Clôture du festival - Philharmonie
Clôture du festival - Philharmonie
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ack to the future<br />
rainy days 2010<br />
<strong>Philharmonie</strong> Luxembourg<br />
19.–28.11.2010<br />
Établissement public Salle de Concerts<br />
Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte
Impressum<br />
© <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg<br />
2010<br />
Établissement public Salle de<br />
concerts Grande-Duchesse<br />
Joséphine-Charlotte<br />
1, Place de l’Europe<br />
L-1499 Luxembourg<br />
www.philharmonie.lu<br />
www.rainydays.lu<br />
ISBN 978-2-9599696-6-9<br />
EAN 9782959969669<br />
Für den Inhalt verantwortlich:<br />
Matthias Naske<br />
Redaktion:<br />
Bernhard Günther<br />
Dominique Escande<br />
Karsten Nottelmann<br />
Redaktionelle Mitarbeit:<br />
Raphaël Rippinger<br />
Annegret Kornmann<br />
Noemi Deitz<br />
Ada Günther<br />
Johannes Kadar<br />
Design: Pentagram Design<br />
Limited, Berlin<br />
Satz: Bernhard Günther<br />
Druck: Imprimerie Centrale<br />
Printed in Luxembourg<br />
Die Texte auf den Seiten<br />
6–14, 26–37, 47–51, 66–68,<br />
74–99, 106–107, 112, 122,<br />
129–132, 139–141, 166–167<br />
und 173–178 sind Originalbeiträge.<br />
Die Photos auf den Seiten<br />
8, 21, 22, 32, 45, 46, 61, 83,<br />
105, 182 und 200 entstanden<br />
im Rahmen des Projekts<br />
«back to the future» der<br />
Klassen T3AR1 und T2AR3<br />
am Lycée Technique des<br />
Arts et Métiers Luxembourg-<br />
Limpertsberg (LTAM) für<br />
das Festival rainy days 2010<br />
(siehe Seite 200). Wir danken<br />
den Schülern und Lehrern für<br />
die Kooperation.<br />
Umschlagillustration:<br />
Patrick Ackermann<br />
Nous remercions / Dank an:<br />
les musiciens, auteurs et<br />
partenaires <strong>du</strong> <strong>festival</strong>;<br />
L’Orchestre Philharmonique<br />
<strong>du</strong> Luxembourg; Ircam Paris,<br />
Cdmc Paris, Conservatoire<br />
de Musique de la Ville de<br />
Luxembourg<br />
Tous droits réservés /<br />
Alle Rechte vorbehalten /<br />
All rights reserved
Prélude<br />
back to the future<br />
Sabine Sanio: Mit dem Rücken zur Zukunft<br />
Luigi Nono: Geschichte und Gegenwart in der Musik von heute<br />
Burkhard Spinnen: Von XY lernen, heißt…?<br />
Jorge Sánchez-Chiong: Die Umwidmung einer Maschine<br />
Pierre-Albert Castanet: Les grimoires de Mnémosyne<br />
Jean-François Lyotard: Réécrire la modernité<br />
Martin Kaltenecker: Le plaisir <strong>du</strong> sensible recomposé<br />
John Oswald: Plunderphonics<br />
6<br />
9<br />
16<br />
23<br />
26<br />
33<br />
38<br />
47<br />
53<br />
Programme<br />
19.11.2010 18:00 «Gassatim-Konzert» – Ouverture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />
Martin Kaltenecker: Un charivari démocratique. Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert<br />
Zum Gassatim-Konzert<br />
20.11.2010 20:00 Brice Pauset / Johannes Ockeghem<br />
Alice Tacaille: Canons: architectures sonores<br />
Wolfgang Fuhrmann: Lyrisches Schweben<br />
21.11.2010 18:30 / 20:00 Bernhard Lang / Joseph Haydn<br />
«The medium is the message». Bernhard Lang. Entretien avec Armin Köhler<br />
Die Frage nach dem Original. Bernhard Lang im Gespräch mit Bernhard Günther<br />
Martine Kaufmann: Les sept dernières paroles <strong>du</strong> Christ en Croix. Joseph Haydn<br />
Wolfgang Fuhrmann: Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze<br />
24.11.2010 20:00 Noise Watchers<br />
Commentaires d’œuvres / Werkkommentare<br />
26.11.2010 20:00 Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />
Jürgen Ostmann: Bloßgelegte Zusammenhänge<br />
Helmut Lachenmann: Hat das Werk Anton Weberns 1970 eine aktuelle Bedeutung?<br />
Bertrand Demoncourt: Concerto pour clarinette et orchestre en la majeur KV 622<br />
Jürgen Ostmann: «Ach, wenn wir nur auch clarinetti hätten!»<br />
Martin Kaltenecker: Accanto<br />
Helmut Lachenmann: Accanto<br />
27.11.2010 19:00 / 20:00 / 21:00 / 22:00 «75 e anniversaire de Helmut Lachenmann»<br />
Jürgen Ostmann: Vorspiele<br />
Hélène Pierrakos: Préludes<br />
Brigitte Massin: Nacht und Träume (Nuit et rêves)<br />
Helmut Lachenmann: Schubert-Variationen, Wiegenmusik, Guero<br />
Martin Kaltenecker: Cinq Variations sur un thème de Schubert (1956)<br />
Martin Kaltenecker: Wiegenmusik<br />
François Bohy: Guero<br />
Schönheit? Georg Friedrich Haas im Gespräch mit Bernhard Günther<br />
Christian Goubault: Pour Chouchou. Claude Debussy: Children’s Corner<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel<br />
«Ein metaphysischer Road Trip nach innen». Mark Andre im Gespräch mit Bernhard Günther<br />
Helmut Lachenmann: Got Lost (Sarah’s Song)<br />
Luigi Nono: Pour Helmut<br />
Helmut Lachenmann: Über Luigi Nono<br />
Luigi Nono: Sofferte onde serene<br />
Horst A. Scholz: Serynade<br />
Marino Formenti: Serynade<br />
28.11.2010 19:00 «In Nomine»<br />
Torsten Blaich: Zwischen den Zeiten<br />
28.11.2010 20:00 «Fast Forward» – Clôture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />
John Oswald, Glenn Gould, rascali klepitoire, and plunderphonics<br />
Julian Cowley: Philip Jeck. Turning the tables on imperfections<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: Pattern + Variation. Bach’s Goldberg Variations Remix<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: Asymmetries. Acoustica 2010<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: Tone Motion. Wolfgang Mitterer’s Music for checking e-mails<br />
19.–28.11.2010 Installations sonores / Klanginstallationen<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky: From A to B and Back Again. DJ Spooky iPhone App mix station<br />
Hélène Pierrakos: Ludwig? Inconnu à l’adresse indiquée. Entretien avec Jacques Rebotier<br />
64<br />
66<br />
69<br />
72<br />
74<br />
79<br />
82<br />
84<br />
89<br />
95<br />
98<br />
100<br />
101<br />
104<br />
106<br />
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110<br />
112<br />
113<br />
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120<br />
122<br />
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126<br />
127<br />
128<br />
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134<br />
136<br />
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142<br />
143<br />
146<br />
148<br />
149<br />
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152<br />
154<br />
158<br />
160<br />
162<br />
166<br />
167<br />
168<br />
172<br />
173<br />
175<br />
Service<br />
Compositeurs, interprètes & ensembles<br />
181<br />
183
PRELUDE<br />
5
ack to the future<br />
«Die Vergangenheit ist immer neu. Sie verändert sich dauernd, wie das Leben fortschreitet.<br />
Teile von ihr, die in Vergessenheit versunken schienen, tauchen wieder auf, andere wiederum<br />
versinken, weil sie weniger wichtig sind. Die Gegenwart dirigiert die Vergangenheit wie<br />
die Mitglieder eines Orchesters. Sie benötigt diese Töne und keine anderen. So erscheint<br />
die Vergangenheit bald lang, bald kurz. Bald klingt sie auf, bald verstummt sie. In die<br />
Gegenwart wirkt nur jener Teil des Vergangenen hinein, der dazu bestimmt ist, sie zu erhellen<br />
oder zu ver<strong>du</strong>nkeln.»<br />
(Italo Svevo: La coscienza di Zeno, 1923)<br />
1<br />
Georg Friedrich Haas (27.11.)<br />
S. 130<br />
2<br />
Sabine Sanio<br />
S. 9<br />
3<br />
Klanginstallationen<br />
(19.–28.11.):<br />
DJ Spooky<br />
S. 172 f.<br />
Jacques Rebotier<br />
S. 172, 174–179<br />
4<br />
Hans Engel: Das Instrumentalkonzert<br />
(Führer <strong>du</strong>rch<br />
den Konzertsaal. Die Orchestermusik,<br />
Bd. 3). – Leipzig,<br />
1932, zitiert nach Regina<br />
Busch: «August Halm über<br />
die Konzertform», in:<br />
Notizbuch 5/6: Musik / hrsg.<br />
von Reinhard Kapp. – Berlin,<br />
Wien: Me<strong>du</strong>sa, 1982, S. 109<br />
5<br />
Torsten Blaich zum Konzert<br />
«In Nomine» am 28.11.<br />
S. 154<br />
6<br />
vgl. dazu den Text von<br />
Jorge Sánchez-Chiong<br />
S. 26–31<br />
7<br />
S. 26 f.<br />
8<br />
John Perry Barlow in<br />
seiner Keynote Address<br />
«The Abolition of Property<br />
in Cyberspace» auf der<br />
Konferenz «DDMI Europe»<br />
in London, 03.04.2001,<br />
vgl. https://projects.eff.org/<br />
~barlow/barlow.html<br />
Die Vergangenheit erscheint heute länger als je zuvor – darüber sind sich nicht<br />
wenige der im Festival rainy days 2010 zu entdeckenden Künstler einig:<br />
«Dass sich Komponisten mit Musik der Vergangenheit auseinandersetzen – und im 20. und<br />
21. Jahrhundert viel stärker, als das früher der Fall war –, hängt natürlich mit der Situation<br />
zusammen, dass Musik der Vergangenheit in einem viel stärkeren Ausmaß präsent ist, als<br />
sie das jemals vorher in der Musikgeschichte war» 1 . Woran liegt das? Einerseits wohl<br />
daran, dass «die alten Hoffnungen auf die Zukunft als das Zeitalter des wirklich<br />
Neuen und ganz Anderen heute aus der Mode gekommen sind» 2 . Anders ausgedrückt:<br />
«Die Zukunft ist auch nicht mehr, was sie einmal war.» Aber ist das so neu?<br />
Vermutlich nicht, wenn man bedenkt, dass als Urheber dieses Ausspruchs unter<br />
anderem Paul Valéry, Karl Valentin, Woody Allen, André Fontaine, Robert de<br />
Niro/Alan Parker, Meat Loaf/Jim Steinman, Yogi Berra und Erkki Kurenniemi/<br />
Mika Taanila genannt werden.<br />
Ein anderer möglicher Grund für die heutige Gegenwärtigkeit der Vergangenheit<br />
liegt nahe: In den letzten zehn Jahren haben die technischen Möglichkeiten zum<br />
Abrufen und Bearbeiten von Material aus der gesamten Musikgeschichte rapide<br />
zugenommen – bis hin zu Mobiltelefonen, die DJ Spooky das Publikum der rainy<br />
days 2010 als Tool zum Selberkomponieren entdecken lässt. 3 Aber ist das so neu?<br />
Schon 1932 fand sich in einem Konzertführer die folgende Überlegung:<br />
«Heute, wo der Luftraum uns in magischer Weise zum Konzertsaal geworden ist, in dem<br />
die Sender Europas unendliche Musik bieten, ist die Möglichkeit für den Hörer und das<br />
Bedürfnis für den Künstler die landläufige Literaturkenntnis zu erweitern ständig im<br />
Wachsen. Der Bedarf an Musik zwingt zum Zurückgreifen auf wertvolle Vergangenheit.» 4<br />
Wie auch immer es sich verhält mit der Vergangenheit in der Gegenwart – eines<br />
ist sicher: Kaum ein künstlerisches Medium eignet sich so gut für Rückblenden,<br />
Erinnerungen, Jahrhunderte übergreifende Reflexionen und Querverbin<strong>du</strong>ngen<br />
– oder, bildlich gesprochen: für Zeitreisen – wie die Musik. «Das kompositorische<br />
Verfahren, auf vorhandenes musikalisches Material zurückzugreifen und in<br />
einer neuen Komposition zu verarbeiten, zählt zu den zentralen Prinzipien der<br />
abendländischen Musikgeschichte.» 5 Vom Sampling führt ein langer Weg zurück<br />
über DJs und Turntablisten, 6 John Cages Stücke mit Plattenspielern und Radios, 7<br />
Musique concrète, Potpourri, Opernparodien (von Händel über The Beggar’s Opera<br />
von 1728 bis zur Dreigoschenoper von 1928), die Parodiemessen des 15. Jahrhunderts<br />
u.v.a. Auf den Punkt gebracht: «How many musicians can honestly say<br />
they’ve never used something that was there before?» 8<br />
6
Dabei könnte man bei einem flüchtigen Blick auf verschiedene Stile, Genres und<br />
Oberbegriffe der Musik seit 1900 den Eindruck bekommen, irgendwann im 20. Jahrhundert<br />
hätte die Musikgeschichte neu begonnen. 9 Wenn man sich jedoch ein<br />
wenig Zeit für einen näheren Blick auf einige fraglos besonders revolutionäre<br />
Komponisten unter den vermeintlichen «Neutönern» wirft, entdeckt man allerdings<br />
schnell, dass viele der wirklich spannenden neuen Töne meistens mit einer<br />
großen Leidenschaft für die Geschichte einhergehen – von Arnold Schönbergs<br />
Anknüpfen an Bach, Beethoven und Brahms über Anton Weberns akribische<br />
Kenntnis der Alten Musik 10 bis zu Helmut Lachenmanns schonungslos liebevoller<br />
Auseinandersetzung mit Mozart. 11<br />
Spätestens jetzt ist es an der Zeit, vom Allgemeinen des diesjährigen Themas<br />
«back to the future» auf das Besondere der acht Konzerte und zwei Klanginstallationen<br />
der rainy days 2010 zu kommen. Denn wir freuen uns sehr auf die wahrlich<br />
außergewöhnliche Gelegenheit, gemeinsam mit Ihnen in der <strong>Philharmonie</strong><br />
Helmut Lachenmanns 75. Geburtstag zu feiern – mit zwei ganz besonderen Konzertprogrammen<br />
am 26. und 27.11. Zu den Gästen des vierstündigen Geburtstagskonzerts<br />
am 27.11. in der Salle de Musique de Chambre 12 gehören (neben<br />
Helmut Lachenmann und seiner Frau Yukiko Sugawara, die beide als Pianisten<br />
auf der Bühne sein werden) unter anderem die Komponisten Mark Andre und<br />
Georg Friedrich Haas, von denen jeweils eine neue Komposition uraufgeführt wird.<br />
Mit einer Uraufführung der Komponistin Olga Neuwirth wird das Festival am<br />
19.11. eröffnet – schon fast traditionellerweise im öffentlichen Raum der Stadt<br />
Luxemburg, und zwar mit einer ungewöhnlichen Verwirklichung musikalischer<br />
Ideen, die Joseph Haydn und Charles Ives als sehr zeitgenössische Komponisten<br />
