe<br />

inégalitaire, «la Vienne romantique jugeait les opéras bouffes de Rossini à l’aune<br />

des énigmatiques derniers quatuors de Beethoven. L’art de la composition n’a rien<br />

à gagner à prendre parti» 9 , conclut à sa manière Alex Ross. Dans l’ordre d’une<br />

palinodie universelle, les compositeurs ont toujours ren<strong>du</strong> moult hommage – via<br />

des Tombeaux dédiés (Tombeau de Couperin de Ravel) ou des Thèmes et variations<br />

(Variations on a Hymn by Gibbons de Berkeley, «In Nomine») – à ceux qu’ils considéraient<br />

comme des pères fondateurs. Considérez la part révérencielle <strong>du</strong> jeune<br />

Ludwig van Beethoven vis-à-vis de Wolfgang Amadeus Mozart, la relation filiale<br />

de Félix Mendelssohn avec la figure de Jean-Sébastien Bach, la transmission<br />

<strong>du</strong> classicisme Haydnien dans la Symphonie classique de Serge Prokofiev, le lien<br />

spécial unissant Maurice Ohana à Claude Debussy, ou les occurrences saisissantes<br />

demeurant entre le catalogue d’Olivier Messiaen et certains opus de son élève<br />

Alain Louvier… À des siècles de distance, voyez le rapport étroit existant entre<br />

Johannes Ockeghem et Brice Pauset.<br />

Des textes séculiers (messes en latin habillées différemment par Pierre Henry<br />

ou Arvo Pärt 10 ) aux révérences citationnelles ou de collage de grande envergure<br />

(Sinfonia de Luciano Berio ou Requiem pour un jeune poète de Bernd Alois Zimmermann),<br />

certains contemporains vont – encore et toujours – se tourner vers les<br />

Lamentations de Jérémie (Marcel Landowski, Arnaud Dumont) ou les Psaumes de<br />

David (Krzysztof Penderecki, Philip Glass). D’autres vont s’inspirer d’œuvres<br />

majeures <strong>du</strong> répertoire classique ou romantique, histoire de panacher les vocabulaires<br />

(Accanto d’Helmut Lachenmann laissant poindre des échos <strong>du</strong> Concerto<br />

pour clarinette de Mozart, Le Voyage d’hiver d’Hans Zender – arrangement d’après<br />

Schubert, Alexandre Raskatov avec D’après Les quatre saisons de P.I. Tchaïkovsky).<br />

Certes, ces positions qui ont été affublées <strong>du</strong> qualificatif dégradant de «néo» ou<br />

qui ont adopté l’esprit parfois tricheur de la contrefaçon ont foncièrement déplu<br />

aux modernistes scrupuleux de toutes époques. Remémorons-nous le départ de<br />

34


Schoenberg maugréant en plein concert néoclassique de Stravinsky la Sonate pour<br />

piano de l’auteur <strong>du</strong> Sacre <strong>du</strong> printemps, alors au programme <strong>du</strong> <strong>festival</strong> de la<br />

Société Internationale de Musique Contemporaine à Venise, en 1925. Quant au<br />

compte-ren<strong>du</strong> de la création de The Rake’s Progress à Venise en 1951, les critiques<br />

éreintèrent le compositeur dont l’inventivité légendaire leur paraissait datée, «usée»,<br />

colorée par des effets artificiels et des désirs finalement impuissants. Parmi les<br />

marques de mépris promulguées par les avant-gardistes de service, Pierre Boulez, lui<br />

aussi frustré, s’exclamera simplement mais avec consternation: «Quelle horreur!» 11<br />

De l’adret à l’ubac de la critique, citons aussi Honegger qui détestait les excentricités:<br />

«Pour moi, j’irai faire un tour au Musée <strong>du</strong> Louvre et après avoir châtré un<br />

quelconque Apollon, peint des moustaches à la Joconde, offert un soutien-gorge<br />

à la Vénus de Milo, je me présenterai au Ministère des Beaux-arts pour réclamer<br />

mes droits d’auteur.» 12 Dans le premier tiers <strong>du</strong> 20 e siècle, sans parler des connivences<br />

singulières avec certaines œuvres d’Alban Berg, Anton Webern ou même<br />

Heitor Villa-Lobos (Bachanias brasileiras), l’amateur de vieilles perruques a pu<br />

également assister à un «retour à Bach» dans les salons particuliers de la bourgeoisie<br />

parisienne (Tailleferre, Honegger, Milhaud, Stravinsky…). 13 En dehors de reliefs<br />

caricaturés et signés par André Caplet (Menuet dans le style ancien), Henryk Mikołaj<br />

Górecki (Trois pièces dans le style ancien), Thea Musgrave (Christmas Carols in traditional<br />

style), Lukas Foss (Baroque Variations) ou Alfred Schnittke (Concerto Grosso), ce<br />

thème <strong>du</strong> regard récurrent continuera à persister dans les catalogues de György<br />

Kurtág, Sofia Goubaïdoulina… et pour les plus jeunes, sous les plumes de Philippe<br />

Fénelon, Brice Pauset ou Franck Krawczyk. Le compositeur Jean-Etienne Marie<br />

professait: «Il faut rendre l’histoire simple. Bach n’est pas de la musique ancienne,<br />

mais une énorme synthèse de passé et d’avenir.» 14 En dehors des arrangements<br />

plus ou moins réussis (de l’«Ave Maria» de Charles Gounod à «Sur un prélude de Bach»<br />

de la chanteuse Maurane), on a même enten<strong>du</strong> le contrepoint <strong>du</strong> Cantor de Leipzig<br />

en filigrane des Préludes de Chopin, swingué par les Double Six et interprété au<br />

synthétiseur par Walter Carlos.<br />

De l’identité artistique<br />

Faut-il considérer l’usage de la pluralité des sources ancestrales comme l’élément<br />

syntagmatique d’un concept modélisant ou comme une figure paradigmatique<br />

couronnant les agissements instinctifs de la nature humaine? Comme le révèle<br />

poétiquement Édouard Glissant dans le Traité de Tout-Monde: «Il convient de<br />

s’accorder à ce qui <strong>du</strong> monde s’est diffusé en archipel précisément, ces sortes<br />

d’éten<strong>du</strong>es, qui pourtant rallient des rives et marient des horizons.» 15 Sur l’autel<br />

des noces de l’hier et de l’ailleurs, l’artiste européen est découvreur autant que<br />

prédateur. En l’occurrence, l’émergence symptomatique des folklores à l’orée <strong>du</strong><br />

20 e siècle (de Canteloube à Copland, en passant par d’Indy ou de Falla…) a versé<br />

à dessein dans un néoclassicisme prônant peu ou prou un retour à une tradition<br />

non simpliste. Car entre la trace et l’écart, ces différentes expressions savantes et<br />

populaires éclairent désormais les cartes sonores d’un jeu de pistes complexe (une<br />

des règles demandant de juger sur le terrain les effets symboliques de ce glissement<br />

– sensible et insensible – des données de la modernité vers celles de<br />

la postmodernité).<br />

11<br />

Pierre Boulez: John Cage,<br />

Correspondance. – Paris:<br />

Bourgois, 1991, p. 187<br />

12<br />

Arthur Honegger: Incantations<br />

aux fossiles. – Lausanne:<br />

Éditions d’Ouchy,<br />

1949, p. 175<br />

13<br />

Angelo Cantoni: La<br />

Référence à Bach dans les<br />

œuvres néo-classiques de<br />

Stravinsky. – Zurich, New<br />

York, Hildesheim: Olms, 1998<br />

14<br />

Jean-Etienne Marie:<br />

L’Homme musical. – Paris:<br />

Arthaud, 1976, p. 10<br />

15<br />

Édouard Glissant: Traité <strong>du</strong><br />

Tout-Monde / Poétique IV. –<br />

Paris: Gallimard, 1997, p. 31<br />

De tous temps, lieu de mémoire des fantasmes exotiques et scène d’exhibition des<br />

utopies rituelles, les partitions baroques (Suite dans un goût étranger de Marin Marais,<br />

Les Indes galantes de Jean-Philippe Rameau, Les Chinois de François Couperin),<br />

classiques («Sailor’s Song» de Joseph Haydn, L’Enlèvement au sérail de Wolfgang<br />

Amadeus Mozart), romantiques (Abu Hassan de Carl Maria von Weber, L’Italienne<br />

à Alger de Gioachino Rossini), modernes (Pagodes de Claude Debussy, Padmâvatî<br />

d’Albert Roussel), contemporaines (Canti di Capricorno de Giacinto Scelsi, Yo-In<br />

de Jean-Claude Eloy) ou postmodernes (Poème symphonique «Zaïre» d’André Vin<strong>du</strong><br />

Bangambula, «Six chants hébraïques» de Jean-François Zygel) ont désiré brouiller<br />

mutatis mutandis la véracité imprescriptible des sources avec le partage subtile des<br />

métaphores identitaires et des fonds mémoriels. «On écrira un jour l’histoire de la<br />

métaphore et nous saurons la part de vérité et d’erreur qu’enferment les présentes<br />

35


16<br />

Jorge Luis Borges: Histoire<br />

de l’infamie, Histoire de<br />

l’éternité. – Paris: Éditions <strong>du</strong><br />

Rocher – UGE, 1951, p. 203<br />

17<br />

Claude Lévi-Strauss: Regarder,<br />

écouter, lire. – Paris:<br />

Plon, 1993, p. 159<br />

18<br />

Propos repro<strong>du</strong>its dans:<br />

«Pierre Boulez… et le bel<br />

aujourd’hui», Diapason<br />

583/2010, p. 21<br />

conjectures» 16 , notait avec espoir Jorge Luis Borges. Au niveau de la stimulation<br />

exogène – et en dehors de la convocation effective d’instruments non européens –<br />

la Symphonie <strong>du</strong> jaguar (2002) pour solistes instrumentaux, voix de femme et<br />

orchestre de Thierry Pécou tire autant profit d’une scansion résonante de tambour<br />

shamanique que <strong>du</strong> rythme de la transe dans le Candomblé ou le Vaudou. En<br />

outre, le récent Monomane (2010) d’Ondrej Adamek s’appuie sur un texte composite<br />

qui puise autant dans les tables <strong>du</strong> théâtre Nô que dans les manuels de l’art de<br />

la composition florale (livres d’Ikebana) ou de la calligraphie japonaise d’hier et<br />

d’aujourd’hui.<br />

Contre vents et marées, Claude Lévi-Strauss pensait que pour qu’un style susceptible<br />

de <strong>du</strong>rer arrive au jour, «il faut que l’intelligence de l’artiste ne s’empresse pas<br />

d’enjamber l’écart entre le monde et la manière de le représenter.» 17 Au cœur d’un<br />

corpus diversifié, et sans pointer des pionniers tels que Béla Bartók ou Zoltán<br />

Kodály, après des témoignages aussi typés provenant des plumes de Maurice Ohana<br />

(Llanto por Ignacio Sanchez Meijas, 1950), Ton-That Tiêt (cycle des Chu Ki, 1976–1993),<br />

Luciano Berio (Voci, 1984) ou György Ligeti (Síppal, dobbal, nádihegedüvel, 2000)<br />

– parmi tant d’autres – un pan de la jeune musique contemporaine a désiré ne pas<br />

oublier totalement les fondements, les us et les coutumes. Écoutez par exemple la<br />

sonorité de la sopilka (flûte ukrainienne) évoquée sans équivoque dans la Troisième<br />

symphonie de chambre (1983) d’Yevhen Stankovich ou les couleurs <strong>du</strong> shô ravivées<br />

dans Utsurohi–Nagi (1996) de Toshio Hosokawa. À remarquer aussi dans ce registre<br />

particulier, la présence de chanteurs flamencos dans l’opéra de chambre De amore,<br />

una maschera di cenere (1999) <strong>du</strong> madrilène Mauricio Sotelo… Des partitions intitulées<br />

Shen (1968) de Tona Scherchen, Exotica (1971) de Mauricio Kagel, May (1972)<br />

de Nguyen Thien Dao, Rogosanti (1986) de James Wood, Propositions V (1986) de<br />

Francis Bayer, Exotic Song (1987) extrait d’Apokalypsis de Nicola Cisternino, Tempora<br />

(1988) de François-Bernard Mâche, Butsumyoe, Sappho Hikètis (1989), Erkos (1991),<br />

Anâhata III (1992) de Jean-Claude Eloy… ont joué autant sur le dépaysement<br />

physique et mémoriel que sur la quête poétique d’un tropisme mélancolique.<br />

Devant cette introspection naturelle vers des foyers accessoires, face à cette nouvelle<br />

invitation au voyage sonore, réel ou onirique, d’autres âmes ont juste souhaité<br />

franchir les concepts d’espace-temps ou de repères scalaires en s’appropriant<br />

quelques principes musicaux allogènes ou en émancipant quelques clichés stylistiques<br />

«hors occident»: Drumming (1971) de Steve Reich, Music for a Summer Evening<br />

(Makrokosmos III – 1974) de George Crumb, Pléiades (1978) de Iannis Xenakis…<br />

La musique savante s’est donc allègrement inspirée <strong>du</strong> corpus ethnique des<br />

musiques exotiques ou «bizarres» – comme on disait à l’exposition universelle de<br />

Paris en 1889 (voyez par exemple tous ces compositeurs qui ont travaillé avec les<br />

sonorités résonantes des gamelans des îles de Bali ou de Java: François-Bernard<br />

Mâche, Georges Aperghis, Jean-Yves Bosseur, Steve Reich, Lou Harrison, Henri<br />

Pousseur, Pauline Oliveiros, Evan Ziporyn, Robert Valin… entre autres). Pour<br />

mémoire, évoquant des réunions avec Jean Genêt puis avec Heiner Müller afin<br />

de tenter d’esquisser les grandes lignes d’un futur opéra, Pierre Boulez dit même<br />

avoir été toujours «attiré par le théâtre extrême oriental, le nô, les marionnettes <strong>du</strong><br />

bunraku, l’opéra chinois, le théâtre d’ombres javanais, le rite balinais. La rencontre<br />

de l’Orient et de l’Occident était à la base de notre inspiration. Je dis bien:<br />

rencontre, pas imitation. Une œuvre occidentale nourrie de l’Orient. Un peu<br />

comme Sur incises: en composant, je ne voulais pas «faire balinais», je cherchais<br />

dans les sonorités particulières à notre culture une réponse aux questions que<br />

nous pose la musique indonésienne.» 18<br />

De la postmodernité<br />

Retour à la modalité, flirt équivoque avec les fonctions tonales, mise en faisceaux<br />

de consonances, quête binaire d’une rythmique à nouveau simplifiée, jeux de<br />

citations et de références en tous genres forment l’apanage de cette musique<br />

parfois appelée «postmoderne» au sein d’un courant fatigué qui a révoqué l’esprit<br />

totalisateur des francs-tireurs qu’il vénérait. «Le deuxième âge de la modernité<br />

36


est autoréflexif, indivi<strong>du</strong>aliste-émotionnel et identitariste: révolutionnaire dans<br />

l’ordre techno-scientifique, il ne l’est plus dans la culture. Il n’est pas synonyme de<br />

dépréciation <strong>du</strong> passé mais d’exploitation-mobilisation sans exclusive de tous les<br />

axes de la temporalité sociale-historique, recyclage et retra<strong>du</strong>ction de la mémoire<br />

à des fins économiques, émotionnelles et identitaires.» 19 Ainsi, pour Nelson<br />

Goodman: «la construction <strong>du</strong> monde commence avec une version et finit avec<br />

une autre.» 20<br />

Malgré tout, nous pouvons avancer que le désir d’une esthétique communautaire<br />

peut contribuer à une synergie holistique. «Esthétique, parce que l’identification<br />

de l’art ne s’y fait plus par une distinction au sein des manières de faire, mais<br />

par la distinction d’un mode d’être sensible propre aux pro<strong>du</strong>its de l’art. Le mot<br />

d’esthétique ne renvoie pas à une théorie de la sensibilité, <strong>du</strong> goût et <strong>du</strong> plaisir<br />

des amateurs d’art. Il renvoie proprement au mode d’être spécifique de ce qui<br />

appartient à l’art, au mode d’être de ses objets.» 21 Au reste, la musique «sérieuse»<br />

ne s’est pas privée de s’abreuver aussi aux réservoirs bruyants des musiques dites<br />

de masse (d’Igor Stravinsky à Mark Anthony Turnage en passant par Léonard<br />

Bernstein, Rolf Liebermann, Louis Andriessen, James Dillon, Steve Martland,<br />

Philippe Hurel, Guillaume Connesson, Pascal Zavaro ou Andrea Liberovici)…<br />

«La barbarie a donc fini par s’emparer de la culture» – insiste alors Alain Finkielkraut.<br />

À l’ombre de ce grand mot, l’intolérance croît, en même temps que l’infantilisme.<br />

Quand ce n’est pas l’identité culturelle qui enferme l’indivi<strong>du</strong> dans son<br />

appartenance et qui, sous peine de haute trahison, lui refuse l’accès au doute,<br />

à l’ironie, à la raison – à tout ce qui pourrait le détacher de la matrice collective,<br />

c’est l’in<strong>du</strong>strie <strong>du</strong> loisir, cette création de l’âge technique qui ré<strong>du</strong>it les œuvres de<br />

l’esprit à l’état de pacotille (ou, comme on dit en Amérique d’entertainment). Et la<br />

vie avec la pensée cède doucement la place au face-à-face terrible et dérisoire <strong>du</strong><br />

fanatique et <strong>du</strong> zombie.» 22<br />

Vis-à-vis de cette révolution d’ordre sociétal – électrique autant qu’éclectique –<br />

il est sans aucun doute bienséant de nous demander quels ont été, aux confins<br />

de ce confusionnisme évolutif, les indices constitutifs de ce devoir de mémoire,<br />

de ce besoin de jalons référentiels et de ces repères circonstanciés, transmués en<br />

signaux libérateurs mais aussi en concordances inquisitoriales. In fine, nous pouvons<br />

avancer que la culture de «l’éternel retour» nietzschéen et l’école de la mixité<br />

de la «World Music» se réfèrent autant aux textes et contextes de l’histoire sociale<br />

de l’art qu’aux signes et consignes identitaires de la culture et de la mémoire. Au<br />

cœur de ce maelstrom haut en couleur, l’hybridation des musiques tient aussi bien<br />

<strong>du</strong> métissage des genres et <strong>du</strong> brassage des styles (populaires, savants, exotiques)<br />

qu’aux pèlerinages déférents ou irrespectueux (syntaxiques, caricaturaux, référentiels<br />

ou citationnels) auprès d’anciennes sphères culturelles. Idée de renaissance des<br />

origines et nécessité de commémoration (implicite ou explicite) semblent être les<br />

moteurs universels <strong>du</strong> Monde. En habit d’humaniste zélé, l’artiste reste un magicien<br />

qui illusionne, croit, vit, commente, biffe, paraphrase, pastiche, reflète, réfléchit,<br />

transcrit, cite, crée, oublie. Attachés à décrypter les grimoires de Mnémosyne,<br />

irions-nous jusqu’à dire avec Daniel Mesguich qu’à l’instar <strong>du</strong> metteur en scène,<br />

le compositeur «tient tout texte pour un palimpseste» 23 ?<br />

19<br />

Gilles Lipovtesky: Les<br />

Temps hypermodernes. –<br />

Paris, Grasset, 2004, p. 89<br />

20<br />

Julien Gracq: Un beau<br />

ténébreux. – Paris: José<br />

Corti, 1945, p. 64<br />

21<br />

Jacques Rancière: Le<br />

Partage <strong>du</strong> sensible. Esthétique<br />

et politique – Paris: La<br />

fabrique éditions, 2000, p. 31<br />

22<br />

Alain Finkielkraut:<br />

La Défaite de la pensée. –<br />

Paris, Gallimard, 1987, p. 183<br />

23<br />

Daniel Mesguich: L’Éternel<br />

éphémère. – Paris, Seuil,<br />

1991, p. 21<br />

Compositeur et musicologue,<br />

Pierre-Albert Castanet est<br />

professeur à l’université de<br />

Rouen (Département de musicologie)<br />

et professeur associé<br />

au Conservatoire National<br />

Supérieur de Musique et de<br />

Danse de Paris. Directeur <strong>du</strong><br />

département de Conception<br />

et Mise en Œuvre de Projets<br />

Culturels (université de Rouen),<br />

il est directeur de collection<br />

musicologique pour les éditions<br />

Michel de Maule, Basalte,<br />

Ina-GRM, Millénaire III, Zurfluh,<br />

Les Cahiers <strong>du</strong> CIREM…<br />

Il a publié des centaines<br />

d’articles à travers l’Europe<br />

et a signé une dizaine de livres<br />

(sur H. Dufourt, G. Scelsi,<br />

J.-C. Risset, A. Louvier,<br />

M. Levinas…). Parmi ses<br />

publications: son ouvrage<br />

Tout est bruit pour qui a peur –<br />

Pour une histoire sociale <strong>du</strong><br />

son sale a reçu le Prix des<br />

Muses en 2000. Et Quand le<br />

sonore cherche noise – Pour<br />

une philosophie <strong>du</strong> bruit a<br />

obtenu un coup de cœur de<br />

l’Académie Charles Cros en<br />

2009 (deux livres publiés aux<br />

Editions Michel de Maule<br />

à Paris).<br />

37


Le plaisir <strong>du</strong> sensible recomposé<br />

Portrait en cinq fragments de Helmut Lachenmann<br />

Martin Kaltenecker<br />

Transformer l’instrument<br />

Lachenmann a élaboré à la fin des années 1960 une «musique concrète instrumentale»<br />

où prédominent les sons bruités – comme dans la musique concrète de Pierre<br />

Schaeffer et Pierre Henry – mais réalisés sans électronique, avec les instruments<br />

acoustiques traditionnels. Il s’agit d’un élargissement patient et risqué des modes<br />

de jeu: Lachenmann différencie les gestes et les manipulations (jeu sur le corps des<br />

instruments à cordes, derrière le chevalet, coups sur l’embouchure…), l’instrument<br />

apparaissant parfois comme un objet inconnu, toujours susceptible de nouvelles<br />

virtualités. Par exemple, dans le Deuxième Quatuor à cordes (1989) le jeu flautato est<br />

pour ainsi dire démonté: ses deux composantes acoustiques, une sonorité voilée<br />

et la présence accrue <strong>du</strong> bruit de la friction de l’archet, sont chacunes amplifiées<br />

et développées séparément, à l’instar d’un «motif» dans la musique classique,<br />

lui aussi découpé et transposé. Une percussion «réaliste» peut aussi s’ajouter aux<br />

instruments, comme dans Kontrakadenz: les percussionnistes utilisent des pièces de<br />

monnaie, le pianiste un peigne de poche, un plectre, une baguette de vibraphone,<br />

tous les instrumentistes des ustensiles, tels des têtes de flûtes à bec, des sifflets, des<br />

plaques de polystyrène, alors que quatre musiciens supplémentaires manipulent<br />

une plaque en tôle, des balles de ping-pong, des couvercles de casserole, une<br />

bassine en zinc remplie d’eau, des appareils radio… En somme, Lachenmann<br />

prend au mot la première phrase <strong>du</strong> Traité d’instrumentation de Berlioz: «Tout corps<br />

sonore mis en musique par le compositeur est un instrument de musique.»<br />

Il s’agit donc d’inventer une nouvelle topologie de l’instrument – on joue<br />

«partout» –, de lui faire prononcer de nouvelles paroles – comme si l’on incluait<br />

dans trois mille mots de la langue de Racine les jurons de Céline – et d’apprendre<br />

à l’interprète une nouvelle gestuelle. Dans Guero (1970), le pianiste joue uniquement<br />

sur les cordes et sur les différentes surfaces <strong>du</strong> clavier, pro<strong>du</strong>isant une<br />

variété de glissandos sans enfoncer aucune touche: «abandonné par le répertoire<br />

pianistique, [il] doit cependant patienter, assumer et se trouver en tant que<br />

musicien». Dans Toccatina (1986), c’est avec le bouton de l’archet que le violoniste<br />

pro<strong>du</strong>it une petite pluie de sons doux, apprenant à pro<strong>du</strong>ire les hauteurs avec la<br />

main droite.<br />

Dans un premier temps, il s’agissait surtout pour Lachenmann de faire apparaître<br />

le processus d’où résulte le pro<strong>du</strong>it – l’energeia et non l’ergon, selon la formule de<br />

Friedrich Schlegel – ou encore le travail au sens de Bertolt Brecht – pas d’auditeurs<br />

«culinaires» disait l’écrivain, mais un théâtre actif qui analyse en direct les<br />

conditions de sa propre pro<strong>du</strong>ction. Lachenmann écrit alors: «Ce qui résonne<br />

ne résonne pas en fonction de la sonorité ou de son utilisation structurelle, mais<br />

signale l’utilisation concrète de l’énergie à l’instant où s’effectuent les gestes des<br />

musiciens, nous faisant sentir, entendre, soupçonner les conditions mécaniques<br />

de ces actions et les résistances qu’elles rencontrent.» 1 Ou encore, à propos d’Air<br />