ausweisen. 13 Haydn ist aus nächster Nähe anschließend am 21.11. im Dialog mit<br />
Bernhard Lang zu hören, welcher sich für die Donaueschinger Musiktage und<br />
die rainy days auf die Suche nach den Rätseln von Haydns wohl mysteriösestem<br />
Streichquartett begeben hat – zugleich (an der Seite des Auryn Quartetts) das<br />
<strong>Philharmonie</strong>-Debüt des Arditti Quartett, das mit der unglaublichen Zahl von<br />
über 3.000 Uraufführungen an der neuen Blüte der alten Gattung Streichquartetts<br />
im 20. Jahrhundert ganz wesentlich beteiligt ist. 14<br />
Auf drei noch weiter in die Musikgeschichte zurückführende Zeitreisen laden<br />
erstens der Pianist Nicolas Hodges und das Alte-Musik-Ensemble Capella de<br />
la Torre am 20.11. ein – die Gesamturaufführung seiner Canons für Klavier in<br />
Verbin<strong>du</strong>ng mit einer Renaissance-Messe von Johannes Ockeghem, die den Lauf<br />
der Musikgeschichte verändert hat 15 –, zweitens der Organist Francesco Filidei in<br />
einem gemeinsam mit den Noise Watchers und FIMOD veranstalteten Orgelkonzert<br />
in Dudelange am 24.11. 16 sowie schließlich das ensemble recherche am<br />
28.11. mit einer kontrastreichen Auswahl sehr kurzer Stücke von rund 20 Komponisten<br />
– das Ergebnis der Einla<strong>du</strong>ng des Ensembles, sich mit einer Melodie auseinanderzusetzen,<br />
die im 16. und 17. Jahrhundert kaum ein namhafter Komponist<br />
unverwendet ließ. 17<br />
Das direkt anschließende Abschlusskonzert im Grand Auditorium 18 lädt nicht nur<br />
zu einem völlig anderen Blick auf die heutigen Möglichkeiten der musikalischen<br />
Vergangenheitsbewältigung, sondern ist auch eine bemerkenswerte Premiere:<br />
Vier Pioniere der elektronischen Musik – der Plunderphonics-Erfinder John<br />
Oswald, der Turntablist Philip Jeck sowie Wolfgang Mitterer und DJ Spooky –<br />
werden erstmals gemeinsam auf der Bühne stehen, um mit Hilfe von MIDI-<br />
Konzertflügel, iPad, Orgel, Turntables u.v.a. «Fast Forward» von Johann Sebastian<br />
Bach in Richtung Zukunft aufzubrechen. Wir wünschen Ihnen eine spannende<br />
Zeitreise sowie eine anregende Lektüre dieses Katalogs.<br />
9<br />
Beispielsweise finden<br />
sich Neue Musik (oder,<br />
etwas neuer: neue Musik),<br />
Neuromantik, Neoklassik,<br />
Neoklassizismus, Neue<br />
Sachlichkeit, Neoexpressionismus,<br />
Neotonalität, Neue<br />
Einfachheit, Neoprimitivismus,<br />
New Age, New Complexity,<br />
Neue Moderne,<br />
Zweite Moderne, Gegenmoderne,<br />
Postmoderne.<br />
10<br />
vgl. z.B. das Ricercar im<br />
Konzert des OPL (26.11.)<br />
S. 104–109<br />
11<br />
vgl. Accanto im Konzert<br />
des OPL (26.11.)<br />
S. 47–51, 113–119<br />
12<br />
«75 e anniversaire de<br />
Helmut Lachenmann» (27.11.)<br />
S. 120–151<br />
13<br />
«Gassatim-Konzert» (19.11.)<br />
S. 64–71<br />
14<br />
Bernhard Lang /<br />
Joseph Haydn (21.11.)<br />
S. 82–99<br />
15<br />
Brice Pauset /<br />
Johannes Ockeghem (20.11.)<br />
S. 72–81<br />
16<br />
Noise Watchers (24.11.)<br />
S. 100–103<br />
17<br />
«In Nomine» (28.11.)<br />
S. 152–157<br />
18<br />
«Fast Forward» (28.11.)<br />
S. 158–1171<br />
Bernhard Günther<br />
Dramaturg<br />
Matthias Naske<br />
Generaldirektor<br />
7
ack to the future<br />
(«A tribute to Leonardo da<br />
Vinci: Uomo vitruviano, 1487»)<br />
photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />
Technique des Arts et Métiers<br />
Luxembourg-Limpertsberg<br />
(LTAM), voir p. 200 /<br />
siehe S. 200<br />
8
Mit dem Rücken zur Zukunft<br />
Oder: Wie die Musik die Wirklichkeit entdeckt<br />
Sabine Sanio<br />
«Back to the future», das Motto des diesjährigen Festivals rainy days in Luxemburg,<br />
liefert eine paradoxe Umschreibung dafür, wie die alten Hoffnungen auf die Zukunft<br />
als das Zeitalter des wirklich Neuen und ganz Anderen heute aus der Mode<br />
gekommen sind: Es wird nicht mehr danach gefragt, wann der Fortschritt endlich<br />
sein Ziel erreichen wird, eine bessere Gesellschaft ohne Armut und Arbeit, voller<br />
Luxus und technischer Wunderwerke; die Annahme, dass sich die Zukunft, das<br />
Neue und ganz Andere jedesmal wieder als das längst Bekannte und der Aufbruch<br />
als Rückkehr herausstellen werde, gilt heute mit solcher Selbstverständlichkeit, dass<br />
wir dafür Redewen<strong>du</strong>ngen entwickeln, die an die Bilder von M.C. Escher erinnern,<br />
auf denen Menschen endlose Treppen steigen, ohne zu merken, dass sie im nächsten<br />
Augenblick wieder ganz unten am Fuße des Gebäudes ankommen werden.<br />
Der Engel der Geschichte<br />
Das Ende des Fortschrittsoptimismus hat neben Wortspielen wie «Zurück in die<br />
Zukunft» auch einige Geschichtsbilder hervorgebracht, welche die allgemeine<br />
Ratlosigkeit und Ermü<strong>du</strong>ng, die mit dem Ende des Fortschrittsglaubens eintraten,<br />
treffend benennen. Bleibt Nietzsches Rede von der Wiederkehr des Immergleichen<br />
relativ abstrakt, so hat Walter Benjamin in seinen geschichtsphilosophischen<br />
Thesen mit seiner Interpretation von Paul Klees Angelus Novus ein komplexes und<br />
doch prägnantes Bild für das Ende des Fortschrittsglaubens entworfen.<br />
Klees Angelus Novus ist für Benjamin der Engel der Geschichte. Der befindet sich<br />
vor einem großen Berg voller Trümmer, während ein heftiger Wind, ja ein Sturm<br />
seine Flügel aufbläht. Benjamin zufolge weht dieser Sturm vom Paradies her,<br />
von dem sich der Engel zwangsläufig immer weiter entfernt. Da er seine Augen<br />
nicht von den Trümmern der historischen Katastrophen abzuwenden vermag,<br />
wendet er der Zukunft den Rücken zu – die Ohnmacht, in der sich der Engel befindet,<br />
entziffert Benjamin als Bild für die Vergeblichkeit aller Bemühungen um<br />
geschichtlichen Fortschritt, ja schlimmer: Der Fortschritt ist Benjamin zufolge der<br />
Sturm, der den Engel nicht nur vom Paradies wegtreibt, sondern auch verhindert,<br />
dass er bei den gerade überstandenen Katastrophen noch verweilen könnte:<br />
«Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige<br />
Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die<br />
Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene<br />
zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen<br />
Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen<br />
kann. Der Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken<br />
kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir<br />
Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.» 1<br />
Ästhetische Praxis und Alltagskultur<br />
Angesichts der heute gängigen Vorbehalte gegenüber allen Utopien vom besseren<br />
Leben hat auch die Idee des Neuen in der Kunst kaum noch Konjunktur. Stattdessen<br />
wenden sich gerade Komponisten gerne den Neuheiten zu, die Technik<br />
und neue Medien mit schöner Regelmäßigkeit pro<strong>du</strong>zieren. Auch wenn die Auseinandersetzung<br />
mit der Tradition und den eigenen Vorbildern für jeden Künstler<br />
1<br />
Walter Benjamin: «Über den<br />
Begriff der Geschichte»,<br />
in: ders.: Angelus Novus. –<br />
Frankfurt/Main: Suhrkamp<br />
1977, S. 251–261, hier<br />
S. 255. Den Text verfasste<br />
Walter Benjamin in seinem<br />
Todesjahr 1940.<br />
9
zur Klärung des eigenen Standortes auch heute noch unverzichtbar ist, so haben<br />
sich die Bereiche, in denen Künstler ihre Themen finden können, im 20. Jahrhundert<br />
doch radikal erweitert. Am Beginn stand eine vehemente Kritik der bürgerlichen<br />
Kultur. Nach dem Ersten Weltkrieg erklären die Dadaisten und Surrealisten<br />
ihre Aktionen zu Anti-Kunst, um die affirmativen Tendenzen der Künste zu unterlaufen;<br />
ihr Abschied von der alten Vorstellung des für den bürgerlichen Kunstmarkt<br />
pro<strong>du</strong>zierenden Künstlers war eine Attacke gegen den bürgerlichen Kunstbetrieb.<br />
Klassische Kunstinstitutionen wie der Konzertsaal erschienen ihnen als museale,<br />
tote Orte, das vitale künstlerische Interesse richtete sich infolgedessen auf das<br />
alltägliche Leben. Ein Künstler wie der Surrealist André Breton wollte den Alltag<br />
nicht einfach nur erkunden, er wollte ihn revolutionieren. Die Kunst geriet auf<br />
diese Weise in direkte Konkurrenz zu den Revolutionsplänen der Kommunisten.<br />
2<br />
Vgl. Herbert Marcuse: «Über<br />
den affirmativen Charakter<br />
der Kultur», in: ders.: Kultur<br />
und Gesellschaft. – Frankfurt/<br />
Main: Suhrkamp, 1965, Bd. 1,<br />
S. 56–101, hier S. 63<br />
3<br />
Vgl. von der Autorin: 1968<br />
und die Avantgarde. – Sinzig:<br />
Studiopunkt, 2008<br />
4<br />
Vgl. Odo Marquard: «Kunst<br />
als Antifiktion. Versuch über<br />
den Weg der Wirklichkeit ins<br />
Fiktive», in: ders.: Aesthetica<br />
und Anaesthetica. Philosophische<br />
Überlegungen. –<br />
Paderborn: Schöningh, 1989,<br />
S. 82–99<br />
5<br />
Vgl. Boris Groys: Über das<br />
Neue. Versuch einer Kulturökonomie.<br />
– München/Wien:<br />
Fischer, 1992, S. 80 f.<br />
Mit Herbert Marcuses Diagnose vom «affirmativen Charakter der Kultur» inspirierte<br />
die Kritik an der bürgerlichen Kultur noch die Studentenrevolte, 2 und auch in<br />
den neoavantgardistischen Strömungen der 1960er und 1970er Jahre ist sie noch<br />
virulent – damals wurde das alltägliche Leben erneut zentrales Thema künstlerischer<br />
Aktivitäten. Obwohl auch Happening, Fluxus und Performance häufig<br />
die Provokation suchten und heute wie die Vorboten studentischer Aktionen,<br />
Demonstrationen und Sit-ins wirken, 3 spielt die dadaistische Anti-Kunst-Haltung<br />
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Rolle mehr – dafür haben sich<br />
gewissermaßen im Gegenzug die Ideen der Surrealisten und Dadaisten als eigenständige<br />
künstlerische Konzepte bewährt. Nach dem Erlahmen des revolutionären<br />
Elans bildet die Erkun<strong>du</strong>ng der Wirklichkeit den Kern des neuen ästhetischen<br />
Konzepts. Die damit verbundene Haltungsänderung begreift Odo Marquard, in<br />
dessen Interpretation die Kritik am bürgerlichen Kulturverständnis keine Rolle<br />
spielt, als Reaktion auf die zunehmende Fiktionalisierung der modernen Wirklichkeit.<br />
Säkularisierung sowie die neuen technischen und medialen Entwicklungen<br />
rauben den Künsten, so Marquard, ihre alte Bedeutung als Ort des Scheins und<br />
der Fiktion. Die Künstler erklären daraufhin die Erforschung der Wirklichkeit zu<br />
ihrem neuen Programm. 4<br />
Der Bart der Mona Lisa<br />
Bereits 1913 gab Marcel Duchamp das Malen auf und entwarf seitdem «Readymades»,<br />
gefundene und subtil modifizierte Objekte, in denen er seine Überlegungen<br />
zum Selbstverständnis der Künste formulierte. Als Vorlage für seine mit einem<br />
Schnurrbart versehene Mona Lisa (L.H.O.O.Q.) diente ihm eine billige Postkartenrepro<strong>du</strong>ktion<br />
– nicht nur ein Verweis auf die aufkommende Massenkultur mit<br />
den allgegenwärtigen Topstars der Kunstgeschichte, die die Maler damals als<br />
existenzielle Bedrohung erleben mussten, sondern auch Beleg für Duchamps<br />
Entschlossenheit, den Hunger des Bürgertums nach Bildern nicht anders als mit<br />
Witz und Ironie zu bedienen. Das große Kunstwerk wird bei Duchamp zu einer<br />
respektlosen Karikatur: Mit ihrem Schnurrbart konfrontiert die ewig Lächelnde<br />
den Betrachter jedoch zugleich mit der paradoxen Situation der Kunst, die auch<br />
ex negativo im Spott darüber, an der längst anachronistischen Auratisierung<br />
einzelner Objekte hängen bleibt, während die alltägliche Erfahrung von den<br />
Begleiterscheinungen des modernen anonymen Lebens der Massen geprägt ist.<br />
Mona Lisas Schnurrbart zeigt exemplarisch, wie Duchamp das Altvertraute neu,<br />
mit anderen Augen zu sehen versucht. Das Herauslösen der Objekte aus ihrem<br />
alltäglichen Kontext avanciert zum entscheidenden Moment der Bildpro<strong>du</strong>ktion,<br />
da<strong>du</strong>rch werden sie fremd und erscheinen plötzlich wieder neuartig. Im Herauslösen,<br />
in der Auswahl des konkreten Materials kommt der Kommentar des Künstlers<br />
zum Tragen, der die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die von ihm ausgewählten<br />
Phänomene lenkt.<br />
Die Kulturökonomie des Readymade<br />
Ausgehend von Duchamps Readymades hat Boris Groys eine Kulturökonomie<br />
entworfen, die die Idee des Neuen zum Gegenstand hat. 5 Groys zufolge dient das<br />
Neue dazu, Elemente der profanen Realität zu kulturellen Werten zu erklären, um<br />
10
ihnen den Zutritt in die Archive, Museen, Bibliotheken und Konzertsäle zu ermöglichen:<br />
«Innovation», sagt Groys, «ist somit ein Akt der negativen Anpassung an<br />
die kulturelle Tradition.» Das Neue folgt dabei einer «kulturökonomischen Logik<br />
der Umwertung der kulturellen Werte» 6 .<br />
6<br />
Ebd., S. 19 f.<br />
Duchamp führte das Funktionieren dieser Ökonomie der Kultur vor, ohne sie bedienen<br />
oder beherrschen zu wollen. Dafür suchte er sich Objekte, die diese polare<br />
Struktur der gesellschaftlichen Wirklichkeit kenntlich machen. Sein Urinoir hatte<br />
er eigens dafür entworfen, um die Jury einer von Künstlern kuratierten Ausstellung<br />
zur Ablehnung eines eingereichten Werks zu provozieren. Sein letztes Werk, Étant<br />
donné, macht den Betrachter zum Voyeur – die Frage nach dem Sinn der Kunst<br />
wird radikal in Zweifel gezogen. Doch gerade dieser Zweifel scheint zu bewirken,<br />
dass wir uns schonungslos mit der Frage befassen, was wir beim Betrachten eines<br />
Kunstwerks eigentlich tun.<br />
Eine musikalische Verspätung?<br />
Die Musik hat die Idee einer Erkun<strong>du</strong>ng der Wirklichkeit erst mit einiger Verzögerung<br />
von der bildenden Kunst übernommen. An den Avantgardebewegungen am<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts waren fast keine Komponisten beteiligt: Der italienische<br />
Futurist Luigi Russolo wurde zwar für seine Geräuscherzeuger berühmt, war<br />
aber bildender Künstler. In Paris war Erik Satie der einzige Komponist, der mit<br />
den Avantgardisten in zwar losem, doch kontinuierlichem Kontakt stand.<br />
Die Wiener Komponisten um Schönberg hatten zwar nachdrückliche Erfahrungen<br />
mit Skandalen bei der Uraufführung ihrer Werke, doch anders als etwa den Dadaisten<br />
ging es ihnen nie um die Provokation als solche, im Gegenteil: Sie wollten<br />
ihre Werke vor den Angriffen des Publikums schützen und gründeten deshalb<br />
einen Verein für musikalische Privataufführungen.<br />
Während die Maler am Beginn des 20. Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit<br />
dem neuen technischen Konkurrenten, der Photographie, bereits hinter sich hatten<br />
und vielleicht auch deshalb die handwerkliche Umsetzung ihrer Ideen anders als<br />
früher bewerteten, stand den Komponisten diese Erfahrung noch bevor. Erst Mitte<br />
des 20. Jahrhunderts werden synthetische Klanggenerierung und -übertragung für<br />
die Komponisten zu einer praktikablen Alternative oder Ergänzung zum Instrumentalklang.<br />
Heute ist die Entwicklung mit voller Wucht im Gange und noch<br />
lange nicht abgeschlossen; wie das Photohandy fürs Visuelle, so verändern die mobilen<br />
Musikmaschinen – Handyradio und MP3-Player – die auditive Alltagskultur.<br />
Wandlungen des musikalischen Materialbegriffs<br />
Lange Zeit hatte in der Musik die Erforschung des musikalischen Materials als<br />
Motor der musikgeschichtlichen Entwicklung gegolten; inzwischen hat sich diese<br />
Situation von Grund auf verändert – Gegenstand kompositorischer Reflexion<br />
und Erforschung kann heutzutage alles sein, was als ein Moment musikalischer<br />
Komposition, Aufführung oder Rezeption dazu beiträgt, Musik und musikalische<br />
Erfahrung zu ermöglichen. Zugleich hat sich die Erkun<strong>du</strong>ng des musikalischen<br />
Materials in eine Erkun<strong>du</strong>ng unserer alltäglichen Klangumwelt verwandelt; im<br />
Mittelpunkt steht dabei stets die Perspektive des Hörers. Man denke etwa an<br />
Helmut Lachenmanns «Musique concrète instrumentale», in der die Musikinstrumente<br />
gegen ihre übliche Verwen<strong>du</strong>ngsweise zum Klingen gebracht werden. Selbst<br />
wenn er ausbleibt, ist der vertraute Klang des Instruments doch stets gegenwärtig.<br />
Zum Tragen kommt hier ein grundlegender Wandel im Verständnis des musikalischen<br />
Materials. Carl Dahlhaus verweist zur Erläuterung auf die Differenz gegenüber<br />
der romantischen Ästhetik: Während die klassisch-romantische Idee von<br />
Musik auf der Vorstellung beruhte, dass die Form das Material verzehre und in<br />
sich aufnehme, sei dieses Verhältnis von Form und Material nun ins Gegenteil<br />
verkehrt: Die Form diene nur noch dazu, das Material zu präsentieren und vorzuzeigen.<br />
7 Von Dahlhaus 1969 als Einspruch gegen die Entwertung des idealistischen<br />
Formgedankens formuliert, trifft diese Beschreibung sehr genau den Charakter<br />
7<br />
Carl Dahlhaus: «Plädoyer für<br />
eine romantische Kategorie.<br />
Der Begriff des Kunstwerks<br />
in der neuesten Musik»,<br />
Neue Zeitschrift für Musik<br />
1/1969, S. 18–22, hier S. 20<br />
11
des neuen künstlerischen Verfahrens, das uns sensiblisieren will für die sinnlichen<br />
Qualitäten der alltäglichen Wirklichkeit, für das moderne städtische Leben, wo<br />
unterschiedlichste Lebensformen und verschiedene Epochen aufeinandertreffen,<br />
sich überlagern und vermischen.<br />
8<br />
Vgl. Für die Vögel. John Cage<br />
im Gespräch mit Daniel<br />
Charles. – Berlin: Merve, 1984<br />
(zuerst Paris: L’Herne, 1976),<br />
S. 88 f.<br />
Neben der Sehnsucht nach dem Leben selbst ist in dem neuen Materialverständnis<br />
auch die Erfahrung der Moderne virulent – mit ihrer Teilhabe an der alltäglichen<br />
Lebenspraxis wollten die Avantgardisten diese ja auch revolutionieren. Insbesondere<br />
beschäftigte sie die Frage, wie sich das Leben <strong>du</strong>rch die in<strong>du</strong>strielle Massenfertigung<br />
und die modernen Kommunikationsmedien verändern würde. Bereits<br />
im frühen 20. Jahrhundert besaßen sie ein feines Gespür für die aufkommende<br />
Massengesellschaft. «Duchamp hat dieses Problem sehr klar formuliert. Mehr oder<br />
weniger sagt er, man müsse sich anstrengen, die Unmöglichkeit des Erinnerns zu<br />
erreichen, selbst wenn die Erfahrung von einem Objekt zu dessen Double führt.<br />
In der gegenwärtigen Zivilisation, in der alles standardisiert ist und alles wiederholt<br />
wird, besteht der einzige Ausweg darin, den Raum zwischen Objekt und<br />
Duplikat zu vergessen. Wenn wir diese Kraft der Vergeßlichkeit nicht besäßen,<br />
wenn uns die heutige Kunst nicht vergessen helfen würde, würden wir überschwemmt,<br />
unter den Lawinen genau identischer Objekte versinken. […] Jede<br />
Wiederholung muß eine vollkommen neue Erfahrung ermöglichen. Natürlich<br />
schaffen wir das nicht immer, aber wir sind auf dem besten Wege.» 8 Dieses<br />
Statement von John Cage aus den 1970er Jahren betont das utopische Moment<br />
von Duchamps ironischer Aneignung der Massenpro<strong>du</strong>ktion. Angesichts von<br />
in<strong>du</strong>strieller Massenpro<strong>du</strong>ktion wie von Freuds Entlarvung der Illusion vom<br />
autonomen Subjekt, das sich der zwanghaften Wiederkehr der Verdrängungen<br />
seiner frühen Kindheitsgeschichte ausgesetzt sieht, wird sogar die unvermittelte<br />
Erfahrung von Gegenwart zur Utopie.<br />
Duchamp vermittelte Cage zwei Einsichten, die für sein Komponieren außerordentlich<br />
wichtig werden sollten, nämlich zum einen die Möglichkeit des Verzichts<br />
auf die künstlerische Verantwortung angesichts der Fülle und Vielfalt, mit der sich<br />
die Wirklichkeit uns und eben auch unseren Ohren darbietet. Dafür steht eine<br />
experimentelle Verfahrensweise, die darauf angelegt ist, im direkten Umgang mit<br />
Objekten und Ereignissen deren spezifisch ästhetisches Potenzial freizulegen.<br />
Zum anderen übernahm Cage von Duchamp die Einsicht, dass keinerlei Gründe<br />
für einen Begrenzung des ästhetischen Materials existieren – jeder Klang und<br />
jedes Geräusch kann musikalisches Material werden. Die Entdeckung der unbeabsichtigten<br />
Klänge, der Entschluss, das Hören als Gegenstand für eine Komposition<br />
statt wie bisher die Komposition als Gegenstand des Hörens zu begreifen, die<br />
spielerische Erkun<strong>du</strong>ng von Audiotechnik, die Aufhebung aller Beschränkungen<br />
nicht allein für musikalisches Material, sondern auch für Orte zur Aufführung von<br />
Musik – mit diesen und ähnlichen Ideen rückte das Erkunden der Welt der Klänge<br />
und Geräusche ins Zentrum der Musik.<br />
Utopie der Gegenwartserfahrung<br />
In dem Bestreben, die gesellschaftliche Wirklichkeit zum Gegenstand ästhetischer<br />
Erfahrung zu machen, kommt die alte Idee der Zweckfreiheit der Künste zum<br />
Tragen. Nur wenn der gesamte Prozess ästhetischer Erfahrung von allen Zwecken,<br />
Funktionen und instrumentellen Zwängen verschont bleibt, kann er sich frei entfalten<br />
und zur ihm eigenen Form und Intensität finden. In der Idee einer Erforschung<br />
der alltäglichen Wirklichkeit <strong>du</strong>rch die Künste artikuliert sich die Hoffnung<br />
auf eine interesselose Annäherung an die Gegenstände und Phänomene. Insbesondere<br />
<strong>du</strong>rch Ausschluss der die Naturwissenschaften dominierenden Idee der<br />
Naturbeherrschung kann sich diese Annäherung auf der Basis wechselseitigen<br />
Respekts vollziehen. Die Erforschung der Wirklichkeit muss stets auch die Erforschung<br />
unserer Möglichkeiten, diese überhaupt wahrzunehmen und zu erleben,<br />
einschließen. Als Drittes kommt heute die Frage nach den Medien hinzu. Diese<br />
bilden Vermittlungsinstanzen, die unsere Vorstellung von der Wirklichkeit ebenso<br />
prägen wie die Art und Weise unseres Wahrnehmens.<br />
12
Da die Künste von jeher im Mo<strong>du</strong>s der sinnlichen Wahrnehmung operieren,<br />
schreibt sich in ihnen fort, was die messianische Färbung in Benjamins Darstellung<br />
des Engels der Geschichte ausmacht: Der Engel kann seinen Blick nicht von den<br />
Trümmern der vergangenen Katastrophen lösen, von denen ihn der Sturm doch<br />
wegtreibt. Im Blick des Engels artikuliert sich die Hoffnung auf Versöhnung –<br />
doch dafür müsste das geschehene Unglück zumindest anerkannt werden. Der<br />
Blick ist diese Anerkennung, auch wenn er die Trümmer nicht wiederaufzurichten,<br />
die Toten nicht wieder zum Leben zu erwecken vermag. Auch in den Künsten<br />
ist die sinnliche Wahrnehmung kein Geschehen, das sich auf die bloße Faktizität<br />
des Beobachteten beschränken ließe. Wahrnehmung bedeutet immer auch, die<br />
Existenz des Wahrgenommenen anzuerkennen. Je mehr sich der Wahrnehmende<br />
dem Gegenstand seiner Wahrnehmung überlässt, desto intensiver kann sich die<br />
Beziehung zu ihm entfalten.<br />
Benjamins Engel resümiert jedoch eine Erfahrung, die auch für die Avantgardebewegungen<br />
am Beginn des 20. Jahrhunderts prägend war: Auf die in<strong>du</strong>striell<br />
perfektionierte Tötungsmaschinerie des Ersten Weltkriegs hatten die Dadaisten<br />
mit wütender Enttäuschung über die verlogene bürgerliche Kultur reagiert, die<br />
dadaistischen Provokationen waren keineswegs reiner Selbstzweck, um mit dem<br />
Skandal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen; sie waren ganz im<br />
Gegenteil zuallererst ein drastisches Spiegelbild, das die Künstler ihrem bürgerlichen<br />
Publikum vorhielten. Bei allem Witz sind auch bei Duchamp die Vorbehalte<br />
gegenüber dem bürgerlichen Kunstbetrieb immer gegenwärtig.<br />
Wiederholungsmaschinen<br />
Die Gewalterfahrungen, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa geprägt<br />
haben, haben heute etwas von ihrer Wucht, Dominanz und Destruktivität verloren.<br />
Auch in den Künsten geht es nicht mehr so brachial und kämpferisch zu.<br />
Doch Machtverhältnisse lassen sich ebenso gut in den Verführungskünsten der<br />
Medien inszenieren. Auch die Schneidetechnik des Cutters im Film wie des Technikers<br />
im elektronischen Studio hat etwas Gewalttätiges. Wie sehr diese technifizierte<br />
Gewalt unseren Alltag heute <strong>du</strong>rchdringt, zeigt sich in der Erforschung der kompositorischen<br />
Möglichkeiten des Tonbands, die in den frühen 1960er Jahren<br />
einsetzte: Damals entdeckten die amerikanischen Komponisten Terry Riley und<br />
Steve Reich die Loops und Delays, die inzwischen auch in der Popmusik allgegenwärtig<br />
sind. Wer moderne Abspielgeräte und Tonträger wie Musikinstrumente<br />
behandelt, der macht aus technischen musikalische Möglichkeiten und bringt uns<br />
dazu, dass wir uns selbst beim Hören beobachten. John Oswald, Philip Jeck und<br />
Bernhard Lang, alle drei Gäste der rainy days 2010, haben jeweils völlig eigenständige<br />
und sehr unterschiedliche Konzepte entwickelt, um die Erfahrung des<br />
Loops – der geschlossenen Schallplattenrille und der sich ständig wiederholenden<br />
Tonbandschleife – musikalisch und kompositorisch zu verarbeiten. Loops und<br />
ihre digitale Weiterentwicklung, das Sample, sind letztlich nichts anderes als Bruchstücke<br />
der auditiven Realität, die, herausgebrochen aus den vertrauten Kontexten,<br />
jeden Abbildcharakter verlieren, sodass sie wie abstrakte, reine Instrumentalmusik<br />
gehört werden.<br />
Paul Klee: Angelus Novus<br />
(1920,Israel Museum,<br />
Jerusalem)<br />
Wiederholung als Repro<strong>du</strong>ktion in der Zeit unterliegt heute den modernen Medientechnologien,<br />
die längst auch unsere Wahrnehmung verändert haben. Das Spiel<br />
mit den Plattentellern und mit Loopgeneratoren gehört ebenso dazu wie Improvisationen<br />
über bekannte Themen oder Zitatcollagen. Phänomene, die früher als<br />
völlig unberechenbar gegolten hätten, werden heute planmäßig erzeugt und sind<br />
damit auch kompositorisch beherrschbar. Bernhard Lang nutzt die Wiederholung<br />
als einen Prozess, der ständig Differenz erzeugt und ihm zugleich die Möglichkeit<br />
vollständiger Immanenz bietet. Seine Monadologien sind fast <strong>du</strong>rchgängig Metakompositionen,<br />
in denen sich Lang mit Werken der Musikgeschichte auseinandersetzt<br />