(1969): «L’action instrumentale sert sans doute une idée sonore précisément<br />

notée, mais elle ne disparaît pas derrière elle; le résultat sonore veut au contraire<br />

attirer l’attention, à travers une corporéité particulière, sur le geste qui la soustend,<br />

en nous rendant conscients des conditions mécaniques et énergétiques qui<br />

1<br />

Helmut Lachenmann:<br />

«Kontrakadenz. Musik für<br />

Orchester», in: Musik als<br />

existentielle Erfahrung.<br />

Schriften 1966–1995 / hg.<br />

und mit einem Vorwort versehen<br />

von Joseph Häusler. –<br />

Wiesbaden: Breitkopf &<br />

Härtel, 2 2004, p. 385<br />

47


ont pro<strong>du</strong>it ce résultat. Le son d’un violon ne signale pas une consonance ou<br />

une dissonance, mais indique ce qui a lieu — comment, sous un certain degré de<br />

pression, les crins se tendent, alors que l’on frotte de telle ou telle manière et à tel<br />

endroit précis entre le chevalet et le cordier». Le modèle sera donc Gustav Mahler<br />

– qui composait parfois avec l’effort de l’instrumentiste pour obtenir un effet de<br />

tension particulière – et non pas Richard Wagner, celui qui cachait le musicien<br />

dans la fosse et dont l’orchestre est «auratique», comme disait Adorno: Wagner est<br />

rejeté <strong>du</strong> côté d’une tromperie sur le sonore, d’une mauvaise synthèse qui évacue<br />

l’aspect concret.<br />

Mais le véritable travail de composition porte sur la catégorisation des bruits et modes<br />

de jeu. Chaque œuvre particulière va échafauder de nouvelles relations porteuses<br />

entre les sons, les exposer, les développer, éventuellement les briser de nouveau.<br />

Lachenmann regroupe les sons en «types», «familles» ou «arpèges»: par exemple,<br />

une «famille» de sons tremblés peut inclure à la fois un son obtenu par une règle<br />

qui glisse rapidement sur les cordes à l’intérieur <strong>du</strong> piano et un son si grave qu’une<br />

voix de basse ne pro<strong>du</strong>ira qu’un tremblement rauque. Dans une autre situation<br />

cependant, ou une autre œuvre, le son des cordes frottées peut être confronté à un<br />

glissando, au sein d’une famille nommée «sons continus», situation qui met alors<br />

en avant le geste global de la continuité et non l’intermittence, alors que la voix<br />

graillonnante pourra être mariée à un flatterzunge de flûte. Il s’agit donc d’un jeu<br />

avec un élément commun qu’on fait lui-même évoluer, que l’on tend ou que l’on<br />

tord, en allant par exemple vers un accroissement de l’hétérogénéité: l’auditeur<br />

doit (ou peut) se demander quelle est, dans une section donnée, la catégorie qui<br />

«coiffe» un pizzicato, un son écrasé aux cordes et le son d’un klaxon; c’est peutêtre<br />

un quatrième son qui va la révéler (un pizzicato-Bartók, qui fera rimer tous<br />

les quatre sous le titre de «son arraché») ou bien une hauteur précise, qui nous fera<br />

déceler a posteriori un accord classé qui se dessinait, de manière brouillée, avec les<br />

trois premiers.<br />

L’appareil esthétique<br />

Dès lors que le son «philharmonique», celui que visent toutes les institutions musicales,<br />

devient l’exception, la musique s’affronte à autre chose qu’un désir d’inouï:<br />

quand on tire sur cette pelote, toute la vie musicale vient avec… On traite alors<br />

de ce que Lachenmann nomme «l’appareil esthétique» d’une société donnée:<br />

les catégories de la perception musicale, les catégories expressives, et tout ce qui<br />

apparaît comme les accessoires, les machines ou les pièces de décor d’une culture:<br />

«L’instrumentarium aussi bien théorique que pratique, traditionnel ou récent,<br />

donc les instruments de musique avec leur construction caractéristique et les<br />

techniques d’exécution qui en découlent, y compris la notation; au-delà également,<br />

tous les moyens techniques, les outils, les appareils conceptuels, les techniques<br />

de travail développés et exploités au sein de notre vision et de notre pratique de<br />

la musique, de même que les institutions et les marchés concernés au sein de la<br />

société.»<br />

L’appareil esthétique est toujours «le reflet d’une forme particulière de la demande<br />

musicale; en cela, une conscience sociale s’y tra<strong>du</strong>it, avec ses valeurs propres, ses<br />

tabous, mais aussi ses contradictions». Le compositeur est donc impliqué en lui,<br />

à la fois «fasciné et sceptique»; il doit pactiser avec cet appareil au moment même<br />

où il le démonte: c’est en cela que consiste le travail de composition, vu sous<br />

l’angle esthétique ou politique. L’appareil est aussi décrit comme une «tonalité»<br />

au sens large et dont même une musique avant-gardiste ne se libère jamais tout<br />

à fait. Par faiblesse, inconscience, cynisme ou désir d’une communication immédiate,<br />

beaucoup de compositeurs cèdent à l’attraction de l’univers tonal: l’expressionnisme<br />

d’un Penderecki en serait l’exemple, le recyclage de gestes à la Richard<br />

Strauss dans le langage symphonique contemporain, le goût pour une narration<br />

conventionnelle à l’opéra, l’attrait des éléments «magiques» de la tradition – ce<br />

coup de tam-tam qui «fonctionne» toujours – ou encore l’effet immédiatement<br />

enchanteur de tout élément répétitif.<br />

48


Il y a donc de bonnes et de mauvaises manières de travailler avec (et donc contre)<br />

les connotations <strong>du</strong> matériau: dans Varianti de Luigi Nono, les cloches-tubes<br />

deviennent des «barres de métal presque cassées, qui tintinnabulent, évoquant<br />

une fois encore la solennelle fête d’un cérémonial révoqué», alors que le mélange<br />

insouciant d’instruments à percussion d’origine et à connotation très diverse dans<br />

Gruppen de Karlheinz Stockhausen rappelle «la salle d’attente d’un aéroport» où<br />

les sons se côtoient par hasard… Le compositeur est ici rattrapé par son matériau,<br />

qu’il pensait vierge de toute connotation.<br />

Une fausse solution consiste à miser sur la technique ou la technologie comme fin<br />

en soi. C’est le cas d’un sérialisme mécanique qui travaille avec une division<br />

systématique en «paramètres», ou les algorithmes de la «CAO», la composition<br />

assistée par l’ordinateur. D’ailleurs, l’esthétique concrète de Lachenmann exclut<br />

les sons électroniques, trop lisses à son goût. La fascination pour la technique<br />

relève aussi pour lui d’un «maniérisme»: on s’enferme dans l’élaboration de<br />

structures subtiles mais sans chercher aucune relation critique avec le contexte<br />

social. Ces pièges sont associés par Lachenmann à des métaphores végétales – le<br />

compositeur qui cherche uniquement des sonorités frappantes va «herboriser» ou<br />

«botaniser»; il cède à un exotisme <strong>du</strong> sonore qui rappelle des «serres chaudes» et<br />

qui attire un «tourisme» comparable aux trekkings bien préparés dans la jungle<br />

ou aux visites d’un parc d’attraction ou d’un Disneyland. Se réfugier derrière des<br />

grilles ou dans les studios électroniques fait dériver l’œuvre vers un design sonore:<br />

figure trompeuse d’un jardin d’Eden auquel on accéderait directement, ce même<br />

«paradis» que John Cage voulait atteindre en s’épargnant la traversée de l’écriture.<br />

La Brisure<br />

Pour Lachenmann, il s’agit toujours d’élaborer un système puis de le briser par<br />

sa mise en œuvre: l’écriture est un travail contre la grille, la composition est décomposition,<br />

elle s’avance vers ce point où le compositeur n’est plus sûr de lui, tout<br />

comme le pianiste de Guero est «abandonné par le répertoire». Lachenmann<br />

élabore souvent un «réseau temporel» qui résume par avance le déroulement de<br />

la forme et il utilise des grilles de hauteurs sérielles: mais souvent, ce réseau est<br />

abandonné en cours de route et les hauteurs, qui s’estompent sous les modes de<br />

jeu bruitistes, vont s’agglutiner autrement, être croisées avec de nouveaux ensembles<br />

trouvés en cours de route. Il s’agit de se détacher, de s’envoler, de laisser<br />

venir, tout en étant toujours conscient des prédéterminations tapies dans le<br />

matériau avec lequel on construit.<br />

Lachenmann a un mot pour cela, difficilement tra<strong>du</strong>isible, celui de Brechung –<br />

à savoir une «rupture», une façon d’ouvrir un objet ou un concept comme on<br />

rompt le pain, une façon de l’analyser, de le mettre en perspective dialectiquement,<br />

mais aussi, au sens optique, une «réfraction», donc un détour ou détournement<br />

réflexif. C’est elle que vise la mise en série d’un son ou d’un objet tonal, qui n’est<br />

pas donné comme tel, mais situé «dialectiquement». C’est elle qui permet à<br />

Lachenmann d’affirmer que «créer une structure, c’est en briser une autre», de<br />

parler de l’écriture d’une œuvre comme de la fabrication d’un instrument imaginaire<br />

qui est ensuite «démonté» en cours de route.<br />

Cette conception esthétique est très – pour ne pas dire: terriblement – allemande:<br />

on y retrouve l’idée de l’énergie qui subvertit la forme, de l’œuvre qui réfléchit<br />

sur elle-même et doit même travailler contre elle-même. Adorno disait au sujet<br />

de certaines pages de Mahler: «La musique préfère se ruiner elle-même plutôt<br />

que de donner l’illusion d’une réconciliation réussie.» 2 Lachenmann, quant à lui,<br />

mise sur ce moment heureux où l’écriture devient un «sabotage» de la structure,<br />

qui garantit l’authenticité de l’œuvre. Et cette «brisure réflexive» est en même<br />

temps ce qui caractérise selon Lachenmann l’art occidental dès l’invention de<br />

la polyphonie, laquelle fait sortir la musique de la magie et de l’enveloppement<br />

par le rituel. Le défi de l’autonomie coïncide ainsi avec une «intervention qui a<br />

toujours une fonction d’irritation, au nom de l’esprit qui s’éveille.» 3<br />

2<br />

Theodor W. Adorno: Mahler.<br />

Une physionomie musicale. –<br />

Paris: Les Éditions de Minuit,<br />

1976, p. 19<br />

3<br />

Christian Utz et Clemens<br />

Gadenstätter (éds.): Musik<br />

als Wahrnehmungskunst.<br />

Untersuchungen zur Kompositionsmethodik<br />

und Hörästhetik<br />

bei Helmut Lachenmann.<br />

– Saarbrücken: Pfau,<br />

2008, p. 29<br />

49


Le Plaisir<br />

La catégorisation de la «musique concrète instrumentale» a été rapidement appliquée<br />

par Lachenmann à d’autres «objets» que les sons et les bruits: les accords classés<br />

traditionnels et les rythmes codés, la gigue, la valse, la marche, apparaissent,<br />

disloqués ou recomposés, dans la Tanzsuite mit Deutschlandlied (1980). La musique<br />

de Lachenmann est pleine de ces moments où l’énergie est lâchée, de grands<br />

ostinatos qui se dérèglent, de galops et d’affects, de gestes virtuoses aussitôt<br />

confrontés à un râle ou à un raclement que l’on doit percevoir comme le pôle<br />

opposé d’une série savamment déployée: ainsi, dans Pression (1970) un magnifique<br />

ré bémol «philharmonique» se mettait à resplendir au milieu d’un buisson de sons<br />

écrasés, et le récent Concertini (2005) revient souvent à cette virtuosité musikantisch<br />

qui animait les œuvres d’un Stravinsky ou d’un Hindemith.<br />

L’œuvre de Lachenmann ne relève pas d’une musique «négative» qui se crisperait<br />

sur le bruit comme élément protestataire: simplement, dit-il «la beauté est refus de<br />

l’habitude». Mais le plaisir est là. Dans La Petite fille aux allumettes (1999), d’après le<br />

conte d’Andersen, toute la science «concrète» est mise au service d’une «musique<br />

avec images», comme l’indique le sous-titre de l’opéra. Par exemple, un cold song<br />

déploie toute une instrumentation sèche et consonantique, à base de figuralismes:<br />

une succession de w qui tra<strong>du</strong>it très concrètement les lèvres qui tremblent et dont<br />

le rictus empêche la ligne mélodique de se constituer; les voix <strong>du</strong> chœur ornent<br />

cette ligne frémissante d’autres consonnes dont les assonances sont réparties<br />

sur un orchestre où apparaissent par exemple, dans les vents, des accents avec le<br />

diaphragme. Et le trio est par contraste sonore et vocalique: il est construit sur<br />

les voyelles <strong>du</strong> mot kauft (achetez [mes allumettes]!), avec de grands arpèges de<br />

douze sons confiés aux cordes en détaché, aux pianos, xylophones et vibraphones,<br />

à la harpe et à la guitare, une sonorité très française. À la fin, quand la petite fille<br />

monte au ciel, à la rencontre de Dieu, mais aussi <strong>du</strong> vide de la mort, Lachenmann<br />

y emploie un shô, l’orgue à bouche japonais, soutenu par quelques harmoniques<br />

de cordes et des cymbales jouées à l’archet pour pro<strong>du</strong>ire une sonorité éthérée,<br />

avec divers souffles dans les bois. Puis, c’est une succession de tierces au célesta,<br />

instrument de l’éternité comme à la fin <strong>du</strong> Chant de la terre, un unisson de<br />

flatterzunge aux flûtes, une tenue de tuba, la vibration solennelle et douce de huit<br />

rin japonais… Toute la force iconique des sons et toutes les figures traditionnelles<br />

de l’histoire de la musique sont mobilisées pour représenter «concrètement» le<br />

conte à l’auditeur.<br />

Transformer l’écoute<br />

Notre société, dit Lachenmann, valorise le risque ou ses succédanés – deltaplane,<br />

Bunjee jumping, trekking, méharées dans le Sahara… «Mais où est notre disposition<br />

à assumer l’aventure dans la salle de concert? C’est comme si la musique<br />

n’était rien d’autre qu’un bain chaud réconfortant, où on se love, où on se<br />

réchauffe et se vautre. Alors que chaque œuvre qui signifie encore quelque chose<br />

pour nous aujourd’hui était à l’origine une aventure radicale de la pensée, <strong>du</strong><br />

sentiment, de l’invention, de la découverte sonore.» Lachenmann est l’un des<br />

compositeurs qui a intro<strong>du</strong>it le thème de l’écoute musicale dans la musique contemporaine<br />

dans les années 1980. La composition vise essentiellement à transformer<br />

l’écoute: non pas faire entendre autre chose, mais faire entendre autrement.<br />

L’essentiel est donc une réflexivité: l’écoute doit s’écouter elle-même, être<br />

consciente de l’attitude qu’elle adopte et qui peut transformer ce qui résonne.<br />

Par exemple, dit Lachenmann, la musique «hautement poétique» écrite par Ennio<br />

Morricone pour la série de télévision Orient express devrait être considérée comme<br />

classique ou savante, alors qu’une sonate de Scarlatti, «pimpante et étincelante»<br />

fait aussi partie de l’entertainment. «Dieu sait si ce sont là des étiquettes trompeuses,<br />

mais elles ont quand même leur sens. La Musique de divertissement, c’est selon<br />

ma définition personnelle une musique où l’auditeur peut faire autre chose en<br />

même temps, par exemple vider le lave-vaisselle, sans qu’il perde quoique ce<br />

soit de la substance de la musique qui résonne en même temps. Alors qu’avec la<br />

musique sérieuse, ou savante, il s’assied et se concentre totalement sur l’écoute,<br />

50


ou il devrait le faire. Donc à Noël, quand on diffuse à la radio l’Oratorio de Noël<br />

de Bach et que nous mangeons en même temps notre œuf au petit déjeuner, la<br />

musique de Bach devient une musique de fond.»<br />

On peut écouter Structures I de Boulez comme «une sorte d’horloge mécanique<br />

sur-dimensionnée, imaginaire, presque folle. Et aujourd’hui encore, certains<br />

auditeurs effrayés – car les auditeurs de Boulez se sont sauvés parfois – disent:<br />

‹Ce n’est pas de la musique, celà›. À quoi je réponds: ‹Formidable! Vous avez<br />

exactement compris. Ce n’est pas de la musique, parce que la notion musique est<br />

réinventée ici à nouveau de fond en comble›». 4<br />

Chaque œuvre authentique, dit Lachenmann, «épelle» de façon nouvelle le mot<br />

«musique». Suivre cette opération-là signifie s’élargir soi-même, ou en tout cas<br />

accepter de prendre un risque. «Elargir l’expérience d’écoute au lieu de satisfaire<br />

les attentes de l’auditeur, donc faire ce qui s’impose à l’esprit humain depuis<br />

qu’il se connaît lui-même: à savoir progresser, pénétrer dans l’inconnu et ainsi se<br />

connaître lui-même.» C’est en ces termes que Lachenmann a résumé la manière<br />

dont il comprend sa mission, qui conjugue l’effort intellectuel et le plaisir <strong>du</strong><br />

sensible recomposé.<br />

4<br />

«total verformt natürlich»,<br />

Musik-Texte 126/2010, p. 90<br />

Martin Kaltenecker est<br />

chercheur associé au Centre<br />

de Recherches sur les Arts<br />

et le Langage (EHESS, Paris).<br />

Outre de nombreux articles<br />

sur la musique <strong>du</strong> 19 e et 20 e<br />

siècle, il a publié La Rumeur<br />

des Batailles (2000), Avec<br />

Helmut Lachenmann (2001)<br />

et L’Auditeur capté. Discours<br />

sur l’écoute musicale au<br />

18 e et 19 e siècle (2010). Il a<br />

codirigé les ouvrages Penser<br />

l’Œuvre musicale au 20 e<br />

siècle: avec, sans, contre<br />

l’histoire? (2006) et Pierre<br />

Schaeffer. Les Constructions<br />

impatientes (2010).<br />

51


Plunderphonics<br />

Or Audio Piracy as a Compositional Prerogative<br />

John Oswald (1985)<br />

Musical instruments pro<strong>du</strong>ce sounds. Composers pro<strong>du</strong>ce music. Musical instruments<br />

repro<strong>du</strong>ce music. Tape recorders, radios, disc players, etc., repro<strong>du</strong>ce sound.<br />

A device such as a wind-up music box pro<strong>du</strong>ces sound and repro<strong>du</strong>ces music.<br />

A phonograph in the hands of a hip hop/scratch artist who plays a record like an<br />

electronic washboard with a phonographic needle as a plectrum, pro<strong>du</strong>ces sounds<br />

which are unique and not repro<strong>du</strong>ced – the record player becomes a musical instrument.<br />

A sampler, in essence a recording, transforming instrument, is simultaneously<br />

a documenting device and a creative device, in effect re<strong>du</strong>cing a distinction<br />

manifested by copyright.<br />

Free samples<br />

These new-fangled, much-talked-about digital sound sampling devices, are, we<br />

are told, music mimics par excellence, able to render the whole orchestral panoply,<br />

plus all that grunts, or squeaks. The noun «sample» is, in our comodified culture,<br />

often pre-fixed by the adjective free, and if one is to consider predicating this<br />

subject, perhaps some thinking aloud on what is not allowable auditory appropriation<br />

is to be heard.<br />

Some of you, current and potential samplerists, are perhaps curious about the<br />

extent to which you can legally borrow from the ingredients of other people’s<br />

sonic manifestations. Is a musical property properly private, and if so, when and<br />

how does one trespass upon it? Like myself, you may covet something similar to<br />

a particular chord played and recorded singularly well by the strings of the estimable<br />

Eastman Rochester Orchestra on a long-deleted Mercury Living Presence LP of<br />

Charles Ives’ Symphony #3, 1 itself rampant in unauthorized procurements. Or<br />

imagine how invigorating a few retrograde Pygmy (no slur on primitivism intended)<br />

chants would sound in the quasi-funk section of your emulator concerto. Or perhaps<br />

you would simply like to transfer an octave of hiccups from the stock sound<br />

library disk of a Mirage to the spring-loaded tape catapults of your Melotron. 2<br />

Can the sounding materials that inspire composition be sometimes considered<br />

compositions themselves? Is the piano the musical creation of Bartolomeo<br />

Cristofori (1655–1731) or merely the vehicle engineered by him for Ludwig Van<br />

and others to manoeuver through their musical territory? Some memorable compositions<br />

were created specifically for the digital recorder of that era, the music<br />

box. Are the preset sounds in today’s sequencers and synthesizers free samples,<br />

or the musical property of the manufacturer? 3 Is a timbre any less definably<br />

possessable than a melody? A composer who claims divine inspiration is perhaps<br />

exempt from responsibility to this inventory of the layers of authorship. But what<br />

about the unblessed rest of us?<br />

Let’s see what the powers that be have to say. ‹Author› is copyrightspeak for any<br />

creative progenitor, no matter if they program software or compose hardcore.<br />

To wit: «An author is entitled to claim authorship and to preserve the integrity<br />

of the work by restraining any distortion, mutilation or other modification that<br />

is prejudicial to the author’s honor or reputation.» That’s called the ‹right of<br />

This paper was initially presented<br />

by Oswald at the<br />

Wired Society Electro-<br />

Acoustic Conference in<br />

Toronto in 1985. It was published<br />

in Musicworks #34,<br />

as a booklet by Recommended<br />

Quarterly and subsequently<br />

revised for the<br />

Whole Earth Review #57 as<br />

«Bettered by the borrower».<br />

Reprinted by kind permission<br />

of the author.<br />

53


PROGRAMME<br />

63


«Gassatim-Konzert» – Ouverture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />

Vendredi / Freitag / Friday 19.11.2010 18:00<br />

Luxembourg-Ville, Place Guillaume II («Knuedler»)<br />

Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert<br />

nach Ideen von Olga Neuwirth, Joseph Haydn und Charles Ives<br />

(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />

35’<br />

Dans l’ordre d’apparition / In der Reihenfolge des Auftretens:<br />

Brice Pauset Maestro del gioco<br />

United Instruments of Lucilin<br />

Tomoko Kiba, André Pons-Valdès violon<br />

Danielle Hennicot alto<br />

Wolf-Dietrich Wirbach violoncelle<br />

Joseph Haydn Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze<br />

(Les sept dernières paroles <strong>du</strong> Christ en Croix) Hob. XX:1B<br />

(für Streichquartett, 1785/1787)<br />

Il Terremoto: Presto e con tutta la forza<br />

Glissandi<br />

Flexatone<br />

United Instruments of Lucilin<br />

Marcel Reuter piano<br />

Erik Satie: Gymnopédie N° 1 (Trois Gymnopédies) pour piano (1888)<br />

Luxembourg Clarinet Choir<br />

Pol Duhr, Raphaëlle Ribouillaut, Patricia Martins Coehlo, Jeff Schreiner,<br />

Mary Karier, Isabelle Scholtes, Ann Katrin Ollinger, Marcel Lallemang<br />

clarinette<br />

Edgar Varèse: Octandre (1923) (Auszüge)<br />

Choeur – INECC<br />

Alix Bernard, Julien Blanc, Jürgen Boie, Teresa Bolognese, Régine<br />

Bondy, James Borg, Cheryl Fisher, Anne Foltete, Sylviane Francart,<br />

Sabine Haupt, Sarah Herold, Martina Horn, Manuel Koenig, Anisimov<br />

Kuderska, Alessandro Lancini, Aloyse Mathias, Nathalie Morettoni,<br />

Myrto Munoz, Pierre Posing, Francoise Puetz, Claudine Regenwetter,<br />

Carine Rippinger, Marie-Thérèse Schmit, Armand Schmitz, Diane<br />

Schwarz, Michael Swithinbank, Lydia Thiry, Fabienne Thoma, Monique<br />

Wagner-Heinen, Jos Waless, Francise Wehrlen, Nicole Welter, Ginette<br />

Wiot, Christiane Zahlen / Camille Kerger chef de chœur<br />

Charles Ives: «There is a lane» (Adagio sostenuto) S 370 (1902)<br />

(arr. für Chor von Herbert Haufrecht)<br />

Charles Ives: «Berceuse» (Adagio) S 220 (~1920)<br />

(arr. für Chor von Herbert Haufrecht)<br />

64


United Instruments of Lucilin<br />

Pascal Meyer piano<br />

Guy Frisch, Victor Kraus percussion<br />

Christophe Beau violoncelle<br />

Ernie Hammes trompette<br />

Léon Ni trombone<br />

Matthias Koole guitare électrique<br />

David Reiland direction<br />

Olga Neuwirth: Diagonal Symphony für Ensemble<br />

(Filmmusik zu Viking Eggeling: Symphonie Diagonale) (2006)<br />

Étudiants <strong>du</strong> Conservatoire de Musique de la Ville de Luxembourg<br />

Luxembourg Trombone Association (LTA)<br />

Marc Meyers direction<br />

Hector Berlioz: Grande Messe des morts op. 5 H 75: Tuba mirum (1837)<br />

Flexatone<br />

Harmonie Municipale de Dudelange<br />

Carine Bernd, Cathy Morizet, Anne-Marie Picco flûte / Luc Gindt,<br />

Christiane Baltes, Jérôme Fellerich, Jean-Paul Waldbillig, Angelo<br />

Cellerani, Sascha Leufgen, John Fellerich, Jacky Funck clarinette /<br />

Sonja Eiffes, Alex Meyer, Odilie Eiffes, Thierry Di Cino, René Schumacher<br />

saxophone / Frederic Creola cor / Tom Schmit, Daniel Pedana, René<br />

Lelong, Romain Eiffes, Fredy Creola, Nicole Fantini trompette, bugle /<br />

Marcel Berens, Pit Eiffes, Romain Haas, Luc Morroni, Jacques Reuter<br />

trombone / Laurent Gindt euphonium / Georges Brandenburger, Jean-<br />

Marie Laures tuba / René Quesnoit, Sven Hoscheid, Germain Pedana,<br />

Daniel Zeimes, Marina Eutropi, Jim Scheck percussion<br />

Dinu Stelian: Auf ewig. Trauermarsch<br />

Josh Merjai guitar<br />

Jimi Hendrix: «Little wing» (1967)<br />

Alle<br />

Knackfrösche<br />

dieb13 turntables<br />

Vinylaufnahmen aller genannten Stücke<br />

Armin Leoni, Markus Oppenländer<br />

Littlebit GbR Pro<strong>du</strong>ktionsbüro für zeitgenössische Kunst Köln<br />