– die Wiederholung verlangt ein insistierendes Hören, die in kleinste Loops<br />
aufgespaltene musikalische Vorlage changiert unablässig zwischen untergründiger<br />
Vertrautheit und radikaler Fremdheit.<br />
13
9<br />
Vgl. Alvin Lucier: «Untersuchen,<br />
Erproben, Erforschen.<br />
Die Werkzeuge meiner<br />
Arbeit», in: Reflexionen. –<br />
Köln: MusikTexte, 1995,<br />
S. 441–467<br />
Sabine Sanio, geboren 1958,<br />
studierte Germanistik und<br />
Philosophie (Promotion).<br />
Derzeit Gastprofessorin für<br />
«Theorie und Geschichte<br />
der auditiven Kultur» am<br />
Studiengang Sound Studies<br />
der UdK Berlin; zahlreiche<br />
Veröffentlichungen zu<br />
musikalischen Strömungen<br />
in den Grenzbereichen<br />
zwischen Musik, bildender<br />
Kunst und Literatur; zum<br />
Verhältnis von Kunst und<br />
Medien sowie zur Ästhetik<br />
des 20. und 21. Jahrhunderts,<br />
in Buchform: Alternativen zur<br />
Werkästhetik (Saarbrücken,<br />
1999) sowie: 1968 und die<br />
Avantgarde (Sinzig, 2008).<br />
Sie lebt in Berlin.<br />
Einen ganz anderen Zugang zur Wirklichkeit des Auditiven bietet der amerikanische<br />
Komponist Alvin Lucier: Seine Kompositionen sind Konstruktionen von Erfahrungen.<br />
Die Vorbilder für diese Konstruktionen findet er mit Vorliebe in wissenschaftlichen<br />
Experimenten, mit denen man im 19. Jahrhundert die Strukturen und<br />
Gesetzmäßigkeiten des Hörens untersuchte. Der Versuchsaufbau wird hier zum<br />
ästhetischen Modell, Aufführungen sind nach Art eines Experiments angelegt.<br />
Luciers Kompositionen sind Anleitungen zum Hören, erst mit ihnen lernen wir,<br />
die Eigenschaften der Klänge, die in ihnen demonstriert werden, überhaupt wahrzunehmen.<br />
9<br />
Indem er die alten naturwissenschaftlichen Versuchsanordnungen als Anleitungen<br />
für seine musikalischen Inszenierungen interpretiert, macht er die analytischatomisierenden<br />
Tendenzen der Naturwissenschaften rückgängig und versucht<br />
stattdessen, die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten zu<br />
demonstrieren. Für den Rezipienten ist dies häufig eine große Herausforderung,<br />
da Luciers Kompositionen von sehr ungewöhnlichen akustischen Phänomenen<br />
handeln. Die sinnliche Wahrnehmung manifestiert sich bei Lucier in zwei ganz<br />
unterschiedliche Haltungen: Da ist einmal die Haltung des naturwissenschaftlich<br />
agierenden Forschers sowie zum anderen die Haltung der Kontemplation und<br />
Versenkung, die gewöhnlich der Religion und Kunst zugerechnet werden. Diese<br />
alten Zuordnung geht bei Lucier jedoch häufig verloren – die genaue Beobachtung<br />
des gerade aktuellen Geschehens kann sich jederzeit und unversehens in<br />
ästhetische Erfahrung verwandeln.<br />
Erfahrung und Versöhnung<br />
In der Musik gehört das spielerische Erkunden neuer Medien und moderner<br />
Audiotechniken heute zu den wichtigsten Formen der Wirklichkeitserkun<strong>du</strong>ng.<br />
Ebenso wie über die Wirklichkeit erfahren wir dabei stets etwas über die Art und<br />
Weise, wie wir diese wahrnehmen, sowie darüber, wie die neuen Medien unser<br />
Wahrnehmen verändern. Doch zugleich bedeutet der Abschied von der Idee der<br />
Originalität, vom Neuen, das der Künstler herstellt und das vorher unbekannt,<br />
ja undenkbar war, stets den Verzicht auf das Spiel mit Phantasien über die eigene<br />
Größe und die Sehnsucht nach Allmacht.<br />
Anders als der Engel der Geschichte sehen sich die Künste bisweilen zwar den<br />
atomisierten Versatzstücken weitgehend vergessener Traditionslinien gegenüber,<br />
doch bleibt dabei offen, ob es sich um eine unaufhörliche Folge von Katastrophen<br />
handelt oder aber um Elemente eines Lebens, das man sich zumindest in der<br />
Phantasie dem Luxus und dem süßen Nichtstun hingegeben denkt. Doch über<br />
die historische Erfahrung können die Künste, auch wenn sie ihr Ausdruck<br />
zu verleihen suchen, nicht frei verfügen, sie sind ihr ebenso ausgesetzt wie<br />
jeder Einzelne von uns. Auch wenn es sich dabei, wie Benjamin sagt, um eine<br />
Geschichte von Katastrophen handelt, unbestritten bleibt, dass weder Fortschritt<br />
noch Utopie, sondern allein die Versöhnung mit der eigenen Geschichte in der<br />
Lage wäre, die Folge der Katastrophen zu unterbrechen.<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
Auf der Suche nach<br />
L.H.O.O.Q.<br />
(Screenshot mit den ersten<br />
131 von ungefähr 11.300<br />
Bildsuchergebnissen auf<br />
www.google.com,<br />
29.10.2010)<br />
14
Die Umwidmung einer Maschine<br />
Die Turntables als Instrument<br />
Jorge Sánchez-Chiong<br />
Werbeeinschaltung<br />
Die Turntables sind heute omnipräsent, selbst in der Werbung werden sie eingesetzt,<br />
um uns etwas zu verkaufen, das unzertrennlich mit Jugend und Lässigkeit<br />
assoziiert wird. Im Sinne eines Marshall McLuhans sind die Turntables nicht mehr<br />
«hot» – sie sind kein Bestandteil des alltäglichen Gebrauchs, keine heiße Ware des<br />
gängigen Massenkomsums mehr –, sie sind «cool» geworden: als Haushaltsgeräte<br />
eines Otto Normalverbrauchers längst vergessen, aber als Ikone der Freizeit und<br />
Freiheit, des Nightlifes und eines Lifestyles des Feierns erkenn- und lesbar.<br />
Technics SL-1210 MK2<br />
John Cage<br />
Imaginary Landscape N° 1<br />
for two variable-speed phono<br />
turntables, frequency recordings,<br />
muted piano and cymbal<br />
(1939)<br />
Grandwizard Theodore<br />
Irgendwie ähneln sie den Stumm- und Schwarzweißfilmen, die – trotz der dezidierten<br />
Unterhaltungsabsichten – heute eher dazu prädestiniert sind, als Gegenstände<br />
der Kunst als des Entertainments gelesen zu werden: Ihre Alltäglichkeit und Handhabung<br />
liegen uns fern, eine vorteilshafte Patina ist auf sie gewachsen, ein gewisser<br />
Abstand hat sie veredelt. Sie sind ja keine «Plattenspieler» mehr, sie sind «Turntables»<br />
und immer in der Mehrzahl, weil sie nicht mehr wie in Omas Wohnung<br />
als Einzelstück auftreten, sondern paarweise, als clubtaugliches Kombi, wie wir es<br />
aus der Innenausstattung von Modelokalen kennen. Als Ikone genießen sie auch<br />
eine hohe Wandelbarkeit, die wahrscheinlich auf ihre divergierenden Ursprünge,<br />
die zwischen audiophilem und Underground-Ding liegen, zurückzuführen ist;<br />
eine Wandelbarkeit, die sowohl Glamour wie auch Volksnähe ausdrucken kann,<br />
die vom Edelclub bis zum Gangsterrap reicht, aber immer Allegorie des Coolen<br />
bleibt.<br />
Allegorie des Coolen<br />
In den 1970er Jahren ist der Plattenspieler neben dem Kassettenrecorder und<br />
dem Radio das gängige Audiowiedergabegerät. Die höhere – vor allem satte und<br />
basslastige – Klangqualität seines Abspielformats, der Vinylplatte, sowie seine<br />
Flexibilität und sein Manipulationspotential rücken den Plattenspieler allmählich<br />
in den Mittelpunkt öffentlicher Aktivitäten von Minderheiten, die vor allem in<br />
New York mit neuen Entwürfen des Feierns prägende Undergroundbewegungen<br />
gründen werden. Afroamerikaner, Homosexuelle, Hispanics, Communities mit<br />
hohem performativen Einsatz entwickeln neue kulturelle Strömungen wie Hip Hop<br />
und Disco, die sich rasch etablieren, sich verbreiten und gegen Ende des Jahrzehnts<br />
von Mainstream vereinnahmt werden.<br />
In dieser Zeit entwickelt sich der Plattenspieler zum Turntable und nicht nur das<br />
Gerät selbst, sondern auch seine ganze Peripherie (DJ-Mixer, Schallplattenkonzept,<br />
Anlage und nicht zuletzt DJ und Turntablist) werden mehr oder weniger zu dem,<br />
was wir heute kennen. Im Vordergrund dieser Entwicklungen und Standardisierungen<br />
steht der funktionelle Versuch, den Flow der Partys halten zu können:<br />
Der Plattenspieler wird zum robusten und flexiblen Abspielgerät, bei dem man<br />
zum Beispiel Geschwindigkeiten angleichen kann, um mehrere Musikstücke nacheinander<br />
(oder gleichzeitig) ohne Tempobruch abzuspielen. Dafür sind bald zwei<br />
Turntables notwendig, und die Verbin<strong>du</strong>ng zwischen den beiden wird <strong>du</strong>rch eine<br />
neue Art von Mischpult hergestellt: den DJ-Mixer mit dem von Grandmaster<br />
Flash entwickelten Crossfader, der die Handhabung von simultanen Platten<br />
26
ack to the future<br />
photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />
Technique des Arts et Métiers<br />
Luxembourg-Limpertsberg<br />
(LTAM), voir p. 200 /<br />
siehe S. 200
Les grimoires de Mnémosyne<br />
Pour un palimpseste des origines<br />
Pierre-Albert Castanet<br />
Toute œuvre est un palimpseste – et si l’œuvre est réussie,<br />
le texte effacé est toujours un texte magique.<br />
(Julien Gracq 1 )<br />
La musique adoucit les mœurs, dit-on. Mais enten<strong>du</strong>e au travers d’un cadre sociétal,<br />
le mélomane remarque aisément qu’elle n’appartient pas vraiment à une civitas<br />
unifiée, à une société pacifiée, à une civilisation opacifiée. «Elle est au contraire<br />
partagée entre des cités adverses, régies par des justifications antinomiques.» 2 Tout<br />
au long de l’histoire culturelle occidentale, jalousie et perfidie ont alors jalonné<br />
la part machiavélique des cultures rétrogrades et des références ataviques. Dans ce<br />
sillage héréditaire, la réception des ressentis musicaux a divisé autant les auteurs que<br />
les spectateurs, autant les organisateurs que les promoteurs de la culture.<br />
De plus, désirant saisir les arcanes de l’immémorial pour mieux les oublier, l’homme<br />
a souvent voulu examiner les sources archaïques de la vérité comme les lueurs<br />
prometteuses de la connaissance, c’est-à-dire remonter symboliquement à l’acte de<br />
naissance de l’arkè (l’origine). Certes, il est sans doute vain de prétendre échapper<br />
à un besoin fondamental aussi puissant que celui qui porte l’homme à se retourner<br />
vers ses racines, «mais l’analyse des sources est peut-être plus lucide et certainement<br />
plus pleine si l’on cherche non pas seulement à voir d’où vient l’homme,<br />
mais aussi où il est, et où il va peut-être.» 3 Alors que les années 1990 qualifiées par<br />
certains commentateurs de «postmodernes» ont fait jouer l’obsession mémorielle<br />
comme fer de lance d’un héritage légué par les ancêtres, on a commencé conjointement<br />
à assister à un reflux parcimonieux de cette gestion intra-communicationnelle<br />
avec les valeurs <strong>du</strong> passé et de l’altérité.<br />
Anciens et Modernes<br />
Au beau milieu <strong>du</strong> 18 e siècle, Jean-Jacques Rousseau apporte à la fin de la Lettre<br />
sur la musique française une pièce majeure au dossier de la «Querelle des Bouffons»,<br />
différend historique qui a opposé les partisans de l’opéra français et les aficionados<br />
de l’opéra italien. Au fil <strong>du</strong> temps, les divers maillons qui con<strong>du</strong>isent unidirectionnellement<br />
l’histoire vont se solidifier en une méga-chaîne engendrant<br />
une perpétuelle boucle auto-génératrice. Au reste, Benoît Duteurtre qui pense que<br />
la «musique contemporaine» est devenue synonyme d’«ennui» et de «pénitence»,<br />
n’a-t-il pas ravivé en 1990 – dans les pages <strong>du</strong> quotidien français Libération – une<br />
«nouvelle querelle des anciens et des modernes?» 4 Entre savoir et ignorance, entre<br />
tuilage et rupture, entre communion et désunion, l’histoire de la musique européenne<br />
a ainsi vécu quelques controverses mémorables mêlant partisans <strong>du</strong> classicisme<br />
établi (ou retrouvé) et apôtres de la modernité ou de l’avant-garde: consultez<br />
par exemple les célèbres épisodes qui ont vu s’affronter le Chanoine Artusi et<br />
Claudio Monteverdi (en faveur de la prima ou de la seconda prattica), les Gluckistes<br />
et Piccinistes, les Brahmsiens et Wagnériens, les d’Indystes et Ravéliens, les<br />
Zimmermanniens et Stockhauseniens ou encore les Bouléziens et Xenakiens…<br />
1<br />
Julien Gracq: Un beau ténébreux.<br />
– Paris: José Corti,<br />
1945, p. 64<br />
2<br />
Antoine Hennion: La Passion<br />
musicale, une sociologie<br />
de la médiation. – Paris:<br />
Métailié, 2007, p. 315<br />
3<br />
André Leroi-Gourhan: Le<br />
Geste et la parole. Technique<br />
et langage. – Paris: Albin<br />
Michel, 1964, p. 10<br />
4<br />
Benoît Duteurtre: Requiem<br />
pour une avant-garde. – Paris:<br />
Pocket, 2000, p. 166<br />
Mais au fond, c’est bien le 20 e siècle – avec sa musique «moderne» et ses prolongements<br />
«contemporains» – qui a déroulé le plus de plans de désorientation en<br />
33
5<br />
Charles Koechlin: Musique<br />
et société. – Sprimont: Mardaga,<br />
2009, vol. 2, p. 307<br />
6<br />
Charles Rosen: Schoenberg.<br />
– Paris: Minuit, 1979,<br />
p. 24<br />
7<br />
Lettre d’Arnold Schoenberg<br />
adressée à Josef Rufer le<br />
25 mai 1948, in: Arnold<br />
Schoenberg: Correspondance.<br />
1910–1951. – Paris: Lattès,<br />
1983, p. 262<br />
8<br />
Pour la référence de Serge<br />
Nigg à Vincent d’Indy, se<br />
reporter à l’ouvrage de<br />
Bernard Gavoty et Daniel<br />
Lesur: Pour ou contre la<br />
musique moderne? – Paris:<br />
Flammarion, 1956, p. 247<br />
9<br />
Alex Ross: The Rest is<br />
Noise. À l’écoute <strong>du</strong> XX e<br />
siècle. La modernité en<br />
musique. – Arles: Actes Sud,<br />
2010, pp. 714–715<br />
10<br />
«Le représentant le plus<br />
fameux <strong>du</strong> néo-médiévalisme<br />
fin de siècle», écrit Renaud<br />
Machart, in: John Adams. –<br />
Arles: Actes Sud, 2004,<br />
p. 127<br />
matière de genres, styles, matériaux, supports différents… Il est sans doute normal<br />
et naturel que face aux agissements les plus farfelus de l’art expérimental, les musiciens<br />
se soient réfugiés dans des valeurs indémodables qui ont fait leurs preuves.<br />
De fait, «depuis longtemps, les philanthropes (parfois aussi les démagogues)<br />
regrettent qu’un abîme sépare le gros public de l’art musical le plus beau.» 5<br />
On peut noter qu’effrayées par les techniques parfois violentes de la tabula rasa,<br />
plusieurs effigies se sont tournées – après moult essais pourtant novateurs – vers<br />
les figures connues d’un passé encore fertile, voire vers les lieux communs incandescents<br />
d’une pratique ancestrale indéniable. Ainsi, parmi de valeureux pionniers<br />
de ce 20 e siècle rebelle, songeons par exemple aux opus tardifs de Richard Strauss<br />
(après Elektra, il «s’est promptement réfugié dans le pastiche <strong>du</strong> 18 e siècle et dans<br />
les voluptés de la pâtisserie viennoise en composant Der Rosenkavalier»), 6 mais<br />
aussi au repliement stylistique <strong>du</strong> révolutionnaire Arnold Schoenberg (lequel avoue<br />
avoir cédé finalement à une ultime «pulsion» 7 tonale), à la tendance néo-baroque<br />
extrêmement prégnante de Paul Hindemith dans les années 1920, au renoncement<br />
expérimental d’André Jolivet <strong>du</strong>rant la Seconde Guerre mondiale, à la période<br />
«néo-cévenolienne» 8 de Serge Nigg (lequel a rompu à terme avec la doctrine<br />
sérielle), aux remords <strong>du</strong> dodécaphoniste Hans Werner Henze pour les empreintes<br />
tonales, voire modales ou même à l’affinité pour le contexte néo-romantique <strong>du</strong><br />
bruitiste Krzysztof Penderecki, pour cause de rapprochement (et de «retrouvailles»<br />
spirituelles) avec les fidèles…<br />
Retour à l’antique<br />
Nihiliste ou pacifiste, conventionnel ou impertinent, masochiste ou épicurien dans<br />
l’âme, allant de l’avant ou ne jurant qu’avec les lois d’antan, l’auditeur comme<br />
l’artiste embrassent de bon cœur les audaces ou les travers de la vie, ou bien se<br />
complaisent dans les volutes de la convenance, voire de la morne routine officialisée.<br />
Partagée de la même manière entre les différentes facettes de la création, une<br />
partie de l’histoire semble vouloir sécuriser ses hardiesses en plongeant généreusement<br />
dans les sources efficientes des anciens. Au travers de ce prisme par principe<br />
inégalitaire, «la Vienne romantique jugeait les opéras bouffes de Rossini à l’aune<br />
des énigmatiques derniers quatuors de Beethoven. L’art de la composition n’a rien<br />
à gagner à prendre parti» 9 , conclut à sa manière Alex Ross. Dans l’ordre d’une<br />
palinodie universelle, les compositeurs ont toujours ren<strong>du</strong> moult hommage – via<br />
des Tombeaux dédiés (Tombeau de Couperin de Ravel) ou des Thèmes et variations<br />
(Variations on a Hymn by Gibbons de Berkeley, «In Nomine») – à ceux qu’ils considéraient<br />
comme des pères fondateurs. Considérez la part révérencielle <strong>du</strong> jeune<br />
Ludwig van Beethoven vis-à-vis de Wolfgang Amadeus Mozart, la relation filiale<br />
de Félix Mendelssohn avec la figure de Jean-Sébastien Bach, la transmission<br />
<strong>du</strong> classicisme Haydnien dans la Symphonie classique de Serge Prokofiev, le lien<br />
spécial unissant Maurice Ohana à Claude Debussy, ou les occurrences saisissantes<br />
demeurant entre le catalogue d’Olivier Messiaen et certains opus de son élève<br />
Alain Louvier… À des siècles de distance, voyez le rapport étroit existant entre<br />
Johannes Ockeghem et Brice Pauset.<br />
Des textes séculiers (messes en latin habillées différemment par Pierre Henry<br />
ou Arvo Pärt 10 ) aux révérences citationnelles ou de collage de grande envergure<br />
(Sinfonia de Luciano Berio ou Requiem pour un jeune poète de Bernd Alois Zimmermann),<br />
certains contemporains vont – encore et toujours – se tourner vers les<br />
Lamentations de Jérémie (Marcel Landowski, Arnaud Dumont) ou les Psaumes de<br />
David (Krzysztof Penderecki, Philip Glass). D’autres vont s’inspirer d’œuvres<br />
majeures <strong>du</strong> répertoire classique ou romantique, histoire de panacher les vocabulaires<br />
(Accanto d’Helmut Lachenmann laissant poindre des échos <strong>du</strong> Concerto<br />
pour clarinette de Mozart, Le Voyage d’hiver d’Hans Zender – arrangement d’après<br />
Schubert, Alexandre Raskatov avec D’après Les quatre saisons de P.I. Tchaïkovsky).<br />
Certes, ces positions qui ont été affublées <strong>du</strong> qualificatif dégradant de «néo» ou<br />
qui ont adopté l’esprit parfois tricheur de la contrefaçon ont foncièrement déplu<br />
aux modernistes scrupuleux de toutes époques. Remémorons-nous le départ de<br />
34
Schoenberg maugréant en plein concert néoclassique de Stravinsky la Sonate pour<br />
piano de l’auteur <strong>du</strong> Sacre <strong>du</strong> printemps, alors au programme <strong>du</strong> <strong>festival</strong> de la<br />
Société Internationale de Musique Contemporaine à Venise, en 1925. Quant au<br />
compte-ren<strong>du</strong> de la création de The Rake’s Progress à Venise en 1951, les critiques<br />
éreintèrent le compositeur dont l’inventivité légendaire leur paraissait datée, «usée»,<br />
colorée par des effets artificiels et des désirs finalement impuissants. Parmi les<br />
marques de mépris promulguées par les avant-gardistes de service, Pierre Boulez, lui<br />
aussi frustré, s’exclamera simplement mais avec consternation: «Quelle horreur!» 11<br />
De l’adret à l’ubac de la critique, citons aussi Honegger qui détestait les excentricités:<br />
«Pour moi, j’irai faire un tour au Musée <strong>du</strong> Louvre et après avoir châtré un<br />
quelconque Apollon, peint des moustaches à la Joconde, offert un soutien-gorge<br />
à la Vénus de Milo, je me présenterai au Ministère des Beaux-arts pour réclamer<br />
mes droits d’auteur.» 12 Dans le premier tiers <strong>du</strong> 20 e siècle, sans parler des connivences<br />
singulières avec certaines œuvres d’Alban Berg, Anton Webern ou même<br />
Heitor Villa-Lobos (Bachanias brasileiras), l’amateur de vieilles perruques a pu<br />
également assister à un «retour à Bach» dans les salons particuliers de la bourgeoisie<br />
parisienne (Tailleferre, Honegger, Milhaud, Stravinsky…). 13 En dehors de reliefs<br />
caricaturés et signés par André Caplet (Menuet dans le style ancien), Henryk Mikołaj<br />
Górecki (Trois pièces dans le style ancien), Thea Musgrave (Christmas Carols in traditional<br />
style), Lukas Foss (Baroque Variations) ou Alfred Schnittke (Concerto Grosso), ce<br />
thème <strong>du</strong> regard récurrent continuera à persister dans les catalogues de György<br />
Kurtág, Sofia Goubaïdoulina… et pour les plus jeunes, sous les plumes de Philippe<br />
Fénelon, Brice Pauset ou Franck Krawczyk. Le compositeur Jean-Etienne Marie<br />
professait: «Il faut rendre l’histoire simple. Bach n’est pas de la musique ancienne,<br />
mais une énorme synthèse de passé et d’avenir.» 14 En dehors des arrangements<br />
plus ou moins réussis (de l’«Ave Maria» de Charles Gounod à «Sur un prélude de Bach»<br />
de la chanteuse Maurane), on a même enten<strong>du</strong> le contrepoint <strong>du</strong> Cantor de Leipzig<br />
en filigrane des Préludes de Chopin, swingué par les Double Six et interprété au<br />
synthétiseur par Walter Carlos.<br />
De l’identité artistique<br />
Faut-il considérer l’usage de la pluralité des sources ancestrales comme l’élément<br />
syntagmatique d’un concept modélisant ou comme une figure paradigmatique<br />
couronnant les agissements instinctifs de la nature humaine? Comme le révèle<br />
poétiquement Édouard Glissant dans le Traité de Tout-Monde: «Il convient de<br />
s’accorder à ce qui <strong>du</strong> monde s’est diffusé en archipel précisément, ces sortes<br />
d’éten<strong>du</strong>es, qui pourtant rallient des rives et marient des horizons.» 15 Sur l’autel<br />
des noces de l’hier et de l’ailleurs, l’artiste européen est découvreur autant que<br />
prédateur. En l’occurrence, l’émergence symptomatique des folklores à l’orée <strong>du</strong><br />
20 e siècle (de Canteloube à Copland, en passant par d’Indy ou de Falla…) a versé<br />
à dessein dans un néoclassicisme prônant peu ou prou un retour à une tradition<br />
non simpliste. Car entre la trace et l’écart, ces différentes expressions savantes et<br />
populaires éclairent désormais les cartes sonores d’un jeu de pistes complexe (une<br />
des règles demandant de juger sur le terrain les effets symboliques de ce glissement<br />
– sensible et insensible – des données de la modernité vers celles de<br />
la postmodernité).<br />
11<br />
Pierre Boulez: John Cage,<br />
Correspondance. – Paris:<br />
Bourgois, 1991, p. 187<br />
12<br />
Arthur Honegger: Incantations<br />
aux fossiles. – Lausanne:<br />
Éditions d’Ouchy,<br />
1949, p. 175<br />
13<br />
Angelo Cantoni: La<br />
Référence à Bach dans les<br />
œuvres néo-classiques de<br />
Stravinsky. – Zurich, New<br />
York, Hildesheim: Olms, 1998<br />
14<br />
Jean-Etienne Marie:<br />
L’Homme musical. – Paris:<br />
Arthaud, 1976, p. 10<br />
15<br />
Édouard Glissant: Traité <strong>du</strong><br />
Tout-Monde / Poétique IV. –<br />
Paris: Gallimard, 1997, p. 31<br />
De tous temps, lieu de mémoire des fantasmes exotiques et scène d’exhibition des<br />
utopies rituelles, les partitions baroques (Suite dans un goût étranger de Marin Marais,<br />
Les Indes galantes de Jean-Philippe Rameau, Les Chinois de François Couperin),<br />
classiques («Sailor’s Song» de Joseph Haydn, L’Enlèvement au sérail de Wolfgang<br />
Amadeus Mozart), romantiques (Abu Hassan de Carl Maria von Weber, L’Italienne<br />
à Alger de Gioachino Rossini), modernes (Pagodes de Claude Debussy, Padmâvatî<br />
d’Albert Roussel), contemporaines (Canti di Capricorno de Giacinto Scelsi, Yo-In<br />
de Jean-Claude Eloy) ou postmodernes (Poème symphonique «Zaïre» d’André Vin<strong>du</strong><br />
Bangambula, «Six chants hébraïques» de Jean-François Zygel) ont désiré brouiller<br />
mutatis mutandis la véracité imprescriptible des sources avec le partage subtile des<br />
métaphores identitaires et des fonds mémoriels. «On écrira un jour l’histoire de la<br />
métaphore et nous saurons la part de vérité et d’erreur qu’enferment les présentes<br />
35
16<br />
Jorge Luis Borges: Histoire<br />
de l’infamie, Histoire de<br />
l’éternité. – Paris: Éditions <strong>du</strong><br />
Rocher – UGE, 1951, p. 203<br />
17<br />
Claude Lévi-Strauss: Regarder,<br />
écouter, lire. – Paris:<br />
Plon, 1993, p. 159<br />
18<br />
Propos repro<strong>du</strong>its dans:<br />
«Pierre Boulez… et le bel<br />
aujourd’hui», Diapason<br />
583/2010, p. 21<br />
conjectures» 16 , notait avec espoir Jorge Luis Borges. Au niveau de la stimulation<br />
exogène – et en dehors de la convocation effective d’instruments non européens –<br />
la Symphonie <strong>du</strong> jaguar (2002) pour solistes instrumentaux, voix de femme et<br />
orchestre de Thierry Pécou tire autant profit d’une scansion résonante de tambour<br />
shamanique que <strong>du</strong> rythme de la transe dans le Candomblé ou le Vaudou. En<br />
outre, le récent Monomane (2010) d’Ondrej Adamek s’appuie sur un texte composite<br />
qui puise autant dans les tables <strong>du</strong> théâtre Nô que dans les manuels de l’art de<br />
la composition florale (livres d’Ikebana) ou de la calligraphie japonaise d’hier et<br />
d’aujourd’hui.<br />
Contre vents et marées, Claude Lévi-Strauss pensait que pour qu’un style susceptible<br />
de <strong>du</strong>rer arrive au jour, «il faut que l’intelligence de l’artiste ne s’empresse pas<br />
d’enjamber l’écart entre le monde et la manière de le représenter.» 17 Au cœur d’un<br />
corpus diversifié, et sans pointer des pionniers tels que Béla Bartók ou Zoltán<br />
Kodály, après des témoignages aussi typés provenant des plumes de Maurice Ohana<br />
(Llanto por Ignacio Sanchez Meijas, 1950), Ton-That Tiêt (cycle des Chu Ki, 1976–1993),<br />
Luciano Berio (Voci, 1984) ou György Ligeti (Síppal, dobbal, nádihegedüvel, 2000)<br />
– parmi tant d’autres – un pan de la jeune musique contemporaine a désiré ne pas<br />
oublier totalement les fondements, les us et les coutumes. Écoutez par exemple la<br />
sonorité de la sopilka (flûte ukrainienne) évoquée sans équivoque dans la Troisième<br />
symphonie de chambre (1983) d’Yevhen Stankovich ou les couleurs <strong>du</strong> shô ravivées<br />