Bernhard Günther Dramaturgie<br />

En coopération avec le Conservatoire de Musique de la Ville de Luxembourg, INECC Luxembourg, Harmonie Municipale<br />

de Dudelange, Luxembourg Clarinet Choir, Luxembourg Trombone Association, la Ville de Luxembourg et le<br />

LCTO – Luxembourg City Tourist Office<br />

65


Un charivari démocratique<br />

Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert<br />

Martin Kaltenecker<br />

1<br />

cf. p. 71<br />

2<br />

cf. p. 73<br />

Parmi les éléments ayant inspirés Olga Neuwirth pour son Gassatim-Konzert figure<br />

cette anecdote rapportée en 1810: «Haydn eut l’idée d’inviter un grand nombre de<br />

musiciens à se réunir nuitamment en un lieu précis: le rendez-vous était fixé dans la rue <strong>du</strong><br />

Tiefer Graben [fossé profond], où les musiciens devaient se répartir en plusieurs maisons et<br />

recoins; il y avait même un joueur de timbales placé sur le Hohe Brücke [pont haut]. La<br />

plupart des musiciens ne savaient pas pourquoi ils étaient là, mais chacun avait reçu comme<br />

consigne de jouer ce qu’il voulait. À peine ce concert terrible avait-il commencé que les habitants<br />

stupéfaits <strong>du</strong> Graben ouvrirent les fenêtres pour pester contre cette maudite musique<br />

venue de l’enfer, pour siffler et chahuter. Entre-temps, les veilleurs de nuit ou, comme on les<br />

nommait à l’époque, les surveillants de la rumeur s’étaient approchés: les instrumentistes<br />

s’enfuirent juste à temps, à l’exception <strong>du</strong> timbalier et <strong>du</strong> violoniste qui furent mis à l’arrêt;<br />

on les libéra pourtant après quelques jours puisqu’ils ne savaient pas donner le nom <strong>du</strong> chef<br />

de cette sédition.» 1<br />

Ce happening nocturne vers 1750 est donc une sorte d’anti-sérénade qui s’inscrit<br />

dans la longue tradition des charivaris et autres musiques de chat plus ou moins<br />

provocatrices. L’expression «gassatim gehen» (aller par les rues), la «Gasse», ou<br />

ruelle – a d’ailleurs donné le terme de «cassation», quasi synonyme de sérénade,<br />

mais avec l’idée de l’aventure que l’on cherche – sérénade plus insolente, plus<br />

risquée, un brin interlope. Pour Olga Neuwirth, cette petite action provocatrice<br />

est une sorte de symbole de l’auto-affirmation <strong>du</strong> compositeur au 18 e siècle:<br />

«Au bout <strong>du</strong> compte, Haydn s’inventa lui-même. À l’âge de 29 ans, assez tard pour son<br />

époque, il passa <strong>du</strong> statut de musicien gassatim, donc de sérénades, à celui de vice-maître<br />

de chapelle à la cour d’Eisenstadt, puis au rang de ‹préféré de la nation›, comme l’écrivit le<br />

magazine Wiener Diarium en 1776. De nos jours, une telle carrière ne serait plus possible<br />

pour un compositeur, ni surtout pour une compositrice. Haydn a pu devenir un ‹développeur<br />

de structures›, en particulier dans le domaine de la musique de chambre, et prendre une<br />

position de premier plan: il s’est émancipé pour incarner déjà la figure de l’artiste moderne.<br />

Haydn paraitra peut-être à certains comme un peu consentant, puisqu’il avait appris à<br />

maîtriser les conventions, à se mouvoir sur la scène des cours internationales, en s’opposant<br />

ainsi, en tant qu’employé mais à travers sa composition, à la raison quotidienne de la<br />

cour. […] Ce qui me fascine, c’est cet équilibre subtil qu’il sait garder entre l’intellectualité,<br />

la curiosité, et en même temps l’adaptation aux circonstances. De mon point de vue, je<br />

conseillerais à tout jeune compositeur qui ne veut pas ‹lâcher› et qui doit vivre de son art de<br />

marquer ainsi ses distances, afin de se ménager un espace de liberté intellectuel. Ce qui a sans<br />

doute aidé Haydn en cela, c’est son côté espiègle et son sens de l’expérimentation.» 2<br />

D’un point de vue musical, la «niche» faite par Haydn aux bien-pensants – qui<br />

seraient de nos jours collés devant leur télévision… – relève de la forme <strong>du</strong> quodlibet<br />

que l’on trouve dès le 17 e siècle: un collage plus ou moins dissonant de<br />

plusieurs mélodies, comme celui <strong>du</strong> mouvement des ivrognes dans les Sonates <strong>du</strong><br />

Rosaire de Heinrich Ignaz Franz Biber. Mais il s’agit en même temps chez Haydn<br />

d’un charivari spatialisé: on songe ici à la fascination des symphonistes <strong>du</strong> 19 e<br />

siècle pour les musiques disposées dans différents endroits et que l’art orchestral<br />

va imiter. Neuwirth utilise dans Gassatim-Konzert l’un des archétypes de cette<br />

transposition <strong>du</strong> plein air dans une salle fermée, à savoir le Tuba mirum <strong>du</strong> Requiem<br />

66


de Berlioz. La compositrice retravaille ici l’original, en sélectionnant des citations<br />

(presque comme un DJ ou comme avec un sampler), en supprimant le chœur et<br />

les clarinettes, mais en donnant à plusieurs musiciens un flexatone pour ajouter<br />

des glissandos, en faisant répéter l’accord final, et en l’associant, bien sûr, aux<br />

autres éléments <strong>du</strong> Gassatim-Konzert – de Satie à Jimi Hendrix, d’Olga Neuwirth à<br />

une marche funèbre roumaine. La tradition de l’espace où flottent et où se mêlent<br />

des fragments de musique passe également par Mahler, qui dé<strong>du</strong>isait ce qu’il<br />

nommait la «polyphonie universelle» de la symphonie de l’écoute d’un paysage<br />

sonore. C’est surtout Charles Ives qui fascine Olga Neuwirth pour son utilisation<br />

de la simultanéité. Henry Cowell relate à ce propos une l’expérience d’enfant <strong>du</strong><br />

futur compositeur, modèle de ses futurs quodlibets symphoniques:<br />

«Son père invita la fanfare d’un bourg voisin à venir soutenir son équipe de baseball à<br />

Danbury, alors qu’au même moment, la fanfare municipale apparut pour supporter l’équipe<br />

locale. La parade était organisée dans la rue principale, comme d’habitude, mais les deux<br />

fanfares prenaient leur départ aux points opposés de la ville, et on leur avait donné des pièces<br />

écrites dans des tonalités et mesures différentes. Quand elles s’approchèrent l’une de l’autre,<br />

les dissonances furent <strong>du</strong>res, d’autant que chaque musicien jouait de plus en plus fort pour<br />

couvrir les rivaux. Quelques-uns flanchèrent mais les deux groupes tinrent bon, passant l’un<br />

à côté de l’autre avec succès, et le son de leur joyeux désaccord disparaissait dans le lointain.» 3<br />

3<br />

cf. p. 72<br />

La musique de plein air est essentiellement liée aux cuivres: c’est eux qui prédominent<br />

aussi dans le happening d’Olga Neuwirth, qui emploie même une banda<br />

isolée, comme elle apparaît si souvent dans l’opéra italien: ici, c’est une petite<br />

fanfare «qui joue la marche funèbre Auf ewig de Dinu Stelian et qui, à 13’, se<br />

déplace d’est en ouest, traversant la place comme si de rien n’était, disparaissant<br />

vers 20’ au plus tard». En même temps, le plein air – lieu traditionnel de l’ouverture<br />

<strong>du</strong> <strong>festival</strong> rainy days depuis 2006 – demeure symboliquement le lieu de la<br />

collectivité: en arrangeant un concert gassatim sur la place publique, le musicien<br />

désire toucher l’ensemble de la communauté, et non seulement ce groupe de<br />

connaisseurs et spécialistes qui se concentrent d’habitude religieusement sur sa<br />

musique dans un lieu clos. Ce thème-là, celui de l’enjeu politique de la «symphonie»,<br />

de masses sonores qui «résonnent ensemble», fût-ce dans la discordance,<br />

est de plus en plus présent à partir de la fin de 19 e siècle: Scriabine, dans son<br />

mystère L’Acte préalable, voulait adjoindre aux groupes orchestraux des chœurs<br />

chuchotés, alors qu’à certains moments, les portes de la salle de concert devaient<br />

être ouvertes pour laisser pénétrer les bruits de la ville. Il s’agit à chaque fois de<br />

solliciter et d’envelopper l’auditeur, de transformer le rite <strong>du</strong> concert bourgeois<br />

en un rituel archaïque, pour «atteindre directement l’organisme», comme dira<br />

Antonin Artaud: «Si la musique agit directement sur les serpents, ce n’est pas par les<br />

notions spirituelles qu’elle leur apporte, mais parce que […] leur corps touche à la terre<br />

par sa presque totalité; et les vibrations qui se communiquent à la terre l’atteignent comme<br />

un message très subtil et très long: eh bien, je propose d’en agir avec les spectateurs comme<br />

avec les serpents qu’on charme et de les faire revenir par l’organisme jusqu’aux plus subtiles<br />

notions. Les sons, les bruits, les cris sont cherchés d’abord pour leur qualité vibratoire, ensuite<br />

pour ce qu’ils représentent.»<br />

Tirer une forme musicale vers un événement: c’est là une des lignes de force de<br />

l’esthétique de Neuwirth, dont la devise est souvent une sorte de «Anywhere out<br />

of the music» comme l’aurait dit Baudelaire. D’où son attrait pour des états de<br />

musique plutôt que de grandes narrations ou le déploiement de structures autonomes,<br />

l’injection d’une dose de théâtre musical et de sauvagerie corporelle dans<br />

les pièces instrumentales (toussotements dans Spleen pour clarinette basse, râles<br />

et tremblements dans le Quatuor à cordes «Akroate Hadal»…), ou encore pour des<br />

formes dont la cohérence est assurée par l’hybridation nouvelle avec un autre<br />

média – le cinéma avant tout, devenu à notre époque «l’emblème démocratique»,<br />

comme dit le philosophe Alain Badiou. Attirance enfin pour la culture populaire,<br />

où la musique contemporaine cherche la concurrence directe avec des icônes de<br />

la pop underground – dans Hommage à Klaus Nomi ou dans le film No more Secrets,<br />

No more Lies, où Georgette Dee, au bord d’une plage, chante l’amour contre vents<br />

67


et marées. Tout cela prolonge l’audace de Haydn: ouvrir les fenêtres, capter d’autres<br />

ondes, sortir l’art savant comme on promène son chien: celui, sans doute, que<br />

l’on verra apparaître comme musicien supplémentaire au sein <strong>du</strong> grand effectif<br />

démocratique <strong>du</strong> Gassatim-Konzert.<br />

Les musiciens (100 à 150) sont ici postés en neuf lieux dont une scène centrale.<br />

Chacun dispose d’un chronomètre et de petits clickers-grenouille. Le quatuor à<br />

cordes (qui joue pour l’essentiel le Terremoto, le tremblement de terre qui termine<br />

les Sept dernières paroles de Haydn) et deux des cuivres actionnent par ailleurs des<br />

flexatones. S’y ajoutent la banda/fanfare, un piano (le pianiste joue la Première<br />

Gymnopédie de Satie, la seconde fois plus lentement, la troisième fois de façon très<br />

accélérée), un chœur (chantant deux songs de Charles Ives), un ensemble (qui joue<br />

l’œuvre Diagonal Symphony de Neuwirth, entre 5’ et 16’, avant de quitter la scène),<br />

un ensemble de clarinettes (qui joue de brefs fragments découpés dans Octandre<br />

de Varèse), les quelques 50 cuivres jouant le Tuba mirum <strong>du</strong> Requiem de Berlioz, un<br />

guitariste jouant «Little wing» de Jimi Hendrix, etc.<br />

La partition se présente comme une chorégraphie ordonnée et subtile des fragments<br />

choisis, et elle évite soigneusement tout effet de mélasse musicale. Le tout<br />

est dirigé par un «maestro del gioco», un meneur de jeu positionné «sur un balcon<br />

(ou sur un fauteuil disposé sur un grand podium). S’il est sur un podium, il se lèvera d’un<br />

bond et tirera un coup de pistolet en l’air pour commencer le ‹jeu›. C’est lui qui tient le temps<br />

par le collier. Puis il se rassied, il attend, il ne fait qu’attendre. (S’il est sur un balcon, il se<br />

retirera). Peu avant 28’, il se lèvera ou apparaîtra de nouveau et (exactement à 28’) fera taire<br />

tout le monde ou bien donnera à tous le signe de jouer des clickers-grenouille et de faire des<br />

glissandos sur les flexatones. À 29’, il tirera encore une fois (en direction <strong>du</strong> DJ) mettant fin<br />

au bruit des pétards et flexatones. […] Le maestro del gioco disparaît ou quitte son fauteuil<br />

stoïquement et s’en va».<br />

Olga Neuwirth<br />

(photo: Beatrix Neiss)<br />

Le Gassatim-Konzert s’achèvera donc dans le bruit. Pendant les quatre à six dernières<br />

minutes, un DJ s’immisce dans cette texture en reprenant des fragments<br />

de ce qui a été enten<strong>du</strong>. Le «turntabliste» succède au chef, il apparaît comme le<br />

nouveau maître de jeu de notre époque, celui qui mixe le passé et le futur, les sons<br />

policés et les bruits insolents, toutes nos dissonances joyeuses.<br />

68


Brice Pauset / Johannes Ockeghem<br />

Samedi / Samstag / Saturday 20.11.2010 20:00<br />

Salle de Musique de Chambre<br />

Nicolas Hodges piano<br />

Capella de la Torre<br />

Katharina Bäuml chalémie, direction<br />

Birgit Bahr chalémie<br />

Stefan Legée saqueboute<br />

Annette Hils doulciane<br />

Brice Pauset, Olivier Pasquet electronics<br />

Brice Pauset: Trois Canons für Klavier solo (1989)<br />

5’<br />

Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Kyrie<br />

6’<br />

Brice Pauset: Cinq Canons für Klavier solo (1990–2002)<br />

21’<br />

Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Gloria<br />

9’<br />

Brice Pauset: Sept Canons für Klavier solo<br />

(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />

18’<br />

—<br />

Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Credo, Sanctus, Pleni sunt Coeli,<br />

Osanna<br />

14’<br />

Brice Pauset: Neuf Canons für Klavier solo<br />

(1998–2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />

11’<br />

Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Osanna, Benedictus, Agnus Dei<br />

9’<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

Dorothee Golz<br />

Der Perlenohrring/ The Pearl<br />

Earring. C-print/Diasec,<br />

188 x 140 cm (2009)<br />

© Dorothee Golz<br />

Brice Pauset: Perspectivae Sintagma I für Klavier und Elektronik (1997)<br />

19’<br />

72


Canons: architectures sonores<br />

Les Canons de Brice Pauset et la Missa Prolationum<br />

Alice Tacaille<br />

Le concert rassemblant la Missa Prolationum de Johannes Ockeghem (~1420–1497)<br />

et l’intégrale des Canons de Brice Pauset (1965) convie les auditeurs à écouter des<br />

œuvres distantes de quelques cinq cent ans. Ils sont placés dans la situation, rare,<br />

exceptionnelle, de laisser entrer en résonance deux univers créatifs très intimement<br />

liés et d’en ressentir toute la connivence.<br />

Pour bien entrevoir la portée de la Missa Prolationum, il faut se ressouvenir de<br />

quelques éléments importants de la composition au 15 e siècle. L’homme d’abord:<br />

né près de Mons, Johannes Ockeghem fait carrière auprès de Charles I er <strong>du</strong>c de<br />

Bourbon, mari d’Agnès de Bourgogne, sœur de Philippe le Bon, dont il orne la<br />

chapelle <strong>du</strong>cale. Il passe ensuite à Moulins (Allier), pour entrer enfin à la chapelle<br />

royale de France à partir de 1451. Là, il évolue de charge en prébende, et obtient<br />

notamment celle de trésorier <strong>du</strong> chapitre de Saint-Martin de Tours.<br />

Le lieu et la date importent: la première moitié <strong>du</strong> 15 e siècle, dans les moments les<br />

plus critiques de la domination anglaise, se révèle très difficile pour la couronne<br />

française quasiment ré<strong>du</strong>ite, en termes de territoire, au Val de Loire. Après Charles VII,<br />

dans la seconde moitié <strong>du</strong> siècle, Louis XI séjourne relativement souvent en son<br />

château de Plessis-les-Tours, et Ockeghem peut alors partager très efficacement son<br />

temps entre la cour et la basilique Saint-Martin de Tours, alors l’une des villes<br />

plus importantes de France. Il bénéficie, avançant en âge, d’autres revenus ecclésiastiques,<br />

notamment à Notre-Dame de Paris, ainsi qu’à Saint-Martin de Candé<br />

(près de Tours).<br />

En cela, la situation d’Ockeghem est très classique: la détention de bénéfices ne<br />

suppose pas, dans l’église médiévale, d’activité pastorale ni même d’activité tout<br />

court. En quelques sortes, la position d’Ockeghem est celle d’un engagé au sein<br />

d’une église de métier, comme nous parlons aujourd’hui d’une armée de métier.<br />

Nous avons ainsi affaire à l’église d’avant l’époque moderne, une église qui se<br />

trouve en outre responsable de la quasi-totalité des lieux d’enseignement: c’est<br />

donc à plusieurs titres que la vie d’Ockeghem est tissée avec l’institution. Cette<br />

situation, loin d’être l’exception, demeure la règle pour la plupart des compositeurs<br />

des 15 e et même 16 e siècles, et cela explique sans doute que la plus grande forme<br />

musicale travaillée à cette époque soit finalement une forme musicale adossée à<br />

la liturgie: la messe polyphonique.<br />

Mais c’est derrière l’écran que tout se passe. À l’abri de ce cadre, il faut regarder<br />

de plus près: depuis deux générations, Guillaume de Machaut (1305–1377) puis<br />

Guillaume Dufay (~1400–1474) posent les bases d’une réflexion sur ce que<br />

pourrait être une grande forme musicale en plusieurs sections. Le projet le plus<br />

ample que l’on puisse confier à un musicien <strong>du</strong> 15 e siècle est celui d’une messe<br />

entière en musique – ni symphonie ni opéra encore, naturellement. Or, il n’était<br />

pas acquis à cette époque que les différentes sections d’une messe formassent un<br />

tout esthétique. C’est l’immense apport <strong>du</strong> 15 e siècle musical que d’avoir tenté<br />

quasiment toutes les solutions possibles à ce problème très abstrait: comment<br />

plusieurs morceaux de musique, séparés, peuvent-ils former un tout?<br />

74


C’est ici que le concert propose un regard très pénétrant sur ce laboratoire musical<br />

<strong>du</strong> 15 e siècle: qu’est-ce que l’unité de l’œuvre en musique? Et les réponses que<br />

les compositeurs y ont apportées sont réellement très variées. Au 15 e siècle, on le<br />

sait trop peu, c’est le contrepoint qui a été le plus vigoureusement sollicité pour<br />

faire une grande œuvre en plusieurs sections, et plus particulièrement, au sein des<br />

techniques de contrepoint, le canon.<br />

Des neuf messes d’Ockeghem qui nous sont parvenues, la Missa Prolationum<br />

est celle dont le projet d’ensemble est fondé sur le principe <strong>du</strong> canon. Aucune<br />

des messes de ses prédécesseurs n’a placé ce projet au centre de la composition:<br />

Ockeghem va tenter de faire tenir toute la messe sur ce principe unique.<br />

Disposant d’un point de départ aussi ferme, Ockeghem aurait pu simplement<br />

en faire un catalogue des infinies possibilités <strong>du</strong> canon – pensons par exemple à<br />

L’Art de la Fugue. Ce qui distingue les œuvres que nous entendrons au concert,<br />

c’est qu’elles sont d’une certaine manière beaucoup plus ambitieuses encore: elles<br />

tentent d’épuiser le principe, de le traiter «jusqu’au bout». On ne feuillette pas ici<br />

les possibles visages <strong>du</strong> canon, on le poursuit jusqu’aux tréfonds.<br />

Mais est-ce simplement possible? Comment comprendre cette démarche? Dans<br />

le cas d’Ockeghem, la Missa Prolationum présente un type de canon différent par<br />

section de messe. Très systématiquement, très méticuleusement, Ockeghem fait<br />

varier les paramètres <strong>du</strong> canon jusqu’à arriver aux limites sonores acceptables.<br />

Comme il en va, puisque le canon est d’abord un jeu sur la contrainte que<br />

s’impose le musicien, les règles d’écriture lui laissent très peu d’espace de liberté:<br />

ce sont elles, in fine, que le travail d’Ockeghem interroge.<br />

Quelques mots sur le canon. Aujourd’hui, nous chantons des canons à l’unisson –<br />

nous ne chantons plus les canons qu’à l’unisson, faudrait-il dire: la seconde personne<br />

(et les suivantes) chantent la chanson à la même hauteur que nous l’avons<br />

entonnée, et non dans une autre tonalité. Ensuite, nous chantons aujourd’hui les<br />

canons à la même vitesse, que nous chantions en premier ou en second. Enfin, si<br />

nous chantons en canon à trois ou quatre voix, les voix sont décalées de la même<br />

manière, par exemple de quatre temps, il y a une régularité des entrées en canon.<br />

Autant de limitations que le 15 e siècle ne connaît pas. Dans le domaine des hauteurs<br />

de note, on peut en réalité faire chanter la réponse (la seconde voix) à une<br />

hauteur différente, «dans une autre tonalité». Mais bien enten<strong>du</strong>, cela occasionne<br />

des rencontres de notes plus difficiles à éviter. Le musicien peut aussi décaler les<br />

voix dans le temps comme il le souhaite, de manière variable, ce qui rend les rencontres<br />

encore plus difficiles à maîtriser. Ockeghem se sert enfin de l’ambivalence<br />

de la notation musicale de son époque (où une même note carrée peut revêtir<br />

plusieurs <strong>du</strong>rées, deux ou bien trois temps par exemple) pour faire chanter en<br />

canon mais à des vitesses différentes, un type de canon assez proche… d’un<br />

Himalaya musical. Et nous ne ferons que mentionner les canons rétrogrades, où<br />

les notes sont chantées à partir de la dernière, rendant l’air méconnaissable, ou<br />

encore les «miroirs», où tous les intervalles montants sont exécutés en descendant<br />

et réciproquement, avec la même conséquence sur la reconnaissance de la mélodie.<br />

Imaginons donc, pour approcher la Missa Prolationum, un ensemble de pièces<br />

vocales comme suit: il s’agit d’un double canon. Deux personnes chantent donc<br />

un canon pendant que deux autres chantent un autre canon. Mais il y a plus: dans<br />

chaque petite section, le compositeur leur impose de chanter dans une gamme<br />

différente l’un par rapport à l’autre: et par exemple, dès le Christe, il faut imaginer<br />

le premier (les premiers) chantant en «Do» et les seconds répondant en «Ré», avec<br />

les risques que cela comporte. Plus encore: de pièce en pièce, le compositeur varie<br />

la distance de décalage des seconds par rapport aux premiers, allant de deux ou<br />

trois temps à plusieurs minutes de décalage (comme dans le Christe, où les seconds<br />

rentrent… sur la dernière note des premiers!). Enfin, en plusieurs occasions (Kyrie I,<br />

75


Kyrie II, Osanna et d’autres passages), le compositeur les fait partir en même temps<br />

(ce qui est paradoxal pour un canon), mais enjoint aux seconds de «courir» plus<br />

vite – ou moins vite – que les premiers: leur décalage ira donc croissant au fur<br />

et à mesure que le temps passe. Pour ce dernier tour de force, Ockeghem utilise<br />

simplement deux signes de mesure différents, un pour chaque voix.<br />

La construction de cette messe, qui dévoile partie après partie son mobile, fait de<br />

cette œuvre un tout, qui ne prend pleinement son sens que lorsque l’ensemble<br />

des pièces est donné: c’est en ce sens qu’Ockeghem se sert <strong>du</strong> canon comme<br />

principe structurel de sa grande forme. Loin de penser ce type d’écriture comme<br />

un trait idiomatique, une forme de langue naturelle de la musique de son époque<br />

(et qu’il pratique merveilleusement), il en fait l’objet même de son inspiration et<br />

de sa construction, et au fond l’œuvre devient le témoin d’une organisation de la<br />

pensée <strong>du</strong> musicien.<br />

Le programme prévu par Ockeghem ne vise sans doute pas des oreilles humaines:<br />

à qui ne lit pas la musique sur le manuscrit, il est impossible de déceler le double<br />

canon à l’entrée <strong>du</strong> Kyrie I. Mais pour ceux qui l’exécutaient, et qui avaient<br />

sous les yeux l’une des deux versions que nous en avons conservées, le double<br />

canon est sans cesse sous le regard. Dans un des deux manuscrits d’ailleurs, celui<br />