dans Utsurohi–Nagi (1996) de Toshio Hosokawa. À remarquer aussi dans ce registre<br />
particulier, la présence de chanteurs flamencos dans l’opéra de chambre De amore,<br />
una maschera di cenere (1999) <strong>du</strong> madrilène Mauricio Sotelo… Des partitions intitulées<br />
Shen (1968) de Tona Scherchen, Exotica (1971) de Mauricio Kagel, May (1972)<br />
de Nguyen Thien Dao, Rogosanti (1986) de James Wood, Propositions V (1986) de<br />
Francis Bayer, Exotic Song (1987) extrait d’Apokalypsis de Nicola Cisternino, Tempora<br />
(1988) de François-Bernard Mâche, Butsumyoe, Sappho Hikètis (1989), Erkos (1991),<br />
Anâhata III (1992) de Jean-Claude Eloy… ont joué autant sur le dépaysement<br />
physique et mémoriel que sur la quête poétique d’un tropisme mélancolique.<br />
Devant cette introspection naturelle vers des foyers accessoires, face à cette nouvelle<br />
invitation au voyage sonore, réel ou onirique, d’autres âmes ont juste souhaité<br />
franchir les concepts d’espace-temps ou de repères scalaires en s’appropriant<br />
quelques principes musicaux allogènes ou en émancipant quelques clichés stylistiques<br />
«hors occident»: Drumming (1971) de Steve Reich, Music for a Summer Evening<br />
(Makrokosmos III – 1974) de George Crumb, Pléiades (1978) de Iannis Xenakis…<br />
La musique savante s’est donc allègrement inspirée <strong>du</strong> corpus ethnique des<br />
musiques exotiques ou «bizarres» – comme on disait à l’exposition universelle de<br />
Paris en 1889 (voyez par exemple tous ces compositeurs qui ont travaillé avec les<br />
sonorités résonantes des gamelans des îles de Bali ou de Java: François-Bernard<br />
Mâche, Georges Aperghis, Jean-Yves Bosseur, Steve Reich, Lou Harrison, Henri<br />
Pousseur, Pauline Oliveiros, Evan Ziporyn, Robert Valin… entre autres). Pour<br />
mémoire, évoquant des réunions avec Jean Genêt puis avec Heiner Müller afin<br />
de tenter d’esquisser les grandes lignes d’un futur opéra, Pierre Boulez dit même<br />
avoir été toujours «attiré par le théâtre extrême oriental, le nô, les marionnettes <strong>du</strong><br />
bunraku, l’opéra chinois, le théâtre d’ombres javanais, le rite balinais. La rencontre<br />
de l’Orient et de l’Occident était à la base de notre inspiration. Je dis bien:<br />
rencontre, pas imitation. Une œuvre occidentale nourrie de l’Orient. Un peu<br />
comme Sur incises: en composant, je ne voulais pas «faire balinais», je cherchais<br />
dans les sonorités particulières à notre culture une réponse aux questions que<br />
nous pose la musique indonésienne.» 18<br />
De la postmodernité<br />
Retour à la modalité, flirt équivoque avec les fonctions tonales, mise en faisceaux<br />
de consonances, quête binaire d’une rythmique à nouveau simplifiée, jeux de<br />
citations et de références en tous genres forment l’apanage de cette musique<br />
parfois appelée «postmoderne» au sein d’un courant fatigué qui a révoqué l’esprit<br />
totalisateur des francs-tireurs qu’il vénérait. «Le deuxième âge de la modernité<br />
36
est autoréflexif, indivi<strong>du</strong>aliste-émotionnel et identitariste: révolutionnaire dans<br />
l’ordre techno-scientifique, il ne l’est plus dans la culture. Il n’est pas synonyme de<br />
dépréciation <strong>du</strong> passé mais d’exploitation-mobilisation sans exclusive de tous les<br />
axes de la temporalité sociale-historique, recyclage et retra<strong>du</strong>ction de la mémoire<br />
à des fins économiques, émotionnelles et identitaires.» 19 Ainsi, pour Nelson<br />
Goodman: «la construction <strong>du</strong> monde commence avec une version et finit avec<br />
une autre.» 20<br />
Malgré tout, nous pouvons avancer que le désir d’une esthétique communautaire<br />
peut contribuer à une synergie holistique. «Esthétique, parce que l’identification<br />
de l’art ne s’y fait plus par une distinction au sein des manières de faire, mais<br />
par la distinction d’un mode d’être sensible propre aux pro<strong>du</strong>its de l’art. Le mot<br />
d’esthétique ne renvoie pas à une théorie de la sensibilité, <strong>du</strong> goût et <strong>du</strong> plaisir<br />
des amateurs d’art. Il renvoie proprement au mode d’être spécifique de ce qui<br />
appartient à l’art, au mode d’être de ses objets.» 21 Au reste, la musique «sérieuse»<br />
ne s’est pas privée de s’abreuver aussi aux réservoirs bruyants des musiques dites<br />
de masse (d’Igor Stravinsky à Mark Anthony Turnage en passant par Léonard<br />
Bernstein, Rolf Liebermann, Louis Andriessen, James Dillon, Steve Martland,<br />
Philippe Hurel, Guillaume Connesson, Pascal Zavaro ou Andrea Liberovici)…<br />
«La barbarie a donc fini par s’emparer de la culture» – insiste alors Alain Finkielkraut.<br />
À l’ombre de ce grand mot, l’intolérance croît, en même temps que l’infantilisme.<br />
Quand ce n’est pas l’identité culturelle qui enferme l’indivi<strong>du</strong> dans son<br />
appartenance et qui, sous peine de haute trahison, lui refuse l’accès au doute,<br />
à l’ironie, à la raison – à tout ce qui pourrait le détacher de la matrice collective,<br />
c’est l’in<strong>du</strong>strie <strong>du</strong> loisir, cette création de l’âge technique qui ré<strong>du</strong>it les œuvres de<br />
l’esprit à l’état de pacotille (ou, comme on dit en Amérique d’entertainment). Et la<br />
vie avec la pensée cède doucement la place au face-à-face terrible et dérisoire <strong>du</strong><br />
fanatique et <strong>du</strong> zombie.» 22<br />
Vis-à-vis de cette révolution d’ordre sociétal – électrique autant qu’éclectique –<br />
il est sans aucun doute bienséant de nous demander quels ont été, aux confins<br />
de ce confusionnisme évolutif, les indices constitutifs de ce devoir de mémoire,<br />
de ce besoin de jalons référentiels et de ces repères circonstanciés, transmués en<br />
signaux libérateurs mais aussi en concordances inquisitoriales. In fine, nous pouvons<br />
avancer que la culture de «l’éternel retour» nietzschéen et l’école de la mixité<br />
de la «World Music» se réfèrent autant aux textes et contextes de l’histoire sociale<br />
de l’art qu’aux signes et consignes identitaires de la culture et de la mémoire. Au<br />
cœur de ce maelstrom haut en couleur, l’hybridation des musiques tient aussi bien<br />
<strong>du</strong> métissage des genres et <strong>du</strong> brassage des styles (populaires, savants, exotiques)<br />
qu’aux pèlerinages déférents ou irrespectueux (syntaxiques, caricaturaux, référentiels<br />
ou citationnels) auprès d’anciennes sphères culturelles. Idée de renaissance des<br />
origines et nécessité de commémoration (implicite ou explicite) semblent être les<br />
moteurs universels <strong>du</strong> Monde. En habit d’humaniste zélé, l’artiste reste un magicien<br />
qui illusionne, croit, vit, commente, biffe, paraphrase, pastiche, reflète, réfléchit,<br />
transcrit, cite, crée, oublie. Attachés à décrypter les grimoires de Mnémosyne,<br />
irions-nous jusqu’à dire avec Daniel Mesguich qu’à l’instar <strong>du</strong> metteur en scène,<br />
le compositeur «tient tout texte pour un palimpseste» 23 ?<br />
19<br />
Gilles Lipovtesky: Les<br />
Temps hypermodernes. –<br />
Paris, Grasset, 2004, p. 89<br />
20<br />
Julien Gracq: Un beau<br />
ténébreux. – Paris: José<br />
Corti, 1945, p. 64<br />
21<br />
Jacques Rancière: Le<br />
Partage <strong>du</strong> sensible. Esthétique<br />
et politique – Paris: La<br />
fabrique éditions, 2000, p. 31<br />
22<br />
Alain Finkielkraut:<br />
La Défaite de la pensée. –<br />
Paris, Gallimard, 1987, p. 183<br />
23<br />
Daniel Mesguich: L’Éternel<br />
éphémère. – Paris, Seuil,<br />
1991, p. 21<br />
Compositeur et musicologue,<br />
Pierre-Albert Castanet est<br />
professeur à l’université de<br />
Rouen (Département de musicologie)<br />
et professeur associé<br />
au Conservatoire National<br />
Supérieur de Musique et de<br />
Danse de Paris. Directeur <strong>du</strong><br />
département de Conception<br />
et Mise en Œuvre de Projets<br />
Culturels (université de Rouen),<br />
il est directeur de collection<br />
musicologique pour les éditions<br />
Michel de Maule, Basalte,<br />
Ina-GRM, Millénaire III, Zurfluh,<br />
Les Cahiers <strong>du</strong> CIREM…<br />
Il a publié des centaines<br />
d’articles à travers l’Europe<br />
et a signé une dizaine de livres<br />
(sur H. Dufourt, G. Scelsi,<br />
J.-C. Risset, A. Louvier,<br />
M. Levinas…). Parmi ses<br />
publications: son ouvrage<br />
Tout est bruit pour qui a peur –<br />
Pour une histoire sociale <strong>du</strong><br />
son sale a reçu le Prix des<br />
Muses en 2000. Et Quand le<br />
sonore cherche noise – Pour<br />
une philosophie <strong>du</strong> bruit a<br />
obtenu un coup de cœur de<br />
l’Académie Charles Cros en<br />
2009 (deux livres publiés aux<br />
Editions Michel de Maule<br />
à Paris).<br />
37
Le plaisir <strong>du</strong> sensible recomposé<br />
Portrait en cinq fragments de Helmut Lachenmann<br />
Martin Kaltenecker<br />
Transformer l’instrument<br />
Lachenmann a élaboré à la fin des années 1960 une «musique concrète instrumentale»<br />
où prédominent les sons bruités – comme dans la musique concrète de Pierre<br />
Schaeffer et Pierre Henry – mais réalisés sans électronique, avec les instruments<br />
acoustiques traditionnels. Il s’agit d’un élargissement patient et risqué des modes<br />
de jeu: Lachenmann différencie les gestes et les manipulations (jeu sur le corps des<br />
instruments à cordes, derrière le chevalet, coups sur l’embouchure…), l’instrument<br />
apparaissant parfois comme un objet inconnu, toujours susceptible de nouvelles<br />
virtualités. Par exemple, dans le Deuxième Quatuor à cordes (1989) le jeu flautato est<br />
pour ainsi dire démonté: ses deux composantes acoustiques, une sonorité voilée<br />
et la présence accrue <strong>du</strong> bruit de la friction de l’archet, sont chacunes amplifiées<br />
et développées séparément, à l’instar d’un «motif» dans la musique classique,<br />
lui aussi découpé et transposé. Une percussion «réaliste» peut aussi s’ajouter aux<br />
instruments, comme dans Kontrakadenz: les percussionnistes utilisent des pièces de<br />
monnaie, le pianiste un peigne de poche, un plectre, une baguette de vibraphone,<br />
tous les instrumentistes des ustensiles, tels des têtes de flûtes à bec, des sifflets, des<br />
plaques de polystyrène, alors que quatre musiciens supplémentaires manipulent<br />
une plaque en tôle, des balles de ping-pong, des couvercles de casserole, une<br />
bassine en zinc remplie d’eau, des appareils radio… En somme, Lachenmann<br />
prend au mot la première phrase <strong>du</strong> Traité d’instrumentation de Berlioz: «Tout corps<br />
sonore mis en musique par le compositeur est un instrument de musique.»<br />
Il s’agit donc d’inventer une nouvelle topologie de l’instrument – on joue<br />
«partout» –, de lui faire prononcer de nouvelles paroles – comme si l’on incluait<br />
dans trois mille mots de la langue de Racine les jurons de Céline – et d’apprendre<br />
à l’interprète une nouvelle gestuelle. Dans Guero (1970), le pianiste joue uniquement<br />
sur les cordes et sur les différentes surfaces <strong>du</strong> clavier, pro<strong>du</strong>isant une<br />
variété de glissandos sans enfoncer aucune touche: «abandonné par le répertoire<br />
pianistique, [il] doit cependant patienter, assumer et se trouver en tant que<br />
musicien». Dans Toccatina (1986), c’est avec le bouton de l’archet que le violoniste<br />
pro<strong>du</strong>it une petite pluie de sons doux, apprenant à pro<strong>du</strong>ire les hauteurs avec la<br />
main droite.<br />
Dans un premier temps, il s’agissait surtout pour Lachenmann de faire apparaître<br />
le processus d’où résulte le pro<strong>du</strong>it – l’energeia et non l’ergon, selon la formule de<br />
Friedrich Schlegel – ou encore le travail au sens de Bertolt Brecht – pas d’auditeurs<br />
«culinaires» disait l’écrivain, mais un théâtre actif qui analyse en direct les<br />
conditions de sa propre pro<strong>du</strong>ction. Lachenmann écrit alors: «Ce qui résonne<br />
ne résonne pas en fonction de la sonorité ou de son utilisation structurelle, mais<br />
signale l’utilisation concrète de l’énergie à l’instant où s’effectuent les gestes des<br />
musiciens, nous faisant sentir, entendre, soupçonner les conditions mécaniques<br />
de ces actions et les résistances qu’elles rencontrent.» 1 Ou encore, à propos d’Air<br />
(1969): «L’action instrumentale sert sans doute une idée sonore précisément<br />
notée, mais elle ne disparaît pas derrière elle; le résultat sonore veut au contraire<br />
attirer l’attention, à travers une corporéité particulière, sur le geste qui la soustend,<br />
en nous rendant conscients des conditions mécaniques et énergétiques qui<br />
1<br />
Helmut Lachenmann:<br />
«Kontrakadenz. Musik für<br />
Orchester», in: Musik als<br />
existentielle Erfahrung.<br />
Schriften 1966–1995 / hg.<br />
und mit einem Vorwort versehen<br />
von Joseph Häusler. –<br />
Wiesbaden: Breitkopf &<br />
Härtel, 2 2004, p. 385<br />
47
ont pro<strong>du</strong>it ce résultat. Le son d’un violon ne signale pas une consonance ou<br />
une dissonance, mais indique ce qui a lieu — comment, sous un certain degré de<br />
pression, les crins se tendent, alors que l’on frotte de telle ou telle manière et à tel<br />
endroit précis entre le chevalet et le cordier». Le modèle sera donc Gustav Mahler<br />
– qui composait parfois avec l’effort de l’instrumentiste pour obtenir un effet de<br />
tension particulière – et non pas Richard Wagner, celui qui cachait le musicien<br />
dans la fosse et dont l’orchestre est «auratique», comme disait Adorno: Wagner est<br />
rejeté <strong>du</strong> côté d’une tromperie sur le sonore, d’une mauvaise synthèse qui évacue<br />
l’aspect concret.<br />
Mais le véritable travail de composition porte sur la catégorisation des bruits et modes<br />
de jeu. Chaque œuvre particulière va échafauder de nouvelles relations porteuses<br />
entre les sons, les exposer, les développer, éventuellement les briser de nouveau.<br />
Lachenmann regroupe les sons en «types», «familles» ou «arpèges»: par exemple,<br />
une «famille» de sons tremblés peut inclure à la fois un son obtenu par une règle<br />
qui glisse rapidement sur les cordes à l’intérieur <strong>du</strong> piano et un son si grave qu’une<br />
voix de basse ne pro<strong>du</strong>ira qu’un tremblement rauque. Dans une autre situation<br />
cependant, ou une autre œuvre, le son des cordes frottées peut être confronté à un<br />
glissando, au sein d’une famille nommée «sons continus», situation qui met alors<br />
en avant le geste global de la continuité et non l’intermittence, alors que la voix<br />
graillonnante pourra être mariée à un flatterzunge de flûte. Il s’agit donc d’un jeu<br />
avec un élément commun qu’on fait lui-même évoluer, que l’on tend ou que l’on<br />
tord, en allant par exemple vers un accroissement de l’hétérogénéité: l’auditeur<br />
doit (ou peut) se demander quelle est, dans une section donnée, la catégorie qui<br />
«coiffe» un pizzicato, un son écrasé aux cordes et le son d’un klaxon; c’est peutêtre<br />
un quatrième son qui va la révéler (un pizzicato-Bartók, qui fera rimer tous<br />
les quatre sous le titre de «son arraché») ou bien une hauteur précise, qui nous fera<br />
déceler a posteriori un accord classé qui se dessinait, de manière brouillée, avec les<br />
trois premiers.<br />
L’appareil esthétique<br />
Dès lors que le son «philharmonique», celui que visent toutes les institutions musicales,<br />
devient l’exception, la musique s’affronte à autre chose qu’un désir d’inouï:<br />
quand on tire sur cette pelote, toute la vie musicale vient avec… On traite alors<br />
de ce que Lachenmann nomme «l’appareil esthétique» d’une société donnée:<br />
les catégories de la perception musicale, les catégories expressives, et tout ce qui<br />
apparaît comme les accessoires, les machines ou les pièces de décor d’une culture:<br />
«L’instrumentarium aussi bien théorique que pratique, traditionnel ou récent,<br />
donc les instruments de musique avec leur construction caractéristique et les<br />
techniques d’exécution qui en découlent, y compris la notation; au-delà également,<br />
tous les moyens techniques, les outils, les appareils conceptuels, les techniques<br />
de travail développés et exploités au sein de notre vision et de notre pratique de<br />
la musique, de même que les institutions et les marchés concernés au sein de la<br />
société.»<br />
L’appareil esthétique est toujours «le reflet d’une forme particulière de la demande<br />
musicale; en cela, une conscience sociale s’y tra<strong>du</strong>it, avec ses valeurs propres, ses<br />
tabous, mais aussi ses contradictions». Le compositeur est donc impliqué en lui,<br />
à la fois «fasciné et sceptique»; il doit pactiser avec cet appareil au moment même<br />
où il le démonte: c’est en cela que consiste le travail de composition, vu sous<br />
l’angle esthétique ou politique. L’appareil est aussi décrit comme une «tonalité»<br />
au sens large et dont même une musique avant-gardiste ne se libère jamais tout<br />
à fait. Par faiblesse, inconscience, cynisme ou désir d’une communication immédiate,<br />
beaucoup de compositeurs cèdent à l’attraction de l’univers tonal: l’expressionnisme<br />
d’un Penderecki en serait l’exemple, le recyclage de gestes à la Richard<br />
Strauss dans le langage symphonique contemporain, le goût pour une narration<br />
conventionnelle à l’opéra, l’attrait des éléments «magiques» de la tradition – ce<br />
coup de tam-tam qui «fonctionne» toujours – ou encore l’effet immédiatement<br />
enchanteur de tout élément répétitif.<br />
48
Il y a donc de bonnes et de mauvaises manières de travailler avec (et donc contre)<br />
les connotations <strong>du</strong> matériau: dans Varianti de Luigi Nono, les cloches-tubes<br />
deviennent des «barres de métal presque cassées, qui tintinnabulent, évoquant<br />
une fois encore la solennelle fête d’un cérémonial révoqué», alors que le mélange<br />
insouciant d’instruments à percussion d’origine et à connotation très diverse dans<br />
Gruppen de Karlheinz Stockhausen rappelle «la salle d’attente d’un aéroport» où<br />
les sons se côtoient par hasard… Le compositeur est ici rattrapé par son matériau,<br />
qu’il pensait vierge de toute connotation.<br />
Une fausse solution consiste à miser sur la technique ou la technologie comme fin<br />
en soi. C’est le cas d’un sérialisme mécanique qui travaille avec une division<br />
systématique en «paramètres», ou les algorithmes de la «CAO», la composition<br />
assistée par l’ordinateur. D’ailleurs, l’esthétique concrète de Lachenmann exclut<br />
les sons électroniques, trop lisses à son goût. La fascination pour la technique<br />
relève aussi pour lui d’un «maniérisme»: on s’enferme dans l’élaboration de<br />
structures subtiles mais sans chercher aucune relation critique avec le contexte<br />
social. Ces pièges sont associés par Lachenmann à des métaphores végétales – le<br />
compositeur qui cherche uniquement des sonorités frappantes va «herboriser» ou<br />
«botaniser»; il cède à un exotisme <strong>du</strong> sonore qui rappelle des «serres chaudes» et<br />
qui attire un «tourisme» comparable aux trekkings bien préparés dans la jungle<br />
ou aux visites d’un parc d’attraction ou d’un Disneyland. Se réfugier derrière des<br />
grilles ou dans les studios électroniques fait dériver l’œuvre vers un design sonore:<br />
figure trompeuse d’un jardin d’Eden auquel on accéderait directement, ce même<br />
«paradis» que John Cage voulait atteindre en s’épargnant la traversée de l’écriture.<br />
La Brisure<br />
Pour Lachenmann, il s’agit toujours d’élaborer un système puis de le briser par<br />
sa mise en œuvre: l’écriture est un travail contre la grille, la composition est décomposition,<br />
elle s’avance vers ce point où le compositeur n’est plus sûr de lui, tout<br />
comme le pianiste de Guero est «abandonné par le répertoire». Lachenmann<br />
élabore souvent un «réseau temporel» qui résume par avance le déroulement de<br />
la forme et il utilise des grilles de hauteurs sérielles: mais souvent, ce réseau est<br />
abandonné en cours de route et les hauteurs, qui s’estompent sous les modes de<br />
jeu bruitistes, vont s’agglutiner autrement, être croisées avec de nouveaux ensembles<br />
trouvés en cours de route. Il s’agit de se détacher, de s’envoler, de laisser<br />
venir, tout en étant toujours conscient des prédéterminations tapies dans le<br />
matériau avec lequel on construit.<br />
Lachenmann a un mot pour cela, difficilement tra<strong>du</strong>isible, celui de Brechung –<br />
à savoir une «rupture», une façon d’ouvrir un objet ou un concept comme on<br />
rompt le pain, une façon de l’analyser, de le mettre en perspective dialectiquement,<br />
mais aussi, au sens optique, une «réfraction», donc un détour ou détournement<br />
réflexif. C’est elle que vise la mise en série d’un son ou d’un objet tonal, qui n’est<br />
pas donné comme tel, mais situé «dialectiquement». C’est elle qui permet à<br />
Lachenmann d’affirmer que «créer une structure, c’est en briser une autre», de<br />
parler de l’écriture d’une œuvre comme de la fabrication d’un instrument imaginaire<br />
qui est ensuite «démonté» en cours de route.<br />
Cette conception esthétique est très – pour ne pas dire: terriblement – allemande:<br />
on y retrouve l’idée de l’énergie qui subvertit la forme, de l’œuvre qui réfléchit<br />
sur elle-même et doit même travailler contre elle-même. Adorno disait au sujet<br />
de certaines pages de Mahler: «La musique préfère se ruiner elle-même plutôt<br />
que de donner l’illusion d’une réconciliation réussie.» 2 Lachenmann, quant à lui,<br />
mise sur ce moment heureux où l’écriture devient un «sabotage» de la structure,<br />
qui garantit l’authenticité de l’œuvre. Et cette «brisure réflexive» est en même<br />
temps ce qui caractérise selon Lachenmann l’art occidental dès l’invention de<br />
la polyphonie, laquelle fait sortir la musique de la magie et de l’enveloppement<br />
par le rituel. Le défi de l’autonomie coïncide ainsi avec une «intervention qui a<br />
toujours une fonction d’irritation, au nom de l’esprit qui s’éveille.» 3<br />
2<br />
Theodor W. Adorno: Mahler.<br />
Une physionomie musicale. –<br />
Paris: Les Éditions de Minuit,<br />
1976, p. 19<br />
3<br />
Christian Utz et Clemens<br />
Gadenstätter (éds.): Musik<br />
als Wahrnehmungskunst.<br />
Untersuchungen zur Kompositionsmethodik<br />
und Hörästhetik<br />
bei Helmut Lachenmann.<br />
– Saarbrücken: Pfau,<br />
2008, p. 29<br />
49
Le Plaisir<br />
La catégorisation de la «musique concrète instrumentale» a été rapidement appliquée<br />
par Lachenmann à d’autres «objets» que les sons et les bruits: les accords classés<br />
traditionnels et les rythmes codés, la gigue, la valse, la marche, apparaissent,<br />
disloqués ou recomposés, dans la Tanzsuite mit Deutschlandlied (1980). La musique<br />
de Lachenmann est pleine de ces moments où l’énergie est lâchée, de grands<br />
ostinatos qui se dérèglent, de galops et d’affects, de gestes virtuoses aussitôt<br />
confrontés à un râle ou à un raclement que l’on doit percevoir comme le pôle<br />
opposé d’une série savamment déployée: ainsi, dans Pression (1970) un magnifique<br />
ré bémol «philharmonique» se mettait à resplendir au milieu d’un buisson de sons<br />
écrasés, et le récent Concertini (2005) revient souvent à cette virtuosité musikantisch<br />
qui animait les œuvres d’un Stravinsky ou d’un Hindemith.<br />
L’œuvre de Lachenmann ne relève pas d’une musique «négative» qui se crisperait<br />
sur le bruit comme élément protestataire: simplement, dit-il «la beauté est refus de<br />
l’habitude». Mais le plaisir est là. Dans La Petite fille aux allumettes (1999), d’après le<br />
conte d’Andersen, toute la science «concrète» est mise au service d’une «musique<br />
avec images», comme l’indique le sous-titre de l’opéra. Par exemple, un cold song<br />
déploie toute une instrumentation sèche et consonantique, à base de figuralismes:<br />
une succession de w qui tra<strong>du</strong>it très concrètement les lèvres qui tremblent et dont<br />
le rictus empêche la ligne mélodique de se constituer; les voix <strong>du</strong> chœur ornent<br />
cette ligne frémissante d’autres consonnes dont les assonances sont réparties<br />
sur un orchestre où apparaissent par exemple, dans les vents, des accents avec le<br />
diaphragme. Et le trio est par contraste sonore et vocalique: il est construit sur<br />
les voyelles <strong>du</strong> mot kauft (achetez [mes allumettes]!), avec de grands arpèges de<br />
douze sons confiés aux cordes en détaché, aux pianos, xylophones et vibraphones,<br />
à la harpe et à la guitare, une sonorité très française. À la fin, quand la petite fille<br />
monte au ciel, à la rencontre de Dieu, mais aussi <strong>du</strong> vide de la mort, Lachenmann<br />
y emploie un shô, l’orgue à bouche japonais, soutenu par quelques harmoniques<br />
de cordes et des cymbales jouées à l’archet pour pro<strong>du</strong>ire une sonorité éthérée,<br />
avec divers souffles dans les bois. Puis, c’est une succession de tierces au célesta,<br />
instrument de l’éternité comme à la fin <strong>du</strong> Chant de la terre, un unisson de<br />
flatterzunge aux flûtes, une tenue de tuba, la vibration solennelle et douce de huit<br />
rin japonais… Toute la force iconique des sons et toutes les figures traditionnelles<br />
de l’histoire de la musique sont mobilisées pour représenter «concrètement» le<br />
conte à l’auditeur.<br />
Transformer l’écoute<br />
Notre société, dit Lachenmann, valorise le risque ou ses succédanés – deltaplane,<br />
Bunjee jumping, trekking, méharées dans le Sahara… «Mais où est notre disposition<br />
à assumer l’aventure dans la salle de concert? C’est comme si la musique<br />
n’était rien d’autre qu’un bain chaud réconfortant, où on se love, où on se<br />
réchauffe et se vautre. Alors que chaque œuvre qui signifie encore quelque chose<br />
pour nous aujourd’hui était à l’origine une aventure radicale de la pensée, <strong>du</strong><br />