<strong>du</strong> Vatican, le copiste n’a noté que l’air <strong>du</strong> premier canon et l’air <strong>du</strong> second, et<br />

non pas les quatre voix. Il faut entièrement dé<strong>du</strong>ire la partie des «répondants»<br />

directement à vue à partir de quelques indications sommaires, un double signe de<br />

mesure, un petit signe de congruence…<br />

Poursuivre une idée jusqu’au bout, en tirant de tous ses aspects les conséquences<br />

avec minutie et sans «reste», comme on dit d’une division qu’elle est sans reste,<br />

d’un calcul, qu’il tombe juste, tel est sans doute l’un des points saillants de la<br />

rencontre musicale que nous propose ce concert, et que Brice Pauset met également<br />

en avant dans la somme canonique qu’il nous livre. Il a accepté d’évoquer<br />

différents aspects des œuvres proposées au concert.<br />

Entretien avec Brice Pauset<br />

Brice Pauset, nous entendrons au cours de ce concert l’intégrale de vos canons aux côtés de la<br />

Missa Prolationum de Johannes Ockeghem. On sait tout l’intérêt que vous portez de longue<br />

date au canon, ainsi qu’à Ockeghem. La dernière de vos pièces, Neuf canons est dédiée au<br />

pianiste Nicolas Hodges.<br />

C’est bien sûr par amitié pour Nicolas Hodges que je lui ai dédié cette pièce,<br />

mais aussi parce qu’il a donné toutes mes pièces pour piano au cours d’un longue<br />

série de collaborations. J’aime aussi particulièrement sa posture de désaxement<br />

par rapport au fait musical, sa connivence toute particulière avec le passé, que<br />

je partage en grande partie: jouer le répertoire classique en toute actualité, et la<br />

musique contemporaine avec l’autorité d’un répertoire classique. Je me souviens<br />

par exemple de son travail sur un compositeur malheureusement mort très jeune,<br />

Bill Hopkins. Nicolas Hodges a fait une édition scientifique de l’œuvre pour<br />

piano de Bill Hopkins avec une approche musicologique, celle qu’on applique<br />

généralement aux compositeurs morts depuis longtemps.<br />

Ce rapport à l’histoire, que vous partagez, peut-il être mis sur le compte de votre formation<br />

philosophique?<br />

Je suis très partagé là-dessus car au fond, la philosophie n’a pas «besoin» de la musique,<br />

cela lui est strictement égal finalement. En revanche, en tant que musicien,<br />

on peut essayer de se faire une certaine idée, acquérir une certaine formation<br />

76


philosophique pour mieux saisir les enjeux de la musique elle-même et de la<br />

musique en relation avec ce qu’il y a autour d’elle. Effectivement, la musique est<br />

jalonnée de moments où il y a eu des tentatives de reformuler les choses de façon<br />

plus objective que dans le passé: ce sont des périodes-clés, ou encore des figures.<br />

À sa manière, Ockeghem est l’une de ces figures.<br />

Comment concevez-vous le rapport entre les Neuf canons et la Missa Prolationum?<br />

La messe entre en relation avec les Cinq Canons dans leur ensemble. Dans les<br />

Cinq Canons il y a une sorte d’absorption des différents paramètres et dimensions<br />

musicales que l’on trouve également dans la Missa Prolationum, par exemple le<br />

principe de la notation mensuraliste, cette manière très particulière de relier la<br />

notation à la temporalité.<br />

Il y aussi un aspect – qui est d’ailleurs rarement mis en acte, même par Ockeghem<br />

ou par moi-même! – et qui est de traiter un problème dans son entier, par exemple<br />

la question des canons mensuralistes ainsi que les intervalles propres à la liaison<br />

entre les voix, de manière un tant soit peu exhaustive et on le trouve aussi dans<br />

une certaine mesure dans la musique que j’écris.<br />

Cette persévérance de principe vous réunit-elle, au-delà de la distance chronologique, sur le<br />

terrain de l’unité de la pièce?<br />

Je considère en effet qu’il s’agit là chez Ockeghem d’un tour de force qui réside<br />

dans la réalisation de l’unité de la pièce à partir d’un projet à entrées multiples.<br />

Bien qu’on ne puisse pas tout à fait les confondre, le canon et l’imitation représentent<br />

deux techniques très proches, et Ockeghem a fait <strong>du</strong> canon un principe<br />

structurel dont il a tiré les conséquences à l’extrême.<br />

La relation avec Ockeghem vous semble-t-elle essentiellement structurelle, intellectuelle?<br />

La relation, il faut la chercher aussi simplement sur le plan de l’écoute affective<br />

(nb: sensible?). Cette messe, par exemple, n’est pas en rupture avec sa façon de<br />

composer habituelle, qui se présente plutôt sans imitation. On peut y voir un<br />

paradoxe, tant les deux techniques, imitation et canon, semblent proches. Dans la<br />

génération qui suivra immédiatement Ockeghem, on découvre un musicien qui<br />

a su trouver des ponts entre canon et imitation: je pense à Pierre de La Rue dans<br />

l’Agnus II de la Missa «De plus en plus», une pièce où l’instance canon est elle-même<br />

mise en danger <strong>du</strong> point de vue de l’écoute en tous cas et qu’on peut qualifier de<br />

tour de force.<br />

Ce qui m’importe, en outre, c’est que chez Ockeghem, la forme de la pensée se réalise<br />

dans l’écriture. Toute notre notation moderne s’en trouve d’ailleurs questionnée:<br />

si on prend le temps de lire la musique ancienne – celle d’Ockeghem par exemple –<br />

de la façon dont c’est écrit, cela pose des questions y compris sur l’interprétation.<br />

Pensez-vous que ce type d’approche a une incidence sur le son que nous devrions donner à la<br />

musique ancienne?<br />

Il me semble que des interprétations, qui ont fait date en leur temps, présentent<br />

de cette musique une image sonore très lisse, évanescente, presque New Age. Pourtant,<br />

quand on lit les remarques de Praetorius sur la vocalité, on n’a pas le sentiment<br />

de ce chant «planant», désincarné. Il y avait par exemple très certainement<br />

une ornementation. Et curieusement, ici encore, à propos d’historicité, on constate<br />

que les démarches les plus radicales et les plus historiques ont abouti aux résultats<br />

les plus exotiques, comme par exemple les recherches de Marcel Pérès. Il a essayé<br />

de s’adjoindre des recherches plus anthropologiques, et de se demander à quoi sert<br />

la musique dans un moment donné, à qui?<br />

77


Au fond nous revenons sur l’actualité de la musique ancienne…<br />

C’est également vrai pour la figure même <strong>du</strong> compositeur: Ockeghem a su articuler<br />

son existence de façon à préserver son travail de compositeur, et l’on peut faire le<br />

parallèle avec Bach. Il a su aussi se préserver, se désengager de nombre de tâches<br />

alimentaires et représente une des figures modernes de compositeur indépendant<br />

qui a su se composer et garder un espace créatif.<br />

Cet intérêt pour un musicien de la Renaissance, de la part d’un compositeur contemporain,<br />

rappelle un peu celui de Webern, Schoenberg, Berg pour l’Ars Nova et la Renaissance…<br />

Certainement, et l’on se souvient que Webern a soutenu un doctorat sur la musique<br />

d’Heinrich Isaac (~1450–1517). Pour continuer à réfléchir à une possible congruence<br />

entre philosophie et musique, je crois qu’une bonne façon de l’envisager est<br />

celle des invariants: chez les philosophes, il y a des questions contingentes, ren<strong>du</strong>es<br />

possibles par une situation historique donnée. Mais pour qu’il y ait philosophie,<br />

il faut qu’il y ait appui sur des invariants, des concepts. Cela ne va pas de soi<br />

lorsqu’on se tourne vers la musique. Le moment où, en musique, on se pose des<br />

questions est au fond très simple: il faut qu’une première chose soit posée puis<br />

une deuxième, qui par leur différence éclairent la catégorie qu’elles mettent en<br />

œuvre. Qu’il y ait concomitance, cohabitation de catégories: temporalités, hauteurs,<br />

ou autres, quel que soit le sujet, la catégorie envisagée, et quelle que soit la matière<br />

musicale dans laquelle elle s’incarnera, par le biais d’instruments, ou d’électronique,<br />

cela importe peu.<br />

Et pour que ce soit intéressant, il faut que la mise en œuvre de ces catégories soit<br />

capable de prendre en charge le phénomène dans son historicité d’une part,<br />

et manifeste d’autre part l’actualisation <strong>du</strong> concept, la mise en acte <strong>du</strong> concept<br />

aujourd’hui, ce qui peut prendre précisément la forme d’une création contemporaine…<br />

Musicologue (agrégée<br />

et Docteur), maître de<br />

Conférences à l’Université<br />

de Paris-Sorbonne où elle<br />

enseigne la musique de la<br />

Renaissance, Alice Tacaille<br />

poursuit l’exploration de la<br />

place de la musique et <strong>du</strong> fait<br />

musical dans les sociétés <strong>du</strong><br />

16 e siècle, particulièrement<br />

en France. De l’analyse des<br />

œuvres au dépouillement<br />

des archives judiciaires, de<br />

la prononciation <strong>du</strong> français<br />

ancien à l’étude des sources<br />

manuscrites, son travail tente<br />

d’ouvrir des perspectives<br />

renouvelées à la compréhension<br />

de ces musiques<br />

aujourd’hui. Elle co-dirige<br />

l’équipe de recherches<br />

Patrimoines et Langages Musicaux<br />

depuis janvier 2010.<br />

78


Bernhard Lang / Joseph Haydn<br />

Dimanche / Sonntag / Sunday 21.11.2010 18:30 / 20:00<br />

Salle de Musique de Chambre<br />

18:30<br />

Arditti Quartet<br />

Irvine Arditti violon<br />

Ashot Sarkissjan violon<br />

Ralf Ehlers alto<br />

Lucas Fels violoncelle<br />

Bernhard Lang: Monadologie IX «The Anatomy of Disaster» (2009/2010,<br />

commande SWR/Donaueschinger Musiktage et <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg)<br />

Intro<strong>du</strong>zione<br />

Sonata I: «Pater, dimitte illis; non enim sciunt, quid faciunt»<br />

Sonata II: «Amen dico tibi: hodie mecum eris in paradise»<br />

Sonata III: «Mulier, ecce filius tuus, et tu, ecce mater tua!»<br />

Sonata IV: «Eli, Eli, lama asabthani?»<br />

Sonata V: «Sitio»<br />

Sonata VI: «Consummatum est»<br />

Sonata VII: «Pater in manus tuas commendo spiritum meum»<br />

Il Terremoto<br />

~60’<br />

20:00<br />

Auryn Quartett<br />

Matthias Lingenfelder violon<br />

Jens Oppermann violon<br />

Stewart Eaton alto<br />

Andreas Arndt violoncelle<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

back to the future<br />

(«Joseph Beuys 2010 / Mir<br />

wëlle bleiwe wat mir sinn»)<br />

photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />

Technique des Arts et Métiers<br />

Luxembourg-Limpertsberg<br />

(LTAM), voir p. 200 /<br />

siehe S. 200<br />

Joseph Haydn: Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze<br />

(Les sept dernières paroles <strong>du</strong> Christ en Croix) Hob. XX:1B<br />

(für Streichquartett, 1785/1787)<br />

Intro<strong>du</strong>zione<br />

Sonata I: «Pater, dimitte illis; non enim sciunt, quid faciunt»<br />

Sonata II: «Amen dico tibi: hodie mecum eris in paradise»<br />

Sonata III: «Mulier, ecce filius tuus, et tu, ecce mater tua!»<br />

Sonata IV: «Eli, Eli, lama asabthani?»<br />

Sonata V: «Sitio»<br />

Sonata VI: «Consummatum est»<br />

Sonata VII: «Pater in manus tuas commendo spiritum meum»<br />

Il Terremoto<br />

~50’<br />

82


Die Frage nach dem Original<br />

Die Monadologie IX und Die sieben letzten Worte<br />

Bernhard Lang im Gespräch mit Bernhard Günther<br />

Auf den Noten deines neuen Streichquartetts mit dem Titel Monadologie IX «The Anatomy<br />

of Desaster» steht – entsprechend deiner Neigung zu <strong>du</strong>rchnummerierten Werkgruppen und<br />

zu Abkürzungen – «M_IX». Das ist einerseits ein Zufall, andererseits nicht unbezeichnend<br />

für deine Musik. Das Mischen von Dingen, die <strong>du</strong> zusammenbringst, zieht sich <strong>du</strong>rch viele<br />

deiner Werke, eines deiner Stücke heißt sogar Remix. Was hat die Monadologie IX mit<br />

dem Phänomen des Zusammenmischens von Dingen zu tun?<br />

Die Monadologie IX ist ein Remix, nur würde ich es niemals so nennen (ich wurde<br />

heute schon einmal darauf angesprochen), weil der Remixvorgang mehr oder<br />

weniger auf eine neue Ebene verschoben wurde. Dahingehend, dass ich in früheren<br />

Stufen Audiosamples prozessiert, remixed habe – ich hätte früher quasi Haydn<br />

aufgenommen, geloopt, granuliert, gefiltert, was auch immer. Der Zwischenzustand<br />

war dann das: In der Mitte der 2000er habe ich angefangen, Samples zu<br />

transkribieren, d.h. ich habe Samples in automatische Transkriptionsprogramme<br />

geschickt und diese dann wieder musikalisch als Partituren weiterverarbeitet.<br />

Ein Anknüpfungspunkt dieser Transkriptionen war übrigens Philip Jeck, der im Schlusskonzert<br />

der rainy days zu hören ist…<br />

…und für den ich jetzt gerade wieder ein neues Stück schreibe, mit dem [Ensemble]<br />

Alter Ego, ein einstündiges Werk, Tables are Turned, das eigentlich ein Remix-<br />

Stück ist, für nächstes Jahr. Also, das Thema Remix zieht sich eigentlich <strong>du</strong>rch<br />

das ganze Stück <strong>du</strong>rch, nur ist es hier so, dass der Klang zunächst aus der Partitur<br />

gezogen wird, das Sample wird aus der Partitur gezogen, d.h. ich lege die Partitur<br />

auf einen Scanner. In den Computer kommt ein MIDI-File. Und dieses MIDI-File<br />

prozessiere ich ganz genau so, wie ich früher die Audiosamples prozessiert habe.<br />

Ich übertrage quasi Techniken des Audiosamplings, des Audio-Scratchings und<br />

-granulierens auf Partiturkontexte.<br />

Das lässt sich zum Teil sehr gut hören, z.B. am Beginn der Sonata VI «Consumatus<br />

est», die so federleicht beginnt, und man merkt nach einigen Sekunden, dass das eigentlich<br />

Haydn’sche Harmoniefolgen sind.<br />

Das ist quasi ein Originalsample, das aber granuliert wird: Das Sample wird zum<br />

Beispiel schrittweise wiederholt mit einem Offset, es rückt immer ein Stückchen<br />

weiter, und das ist eigentlich ein Vorgang, der vom Vinyl her kommt, von den<br />

Turntables. Nur, der Vorgang ist wie gesagt so abstrakt, dass ich es nicht mehr als<br />

Remix bezeichnen würde, weil das niemand mehr verstehen würde, wenn ich es<br />

nun Remix nenne.<br />

Die Spannweite zwischen einem ganz klar erkennbaren Zitat (wie zum Beispiel dem im<br />

Terremoto, im abschließenden Satz kurz aufblitzenden, ganz glasklaren Haydn-Zitat) und<br />

dem, was quasi wie eine hängen gebliebene CD oder DVD klingt, ist relativ groß. Es gibt<br />

viele Formen der Wiederholung: aufgefächerte, mehrschichtig übereinander gelagerte, leicht<br />

veränderte, immer mehr verzerrte Wiederholungen… Das Ganze ist entstanden mithilfe<br />

eines Computerprogramms, an dem <strong>du</strong> seit vielen Jahren arbeitest. Wie weit unterschiedet<br />

Das Gespräch fand<br />

am 15.10.2010 in<br />

Donaueschingen statt.<br />

89


sich jetzt diese Monadologie IX von den vorigen Werken, einerseits von den früheren<br />

Monadologien und dann auch von der Differenz/Wiederholung-Serie, wo die Wiederholungen<br />

noch sehr klar und blockhaft nebeneinander stehen?<br />

Es gibt in diesem Stück sozusagen eine Erinnerung an die Differenz/Wiederholung-<br />

Serie, wo zum Schluss sieben Mal dieses merkwürdige Motiv erklingt. Das ist wie<br />

aus der alten Serie herausgeholt, als Epilog. Aber der wesentliche Unterschied zur<br />

Differenz/Wiederholung-Serie ist, dass die Einzelwiederholungen alle mutierend<br />

fortschreiten, und es ist jede Wiederholung gegenüber der vorhergehenden einem<br />

iterierten Mutationsprozess unterzogen, d.h es verästelt sich alles ununterbrochen,<br />

es ist praktisch keine Wiederholung irgendwie identisch. Das äußert sich schon in<br />

der Notation, dass das Wiederholungszeichen mit «Wiederholung drei Mal» nicht<br />

mehr existent ist, sondern dass das ein ausgeschriebener Wiederholungsprozess ist,<br />

der mit unglaublich vielen Verschiebungen und auch tonalen Differenzierungen<br />

arbeitet. Bei der Differenz/Wiederholung-Serie habe ich ein Sample als Sample genommen,<br />

und in einem Sample kann man wieder rauf- und runtertransponieren,<br />

aber ich kann den Inhalt des Samples nicht verändern. Jetzt verändern die<br />

Maschinen wirklich, wie <strong>du</strong> erkannt hast, verzerrend, sie können quasi den<br />

Inhalt wirklich verzerren, mutieren, Metamorphosen <strong>du</strong>rchlaufen lassen, d. h ich<br />

differenziere jetzt also nicht nur die Zeit, sondern auch die Tonhöhengestaltung.<br />

Es gibt zumindest zwei Sachen, die sich beim Hören – bei allen Parallelitäten in der Form<br />

und im Ausgangsmaterial – auch abgesehen von diesen genannten Mutations-Remix-<br />

Verarbeitungsprozessen ganz klar von Haydn unterscheiden. Das eine sind formale Abläufe,<br />

die ganz anders passieren als bei Haydn, und das andere ist der Ausdrucksgehalt – ich<br />

benutze jetzt mal ganz bewusst dieses klassisch musikanalytische Wort «Ausdrucksgehalt»,<br />

denn die Musik ist sehr ausdrucksstark. Auch wenn es beispielsweise eine Fläche gibt, wo<br />

der Klang und der Gestus und die Harmonie, wie schon gesagt, ‹hängen bleiben›, gibt es<br />

anschließend eine Generalpause, einen Bruch, es kommt etwas völlig Neues, das vollkommen<br />

anders wirkt. Auf den ersten Satz, die Intro<strong>du</strong>ktion mit ihren im Gewühl aufblitzenden<br />

Akkorden, folgt der zweite Satz, der fast statisch leise beginnt, in ständiger Bewegung bleibt,<br />

viele liegende Klänge plus Pizzicati; dann der dritte, der als erkennbares Zitat beginnt,<br />

aber sehr ruhig, und erst nach vier Minuten kommt etwas Bewegung auf; der vierte Satz,<br />

der völlig anders klingt, sehr leise, lange liegende Flageolett-Akkorde. Es gibt immer wieder<br />

Momente im Stück – zum Beispiel bei der Sonata VI «Consumatus est» oder bei der<br />

Sonata VII – wo man sich denkt: «Oh, das klingt jetzt wieder völlig anders als alles, was<br />

wir bislang hatten». Dieses Spiel mit den Ausdruckscharakteren, das (wenn man die banale<br />

Erklärung zu dem Haydn-Stück nimmt, nämlich «es sind einfach neun langsame Sätze»,<br />

was so ja auch nicht ganz stimmt) auf den ersten Blick mit Haydn nichts zu tun hat – da<br />

entsteht bei mir der Verdacht, dass <strong>du</strong> das doch nicht einfach ‹nur so› gemacht hast, weil <strong>du</strong><br />

dir gedacht hast: «and now for something completely different», sondern dass das schon auch<br />

aus der Beschäftigung mit dem Ausgangsmaterial entstanden ist.<br />

Absolut. Ich muss ehrlich sagen: Das Ausgangsmaterial, der Charakter der Sätze,<br />

hat mich zunehmend vereinnahmt und zu einem Dialog aufgefordert. Wo es heißt:<br />

«Vater, Vater, warum hast <strong>du</strong> mich verlassen» und so weiter – das sind einfach<br />

Dinge, die sofort persönliche Assoziationen wecken, ob man will oder nicht. Auch<br />

wenn man in einer ganz technischen Arbeit, in einer Recherche begriffen ist,<br />

kommen diese Dinge immer mehr rein und erzeugen natürlich eine Art Dialog.<br />

Ich hatte das Gefühl, ich spreche mit Haydn in gewisser Hinsicht, indem ich<br />

seinen Text überschreibe, und da rutschen auch Subtexte herein, die dann an die<br />

Oberfläche kommen. Was mich zum Beispiel an der Schöpfung unglaublich gestört<br />

hat, war diese Ausbruchslosigkeit, dieses im Wohlgefallen Verharren, das für mich<br />

unerträglich ist. Und der abgängige Satan in der Schöpfung, der schon irgendwo<br />

aufs Tapet treten muss, diese luziferische Kraft…<br />

Es gibt das Gewürm.<br />

90


Das Gewürm gibt es, ok, aber in einer dramaturgisch nicht wirklich… Es gibt das<br />

Wehklagen der gefallenen Engel, aber der Meister kommt nicht vor.<br />

Zur Dramaturgie des Haydn-Streichquartetts.<br />

Die ist mystisch, eine mystische Dramaturgie. Man steht im Kontext der gesamten<br />

Quartettgeschichte der damaligen Zeit einem Rätsel gegenüber. Dass jemand<br />

sagt: «Wie kann so ein Stück aus so vielen langsamen Sätzen überleben?», und<br />

dann zum Abschluss das Erdbeben, das quasi wie ein letzter Anhang dranhängt,<br />

das eigentlich nur wie ein Kommentar ist, dass bei Christi Tod die Erde zu<br />

zittern beginnt, und das aber gestisch vollkommen aus dem bisher Dagewesenen<br />

herausfällt – das hat eine ganz hohe Rätselhaftigkeit. Es gibt ja auch Zitate von<br />

Haydn selbst, wo er die Tragfähigkeit dieser acht langsamen Sätze <strong>du</strong>rchdenkt.<br />

Soviel ich weiß, hat es auch Texte gegeben, die zwischen den einzelnen Sätzen<br />

gesprochen wurden. Das war für mich schon eine Herausforderung: Was ist mit<br />

dem Stück los, was ist dahinter für ein Geheimnis verborgen? Diese schaurige<br />

Thematik, und dann mit Es-Dur-Sätzen und B-Dur-Klägen, die so rokokomäßig<br />

heiter daherkommen – da muss irgendetwas Besonderes dahinter sein, es muss<br />

irgendein verborgener Code sein, der hier wirkt. Und in diesem Dialog mit den<br />

Ausgangstexten tauchen dann diese Katastrophen auf, dieses katastrophische Element,<br />

das mich in diesen Stücken so stark interessiert hat – dass solche Entwicklungen<br />

plötzlich dem Unfassbaren begegnen und aufbrechen oder hängen bleiben<br />

oder wie auch immer.<br />

Diese katastrophischen Episoden, die, wenn ich das richtig sehe, auch mithilfe des Computers<br />

systemtheoretisch, wissenschaftstheoretisch simuliert und in<strong>du</strong>ziert werden, also zum<br />

Beispiel das wie bei einem Herzinfarkt plötzliche Zusammenbrechen der Komplexität und<br />

Hängenbleiben – hast <strong>du</strong> die bei Haydn in gewisser Weise auch schon gefunden?<br />

Nein. Bei Haydn ist das noch viel zu sehr im höfischen System gefangen. Da steht<br />

vom Ausdruckssystem her die höfische Maske vor allem. Zu diesem Zeitpunkt<br />

gibt es das romantische Ausdrucksempfinden, das um 1800 auftritt und im Sturm<br />

und Drang irgendwie schon propagiert wird, noch nicht. Es gibt bei Haydn die<br />

Überraschung, das überraschende Moment, die plötzliche Mo<strong>du</strong>lation in eine<br />

ganz entfernte Tonart, die für die damalige Zeit sicherlich schon katastrophischen<br />

Charakter hatte. Für das damalige Ohr um 1780 hatte das den Charakter eines<br />

Schocks. Auch die Verwen<strong>du</strong>ng des übermäßigen Quintsextakkords oder übermäßigen<br />

Terzquartakkords war schon eine kleine Katastrophe, etwas ganz Besonderes.<br />

Oder ein Trugschluss oder ähnliches, das waren die kleinen Rufzeichen. Aber<br />

darüber hinaus ist man in der Ausdruckswelt dieser Zeit, der Klassik, des klassischen<br />

Menschenbilds, nicht gegangen, weil das, besonders vor 1789, in diesem Gesellschaftmodell<br />

bleiben muss. Das heißt, die Katastrophe, die ich inszeniere, schaut<br />

einfach anders aus: Das ist wirklich ein Herzinfarkt, ein Systemkollaps – etwas,<br />

was das System an sich angreift und infrage stellt, ein neues Spannungsverhältnis<br />

generiert. Etwas, was natürlich im Lauf dieser Studien mit diesen zellulären Automaten<br />

[am Computer] auch tatsächlich immer wieder auftaucht: Dass sich das<br />

System über zwanzig Iterationen entwickelt, und plötzlich fällt alles zusammen<br />

und es bleibt in einer Figur hängen.<br />

Das ‹Hängenbleiben› als schöne Stelle – das ist ein Phänomen, das zum Beispiel von einem<br />

der großen ‹Smash Hits› der neuen Musik bekannt ist: von Mouvement (– vor der Erstarrung)<br />

von Helmut Lachenmann (der übrigens auch im Rahmen des Festivals rainy days<br />

ausführlich zu hören sein wird – Accanto in Kombination mit Mozarts Klarinettenkonzert,<br />

und nahezu das gesamte Klavierwerk). Bei Mouvement (– vor der Erstarrung) hatte ich<br />

immer ein bisschen den Eindruck, dass es eine Art Missverständnis ist, dass viele das für<br />

Lachenmanns wirkungsvollstes, effektvollstes, schönstes Stück halten, denn ich glaube, dass<br />

gerade der Moment der Erstarrung von vielen genossen wird. Wie ist das zum Beispiel am<br />

Schluss der Monadologie IX: Ist das ein Happy End, wenn sich plötzlich alles koordiniert,<br />

alles in einem gemeinsamen Raster ist, alles regelmäßig wird?<br />

91


Das war für mich eigentlich ein Witz. Für mich ist das ein Joke, der da zum Schluss<br />

kommt. Ich habe das mehr oder weniger in dem Gedanken gemacht: so, jetzt,<br />

wo das vorbei ist … da habe irgendwie auf die alte Serie zurückgeschaut, darauf,<br />

wie ich früher mit Loops umgegangen bin, und wie das sozusagen in dem Stück<br />

verschwindet. Eigentlich ist das Stück schon vorher aus: Mit dieser Haydn-Triolen-<br />

Stelle bricht es irgendwie ab, und dann ist es quasi nochmal ein Zitieren einer<br />

Maschine, eines maschinellen Apparates, wo alle sozusagen ein Ding sind und<br />

das Ding – wie ein Uhrwerk, das zu Ende geht – einfach stehen bleibt. Und dieses<br />

Selbstzitat von einem nicht gescratchten «Dead Loop» – diese Schallplatte, die<br />

sich im Kreis dreht, und irgendjemand zieht den Regler einfach runter –, das war<br />

fast wirklich ironisch als Schlusspunkt hineingesetzt.<br />

Hat sich, in den Dialogen zwischen dir und Joseph Haydn, Haydn je über dich beschwert?<br />

Nicht dass ich wüsste.<br />

Habt ihr gestritten?<br />

Ich habe eher ihm immer vorgeworfen, dass ich ihn nicht verstehe, habe gesagt:<br />

«Ich kann viele Dinge einfach nicht verstehen.» Wie man menschliches Leiden<br />

und eine Hinrichtung mit dieser Leichtigkeit, solchen Übertitelungen, solch<br />

leichten Farben zeichnen kann, und dabei das Gesicht bewahrt. Das war natürlich<br />

ein Missverständnis, ich verstehe das jetzt viel besser. Das hängt mit unserem Verständnis<br />

der Tonarten im 18. Jahrhundert zusammen. Das hat man zu der Zeit<br />

anders verstanden als heute. Dass «<strong>du</strong>rus» oft wirklich vom Wort her «etwas Hartes»<br />

heißen kann, dass das Dur-Geschlecht tatsächlich etwas Hartes, Schmerzvolles<br />

sein kann. Und einfach die Erkenntnis, dass Haydn ein unglaublich vielschichtiger<br />

Mensch war, mit vielen persönlichen Geheimnissen, der nach außen hin sich<br />

wahrscheinlich hinter einer Art von Harmlosigkeit versteckt hat. Wahrscheinlich,<br />

wenn man seine Geschichte anschaut – seine ganze Chorknaben-Geschichte ist<br />

eine einzige Camouflage. Da hat er in einer Camouflage gelebt und hat sein<br />

Auskommen mit Betrügerei gefunden. Und ich glaube auch seine Geschichte<br />

mit der Sängerin und den Söhnen und all diesen Sachen, die so in Parallelwelten<br />

abgelaufen sind, nach außen hin immer im Takt geblieben sind – diese fast unterwürfige<br />

Treue, bei seinem Herrn zu bleiben und dort sein Auskommen zu fristen,<br />

obwohl er die ganze zweite Hälfte des Jahrhunderts erfunden hat, kompositionstechnisch…<br />

Das ist für mich ein Mensch, der viele Oberflächen hat und viele<br />

Schichten darunter, und das habe ich in der Arbeit mit dem Stück erkannt. Oder<br />

meine ich zu erkennen. Vielleicht stimmt das alles ja auch gar nicht.<br />

Für einen heute arbeitenden Komponisten hält Haydn was bereit an Lernmöglichkeiten,<br />

Hilfsmitteln, Anregungen, Widerspruchsgelegenheiten?<br />

Im Rahmen des Systems aus dem System zu springen; dass es selbst im restriktivsten<br />

System immer Möglichkeiten gibt, aus dem System heraus zu springen.<br />

Dann die niemals versiegende Experimentierfreude, trotz aller Vorschriften und<br />

stilistischer Eingrenzungen. Die Nicht-Orientierung an zeitlichen Moden, sondern<br />

eher das dauernde Streben nach der Formulierung der eigenen Sprache. Die<br />

Perfektionierung einer eigenen Idee, die er vielleicht 30 Jahre vorher entdeckt hat<br />

und die er dann wirklich konsequent ausarbeitet. Ich glaube, das sind wirklich<br />

vorbildhafte Sachen. Aber auch strukturelles Denken – die Monothematik als<br />

Bild des Organischen, das ist sicherlich ein sehr starker struktureller Gedanke, und<br />

wenn man die monothematischen Verfahrensweisen Haydns <strong>du</strong>rchleuchtet, dann<br />

merkt man, wie viel intellektuelle Kraft dahinter steht und am Wirken ist, um<br />

dieses auch im Detail auszuführen. Ich glaube, das sind alles Sachen, bei denen er<br />

unglaublich ertragreich ist. Andererseits: Als wir [mit dem Kabinetttheater Wien]<br />

damals [2009] das Musiktheater mit Puppen gemacht haben, Haydn in der Hölle,<br />

das dann offiziell Haydn bricht auf hieß, war das von der Erkenntnis begleitet:<br />

«Haydn ist super fad. Der hat in seiner Person keine Skandale, er wühlt nicht<br />

92


auf, er ist so bescheiden, er ist so brav … was fangen wir mit dem überhaupt an,<br />

repräsentativ, auf dem Musiktheater?» (Abgesehen davon, dass Haydn selbst sehr<br />

viele Puppenopern komponiert hat.) Und das liegt eben daran, dass Haydn keine<br />

Person für den ersten Blick ist. Er ist ein komplexeres Wesen, vielschichtiger,<br />

jemand, der in der Repräsentation schlechter funktioniert als im geheimnisvollen,<br />

introspektiven Erfindertum.<br />

Klammer auf: Es gab in seiner Jugend ein paar Momente, wo er sich bewusst erlaubt hat,<br />

außer Kontrolle zu geraten. Olga Neuwirth hat sich für die Eröffnung des Festivals rainy<br />

days dieses Jahr eine Collage einfallen lassen mit 100 Musikern auf einem Platz in der Stadt<br />

Luxemburg, die inspiriert ist von einer Aktion, die Haydn als 20-Jähriger gemacht hat:<br />

Er hat alle möglichen Freunde und Bekannten gebeten, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf<br />

einem bestimmten Platz zusammenzukommen, jeder spielte das, was ihm gerade einfiel,<br />

und die Aktion dauerte so lange, bis die Polizei kam, der es nur gelungen ist, die Pauke zu<br />

verhaften.<br />

Klar, aber man darf nicht vergessen, dass das konzeptuell gesehen das ein Jugendstreich<br />

ist, das hatte auf sein Werk und auf seine Herangehensweise so viel Einfluss<br />

[er zeigt mit Daumen und Zeigefinger eine Distanz von Null]. Wenn er das in<br />

irgendeiner Weise in sein Werk integriert hätte… Haydn war ein Schelm, das ist<br />

ganz klar. Aber das ist ein inszenierter Jugendstreich, und ich glaube, da hat er sich<br />

von seinen Zeitgenossen nicht wesentlich unterschieden, dass sie damals solche<br />

Faxen angestellt haben. Es gibt so viele Geschichten von dieser Chorsingerei –<br />

was die da alles manövriert haben. Aber nach außen hin: guter Junge. Massenszenen,<br />

wo er Tumult organisiert, gibt es in seinem Werk keine. Im Werk ist er dem Tumult<br />

fern. Bei Haydn ist es sogar umgekehrt: Je mehr er Massenstruktur verwendet,<br />

desto ziviler wird er. Also gerade die großen Sinfonien und Chorwerke sind<br />

wesentlich ziviler als seine Klaviersonaten und Streichquartette, in denen seine<br />

Paradigmenbrüche enthalten sind.<br />

Trotz gelegentlicher Überraschungen auch in den Sinfonien.<br />

Ja, aber viel geringerer Art. Das, was in den «Sonnen-Quartetten» vorkommt oder<br />

in den späten Sonaten, das kommt in keiner Sinfonie vor. Die Sinfonie, die Großstruktur,<br />

ist zu der Zeit noch Repräsentationsstruktur. Das ist noch nichts für die<br />

«Könner und Kenner».<br />

Eine letzte Frage: Ich weiß, dass es sehr vieler Erklärungen bedarf, wenn man einem heutigen<br />

Publikum beispielsweise Musik aus der Barockzeit vermitteln will (wir haben von der Schockwirkung<br />

gesprochen). Es ist seit Haydns Streichquartett sehr viel Zeit ins Land gegangen.<br />

Ist die Monadologie IX ein bisschen der Versuch einer Übersetzung in die Gegenwart<br />

für ein heutiges Publikum, oder sind es zwei Stücke, bei denen sich die Hörsituation der Uraufführung<br />

der Sieben letzten Worte niemals mit der Situation der Uraufführung am<br />

15. Oktober 2010 in Donaueschingen oder der Aufführung am 21. November in der<br />

<strong>Philharmonie</strong> Luxembourg vergleichen lassen wird?<br />

Ich glaube, das sind zwei fensterlose Monaden, diese beiden Ereignisse. Und ich<br />

glaube, dass man die Monadologie IX, die ich von jetzt an immer M_IX nennen<br />

werde, auch ohne Kenntnis des Haydn-Stücks sehr wohl hören kann – und dass<br />

man auch erahnen kann, um was es hier geht. Aber es ist keine Neudeutung<br />

von Haydn, kein Versuch, Haydn in die Jetztzeit zu bringen. Das ist sicherlich<br />

auch gleichzeitig ein bisschen der Schwachpunkt: dass man das Referenzsystem<br />

einerseits voraussetzt, aber dass man andererseits genau weiß, dass es ganz selten<br />

in der Rezeption vorhanden ist.<br />

Man ist beim Hören immer ein wenig auf der Suche nach dem Haydn-Klang.<br />

Das ist interessant. Ich habe immer Angst gehabt, dass ich ihn zu viel ‹raushängen›<br />

lasse. Wenn man die Partitur ansieht, ist so viel Original-Haydn drin, dass ich<br />

93


mich manchmal wirklich erschreckt habe – wirklich ganze Passagen Original-<br />

Haydn. Nur, wie gesagt, ist es natürlich dann eben rein intoniert, mit Viertel- und<br />

Sechsteltönen, das verändert den Klang komplett, man erkennt es nicht mehr.<br />

Oft ist das Ganze in Flageolett-Tönen drei Oktaven nach oben transponiert, der<br />

gleiche Haydn-Satz. Aber das ist auch für mich diese Unsicherheit in den Monadologien<br />

gewesen: Einerseits Monadologien zu schreiben, die auf meine eigenen<br />

Materialien zurückgreifen und dann andere, die auf historische Materialien zurückgreifen.<br />

Es ist in dem Diskurs, wenn man solche Remixes macht, immer die Frage<br />

nach dem Original. Wie referenziere ich das Original? Setze ich das beim Zuhörer<br />

voraus, ist es recht, wenn er es kennt, ist es notwendig, dass er es kennt, oder ist<br />

es ohnehin schon vollkommen egal? Das sind Dinge, die sind ein wenig ungelöst.<br />

Wie definiert man überhaupt ein Remix, wenn das Original verschwunden ist?<br />

Das kann man bei dieser Art von Musik teilweise fortsetzen: Ich habe in Dresden<br />

zwei Richard-Strauss-Remixes gemacht [Monadologien II & III] – mit dem<br />

Problem, dass den Richard Strauss niemand mehr erkannt hat, obwohl dort<br />

Original-Zitate drin waren. Die Orchestermusiker haben es erkannt, haben gelacht<br />

und gesagt: «das ist ja Don Quixote rauf und runter», aber die Leute haben es<br />

nicht mehr erkannt, obwohl sie sich als Strauss-Kenner bezeichnen. Und in dieser<br />

Hinsicht ist das natürlich ein schwieriges Spiel. Nur in dem Fall, wenn man das<br />

Thema Streichquartett in den Raum setzt, ist es recht einfach, denn da führen alle<br />

Wege nach Haydn.<br />

Darf ich nach der letzten noch eine allerletzte Frage stellen?<br />

Ja.<br />

Welche kompositorischen Arten, im 20. und 21. Jahrhundert mit der Vergangenheit<br />

umzugehen, haben dich besonders beeindruckt?<br />

Philip Jeck, Helmut Lachenmann, John Cage. Dieb13. Und Martin Arnold.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

[Nachsatz beim Verlassen des Interview-Raums:]<br />

Es hat mich schon etwas gewundert, dass <strong>du</strong> bei dem, was man als Komponist von Haydn<br />

lernen kann, nicht den Humor genannt hast.<br />

Humor kann man nicht lernen. Den hat man, oder man hat ihn nicht.<br />

94


Noise Watchers<br />

Mercredi / Mittwoch / Wednesday 24.11.2010 20:00<br />

Église Saint-Martin, Dudelange<br />

Francesco Filidei orgue<br />

Luciano Berio: Fa – Si (1975)<br />

8’<br />

Giovanni Damiani: Invece di una fuga cerchi concentrici intorno a<br />

«malheur me bat» (création / Uraufführung)<br />

8’<br />

Philipp Maintz: ferner, und immer ferner (2007/2008)<br />

16’<br />

—<br />

Claude Lenners: Quasimodo (2004)<br />

10’<br />

Toshio Hosokawa: Cloudscape (2000)<br />

7’<br />

Iannis Xenakis: Gmeeoorh (1974)<br />

18’<br />

Organisé par Noise Watchers Unlimited a.s.b.l.<br />

en coopération avec le Festival International de Musique d’Orgue, Dudelange (FIMOD) et la <strong>Philharmonie</strong><br />

100


Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />

Vendredi / Freitag / Friday 26.11.2010 20:00<br />

Grand Auditorium<br />

Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />

Roland Kluttig direction<br />

Shizuyo Oka clarinette<br />

Johann Sebastian Bach: Das Musikalische Opfer (L’Offrande musicale)<br />

BWV 1079. N° 5: Ricercar (arr. Anton Webern) (1747/1934/1935)<br />

8’<br />

Anton Webern: Sechs Stücke für großes Orchester op. 6 (1909)<br />

Etwas bewegte Achtel<br />

Bewegt<br />

Zart bewegt<br />

Langsam<br />

Sehr langsam<br />

Zart bewegt<br />

13’<br />

Wolfgang A. Mozart: Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur (la majeur)<br />

KV 622 (~1787?/1791)<br />

Allegro<br />

Adagio<br />

Rondo: Allegro<br />

25’<br />

—<br />

Einführung mit Helmut Lachenmann (D)<br />

Helmut Lachenmann: Accanto. Musik für einen Klarinettisten mit Orchester<br />

(1975–1976)<br />

29’<br />

Dans le cadre de «Orchestres en fête!»<br />

En coopération avec le Lycée classique de Diekirch, Luxemburger Wort et login:music –<br />

le département é<strong>du</strong>catif de l’Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

back to the future<br />

(«A tribute to Thomas Ruff:<br />

Nacht, 1992»)<br />

photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />

Technique des Arts et Métiers<br />

Luxembourg-Limpertsberg<br />

(LTAM), voir p. 200 /<br />

siehe S. 200<br />

Orchestres<br />

en fête<br />

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«75 e anniversaire de Helmut Lachenmann»<br />

Samedi / Samstag / Saturday 27.11.2010 19:00 / 20:00 / 21:00 / 22:00<br />

Salle de Musique de Chambre<br />

Elizabeth Keusch, Sarah Wegener soprano<br />

Helmut Lachenmann, Klaus Steffes-Holländer, Yukiko Sugawara,<br />

Cornelis Witthoefft piano<br />

Experimentalstudio des SWR / Joachim Haas réalisation électronique<br />

19:00<br />

Johann Sebastian Bach: Präludium N° 1<br />

(Das Wohltemperierte Klavier I BWV 846) (–1722) – 2’<br />

Frédéric Chopin: Prélude en ut majeur (C-Dur) op. 28 N° 1 (Agitato)<br />

(1836–1839) – 1’<br />

Frédéric Chopin: Prélude en la mineur (a-moll) op. 28 N° 2 (Lento)<br />

(1836–1839) – 2’<br />

Franz Schubert: «Nacht und Träume» (Mignon) op. 43 N° 2 D 827<br />

(Matthäus von Collin, –1823) – 4’<br />

Helmut Lachenmann: 5 Variationen über ein Thema von Franz Schubert<br />

(Deutscher Tanz cis-moll [ut dièse mineur] D 643 N° 1) (1956) – 6’<br />

Helmut Lachenmann: Wiegenmusik (1963) – 4’<br />

Helmut Lachenmann: Guero (1970/1988) – 4’<br />

Georg Friedrich Haas: … wie stille brannte das Licht für Sopran und Klavier<br />

mit Texten von Georg Trakl, Theodor Storm, August Stramm und Else<br />

Lasker-Schüler (2009, création / Uraufführung) – 15’<br />

20:00<br />

Claude Debussy: Children’s Corner: 1. Doctor Gra<strong>du</strong>s ad Parnassum<br />

(1906–1908) – 2’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 1. Hänschen klein (1980) – 1’<br />

Claude Debussy: Children’s Corner: 2. Jimbo’s Lullaby – 3’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 2. Wolken im eisigen Mondlicht – 2’<br />

Claude Debussy: Children’s Corner: 3. Serenade for the Doll – 3’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 3. Akiko – 1’<br />

Claude Debussy: Children’s Corner: 4. The Snow is Dancing – 2’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 4. Falscher Chinese, ein wenig<br />

besoffen – 2’<br />

Claude Debussy: Children’s Corner: 5. The Little Shepherd – 2’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 5. Filterschaukel – 5’<br />

Claude Debussy: Children’s Corner: 6. Golliwog’s Cake-Walk – 2’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 6. Glockenturm – 2’<br />

Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 7. Schattentanz – 4’<br />

21:00<br />

Mark Andre: iv 1 pour piano – für Yukiko Sugawara und Helmut Lachenmann<br />

(2009/2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création /<br />

Uraufführung) – 18’<br />

Helmut Lachenmann: Got Lost (Sarah’s Song) für Sopran und Klavier<br />

(2007–2008) – 26’<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

Helmut Lachenmann<br />

photo: Astrid Karger<br />

22:00<br />

Luigi Nono: sofferte onde serene pour piano et bande magnétique (1976) – 14’<br />

Helmut Lachenmann: Serynade. Musik für Klavier (1997–1998) – 30’<br />

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Schönheit?<br />

Zu Schubert, Webern, Alban Berg und «… wie stille brannte das Licht»<br />

Georg Friedrich Haas im Gespräch mit Bernhard Günther<br />

Wenn <strong>du</strong> dir aus der Musikgeschichte eine Sammlung von Wahlverwandten zusammenstellen<br />

könntest, mit denen <strong>du</strong> dich besonders intensiv auszutauschen die Gelegenheit hättest,<br />

wer läge da nahe?<br />

Mit dem Ausdruck «Wahlverwandtschaften» tu ich mich schwer, denn wenn man<br />

– um einen Komponisten zu nennen, der im Programm [des Konzerts am<br />

27.11.2010] vorkommt – manche Werke von Franz Schubert hört oder liest, dann<br />

fragt man sich, woher man überhaupt den Mut nimmt, noch einen Bleistift in die<br />

Hand zu nehmen beziehungsweise Noten in den Computer zu tippen. Aber es<br />

gibt eine Reihe von Komponisten, denen ich mich sehr eng verbunden fühle. Am<br />

deutlichsten erkennt man das vielleicht an denjenigen, mit deren Werken ich mich<br />

unmittelbar kompositorisch auseinandergesetzt habe. Das sind in chronologischer<br />

Reihenfolge bis jetzt Josquin Desprez, Mozart, Schubert, Mendelssohn und<br />

Skrjabin.<br />

Diese Auseinandersetzungen reichen von der Instrumentation bis zur Verwen<strong>du</strong>ng des<br />

gleichen Instrumentariums. Morgen steht bei den Donaueschinger Musiktagen die Uraufführung<br />

eines Werks für sechs Klaviere im Zwölfteltonabstand und Orchester auf dem<br />

Programm. Auch dieses Phänomen «sechs Klaviere im Zwölfteltonabstand» ist nicht ohne<br />

Anknüpfungspunkte…<br />

…zu Ivan Wyschnegradsky…<br />

…ich möchte es noch weiter fassen: zum Archiv dessen, was Komponisten bislang erfunden<br />

und geprägt haben. Dieses Spektrum der Arten von Auseinandersetzung mit Musik, die<br />

es schon gibt, hast <strong>du</strong> ziemlich weit <strong>du</strong>rchschritten. Was waren für dich Erfahrungen dabei,<br />

beispielsweise bei den Instrumentationen von Schubert?<br />

Ich fühle mich da auch schon nicht wohl, wenn man dazu Instrumentation sagt.<br />

Denn Torso – diese Beschäftigung mit Schuberts C-Dur-Sonate [D 840, 1825], das<br />

sicher das umfangreichste meiner Werke ist unter denen, die sich mit anderen<br />

Stücken auseinandersetzen – ist zwar, wenn man das in eine Schublade stecken<br />

möchte, eine Instrumentation, aber eigentlich ist es eine Klangfarbenkomposition<br />

auf der Basis der Schubert-Vorlage und vor allem auch auf der Basis der Analyse<br />

des Notentextes. Die Vorgaben bei jedem einzelnen Stück sind ganz andere. Wie<br />

gesagt, Torso, das ist eine Sonate, an deren Komposition Schubert gescheitert ist,<br />

weil das, was er sich erträumt hat, in der Sprache des frühen 19. Jahrhunderts noch<br />

nicht lösbar war. Nur ein Beispiel: Er bringt eine variierte Wiederholung eines<br />

Menuett-Satzes, und diese variierte Wiederholung ist einen Halbton höher als das<br />

Original. Und sobald die Tonalität auf diese Art gesprengt ist, kann auch der dritte<br />

Satz der Sonate nicht mehr zu Ende geführt werden. Und da ist jetzt die Frage:<br />

Wie können wir das heute wahrnehmen? Gerade dieses Beispiel, eine Phrase einen<br />

Halbton höher zu wiederholen, kennen wir als Modell trivialer Unterhaltungsmusik,<br />

und wir können eigentlich nicht mehr emotional nachvollziehen – nicht mal ich<br />

kann das mehr –, welch revolutionärer Akt das ist, dass Schubert Dinge macht,<br />

die eben zufällig 150 Jahre später im deutschen Schlager als Trivialrepertoire<br />

Das Gespräch fand<br />

am 16.10.2010 in<br />

Donaueschingen statt.<br />

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wiederkommen. Und wir können das nicht vergessen, was wir gehört haben. Und<br />

hier war meine Absicht, <strong>du</strong>rch eine möglichst abgründige Klangfarbenkomposition<br />

– <strong>du</strong> merkst, ich vermeide den Begriff «Instrumentation» – diese Brüche, diese<br />

Wagnisse, diese revolutionären Akte erkennbar zu machen. Gegenbeispiel: Die<br />

Auseinandersetzung mit Mozarts Skizzen, Fragmenten zu seinem Requiem. Auch<br />

das ist ein Torso, genauso wie bei Schubert. Aber während Schubert bis zu einem<br />

bestimmten Punkt alles komponiert und dann einfach aufhört weiterzuschreiben,<br />

ist das bei Mozart anders. Er skizziert das Skelett des Ganzen und führt das dann<br />

später aus, und in dem Fall der Requiem-Skizzen haben wir das Skelett oder die<br />

Urform eines Musikstückes, von dem wir keine Ahnung haben, wie das wirklich<br />

ausgesehen hätte, wenn Mozart diese Skizzen zu Ende geführt hätte. Und da war<br />

jetzt meine Absicht, nichts anzutasten an diesen Skizzen und diese Skizzen in<br />

ihrer unendlich traurigen Kahlheit stehen zu lassen und zwischen<strong>du</strong>rch, zwischen<br />

diese Skizzen hinein, Klangräume zu setzen, die nichts, aber auch gar nichts mit<br />

dem Mozart’schen Original zu tun haben und die nur den einzigen Sinn haben,<br />

dass unsere Ohren dazu kommen, jedes dieser Fragmente von Neuem als Katastrophe<br />

oder als Re<strong>du</strong>ktion eines nie verwirklichten utopischen Ganzen wahrnehmen<br />

zu können. Das sind also völlig diametrale Gegensätze. Oder noch ein anderes<br />

Beispiel: Meine Komposition über Mendelssohn, Traum in des Sommers Nacht, wo<br />

ich Beispiele, Zitate von Mendelssohns Musik genommen habe und ausgehend<br />

von der analytischen Erkenntnis, in welcher Weise diese Musik revolutionär war<br />

– ein revolutionärer Akt, der <strong>du</strong>rch den Wohlklang, <strong>du</strong>rch das ungeheuer stimmig<br />

und musikalisch fein Ausgehörte dieser Musik fast unkenntlich gemacht wird und<br />

daher auch übersehen wird –, versucht habe, diesen revolutionären Akt wiederum<br />

an die Oberfläche, in den Vordergrund zu stellen. Das sind jedes Mal ganz andere<br />

Grundlagen.<br />

Vielleicht nochmal kurz zurück zu diesem nicht uninteressanten Punkt, wie man unterschiedliche<br />

Arten der Auseinandersetzung mit Musik, die es schon gibt, benennt. Ist Anton<br />

Weberns – ich finde keinen neutralen Begriff – «Verarbeitung», «Weiterführung», «analytische<br />

Durchdringung» des Ricercars aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian<br />

Bach, das am Vorabend deiner Uraufführung in der <strong>Philharmonie</strong> zu hören sein wird, eine<br />

Instrumentation oder ist auch das bedeutend mehr?<br />

Als Instrumentation ist Weberns Werk höchst problematisch. Als Komposition<br />

ist es genial. Wenn man das Ricercar als Instrumentation betrachten wollte, wäre<br />

das absurd, denn das ist es ja nicht. Es ist eine Auseinandersetzung mit einem<br />

weit entfernten Original, dessen Brisanz und Spannung der Komponist bewusst<br />

machen will. Anton Weberns Ricercar ist sicherlich einer der Schlüsselpunkte<br />

gewesen für die Auseinandersetzung mit älterer Musik. Ein zweites ist der Zyklus<br />

Re-Visionen von Dieter Schnebel. Den Einfluss von Schnebels Schubert-Fantasie<br />

auf den Torso merkt man sofort. Schnebel setzt vielleicht noch am deutlichsten<br />

diesen Ansatzpunkt. Vielleicht wäre das sogar der beste Titel für das Webern-Bach-<br />

Ricercar: «Re-Visionen».<br />

Eine weitere Kategorie, die die Auseinandersetzung von Komponisten gerade im 20. Jahrhundert<br />

mit älterer Musik beschreibt, ist die des Bruches, des Bruchs mit dem Material,<br />

wie Helmut Lachenmann das nennt, beispielsweise anlässlich seiner Mozart-Reflexion<br />

in Accanto (ein weiteres Werk, das beim Festival zu hören sein wird in Verbin<strong>du</strong>ng mit<br />

Mozarts Klarinettenkonzert). Accanto ist 1975 geschrieben und ein ganz anderer<br />

Zugang als der einer Revision. Wir haben bereits von der «Distanz» gesprochen, aber<br />

inwieweit hat für dich diese Kategorie des «Brechens» von etwas Vorhandenem mit deiner<br />

Auseinandersetzung mit dem Alten zu tun?<br />

Ich glaube nicht, dass dieser Begriff für meinen Zugang passend wäre. Dass sich<br />

Komponisten mit Musik der Vergangenheit auseinandersetzen – und im 20. und<br />

21. Jahrhundert viel stärker, als das früher der Fall war –, hängt natürlich mit der<br />

Situation zusammen, dass Musik der Vergangenheit in einem viel stärkeren Ausmaß<br />

präsent ist, als sie das jemals vorher in der Musikgeschichte war, und dass man ja<br />

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gar keine Chance hat, dieser Auseinandersetzung zu entgehen. Denn wenn Ton<br />

Koopman Bach interpretiert, dann ist das auch Musik der Gegenwart, obwohl der<br />

Notentext ein alter ist. Hier ist Musik, die früher geschrieben wurde, in einem viel<br />

stärkeren Ausmaß als früher ein Bestandteil der Gegenwart. Noch ein Unterschied:<br />

Wenn Mozart komponiert, komponiert er mit dem unausgesprochenen Anspruch,<br />

die Gesamtheit des Lebens in der gesamten Bandbreite ausfüllen zu können. Ich<br />

kann alles – vom Tanzfest bis zum Requiem – mit Mozarts Musik bestreiten. Mit<br />

Lachenmanns Musik geht das schon sehr schwer. Und das hängt damit zusammen,<br />

dass Lachenmanns Musik (und auch meine Musik) eben nicht in einem musikalischen<br />

Umfeld steht, das praktisch nur aus Gegenwartsmusik beziehungsweise aus<br />

ritualisierter religiöser Gebrauchsmusik besteht, sondern ein ganz kleines Segment<br />

eines Musikbetriebes ist, dessen Schwerpunkt nach wie vor auf historischer Musik<br />

liegt. Und da muss man mit dem, was musikalisch um uns herum ist, umgehen –<br />

und wir tun es auch ständig. Ganz egal, ob wir jetzt bewusst ein Stück hernehmen<br />

und das brechen oder beleuchten oder instrumentieren oder Grenzen wahrnehmen.<br />

Aber allein schon, wenn ich ein Streichquartett schreibe, schreibe ich das ja nicht<br />

aus dem Nichts heraus, sondern dann schreibe ich es eben in einer historischen<br />

Situation, wo die bedrohlichen oder geliebten Monumente der Vergangenheit<br />

um mich herum sind. Wenn ich auf das Stück komme, das im Programm steht<br />

– … wie stille brannte das Licht in der Fassung für Klavier und Sopran – dann<br />

kann ich einfach nicht vergessen, dass es Liederzyklen schon gibt und dass diese<br />

Liederzyklen der Vergangenheit ganz zentrale und irgendwo auch gegenwärtige<br />

Kompositionen sind. Der Satz am Anfang der Winterreise beispielsweise, «Fremd<br />

bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus», ist – egal, ob ich die Melodie<br />

dazugebe oder nicht – eine <strong>du</strong>rchaus brennend aktuelle Aussage.<br />

Dieses sehr romantische Thema der unerfüllten Liebe, das in … wie stille brannte das<br />

Licht präsent ist, wäre im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich eher auf eine<br />

Weise reflektiert worden, die viel stärker mit diesem Phänomen des Brechens zu tun hat.<br />

Es wurde in sehr vielen ästhetischen Debatten rund um die neue Musik in den Jahrzehnten<br />

davon geredet, dass die Schönheit etwas ist, das unmöglich geworden ist…<br />

…aber wie schön ist Gran Torso [Helmut Lachenmanns erstes Streichquartett von<br />

1971] – das ist doch eine unglaublich schöne Musik!<br />

In deiner Musik ist oft ein frappierendes Maß an Schönheit vorhanden. Bis hin fast zu<br />

einer Art des Umschlagens dieser Schönheit. Auf jeden Fall ist das keine Kategorie mehr,<br />

um die <strong>du</strong> als Komponist einen Bogen zu machen versuchst, weil es ein Tabu-Thema ist, das<br />

gebrochen oder mit Nicht-Beachtung bedacht werden muss.<br />

Zuerst muss ich etwas Inhaltliches richtig stellen: … wie stille brannte das Licht handelt<br />

eben nicht von unerfüllter Liebe, sondern von erfüllter. Ich weiß nicht, ob es mir<br />

gelungen ist – das ist nämlich noch viel schwerer zu machen als bei unerfüllter –,<br />

aber ich wollte die Vision eines Zusammenkommens von zwei Menschen in diesem<br />

Stück beschwören und darstellen. Auch die Auswahl der Texte sagt das ja in einer<br />

ganz klaren Weise: Das Gedicht von August Stramm beschreibt sehr klar auch<br />

eine körperliche Vereinigung. Und dieses unendlich schöne Liebesgedicht von Else<br />

Lasker-Schüler zeigt ja gerade, dass eine Begegnung stattgefunden hat, aber dass<br />

diese Begegnung, obwohl sie stattgefunden hat, immer noch zu einer Fremdheit<br />

der sich begegnenden Personen führt. Das ist das Ende des Stückes. Und das ist<br />

vielleicht auch ein Unterschied: Wenn im 19. Jahrhundert die unerfüllte Liebe<br />

so ein zentrales Thema war, hängt das ja auch mit der gesellschaftlichen Realität<br />

dieser Zeit zusammen, wo ja das Zusammenfinden von zwei Menschen <strong>du</strong>rch<br />

Hindernisse blockiert war, deren Ausmaß wir uns gar nicht mehr vorstellen können.<br />

Siehe Schumann.<br />

Schumann – oder, um ein Beispiel zu nennen, das mir bei meiner Beschäftigung<br />

mit Hölderlin aufgefallen ist: Wir wissen alle nicht, was jetzt wirklich zwischen<br />

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Hölderlin und Susette Gontard passiert ist, aber für den Mann, für die Familie<br />

von Susette Gontard hat es gereicht, um zu verbieten, dass sie im Familiengrab<br />

begraben wird. Und jetzt überlegen wir: Was war da? Sie hatte einen Flirt, würde<br />

man heute sagen, eine romantische Episode. Das, was zwischen Hölderlin und<br />

Susette Gontard war, wäre heute höchstens Anlass zu einer vorübergehenden<br />

Ehekrise, die so bagatellisiert wird, dass sie kaum mehr ein Thema ist. Deswegen<br />

hat es auch keine Sinn, diese Thematik der unerfüllten Lieben heute in derselben<br />

Weise zu formulieren, wie das im 19. Jahrhundert möglich und notwendig war.<br />

Ich glaube, dass dieses Thema – «zwei Menschen, die sich lieben und zusammenkommen<br />

oder eben doch nicht» – noch immer aktuell ist und das sicher auch<br />

die nächsten paar hundert Jahre aktuell bleiben wird. Und ich habe versucht,<br />

dafür eine dramatische und dann eine musikalische Lösung zu finden. Aber im<br />

Vergleich mit den großen historischen Vorbildern: Eine dem August-Stramm-Text<br />

vergleichbare Vereinigung wird weder bei Schumann noch in den Schubert’schen<br />

Liederzyklen formuliert.<br />

Ich möchte nochmal zurück auf den Begriff der Schönheit kommen: Wie weit hat sich<br />

– abgesehen davon, dass sich das Verhältnis von Liebenden seit der Zeit Schumanns und<br />

Schuberts bis in die Gegenwart rapide verändert hat – der Umgang mit dem Schönen<br />

verändert? Nehmen wir gar nicht einmal diese riesige Zeitspanne von Schubert bis heute,<br />

sondern nur die von 1975 bis heute.<br />

Hat sich da wirklich so viel verändert? Ich weiß es nicht. Ich verwende ja immer<br />

wieder Klänge, die in der traditionellen Musik konsonant sind, insbesondere<br />

Obertonakkorde. Da gibt es ein ganz wunderbares Beispiel im Wozzeck [von Alban<br />

Berg, 1915–1921]: An der Stelle in der Oper, an der das gesamte Drama schon<br />

exponiert wurde – wir haben also gesehen, in welcher Weise Wozzeck seinen<br />

Körper und sein Leben verkauft, um seine Familie erhalten zu können, wir haben<br />

den Treuebruch von Marie erlebt, dann gibt es einen Dialog zwischen Wozzeck<br />

und Marie, wo Wozzeck über die Armut spricht, «wir arme Leut» – ist ein großer<br />

expressiver Klang im zwölftönigen Feld, und dann bleibt ein Pianissimo-C-Dur-<br />

Akkord über, ein wunderschöner, reiner C-Dur-Akkord, und dazu kommt der Text<br />

«Da ist wieder Geld, Marie». Oder wir können auch Alban Bergs Violinkonzert<br />

nehmen: Etwas Grausigeres als diese schönen Klänge am Schluss kann man sich<br />

ja kaum vorstellen. Ich glaube, dass spätestens seit Berg – bei Mahler gibt es auch<br />

schon Ansätze dazu – dieses scheinbar Schöne in Wirklichkeit das eigentlich<br />

Unschöne, Beklemmende ist. Ich habe einmal ein Konzert geschrieben für<br />

Schlagzeug und Klavier mit dem Titel Wer, wenn ich schriee, hörte mich… Das ist<br />

ein Zitat aus einem Gedicht von Rilke, bei dem es dann weitergeht (diesen Teil<br />

hab ich nicht vertont, aber das könnte als Motto über meinem ganzen Schreiben<br />

stehen): «Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch<br />

grade ertragen.» Ich glaube, auch wenn man in meiner Musik Wohlklänge hört,<br />

so sind die – so hoffe ich zumindest – immer beklemmend. Wenn sie affirmativ,<br />

bestätigend wären – «Hurra, wir sind wieder im tonalen Zentrum, hurra, in<br />

den schönen Wohlklängen» –, dann ist es aus. Ein Beispiel aus meine Oper<br />

Melancholia, im letzten Teil: Wenn es um die Liebe zwischen Lars und Helene<br />

geht, dann nützen die umgestimmten Streichinstrumente alle Möglichkeiten aus,<br />

um möglichst schräge, reibungsgeladene Intervalle aufzubauen; und wenn der<br />

spießbürgerliche Onkel auftritt, dann kommt der reine Obertonakkord mit seiner<br />

ganzen Schönheit dieser sogenannten Konsonanz, die aber genau das Gegenteil<br />

bewirkt. Und wenn man diese Oper hört an der Stelle, dann möchte ich den<br />

Menschen sehen, der glücklich ist, dass jetzt dieser schöne Klang kommt. Im<br />

Gegenteil – man findet es beklemmend, dass nach diesen wunderschönen viertel-,<br />

zwölftel-, achtel-, sechsteltönigen Reibungsklängen dieser grauenvolle konsonante<br />

Klang hereinbricht. Und deswegen tue ich mich mit dem Begriff «Schönheit» so<br />

schwer, weil das, was scheinbar schön ist, für mich das Beklemmendste ist.<br />

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«Ein metaphysischer Road Trip<br />

nach innen»<br />

Zu «iv 1» für Klavier solo<br />

Mark Andre im Gespräch mit Bernhard Günther<br />

An Helmut Lachenmanns 75. Geburtstag wird deine Komposition iv 1 uraufgeführt.<br />

Das Stück ist ihm und seiner Frau Yukiko Sugawara gewidmet, die es auch uraufführt.<br />

Du kennst Helmut Lachenmann lange und gut, vielleicht kannst <strong>du</strong> kurz etwas zu diesem<br />

Anlass der Aufführung sagen.<br />

Es ist mir eine besondere Ehre, diese Uraufführung in diesem Kontext, in dieser<br />

Konstellation erleben zu dürfen. Ich bin auch dir sehr dankbar für dein Vertrauen<br />

und die Treue. Es ging um einen ganz besonderen Bereich in der Zusammenarbeit<br />

mit Yukiko – wir haben das Stück zusammen entwickelt, es ging viel um Austausch<br />

und Zusammenarbeit in der Arbeitsphase des Stücks. Es ist mir eine besondere<br />

Ehre, denn ich hatte damals das Glück, dass ich bei Helmut Lachenmann studieren<br />

konnte, drei Jahre lang in einem Studiengang in Stuttgart, und es geht für mich<br />

am 27. November in Luxemburg um historische Momente. Das könnte vielleicht<br />

emphatisch klingen, aber es geht doch um historische Momente aus vielen<br />

Gründen, und jetzt möchte ich vielleicht einen erwähnen: Es gibt ganz wenige<br />

Komponisten in der Geschichte der Musik, deren Kunst das Hören, das Zuhören,<br />

die Kategorien der Wahrnehmung des Komponierens, entwickelt und geändert<br />

hat. Und Helmut Lachenmann, so wie Gustav Mahler und Anton Webern, um<br />

nur drei Namen zu nennen, gehören zu dieser sehr begrenzten und besonderen<br />

Kategorie.<br />

Helmut Lachenmann hat in ganz besonderer Weise Klänge entdeckt, die den Instrumenten<br />

innewohnen, die aber vor Helmut Lachenmann eher bewusst ausgeblendet worden sind, um<br />

nicht zu sagen einfach nicht beachtet oder vergessen. Inwieweit spielt das eine konkrete Rolle<br />

für dein Stück iv 1, das an dem Abend zu hören ist?<br />

Es spielt eine wichtige Rolle, aus pädagogischen Gründen. Ich erwähne jetzt die<br />

Problematik der Selbstpädagogik: Nachdem man studiert hat, ist man mit sich<br />

selbst konfrontiert. Und soweit ich täglich beim Komponieren versuche, die<br />

Botschaft von Helmut zu reflektieren und weiter darüber nachzudenken, geht es<br />

um die Indivi<strong>du</strong>alisierung, um die Selbstentdeckung – und das ist eine permanente<br />

Herausforderung. Manchmal geht es um einen Kampf gegen sich selbst.<br />

Es geht aber mit Sicherheit auch um eine Kategorie außerhalb des Selbst des Komponisten,<br />

die Helmut Lachenmann sehr wichtig ist, nämlich um die des Materials. Auch bei iv 1 geht<br />

es um das sehr genaue Hinhören, um das sehr genaue Ausloten der Klangmöglichkeiten, in<br />

diesem Fall des Klaviers. Wie war der Weg hin zu dem speziellen Klang von iv 1?<br />

Ich habe mit Yukiko (und auch selber zu Hause in Berlin) kompositorische Klangsituationen<br />

entwickelt. Es ging auch um die Entwicklung von Notationsprotokollen,<br />

manche Sachen wurden noch nie notiert, und deswegen musste eine andere<br />

und <strong>du</strong>rchsichtige Notation dafür entwickelt werden.<br />

Das heißt — Zwischenfrage —, der Klang war zuerst da, und dann stelltest <strong>du</strong> dir die Frage:<br />

Wie schreibe ich das auf?<br />

Das Gespräch fand<br />

am 16.10.2010 in<br />

Donaueschingen statt.<br />

139


Ja, das heißt: Durch das Experimentieren, auch <strong>du</strong>rch die Fantasie und die Interaktion,<br />

den Austausch mit Yukiko und wirklich <strong>du</strong>rch die Experimente – ich<br />

habe bei mir sehr viel experimentiert und mit ihr darüber gesprochen – ging es<br />

erstens um eine Sammlung von kompositorischen Situationen und Aktionen.<br />

Und dann kam die Problematik der Typologisierung, der Kategorisierung dieser<br />

Elemente. Und dann, nachdem die Typologisierung, die Kategorisierung gemacht<br />

war, ging es um die Problematik der Entfaltung dieser Materialien im Stück, um<br />

eine Form oder einen Bogen entwickeln zu dürfen. Und das war für mich das<br />

Wichtige, die zentrale Problematik. Das heißt, ich würde das Stück als eine Art…<br />

vielleicht doch: metaphysischen Road Trip nach innen beschreiben. Es gibt die<br />

Abkürzung iv, das Anagramm von Introvertiertheit. Es geht um die Suche, die<br />

Reise nach innen, «im Innersten» auf der Suche nach existenziellen, aber auch<br />

metaphysischen Spuren. Beispielsweise: Wie kann man Spuren der Präsenz von<br />

Jesus von Nazareth irgendwie erleben und das künstlerisch, kompositorisch<br />

übertragen?<br />

Dieser spirituelle Aspekt ist etwas, das in gewisser Weise mit dem großen metaphysischen<br />

Apparat zu tun hat, der dem Klavier als einem sehr abstrakten, neutralen, aber auch<br />

unglaublich historisch gefüllten Instrument anhaftet. Im Konzert dieses Abends der Uraufführung,<br />

das mit Bach beginnt, mit Chopin sich fortsetzt (der wiederum auf Bach Bezug<br />

nimmt), dann mit Schubert und dem ersten Stück von Helmut Lachenmann weitergeht<br />

(das wiederum auf Schubert Bezug nimmt), steckt auch der Versuch, ein paar dieser Zusammenhänge<br />

– dieses Gespinst, dass die Klavierliteratur <strong>du</strong>rchzieht – ein wenig greifbar zu machen.<br />

Angesichts dieser metaphysischen Komponente der Klavierliteratur würde mich die Frage<br />

besonders interessieren, welche Klaviermusik der vergangenen Jahrhunderte dich besonders<br />

beeindruckt hat.<br />

Du hast einige von diesen Werken ins Programm aufgenommen. Zum Beispiel<br />

sind für mich die Serynade und Ein Kinderspiel unglaubliche, fantastische Werke.<br />

Als Student habe ich während Jahren der Nähe zu Helmut erlebt, dass für ihn<br />

latent, direkt/indirekt, die metaphysische Ebene eine Rolle spielt. Deswegen lief<br />

es zwischen uns auch auf eine ganz besondere Art und Weise – es war für mich<br />

fantastisch, dass er das bei mir respektiert hat und mir auch geholfen hat, das<br />

zu entwickeln. Es geht keineswegs um Proselytismus – ich respektiere Menschen<br />

aus allen Religionen, auch Atheisten, Agnostiker, Freimaurer; soweit es um eine<br />

Art von Humanismus geht, ist das alles sehr schön und legitim. Aber kommen<br />

wir zu etwas, das ich sehr bewundere. Worüber reden wir jetzt gerade? Wir reden<br />

aus meiner Perspektive über kompositorische Zwischenräume, die sich zwischen<br />

Polaritäten entwickeln, die fluktuierend und zerbrechlich sind. Und ich erlebe<br />

diese Elemente zum Beispiel bei den Werken von Beethoven. Das bleibt für<br />

mich vielleicht die größte, die absolute Referenz, was die Klaviermusik angeht.<br />

Es geht immer um die Vorstellung, die Darstellung von Polaritäten. Und dazwischen<br />

– <strong>du</strong>rch die Wahrnehmung, <strong>du</strong>rch die Intuition und die Sensibilität – rekonstruiert<br />

oder entwickelt man Zwischenräume, und das sind für mich sehr wichtige<br />

Elemente. Man hört in diesem Stück auch diese lange, aber sichere Entwicklung<br />

zwischen verschiedenen kompositorischen Räumen und Aktionen. Es wird auch<br />

ganz deutlich, dass man auf der Tastatur anfängt, und langsam, ganz allmählich<br />

entwickelt es sich hin zu «kleinen Flügeln». Allmählich ändert sich der idiomatische<br />

instrumentale Apparat. Es geht auch um eine der formalen Ebenen des Stücks.<br />

Als Helmut Lachenmann 1975 seine Komposition Accanto geschrieben hat, die ebenfalls<br />

im Festival rainy days zu hören ist, war eine Parallelität ganz besonders wichtig – die<br />

zwischen der Liebe zur vorhandenen Musik, zum vorhandenen Material einerseits (in dem<br />

Fall zu Mozarts Klarinettenkonzert) und der Erkenntnis andererseits, dass es gilt, mit<br />

diesem Material zunächst einmal zu brechen, um es wieder neu zu erschließen. Seitdem<br />

sind 35 Jahre vergangen. Wie sieht es für dich heute aus, wenn <strong>du</strong> zum Beispiel jetzt von<br />

Beethoven und seinen Leistungen auf dem Gebiet der Klaviermusik sprichst, wenn <strong>du</strong> als<br />

Komponist Klaviermusik schreibst – ist dieses bewusste «Brechenmüssen» des Vorhandenen<br />

noch eine Kategorie, oder gehst <strong>du</strong> anders um mit der Vergangenheit?<br />

140


Es darf, könnte eine Kategorie sein, aber vielleicht als Ergebnis, weil ich, wie<br />

gesagt, versuche, Polaritäten zu entwickeln, und reflektiere, was dazwischen<br />

passiert. Wo liegen die kompositorischen Zwischenräume, die noch latent sind?<br />

Wie könnte ich das entfalten oder eine Interpolation zwischen diesen Polaritäten<br />

entwickeln? Um zum Beispiel etwas aus diesem Stück ganz präzise zu benennen,<br />

was das Material betrifft: Die Kategorie der Flageolette. Es gibt harmonische<br />

Flageolette, es gibt auch disharmonische oder inharmonische, die man auch hört.<br />

Das sind für mich Polaritäten, diese zwei Begriffe aus derselben Kategorie. Und<br />

die Idee ist: Was macht man mit dem latenten Zwischenraum, der existiert, wenn<br />

man das als Polaritäten reflektiert, was das Material betrifft? Zum Beispiel wird<br />

in Momenten der Fuge im op. 106 bei Beethoven die Thematik manchmal in<br />

verschiedene Regionen auf der Tastatur hineinprojiziert. Aber wenn er das in das<br />

tiefe Register des Flügels hineinprojiziert, geht es um eine andere Klangkategorie,<br />

dann geht es eher um die Harmonizität und Disharmonizität <strong>du</strong>rch die<br />

Pedalisierung, <strong>du</strong>rch die relativ geräuschhafte und inharmonische Gestalt, die<br />

man hört. Und das ist, aus meiner Perspektive, von ihm ganz bewusst komponiert<br />

worden. Das heißt, es geht nicht nur um eine Entwicklung zwischen Tonalitäten<br />

und so weiter, sondern auch um eine Durchführung zwischen Gestalten, zwischen<br />

kompositorischen Situationen, die Gestalt haben. Dort liegen die Polaritäten,<br />

dazwischen befinden sich aus meiner Perspektive diese kompositorischen Räume.<br />

Und das ist für mich sehr inspirierend. Es gibt kein Zitat von Beethoven im<br />

Stück, aber das war sehr inspirierend. Natürlich, deine Bemerkung war richtig:<br />

Als Ergebnis kann man das erleben, als eine Entwicklung, oder als Änderung, als<br />

Paradigmenwechsel…<br />

Glaubst <strong>du</strong>, der Umgang mit der Vergangenheit ist freier, lockerer geworden als in den<br />

1970er Jahren?<br />

Das ist eine wichtige Frage. Er ist bestimmt anders geworden, vielleicht, weil die<br />

Präsenz der Vergangenheit irgendwie stärker geworden ist… auch quantitativ.<br />

Natürlich, aus meiner Perspektive, muss das akzeptiert werden – das ist auch<br />

okay und legitim. Aber andererseits stellt sich die Frage: Wie reagiert man? Mit<br />

seinem Feedback, mit seiner Indivi<strong>du</strong>alität? Es ist eine Herausforderung, das zu<br />

reflektieren –die Vergangenheit ist da, auch die Gegenwart und vielleicht auch<br />

die Zukunft. Es geht hier nur um meine Wahrnehmung – aber zu versuchen, die<br />

Ausstrahlung und die Kraft der Präsenz von Jesus von Nazareth zu übertragen<br />

oder zu typologisieren, das war für mich ganz zentral in diesem Stück. Deswegen<br />

war es für mich auch ganz wunderbar, als Student zu erleben, dass Helmut das<br />

nicht nur akzeptiert hat, sondern mir bei dieser Art Selbstentdeckung geholfen<br />

hat. Das war, wie gesagt, nicht nur respektvoll, sondern auch sehr schön. Aus der<br />

Perspektive seiner Biographie ist das auch sehr interessant – ich wusste anfangs<br />

nicht, dass er der Sohn eines Pfarrers ist. Er spricht nicht viel von Religion, es<br />

bleibt sehr dezent, aber es spielt doch für ihn und mich eine sehr große Rolle.<br />

Man kann iv 1 wie gesagt ohne jeden Proselytismus hören. Es ist ‹nur› ein Klavierstück.<br />

Aber ich wünsche mir doch, dass die Räume, die Zwischenräume, die<br />

aus diesem Stück ausstrahlen, auch diese metaphysische Ebene suggerieren und<br />

übertragen.<br />

141


«In Nomine»<br />

Dimanche / Sonntag / Sunday<br />

28.11.2010 18:00 / 19:00<br />

Salle de Musique de Chambre<br />

ensemble recherche<br />

Martin Fahlenbock flûte<br />

Shizuyo Oka clarinettes<br />

Jaime González hautbois<br />

Åsa Åkerberg violoncelle<br />

Melise Mellinger violon<br />

Barbara Maurer alto<br />

Klaus Steffes-Holländer piano<br />

Christian Dierstein percussion<br />

Gérard Pesson: In Nomine nach John Taverner (1490–1545) für Flöte, Oboe,<br />

Bassklarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine Viola und Violoncello (2001) – 2’<br />

Emilio Pomàrico: In nomine. Fantasia (quasi) una Passacaglia. Notturno e<br />

fuggitivo für Flöte, Bassklarinette, Schlagzeug, Klavier/Celesta, Violine,<br />

Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />

Brian Ferneyhough: In Nomine a 3 für Piccolo, Oboe und Klarinette (2001) – 2’<br />

Bryn Harrison: In nomine after William Byrd für Flöte, Oboe, Klarinette,<br />

Vibraphon, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1999) – 3’<br />

Toshio Hosokawa: A Song from far away – In Nomine for six players<br />

für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Violine, Viola und Violoncello (2001) – 5’<br />

Sebastian Claren: In Nomine für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Klavier,<br />

Violine, Viola und Violoncello (2000) – 4’<br />

Robert HP Platz: Broken Book Skizze für Violine, Viola, Violoncello und Flöte<br />

(1999) – 5’<br />

Jörg Birkenkötter: in nomine… für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug,<br />

Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1999) – 4’<br />

Henry Purcell/Brice Pauset: In Nomine of Six Parts. écoute composée<br />

pour six instruments pour flûte basse, cor anglais, clarinette basse, violon,<br />

alto et violoncelle (1680/2001) – 2’<br />

—<br />

152


Thomas Tallis/Gérard Pesson: In nomine – instrumentation colorée II<br />

für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Vibraphon, Violine, Viola und<br />

Violoncello (1999) – 2’<br />

Malin Bång: perpetual revival für Klarinette, Klavier, Schlagzeug, Violine,<br />

Viola und Violoncello (2007) – 5’<br />

Picforth/Johannes Schöllhorn: in nomine für Violine, Viola und Violoncello<br />

(~1570/1994) – 2’<br />

Rolf Riehm: Harryzehn (In Nomine actualiter) für Flöte, Englischhorn,<br />

Bassklarinette, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1999) – 1’<br />

Xu Shuya: In nomine für Flöte, Claves, Violine, Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />

Isabel Mundry: Der letzte Seufzer für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug,<br />

Violine, Viola und Schlagzeug (2000) – 2’<br />

Bernhard Lang: Monadologie VI: In Nomine für Flöte, Klarinette, Schlagzeug,<br />

Violine, Viola und Violoncello (2008) – 5’<br />

Georg Friedrich Haas: In Nomine für Bassflöte, Englischhorn, Klarinette,<br />

Vibraphon, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />

Wolfgang Rihm: cnts.frms. für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Klavier,<br />

Violine, Viola und Violoncello (1999) – 1’<br />

Johannes Schöllhorn: in nomine für Altflöte, Oboe, Bassklarinette,<br />

Schlagzeug, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1998) – 1’<br />

Walter Zimmermann: «Dit» für einen Cellisten und Tonband (1999) – 3’<br />

Salvatore Sciarrino: In Nomine Nominis. Alcuna autosomiglanze per otto<br />

esecutori für Flöte, Englischhorn, Bassklarinette, Schlagzeug, Klavier,<br />

Violine, Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />

Henry Purcell/Brice Pauset: In Nomine of Seven Parts – an objective<br />

interpretion für Flöte, Englischhorn, Klarinette, Vibraphon, Klavier, Violine,<br />

Viola und Violoncello (1680/2010) – 2’<br />

153


«Fast Forward» – Clôture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />

Dimanche / Sonntag / Sunday<br />

28.11.2010 20:00<br />

Grand Auditorium<br />

John Oswald Disklavier, electronics<br />

Philip Jeck turntables, electronics<br />

Wolfgang Mitterer keyboards, organ, electronics<br />

DJ Spooky that Subliminal Kid turntables, electronics<br />

The Telos Ensemble<br />

Ye Young Hwang violin<br />

Ye Hyun Hwang viola<br />

Anik Schwall violoncello<br />

John Oswald: Goldberg Aria (Johann Sebastian Bach/Hosanna Banjo Bitches)<br />

as played by Glenn Gould/Doll Egg Nun (1981), electronically transcribed<br />

(by Ernest Cholakis) and Panorama (conceived by Reginald Godden)<br />

for remote piano with Glenn Gould/Golden Lung vocal transcription<br />

(by Benjamin & Christopher Butterfield) for the ballet So is This (1999) – 4’<br />

Philip Jeck: Ark Variations after «An Ark for the Listener» (2010) – ~10’<br />

John Oswald/Dash Onjowl: It’s a Small World* at 100 th the Speed of Light<br />

(2010) – 0’12” (*Richard M & Robert B Sherman)<br />

Aria. Glenn Gould’s performance as ‹heard› and transcribed by computer<br />

(monitored by John Oswald) for remote piano (1989) – 3’10<br />

John Oswald: 7 th (Ludwig van Beethoven/New Evolving Butthead)<br />

for tape loops as performed by ‹The Gun-View Love Band› (1988) – 4’<br />

DJ Spooky that Subliminal Kid: Bach’s Goldberg Variations Remix<br />

for DJ and string trio (2010) – ~10’<br />

John Oswald: Invaria for the ballet So is This (1999), an inversion of the<br />

Goldberg Aria (Johann Sebastian Bach/Bathos Enchains Banjo) as played by<br />

Glenn Gould/Ed Null Gong (1981) 3’10<br />

Wolfgang Mitterer: Sample Playing. Improvisation für Orgel und Elektronik<br />

nach «Music for checking emails» (2010) – ~10’<br />

John Oswald: dblRite (Igor Stravinsky/Tsar Rosy Viking) for remote piano<br />

(2005) – ~15’<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

John Oswald<br />

Garth Brownsteen (preplexed)<br />

(~1992)<br />

DJ Spooky that Subliminal Kid: Acoustica 2010 for four improvisers<br />

(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung) – ~10’<br />

158


John Oswald, Glenn Gould,<br />

rascali klepitoire, and plunderphonics<br />

(1999/2000)*<br />

The National Ballet of Canada’s «A Disembodied Voice» featured a score by John<br />

Oswald for the recorded voice of Glenn Gould (1932–1982), robot piano, ghost<br />

pianist, and orchestra. The piece premiered in the programme entitled «Inspired<br />

by Gould» which ran from November 20 th to the 27 th 1999 at the Hummingbird<br />

Centre in Toronto.<br />

The half hour composition is in 10 sections, each of which takes a different angle<br />

on Gould’s musical preoccupations. Several technological innovations were<br />

utilized by a team under the direction of Oswald which researched and created<br />

materials <strong>du</strong>ring most of 1999.<br />

A major bit of sonic archeology was the dissecting of Glenn Gould’s 1981 recording<br />

of the Aria of the Goldberg Variations by Johann Sebastian Bach (published in<br />

1741). First the piano was filtered out of the recording as much as possible, leaving<br />

Gould’s inadvertent vocalizations as a more prominent element. Christopher<br />

Butterfield in Victoria made a phonetic and music notation transcription of this<br />

vocal line. Where there was difficulty ascertaining a sound the team studied a<br />

video tape of the Gould recording session to see what Glenn’s mouth was doing.<br />

Eventually Christopher’s brother, opera tenor Benjamin Butterfield, was recorded<br />

repro<strong>du</strong>cing a version of Christopher’s transcription, with his own revisions.<br />

Christopher was also recorded, and several takes of his version were layered in<br />

combination with Benjamin’s solo version to pro<strong>du</strong>ce a chorus of Glenns near the<br />

end of the Aria. To this Oswald added a klangfarbenmelodien-like arrangement<br />

(this is a technique where a melody line is passed from instrument to instrument,<br />

changing its timbral colour over time) for live orchestra, which gra<strong>du</strong>ally added<br />

clues as to the source.<br />

For the performances the monophonic voice of Gould ‹walked› via routing through<br />

several hidden speakers from behind a canopied area on stage to the orchestra pit<br />

where it was joined by the chorus.<br />

John Oswald<br />

Music Sleeves (1988–)<br />

Meanwhile in Toronto, Ernest Cholakis, who is best-known for designing the<br />

groove templates found in various sequencers, worked on making a very precise<br />

MIDI transcription of Gould’s piano performance of the Aria. This transcription<br />

was designed to be played back on a Yamaha Disklavier very similar to the piano<br />

Gould played for the original recording. The result was a repro<strong>du</strong>ction of the<br />

piece, minus Gould’s voice, which is much more realistic than any hi fi system<br />

could ever recreate using the original recording. Audiences remarked about the<br />

ghostly presence of performances of this, in a sense, live acoustic piano recreation.<br />

These two Aria derivations were the bookends of a composition which featured<br />

abstractions and plunderphonic derivations of Gould’s own music and some of<br />

his favorite pieces, including works by Richard Wagner and Petula Clark. Bach and<br />

Mozart clash in one section, and the Disklavier was a featured soloist throughout.<br />

160


Pattern + Variation: DJ Spooky<br />

featuring The Telos Ensemble<br />

Bach’s Goldberg Variations Remix for DJ and string trio<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky that Subliminal Kid<br />

For me, Bach’s Goldberg Variations stand as one of the most compelling pieces<br />

of music written in the last several centuries and as such, they represent a kind<br />

of interpretation of how the idea of repetition and motif came to be the dominant<br />

form of music in our age. The Variations are a bridge between several manifestations<br />

of music forms that have now become ubiquitous in the 21 st century – they<br />

explore themes of musical ‹ornamentation› through ascending and descending<br />

motifs that construct a series of modal movements. Glenn Gould once said of<br />

Bach: «[He was] first and last an architect, a constructor of sound, and what makes<br />

him so inestimably valuable to us is that he was beyond a doubt the greatest<br />

architect of sound who ever lived.» What I want to explore in my Variations Remix<br />

is a step into the highly structured world of Bach and to apply DJ techniques<br />

of sampling, layering, and re-interpreting several of the main structures of the<br />

earlier composition. For this project, I will be applying several mix layers from<br />

my «DJ Spooky» iPad/iPhone application, and using that to interact with a string<br />

ensemble that will be playing my transposition of Bach’s material into string trio<br />

format. Much in the same way that Shostakovich wrote his Preludes and Fugues<br />

based loosely on Bach’s Well-Tempered Clavier I want to explore what happens when<br />

a composer uses the tools of one era, to examine the musical forms of another era.<br />

The piano material of the original Goldberg Variations has been transposed into<br />

a string trio format, and its original notes have been remixed – note for note, and<br />

written out. I’ll present this with musical accompaniment from my iPad which<br />

takes the electronic forms of the motifs and translates them into algorithm form.<br />

What you hear is the collision between electronics and live ensemble. The philosopher<br />

Friedrich von Schelling once said that «architecture is nothing but frozen<br />

music.» What this composition does is look at that statement from a 21 st century<br />

viewpoint where sound and structure mirror one another, to paraphrase and remix<br />

Goethe, «liquid architecture.»<br />

Johann Sebastian Bach<br />

166


Asymmetries<br />

Acoustica 2010 for four improvisers<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky that Subliminal Kid<br />

«The creative act is not performed by the artist alone; the spectator brings the work in contact<br />

with the external world by deciphering and interpreting its inner qualifications and thus<br />

adds his contribution to the creative act.»<br />

(Marcel Duchamp)<br />

As a DJ, you’re only as good as your archive. Marcel Duchamp once said that he<br />

felt that all art was a game of compositions in interaction. This improvisational<br />

quartet takes several radically different approaches to ‹found sound› and explores<br />

the theme that we hear when we experience complexity. For me, organized<br />

sound isn’t only a complex system of information, but when we record acoustic<br />

phenomena – recorded documents must be activated – you realize that memory<br />

is an archive that we access at every level of mental life. A record is an act of<br />

memory that has been frozen. What we explore as a quartet is a way of playing<br />

recordings of phenomena that we all know, but explore from a view point that<br />

says – «there is no one way of recalling anything.» Historically, the quartet as<br />

a music form was popularized by Joseph Haydn. He once wrote of his music:<br />

«There was no one near to confuse me […], so I was forced to become original.»<br />

We can look at that statement through the prism of digital media – in our era<br />

where everyone walks around with headphones shutting out the rest of the world,<br />

we are forced to seek new ways of experience well-known recordings because,<br />

well… To do anything else would be boring. And I guess that means we salute<br />

complexity by use of the paradox of ‹live› playback of records made new again.<br />

DJ Spooky<br />

167


Installations sonores / Klanginstallationen<br />

19.–28.11.2010<br />

Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain<br />

InfoLab<br />

41, rue Notre-Dame, L-2013 Luxembourg<br />

Tél (+352) 22 50 45, Fax (+352) 22 95 95, E-mail info@casino-luxembourg.lu<br />

DJ Spooky that Subliminal Kid: From A to B and Back Again. New Sounds<br />

from Old Songs. DJ Spooky iPhone App mix station, version 2.0<br />

(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />

En coopération avec Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain<br />

Entrée: 4 € (3 € pour jeunes < 26 ans, seniors > 60 ans, groupes)<br />

Entrée gratuite: Enfants et jeunes < 18 ans, Étudiants, Journalistes, Les Amis des Musées Luxembourg, ICOM /<br />

ICOMOS / AMGR / IKT / AICA, Détenteurs <strong>du</strong> «Laissez-Passer» et/ou «muséeskaart», LuxembourgCard, Kulturpass<br />

Nocturne gratuite tous les jeudis de 18:00–20:00<br />

Heures d’ouverture / Öffnungszeiten:<br />

19.11. 11:00–19:00<br />

20./21.11. 11:00–18:00<br />

22.11. 11:00–19:00<br />

23.11. fermé<br />

24.11. 11:00–19:00<br />

25.11. 11:00–20:00<br />

26.11. 11:00–19:00<br />

27./28.11. 11:00–18:00<br />

<strong>Philharmonie</strong><br />

Grand Foyer<br />

Jacques Rebotier: Für Ludwig. Postklanginstallation.<br />

Une installation postale et sonore de Jacques Rebotier<br />

(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />

Jacques Rebotier textes et musique<br />

Virginie Rochetti scénographie<br />

Bernard Valléry design sonore<br />

Les emprunts à L’Oreille droite sont joués et dits par Alexandre Tharaud<br />

Une pro<strong>du</strong>ction de la <strong>Philharmonie</strong> Luxemburg et de la Compagnie voque<br />

en copro<strong>du</strong>ction avec le Festival Amadeus/Grange de la Touvière (Suisse)<br />

Heures d’ouverture / Öffnungszeiten:<br />

19.11. 19:00–22:30<br />

20.11. 19:00–22:30<br />

21.11. 17:30–22:30<br />

24.11. 19:00–22:30<br />

26.11. 19:00–22:30<br />

27.11. 18:00–23:00<br />

28.11. 17:00–22:30<br />

22./23./25.11. fermé<br />

172


From A to B and Back Again.<br />

New Sounds from Old Songs<br />

DJ Spooky iPhone App mix station<br />

Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky that Subliminal Kid<br />

We always use the compositional tools of our era, and the tools then in turn<br />

shape the music that is made. It’s a reflexive thing. Imagine how jazz would be<br />

if Adolphe Sax hadn’t invented the saxophone in 1841. Would an entire genre<br />

of music be non-existent? For me, the tool for music composition of our era is<br />

software. My iPhone app explores the iTunes archive as a way of allowing the<br />

end user to get out of the playlist mentality and to mix and layer any song that<br />

has been imported into its architecture, and that means that the iPhone and iPad<br />

become compositional tools in their own right.<br />

DJ Spooky iPhone App<br />

173


Cher Ludwig,<br />

Depuis 1982, j’entretiens avec toi une<br />

correspondance suivie, malheureusement à sens unique.<br />

J’ai beau te clamer mon enthousiasme, poster d’un peu partout des<br />

lettres enflammées, dans des enveloppes hautement personnalisées,<br />

souvent confectionnées avec mes moyens <strong>du</strong> bord, ou au contraire<br />

pourvues de l’en-tête le plus officiel, chapardé dans les couloirs des<br />

ministères ; dûment affranchies au tarif en vigueur ou timbrées à<br />

la va-comme-je-te-pousse ; de chez moi, France, ou de tout autre<br />

pays <strong>du</strong> monde, Monde : inexorablement elles me reviennent.<br />

Luigi, pourquoi restes-tu sourd à mes appels ?<br />

Au fil des années ce dialogue fantôme a fini par virer en un<br />

dialogue avec la poste elle-même. Les retours à l’envoyeur, leurs<br />

annotations, cachets, tampons, me sont peu à peu apparus euxmêmes<br />

des messages, et témoignages : de la continuité, ou<br />

discontinuité, d’un service public, <strong>du</strong> sens de l’investigation de son<br />

département recherche, de la sagacité d’un postier.<br />

Hommage à ce guichetier anonyme assez au fait de<br />

la biographie <strong>du</strong> maître pour être capable de m’informer<br />

qu’il a « déménagé » ! Merci à ces autres, sentinelles ultimes d’un<br />

bien collectif rongé par l’accumulation capitale, qui poussent la<br />

conscience professionnelle et l’enquête assez loin pour pouvoir in<br />

fine tamponner « n’habite plus à l’adresse indiquée » ; ou bien que<br />

Luis B. est parti sans en laisser, quand ce n’est pas pour toujours :<br />

« décédé », « dece<strong>du</strong>to », « gestorben » !<br />

Mais honte à l’employé ignare qui ose écrire de<br />

toi « unbekannt », inconnu » ! Qu’il soit licencié sur-le-champ !<br />

Engagez des vacataires Bac + 9 payés Bac – 9, cela ira beaucoup<br />

mieux ! Pom-pom-pom-pom. Luigi, ou Lewis, wo ist <strong>du</strong> ?<br />

Mais dove ? Donde ? Clovis, ubi es ?<br />

Il est sûr que le dénommé van B. écrivait lui-même des lettres, ne<br />

serait-ce qu’à une certaine Élise. On sait depuis peu que la destinataire<br />

vient d’être identifiée : Elisabeth Roeckel. J’ai donc bon espoir.<br />

Cher Louis, ne me contrains pas à user de la force, ou de plus<br />

grands moyens encore : placarder partout des wanted infâmants,<br />

mettre ta tête à vil prix sur la toile d’araignée, exhiber dans une<br />

exposition au pilori les 267 lettres que ton silence m’a retournées,<br />

lancer un avis théâtral de recherche sur les scènes de l’univers, y jeter<br />

un super-inspecteur pianiste, lui-même un peu timbré, à 88 bords<br />

dentelés noir et blanc et à oreille droite dressée sur tes traces.<br />

Ô mon bien-aimé lointain, si tu lis ce message, écris plutôt au plus<br />

tôt à Poste restante, ou ce qui en restera, écris-moi n’importe où,<br />

mais vite, ça m’arrivera, ça viendra, il arrivera bien un jour que tout<br />

arrive.<br />

Vale.


Ludwig? Inconnu à l’adresse indiquée<br />

Entretien avec Jacques Rebotier<br />

Hélène Pierrakos<br />

Quand a débuté cette entreprise des lettres adressées à Beethoven?<br />

Il y a vingt-cinq ans. Au début j’écrivais des lettres, ou à des inconnus dont le nom<br />

et l’adresse faisaient sens, non pas à Beethoven, comme un certain monsieur Dieu<br />

qui habitait rue de l’Enfer, ici-même, à «Ichy», 77890. Ou à monsieur et madame<br />

Lenvoyeur, avec l’espoir que l’enveloppe me revienne tamponnée d’un «retour à<br />

l’envoyeur»… ce qui s’est effectivement pro<strong>du</strong>it! Cette lettre «originelle» m’a paru<br />

la métaphore de l’acte lui-même d’écrire, de soi-même à soi-même, avec beaucoup<br />

de circonvolutions entre les deux. Peu à peu, j’ai adressé mes messages à des compositeurs,<br />

des collègues en quelque sorte, histoire de connaître leurs tuyaux, de leur<br />

demander conseil, leur confier des petits secrets. Un journal de bord, par-delà la mort.<br />

Qu’écriviez-vous dans ces lettres?<br />

Top secret! L’idée est que cela reste dans l’intime et habite, ou plutôt hante l’exposition,<br />

sous forme de point d’interrogation. Le contenu des lettres fera l’objet<br />

d’un oratorio épistolaire, la prochaine étape de travail, purement musicale, celle-là.<br />

Le sujet de l’installation, c’est le voyage, le cheminement, de l’expéditeur à …<br />

l’expéditeur. J’ai corsé le propos en chipant un peu partout des enveloppes à entête<br />

– d’abord au Ministère de la Culture où j’ai jadis travaillé. Cette enveloppe-ci<br />

est de la Sacem, il y en a d’autres de théâtres où j’ai réalisé des spectacles, des hôtels<br />

de tous pays, celle-ci porte le sigle des impôts, celle-ci celui <strong>du</strong> Centre Pompidou.<br />

De partout dans le monde, envoyer partout dans le monde des lettres à Beethoven;<br />

là où il aurait pu passer, là où il aurait dû passer. Pour chaque lettre, une adresse<br />

inventée, «Eroïca Straße», ou encore «Edis, Edis, Edis, Edis Straße, 1809», allusion<br />

à la Cinquième Symphonie. Celle-ci, est «aux bons soins de Bettina Brentano», «rue<br />

Romain Rolland». Celle-là est adressée au «Centre de Cryogénie universelle».<br />

Les timbres sont devenus peu à peu un autre lieu de perversion: timbres à l’effigie<br />

de Beethoven, de chanteurs en vogue, d’autres compositeurs. Comment Beethoven<br />

prendra-t-il le fait de recevoir cette enveloppe avec un timbre représentant Claude<br />

François? J’ai aussi fabriqué de faux timbres, certains de mon propre visage, cela<br />

me reviendra-t-il?<br />

Beaucoup de hasard dans ces petites impostures postales, <strong>du</strong> hasard, et <strong>du</strong> jeu, au<br />

sens de pari. Le trajet lui-même est de l’ordre de l’inconnu, donc <strong>du</strong> rêvé.<br />

Il y en a une centaine, aujourd’hui, et je continue encore.<br />

Cela finit par former une histoire de la Poste, d’autant qu’en vingt-cinq ans, les<br />

choses ont changé; avec la mise à mort des services publics, les lettres reviennent<br />

moins souvent, par exemple.<br />

Les différentes mentions apposées par la Poste avant de me les retourner sont<br />

évidemment significatives: d’«adresse insuffisante» à «unbekannt»: inconnu, ou<br />

parti sans laisser d’adresse; plusieurs me sont revenues, d’Allemagne et de Suisse,<br />

avec la mention «gestorben»: «décédé». Merci au postier inconnu qui conclut<br />

«gestorben» au vu <strong>du</strong> nom de Ludwig van Beethoven!<br />

Page de gauche / Linke Seite:<br />

Jacques Rebotier<br />

Lettre à Ludwig<br />

175


C’est un travail parallèle à vos autres créations?<br />

D’abord, c’est une étape dans une trilogie: l’expo elle-même, le spectacle L’Oreille<br />

droite, pour un pianiste-acteur, et inspecteur en sons, et un oratorio à venir, écrit<br />

pour un ensemble instrumental et des acteurs-danseurs.<br />

L’expo elle-même est le reflet d’un petit journal de bord, un cheminement au long<br />

cours, et à petits cailloux, qui accompagne l’écriture. Je prends des notes sur mon<br />

travail de compositeur, sur ce que je vois, je demande son avis à Beethoven sur<br />

tel ou tel point… Un dialogue avec un inconnu, qui est une figure tutélaire des<br />

compositeurs.<br />

Et cela vous a fait avancer dans votre travail?<br />

Mais cela fait partie <strong>du</strong> travail! C’est <strong>du</strong> postal art, si vous voulez. Un lieu de<br />

perversion entre les arts, au croisement entre art plastique, théâtre en action,<br />

écriture littéraire et musique. Un écho à cette idée, qui me poursuit, d’un concert<br />

qui n’en soit pas un, d’un work in progress. Quelque chose en résonance avec mes<br />

Théâtres impossibles (publiés aux Éditions Harpo &), ou ce Théâtre des questions, que<br />

j’ai mené pendant dix ans avec ma compagnie, et qui consistait à lutter contre le<br />

DMI (Déficit Mondial Interrogatif) en recueillant par tous les moyens et partout<br />

dans le monde, des questions. L’idée aussi d’une œuvre impossible, que je travaille<br />

dans un texte intitulé «Le Cours de la langue», un texte qui n’a jamais commencé et<br />

qui ne s’arrêtera jamais.<br />

Imaginez par exemple un concert fait de tous les sons enten<strong>du</strong>s en un endroit de<br />

la planète, et mis bout à bout, depuis 2000 ans jusqu’à aujourd’hui, en prenant<br />

tous les sons qui ont été émis à tel endroit de la planète.<br />

Cette exposition est une installation – Klanginstallation – une installation plastique,<br />

sonore et postale. Car il y aura des sons, textes, et musiques, un dispositif de voyage<br />

intérieur, propice à un recueillement, en hommage au compositeur inconnu.<br />

Y a-t-il eu une progression, justement, dans cet ensemble de lettres ou est-ce une simple<br />

accumulation dans le temps?<br />

Il y a accumulation qui, comme toutes les accumulations, génère une dramaturgie.<br />

Mais j’ai aussi évolué dans l’action d’envoyer des lettres sur toute cette période.<br />

Accumulation et aussi, comme un thème à variations. Thème, l’envoi d’une lettre.<br />

Variations, le lieu d’expédition et de réception, l’enveloppe, l’adresse, le timbre,<br />

les flammes et cachets de hasard, mentions diverses qui portent traces d’une<br />

circulation…<br />

Il y a aussi comme un jeu secret avec le langage, mots qui passent en douce les<br />

frontières philatéliques et musicales, en changeant de sens. On parle en musique<br />

de «timbre», et d’«enveloppe» d’un son, non? Le mot «lettre» lui-même me fascine<br />

qui, en français, dit le caractère typographique (Buchstabe), puis la lettre adressée,<br />

puis les lettres – métonymie de toute la littérature, etc. Il y a déjà un processus de<br />

poupée russe dans ce simple mot de «lettre». Mais l’idée première est au fond celle<br />

de l’«adresse» à un inconnu, une bouteille ou une lettre à la mer. C’est Jean Paul,<br />

l’écrivain allemand, qui disait qu’un livre n’est autre qu’une lettre envoyée à un<br />

ami inconnu, quelqu’un dont on suppose qu’il va aimer ce que l’on a fait. C’est<br />

pour moi le geste central de l’écriture, et sa métaphore profonde. Pourquoi écrit-on<br />

de la musique? C’est mystérieux, cette action de jeter une «œuvre» au vent, avec<br />

la supposition que quelqu’un pourra la recevoir, et en être touché. Tout cela fait<br />

journal de bord, pour moi.<br />

Comment avez-vous conçu le parcours sonore à partir de ces lettres?<br />

À trois dimensions: musiques, textes et sons (avec Bernard Valléry, le designer<br />

sonore avec qui je travaille pour presque tous mes spectacles). Musique, il y a des<br />

bribes d’œuvres de Beethoven, détournées, et aussi des œuvres de mon crû, inspirées<br />

ou non de Beethoven. La tente qui accueille l’expo porte à l’entrée «An den<br />

176


fernen Geliebten», transposition masculine de An die ferne Geliebte, le cycle de lieder<br />

(dont on entend des lambeaux dans l’installation sonore) écrit «À la bien-aimée<br />

lointaine». Mon exposition est pour sa part un hommage au compositeur inconnu!<br />

Le titre en est Für Ludwig, qui fait écho au fameux Für Elise, le morceau le plus<br />

galvaudé de Beethoven. On a découvert il y a seulement un an qui était cette<br />

Elise, une cantatrice. J’ai prolongé cette pièce, qui est écrite à partir d’un simple<br />

trille d’un Für E. bis, un thème à variations pour piano autour d’un trille, décliné<br />

en tous tempos et phrasés. Ces pièces sont tirées de L’Oreille droite, un spectacle<br />

que j’ai écrit en 2008 pour le pianiste Alexandre Tharaud. On peut aussi entendre<br />

un genre de reconstitution de la séquence <strong>du</strong> chant des oiseaux dans la Sixième<br />

Symphonie, réalisée à partir des oiseaux que Beethoven cite sur sa partition, rossignol,<br />

coucou, caille des prés, replacés en hauteur et tempo idoine. Back to super past, un<br />

rewind de la «Pastorale» en quelque sorte!<br />

Un deuxième espace sonore de l’exposition est fait de textes, des lambeaux de<br />

pensée sur Beethoven, sur le son des confidences. Enfant, j’apprenais le piano,<br />

je collectionnais les timbres aussi, notamment des timbres de compositeurs et<br />

d’animaux, surtout des oiseaux. C’est une façon extraordinaire de voyager quand<br />

on est gosse: on fait des rangements, on classe, on domine les choses, on créée un<br />

petit monde. On compose. Et on voyage en mystère; un timbre des Açores, on ne<br />

sait pas où cela peut bien être, on rêve… Les timbres ont aussi un langage à eux,<br />

des oblitérations, des flammes, des cachets, des dents, des bords dentelés ou non,<br />

des couleurs, les bistres, les sépias, c’est là un monde inconnu et immense, peuplé<br />

de mots magiques. Avec cette idée d’un monde clos, qui permet pourtant de<br />

voyager partout, petit tapis volant. Une île, ouverte et fermée sur le monde.<br />

Le piano et les timbres sont mêlés dans mes souvenirs d’enfance et de solitude.<br />

C’est un objet étrange, le piano, pour un œil d’enfant. Drôle d’animal, à trois<br />

pattes, et ces longues rangées de dents, dont beaucoup sont cariées! Se mêlaient<br />

aussi le désir de voyager et le désir que j’ai eu à l’adolescence, de devenir compositeur.<br />

La vie de Bach, Cöthen, Leipzig, Mühlhausen, je revivais en pensée ces<br />

voyages dans l’espace et dans le temps. C’est bien un voyage dans le temps<br />

d’aimer la musique classique. Cette envie de faire soi-même le voyage, on appelle<br />

cela plus tard «une carrière»… On fait le voyage à travers des œuvres, d’œuvre en<br />

œuvre, puis les œuvres forment un catalogue, d’opus comme on dit.<br />

La troisième source sonore est faite de sons, de paysages sonores mentaux. Ces trois<br />

espaces s’interpénètrent, se rencontrent, formant un puzzle de pensées et de sons.<br />

Je ne suis pas fou de Beethoven, ce n’est pas mon compositeur-référence.<br />

Beethoven est ici le prototype <strong>du</strong> compositeur; c’est le premier à avoir conquis<br />

une certaine indépendance. Ce n’est plus un serviteur, mais un homme engagé, y<br />

compris politiquement. Et c’est aussi la référence absolue pour les pianistes. C’est<br />

lui qui a fait exploser le cadre <strong>du</strong> piano, utilisant tous les registres. Mon professeur<br />

de piano avait un buste de Beethoven sur son piano, qu’il m’a d’ailleurs légué.<br />

Ce qui est émouvant lorsqu’on voit cet ensemble des lettres que vous avez adressées à Beethoven,<br />

c’est que d’une certaine manière, vous avez créé un lien avec lui, même si ce n’est pas avec<br />

l’homme réel…?<br />

Mais quand on écrit de la musique, il y a toujours des ombres derrière vous, des<br />

gens, une histoire, des figures tutélaires. On écrit pour des auditeurs inconnus, mais<br />

aussi, consciemment ou non, en référence à des choses qu’on a enten<strong>du</strong>es, qu’on<br />

a aimées, ou détestées, qu’on a oubliées mais qui sont encore présentes dans la<br />

tête. Il y a des ombres derrière nous, et devant, nous balançons d’autres ombres.<br />

Vous ne les décachetez jamais, ces lettres? Vous ne savez plus ce que vous avez écrit au long<br />

de ces vingt-cinq années de correspondance avec Beethoven?<br />

177


Non. Mais le fait qu’il y ait <strong>du</strong> secret dans l’enveloppe est important pour l’exposition.<br />

Cela se sent. Se pose nécessairement la question de savoir ce qu’il y a<br />

dans ces lettres. C’est un peu comme la musique, en fait. Parfois, les gens vous<br />

demandent ce que vous avez voulu dire avec telle ou telle œuvre. D’une certaine<br />

manière, rien. La musique a son sens en elle-même. Si j’avais voulu, ou plutôt<br />

pu le dire, eh bien je l’aurais dit autrement! Pas en musique. C’est pareil ici. Je<br />

tourne autour de l’idée d’un message qui n’ait pas de sens, ou même qui n’existe<br />

pas. Je reçois une révélation si j’écoute l’Adagio <strong>du</strong> Quintette de Schubert à deux<br />

violoncelles. J’apprends quelque chose qui m’est absolument essentiel. Mais<br />

quoi? C’est une métaphore de la composition, le fait qu’il y ait un message dans<br />

chacune de ces enveloppes – mais lequel?<br />

Musicologue et critique<br />

musical, Hélène Pierrakos a<br />

collaboré avec Le Monde de<br />

la Musique, Opéra International,<br />

L’Avant-Scène Opéra,<br />

Ligne 8, et pro<strong>du</strong>it des émissions<br />

sur les radios: France<br />

Musique, France Culture,<br />

Radio Suisse Romande et<br />

Fréquence Protestante (où<br />

elle présente depuis trois<br />

ans l’émission La Malle à<br />

Musiques). Elle collabore<br />

régulièrement aux activités<br />

pédagogiques de la Cité de<br />

la musique. Réalisatrice de<br />

documentaires (Thierry<br />

Escaich au miroir de J.S. Bach,<br />

2007), elle est aussi l’auteur<br />

d’un ouvrage sur Chopin.<br />

[Question ajoutée à Virginie Rochetti]<br />

Comment les premières images et formes vous sont-elles venues, à partir de ces lettres?<br />

Nous cherchions, Jacques et moi, à situer tout cela dans un lieu un peu fermé,<br />

confiné, à l’intérieur d’un espace. Et Jacques a souhaité une sorte de tente, où on<br />

pénètre, dans laquelle on puisse s’installer. La couleur est noire, mais entourée de<br />

transparent, les fenêtres. Il y a à la fois de la lumière et de l’obscurité – rendant<br />

compte peut-être <strong>du</strong> fait que, dans ces enveloppes, on ne sait pas ce qu’il y a, c’est<br />

comme une boîte noire assez mystérieuse. Le noir donne aussi un côté plus intime –<br />

des couleurs vives auraient été trop présentes. Mais il y aura des guirlandes de<br />

lumière au plafond, un ciel étoilé de leds. Le hall de la <strong>Philharmonie</strong> est grand,<br />

lumineux, froid et assez imposant. Nous souhaitions donc que le visiteur de l’exposition<br />

puisse sortir de cet espace particulier <strong>du</strong> hall pour découvrir un lieu plus<br />

intime et chaleureux. Il y aura des tapis anciens, des fauteuils où l’on pourra se<br />

poser, écouter. Les enveloppes apparaîtront le long des parois transparentes, on<br />

pourra donc voir les deux côtés de l’enveloppe, selon que l’on se situe d’un côté<br />

ou de l’autre de la paroi de la tente. Entrer ou pas dans ce «Tombeau à Beethoven».<br />

Lettre aux illétristes<br />

Jacques Rebotier<br />

Si, comme le rappelle Sloterdijk, qui suit Jean Paul, on peut voir les livres comme de grosses lettres envoyées à<br />

des amis inconnus, on peut dire que les spectacles sont des lettres <strong>du</strong> même genre, à cette différence près qu’ils<br />

s’autodétruisent à mesure qu’ils se montrent. Pas de marque, pas de trace. Les gens n’avaient qu’à être là, assemblés<br />

dans le présent de la représentation. Sont-ce les sioux pour qui le sommet de la culture est de traverser une forêt<br />

sans laisser la moindre trace? Le théâtre est, de ce point de vue, résistance à la sédentarisation de la pensée, le<br />

théâtre est un art de la pensée nomade. Aussitôt unis, aussitôt désunis, dans le cercle défait des applaudissements.<br />

Le mot le plus important n’est peut-être pas ici «présent», mais «assemblés». Si les gens ne sont pas là, tant pis. Le<br />

théâtre crée <strong>du</strong> collectif ou ne créée rien. Il en va de même bien sûr pour les concerts improvisés, les spectacles de<br />

danse, les performances, lectures poétiques, tours de cirque, tous ces arts qui relèvent, comme on dit, <strong>du</strong> spectacle<br />

vivant.<br />

Les lettres sont-elles mortes? Assurément non; mais force est de constater qu’elles demandent à être incarnées,<br />

revivifiées, par une voix, fût-elle intérieure. Et c’est bien un miracle constamment recommencé, et recommençable à<br />

l’infini, que de voir un marmonnement de lèvres, ou sa simple pensée, redonner à la lettre la vie respirante de l’esprit.<br />

George Steiner nous dit même que l’écrit est un obstacle à la culture, car écran interposé devant la mémoire vive de<br />

la voix.<br />

Page de droite / Rechte Seite:<br />

Jacques Rebotier<br />

«Vous n’avez rien r’çu?»<br />

(extrait de la partition utilisée<br />

dans Für Ludwig)<br />

Les phonèmes, que portent nos voix, et les graphèmes, portés par l’encre sur le support des textiles, papyrus, peaux,<br />

papiers, voilà ce que s’efforcent de tenir ensemble les lettres. Elles opèrent pour cela des coupes dans le continuum<br />

<strong>du</strong> réel, le quantifie, à la manière de ces grilles que plaçaient devant leurs yeux les perspectivistes de la Renaissance<br />

pour le restituer. Les lettres sont les briques élémentaires, unités premières de nos langues «civilisées», et ces<br />

atomes langagiers opèrent très exactement une «vue de l’esprit»; ce qui suppose un parti pris, et un parti pris a<br />

toujours un prix.<br />

Qui a pensé le premier à capturer la voix, puis à la rouler en une pâte vocale propre à être découpée en petits dés,<br />

22, 23, 26? C’est plus manipulable, certes, on peut les bien classer, combiner, déranger – re-ranger, en édifier des jeux<br />

subtils de cubes, constructions à se transmettre de générations en générations. Qu’est devenu alors le grand son<br />

continu? La belle monade nomade, qui passait de stri<strong>du</strong>lations d’élytres sauterellesques en syrinx mésangiers, jabots<br />

rossignolets, sacs vocaux de grenouilles, sphincters cloacaux des serpents corails; de pets d’anus de harengs, via<br />

clics d’ailes de papillon, cantillations baleinières, sonars de chauve-souris ou cachalots, jusqu’en gorges humaines.<br />

Où passée? Où?<br />

Jacques Rebotier: Lettre aux illétristes. – Villeurbanne: URDLA, 2008. © URDLA<br />

178


SERVICE<br />

181


182


Compositeurs, interprètes<br />

& ensembles<br />

Index & Biographies<br />

Mark Andre composition (1964 F)<br />

• iv 1 pour piano (commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung) – 27.11.2010<br />

→ p. 120, 139, 155; www.edition-peters.de<br />

Mark André a étudié au Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris où il a obtenu ses premiers prix en<br />

composition, contrepoint, harmonie, analyse et recherche musicale. Une bourse d’études <strong>du</strong> Ministère des Affaires<br />

étrangères lui a permis de poursuivre ses études de 1993 à 1996 avec Helmut Lachenmann à la Hochschule für<br />

Musik de Stuttgart. Parallèlement, il a achevé ses études de musicologie à l’École Normale Supérieure de Paris et au<br />

Centre d’Études Supérieures de la Renaissance à Tours, soutenant une thèse sur l’Ars Subtilior, l’un des fondements<br />

de sa propre réflexion esthétique. Il a de plus suivi des master-classes de Brian Ferneyhough à la Fondation Royaumont.<br />

Compositeur en résidence à l’Akademie Schloss Solitude de Stuttgart en 1996, il a reçu la même année, le prix<br />

Kranichstein de l’Internationale Ferienkurse für Neue Musik de Darmstadt. En 1996, il a étudié la musique électronique<br />

avec André Richard dans le cadre d’une résidence à la Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR à Freibourg, et<br />

un prix international lui a été décerné à Stuttgart pour Le Trou noir univers pour orchestre, solistes et électronique<br />

(1992–1993). Compositeur en résidence à la SWR et de la ville de Baden-Baden de 1997 à 1998, à la Villa Medicis<br />

à Rome en 2001 et à l’Opéra de Francfort, il a reçu dans cette dernière ville, un prix pour …das O (troisième partie<br />

de …22,13…), créé par l’Ensemble Modern au Bockenheimer Depot. En 2004, Musiktheater-Passion in drei Teilen<br />

…22,13… a été créée au cours de la biennale musicale de Munich, au Staatstheater de Mainz, repris en septembre<br />

2004 à l’Opéra Bastille à Paris, dans le cadre <strong>du</strong> <strong>festival</strong> d’Automne. En 2005, Mark Andre était en résidence au<br />

DAAD Künstlerprogramm de Berlin. Il est lauréat <strong>du</strong> prix de composition Christoph et Stefan Kaske. Aujourd’hui Mark<br />

Andre reçoit des commandes des <strong>festival</strong>s européens les plus importants comme ceux de Donaueschingen et de<br />

Witten. Il écrit pour l’Ensemble Modern, l’ensemble recherche, le Klangforum Wien, les Percussions de Strasbourg,<br />

etc. Depuis 1997, il enseigne le contrepoint et l’orchestration au Conservatoire National de Région de Strasbourg et<br />

à la Musikhochschule de Francfort. Par ailleurs, il est résident <strong>du</strong> Südwestfunk de Baden-Baden et chef permanent<br />

de l’ensemble Zementwerk de Stuttgart. Mark Andre a reçu de nombreux prix de composition internationaux pour<br />

Fatal, Un-fini I et II, Le trou noir univers, Le loin et le profond. Il a reçu le Förderpreis 2002 de la Fondation Ernst von<br />

Siemens pour la musique et en 2007, le Giga-Hertz-Preis <strong>du</strong> ZKM et <strong>du</strong> Studio Freiburg. En septembre 2007, la Salle<br />

Pleyel a donné la création de sa pièce pour orchestre …auf…II.<br />

Arditti Quartet (D)<br />

→ p. 82; www.ardittiquartet.co.uk<br />

Das Arditti Quartet genießt weltweit einen herausragenden Ruf für seine lebendige und differenzierte Interpretation<br />

von Kompositionen der Gegenwart und des 20. Jahrhunderts. Seit Grün<strong>du</strong>ng des Quartetts 1974 <strong>du</strong>rch den Geiger<br />

Irvine Arditti sind mehrere hundert Streichquartette für das Ensemble komponiert worden, die aus dem Repertoire<br />

der zeitgenössischen Musik nicht mehr wegzudenken sind und dem Arditti Quartett einen festen Platz in der Musikgeschichte<br />

geben. Die Bandbreite seines Repertoires beweisen Uraufführungen von Komponisten wie Adès, Andriessen,<br />

Aperghis, Bertrand, Birtwistle, Britten, Cage, Carter, Denisov, Dillon, Dufourt, Dusapin, Fedele, Ferneyhough, Francesconi,<br />

Gubai<strong>du</strong>lina, Guerrero, Harvey, Hosokawa, Kagel, Kurtág, Lachenmann, Ligeti, Maderna, Nancarrow, Reynolds, Rihm,<br />

Scelsi, Sciarrino, Stockhausen, Xenakis unter vielen anderen. Die Diskographie des Arditti Quartet umfasst über<br />

170 CDs. Allein bei dem französischen Label Montaigne Naive sind 42 Aufnahmen erschienen, die eine Vielzahl zeitgenössischer<br />

Komponisten präsentieren, aber auch die erste Digitalaufnahme sämtlicher Streichquartette der Wiener<br />

Schule. Bei diesem Label ist auch das berüchtigte Helikopter-Quartett von Stockhausen erschienen. Zu den neuesten<br />

Veröffentlichungen gehören die vollständigen Streichquartette von Luciano Berio, die wie die meisten Aufnahmen in<br />

Anwesenheit des Komponisten entstanden sind, von Harvey, Rihm und Lachenmann. Das Arditti Quartet hat im Laufe<br />

der letzten 30 Jahre zahlreiche Preise erhalten, darunter mehrfach den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Den<br />

Gramophone Award für die beste Aufnahme zeitgenössischer Musik errang es 1999 und 2002. 1999 wurde ihm der<br />

prestigeträchtige Ernst-von-Siemens-Musikpreis für sein «musikalisches Lebenswerk» verliehen. Im Jahr 2004 erhielt<br />

es den Coup de Cœur der Académie Charles Cros für seinen Beitrag zur Verbreitung der Musik unserer Zeit.<br />

Auryn Quartett (D)<br />

→ p. 82; www.auryn-quartett.de<br />

«Tu, was <strong>du</strong> willst!» Dieser lapidare Leitsatz ist in Michael Endes Roman Die unendliche Geschichte auf der Rückseite<br />

eines magischen Amuletts zu lesen, das seinem Träger Inspiration verleiht und ihm hilft, den Weg seiner Wünsche<br />

zu gehen. Das Auryn – so der Name des Amuletts – wurde 1981 zum Taufpaten für vier junge Musiker, die sich entschlossen<br />

hatten, ihren künstlerischen Weg fortan als Streichquartett gemeinsam zu gehen. Schon im darauffolgenden<br />

Jahr war das Auryn Quartett beim renommierten ARD-Wettbewerb in München und beim internationalen Streichquartettwettbewerb<br />

in Portsmouth erfolgreich. Die Spielweise des Auryn Quartetts wurde zunächst <strong>du</strong>rch das Studium<br />

beim legendären Amadeus Quartett in Köln geprägt. Hier galt das Prinzip eines homogenen, vom leicht dominierenden<br />

Oberglanz der ersten Geige gekrönten Ensembleklangs. Während eines Studienaufenthaltes beim Guarneri Quartett<br />

dagegen legte man größeres Gewicht auf Transparenz, Trennschärfe und Indivi<strong>du</strong>alität der Stimmen. Der Ausgleich<br />

zwischen diesen höchst gegensätzlichen Musizieridealen wurde zur Feuerprobe für das Auryn Quartett, das nach<br />

seiner Rückkehr aus den USA rasch in die Spitzengruppe der internationalen Quartettszene aufrückte. Seither hat das<br />

Auryn Quartett nahezu die gesamte Quartettliteratur bis in die Moderne hinein erarbeitet; hinzu kommen bedeutende<br />

Ur- und Erstaufführungen. Nach den hochgelobten Gesamteinspielungen der Streichquartette von Beethoven und<br />

Page de gauche / Linke Seite:<br />

back to the future<br />

photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />

Technique des Arts et Métiers<br />

Luxembourg-Limpertsberg<br />

(LTAM), voir p. 200 /<br />

siehe S. 200<br />

183


ack to the future<br />

Projet photographique pour le catalogue <strong>du</strong> <strong>festival</strong> rainy days 2010<br />

Lycée Technique des Arts et Métiers – LTAM<br />

Luxembourg-Limpertsberg<br />

Classe T3AR1<br />

Rebecca Bremin<br />

Julie Ditomaso<br />

Camille Ebuen<br />

Jenny Fischer<br />

Annick Groben<br />

Océane Prost<br />

Claire Roef<br />

Tom Waldbillig<br />

Julie Zorn<br />

Classe T2AR3<br />

Samantha Bourg<br />

Sinja Braschel<br />

Christine Eckardt<br />

Thierry Ehr<br />

Lena Godelet<br />

Thierry Harpes<br />

Roger Hautcoeur<br />

Lisa Wengler<br />

Ylenia Wiltzius<br />

Professeurs<br />

Joseph Tomassini<br />

René Kockelkorn<br />

Présentation des photos réalisées pour les rainy days 2008–2010<br />

au Grand Foyer de la <strong>Philharmonie</strong> pendant le <strong>festival</strong> rainy days 2010<br />

Heures d’ouverture / Öffnungszeiten:<br />

19.11. 19:00–22:30<br />

20.11. 19:00–22:30<br />

21.11. 17:30–22:30<br />

24.11. 19:00–22:30<br />

26.11. 19:00–22:30<br />

27.11. 18:00–23:00<br />

28.11. 17:00–22:30<br />

200

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