sentiment, de l’invention, de la découverte sonore.» Lachenmann est l’un des<br />
compositeurs qui a intro<strong>du</strong>it le thème de l’écoute musicale dans la musique contemporaine<br />
dans les années 1980. La composition vise essentiellement à transformer<br />
l’écoute: non pas faire entendre autre chose, mais faire entendre autrement.<br />
L’essentiel est donc une réflexivité: l’écoute doit s’écouter elle-même, être<br />
consciente de l’attitude qu’elle adopte et qui peut transformer ce qui résonne.<br />
Par exemple, dit Lachenmann, la musique «hautement poétique» écrite par Ennio<br />
Morricone pour la série de télévision Orient express devrait être considérée comme<br />
classique ou savante, alors qu’une sonate de Scarlatti, «pimpante et étincelante»<br />
fait aussi partie de l’entertainment. «Dieu sait si ce sont là des étiquettes trompeuses,<br />
mais elles ont quand même leur sens. La Musique de divertissement, c’est selon<br />
ma définition personnelle une musique où l’auditeur peut faire autre chose en<br />
même temps, par exemple vider le lave-vaisselle, sans qu’il perde quoique ce<br />
soit de la substance de la musique qui résonne en même temps. Alors qu’avec la<br />
musique sérieuse, ou savante, il s’assied et se concentre totalement sur l’écoute,<br />
50
ou il devrait le faire. Donc à Noël, quand on diffuse à la radio l’Oratorio de Noël<br />
de Bach et que nous mangeons en même temps notre œuf au petit déjeuner, la<br />
musique de Bach devient une musique de fond.»<br />
On peut écouter Structures I de Boulez comme «une sorte d’horloge mécanique<br />
sur-dimensionnée, imaginaire, presque folle. Et aujourd’hui encore, certains<br />
auditeurs effrayés – car les auditeurs de Boulez se sont sauvés parfois – disent:<br />
‹Ce n’est pas de la musique, celà›. À quoi je réponds: ‹Formidable! Vous avez<br />
exactement compris. Ce n’est pas de la musique, parce que la notion musique est<br />
réinventée ici à nouveau de fond en comble›». 4<br />
Chaque œuvre authentique, dit Lachenmann, «épelle» de façon nouvelle le mot<br />
«musique». Suivre cette opération-là signifie s’élargir soi-même, ou en tout cas<br />
accepter de prendre un risque. «Elargir l’expérience d’écoute au lieu de satisfaire<br />
les attentes de l’auditeur, donc faire ce qui s’impose à l’esprit humain depuis<br />
qu’il se connaît lui-même: à savoir progresser, pénétrer dans l’inconnu et ainsi se<br />
connaître lui-même.» C’est en ces termes que Lachenmann a résumé la manière<br />
dont il comprend sa mission, qui conjugue l’effort intellectuel et le plaisir <strong>du</strong><br />
sensible recomposé.<br />
4<br />
«total verformt natürlich»,<br />
Musik-Texte 126/2010, p. 90<br />
Martin Kaltenecker est<br />
chercheur associé au Centre<br />
de Recherches sur les Arts<br />
et le Langage (EHESS, Paris).<br />
Outre de nombreux articles<br />
sur la musique <strong>du</strong> 19 e et 20 e<br />
siècle, il a publié La Rumeur<br />
des Batailles (2000), Avec<br />
Helmut Lachenmann (2001)<br />
et L’Auditeur capté. Discours<br />
sur l’écoute musicale au<br />
18 e et 19 e siècle (2010). Il a<br />
codirigé les ouvrages Penser<br />
l’Œuvre musicale au 20 e<br />
siècle: avec, sans, contre<br />
l’histoire? (2006) et Pierre<br />
Schaeffer. Les Constructions<br />
impatientes (2010).<br />
51
Plunderphonics<br />
Or Audio Piracy as a Compositional Prerogative<br />
John Oswald (1985)<br />
Musical instruments pro<strong>du</strong>ce sounds. Composers pro<strong>du</strong>ce music. Musical instruments<br />
repro<strong>du</strong>ce music. Tape recorders, radios, disc players, etc., repro<strong>du</strong>ce sound.<br />
A device such as a wind-up music box pro<strong>du</strong>ces sound and repro<strong>du</strong>ces music.<br />
A phonograph in the hands of a hip hop/scratch artist who plays a record like an<br />
electronic washboard with a phonographic needle as a plectrum, pro<strong>du</strong>ces sounds<br />
which are unique and not repro<strong>du</strong>ced – the record player becomes a musical instrument.<br />
A sampler, in essence a recording, transforming instrument, is simultaneously<br />
a documenting device and a creative device, in effect re<strong>du</strong>cing a distinction<br />
manifested by copyright.<br />
Free samples<br />
These new-fangled, much-talked-about digital sound sampling devices, are, we<br />
are told, music mimics par excellence, able to render the whole orchestral panoply,<br />
plus all that grunts, or squeaks. The noun «sample» is, in our comodified culture,<br />
often pre-fixed by the adjective free, and if one is to consider predicating this<br />
subject, perhaps some thinking aloud on what is not allowable auditory appropriation<br />
is to be heard.<br />
Some of you, current and potential samplerists, are perhaps curious about the<br />
extent to which you can legally borrow from the ingredients of other people’s<br />
sonic manifestations. Is a musical property properly private, and if so, when and<br />
how does one trespass upon it? Like myself, you may covet something similar to<br />
a particular chord played and recorded singularly well by the strings of the estimable<br />
Eastman Rochester Orchestra on a long-deleted Mercury Living Presence LP of<br />
Charles Ives’ Symphony #3, 1 itself rampant in unauthorized procurements. Or<br />
imagine how invigorating a few retrograde Pygmy (no slur on primitivism intended)<br />
chants would sound in the quasi-funk section of your emulator concerto. Or perhaps<br />
you would simply like to transfer an octave of hiccups from the stock sound<br />
library disk of a Mirage to the spring-loaded tape catapults of your Melotron. 2<br />
Can the sounding materials that inspire composition be sometimes considered<br />
compositions themselves? Is the piano the musical creation of Bartolomeo<br />
Cristofori (1655–1731) or merely the vehicle engineered by him for Ludwig Van<br />
and others to manoeuver through their musical territory? Some memorable compositions<br />
were created specifically for the digital recorder of that era, the music<br />
box. Are the preset sounds in today’s sequencers and synthesizers free samples,<br />
or the musical property of the manufacturer? 3 Is a timbre any less definably<br />
possessable than a melody? A composer who claims divine inspiration is perhaps<br />
exempt from responsibility to this inventory of the layers of authorship. But what<br />
about the unblessed rest of us?<br />
Let’s see what the powers that be have to say. ‹Author› is copyrightspeak for any<br />
creative progenitor, no matter if they program software or compose hardcore.<br />
To wit: «An author is entitled to claim authorship and to preserve the integrity<br />
of the work by restraining any distortion, mutilation or other modification that<br />
is prejudicial to the author’s honor or reputation.» That’s called the ‹right of<br />
This paper was initially presented<br />
by Oswald at the<br />
Wired Society Electro-<br />
Acoustic Conference in<br />
Toronto in 1985. It was published<br />
in Musicworks #34,<br />
as a booklet by Recommended<br />
Quarterly and subsequently<br />
revised for the<br />
Whole Earth Review #57 as<br />
«Bettered by the borrower».<br />
Reprinted by kind permission<br />
of the author.<br />
53
PROGRAMME<br />
63
«Gassatim-Konzert» – Ouverture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />
Vendredi / Freitag / Friday 19.11.2010 18:00<br />
Luxembourg-Ville, Place Guillaume II («Knuedler»)<br />
Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert<br />
nach Ideen von Olga Neuwirth, Joseph Haydn und Charles Ives<br />
(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />
35’<br />
Dans l’ordre d’apparition / In der Reihenfolge des Auftretens:<br />
Brice Pauset Maestro del gioco<br />
United Instruments of Lucilin<br />
Tomoko Kiba, André Pons-Valdès violon<br />
Danielle Hennicot alto<br />
Wolf-Dietrich Wirbach violoncelle<br />
Joseph Haydn Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze<br />
(Les sept dernières paroles <strong>du</strong> Christ en Croix) Hob. XX:1B<br />
(für Streichquartett, 1785/1787)<br />
Il Terremoto: Presto e con tutta la forza<br />
Glissandi<br />
Flexatone<br />
United Instruments of Lucilin<br />
Marcel Reuter piano<br />
Erik Satie: Gymnopédie N° 1 (Trois Gymnopédies) pour piano (1888)<br />
Luxembourg Clarinet Choir<br />
Pol Duhr, Raphaëlle Ribouillaut, Patricia Martins Coehlo, Jeff Schreiner,<br />
Mary Karier, Isabelle Scholtes, Ann Katrin Ollinger, Marcel Lallemang<br />
clarinette<br />
Edgar Varèse: Octandre (1923) (Auszüge)<br />
Choeur – INECC<br />
Alix Bernard, Julien Blanc, Jürgen Boie, Teresa Bolognese, Régine<br />
Bondy, James Borg, Cheryl Fisher, Anne Foltete, Sylviane Francart,<br />
Sabine Haupt, Sarah Herold, Martina Horn, Manuel Koenig, Anisimov<br />
Kuderska, Alessandro Lancini, Aloyse Mathias, Nathalie Morettoni,<br />
Myrto Munoz, Pierre Posing, Francoise Puetz, Claudine Regenwetter,<br />
Carine Rippinger, Marie-Thérèse Schmit, Armand Schmitz, Diane<br />
Schwarz, Michael Swithinbank, Lydia Thiry, Fabienne Thoma, Monique<br />
Wagner-Heinen, Jos Waless, Francise Wehrlen, Nicole Welter, Ginette<br />
Wiot, Christiane Zahlen / Camille Kerger chef de chœur<br />
Charles Ives: «There is a lane» (Adagio sostenuto) S 370 (1902)<br />
(arr. für Chor von Herbert Haufrecht)<br />
Charles Ives: «Berceuse» (Adagio) S 220 (~1920)<br />
(arr. für Chor von Herbert Haufrecht)<br />
64
United Instruments of Lucilin<br />
Pascal Meyer piano<br />
Guy Frisch, Victor Kraus percussion<br />
Christophe Beau violoncelle<br />
Ernie Hammes trompette<br />
Léon Ni trombone<br />
Matthias Koole guitare électrique<br />
David Reiland direction<br />
Olga Neuwirth: Diagonal Symphony für Ensemble<br />
(Filmmusik zu Viking Eggeling: Symphonie Diagonale) (2006)<br />
Étudiants <strong>du</strong> Conservatoire de Musique de la Ville de Luxembourg<br />
Luxembourg Trombone Association (LTA)<br />
Marc Meyers direction<br />
Hector Berlioz: Grande Messe des morts op. 5 H 75: Tuba mirum (1837)<br />
Flexatone<br />
Harmonie Municipale de Dudelange<br />
Carine Bernd, Cathy Morizet, Anne-Marie Picco flûte / Luc Gindt,<br />
Christiane Baltes, Jérôme Fellerich, Jean-Paul Waldbillig, Angelo<br />
Cellerani, Sascha Leufgen, John Fellerich, Jacky Funck clarinette /<br />
Sonja Eiffes, Alex Meyer, Odilie Eiffes, Thierry Di Cino, René Schumacher<br />
saxophone / Frederic Creola cor / Tom Schmit, Daniel Pedana, René<br />
Lelong, Romain Eiffes, Fredy Creola, Nicole Fantini trompette, bugle /<br />
Marcel Berens, Pit Eiffes, Romain Haas, Luc Morroni, Jacques Reuter<br />
trombone / Laurent Gindt euphonium / Georges Brandenburger, Jean-<br />
Marie Laures tuba / René Quesnoit, Sven Hoscheid, Germain Pedana,<br />
Daniel Zeimes, Marina Eutropi, Jim Scheck percussion<br />
Dinu Stelian: Auf ewig. Trauermarsch<br />
Josh Merjai guitar<br />
Jimi Hendrix: «Little wing» (1967)<br />
Alle<br />
Knackfrösche<br />
dieb13 turntables<br />
Vinylaufnahmen aller genannten Stücke<br />
Armin Leoni, Markus Oppenländer<br />
Littlebit GbR Pro<strong>du</strong>ktionsbüro für zeitgenössische Kunst Köln<br />
Bernhard Günther Dramaturgie<br />
En coopération avec le Conservatoire de Musique de la Ville de Luxembourg, INECC Luxembourg, Harmonie Municipale<br />
de Dudelange, Luxembourg Clarinet Choir, Luxembourg Trombone Association, la Ville de Luxembourg et le<br />
LCTO – Luxembourg City Tourist Office<br />
65
Un charivari démocratique<br />
Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert<br />
Martin Kaltenecker<br />
1<br />
cf. p. 71<br />
2<br />
cf. p. 73<br />
Parmi les éléments ayant inspirés Olga Neuwirth pour son Gassatim-Konzert figure<br />
cette anecdote rapportée en 1810: «Haydn eut l’idée d’inviter un grand nombre de<br />
musiciens à se réunir nuitamment en un lieu précis: le rendez-vous était fixé dans la rue <strong>du</strong><br />
Tiefer Graben [fossé profond], où les musiciens devaient se répartir en plusieurs maisons et<br />
recoins; il y avait même un joueur de timbales placé sur le Hohe Brücke [pont haut]. La<br />
plupart des musiciens ne savaient pas pourquoi ils étaient là, mais chacun avait reçu comme<br />
consigne de jouer ce qu’il voulait. À peine ce concert terrible avait-il commencé que les habitants<br />
stupéfaits <strong>du</strong> Graben ouvrirent les fenêtres pour pester contre cette maudite musique<br />
venue de l’enfer, pour siffler et chahuter. Entre-temps, les veilleurs de nuit ou, comme on les<br />
nommait à l’époque, les surveillants de la rumeur s’étaient approchés: les instrumentistes<br />
s’enfuirent juste à temps, à l’exception <strong>du</strong> timbalier et <strong>du</strong> violoniste qui furent mis à l’arrêt;<br />
on les libéra pourtant après quelques jours puisqu’ils ne savaient pas donner le nom <strong>du</strong> chef<br />
de cette sédition.» 1<br />
Ce happening nocturne vers 1750 est donc une sorte d’anti-sérénade qui s’inscrit<br />
dans la longue tradition des charivaris et autres musiques de chat plus ou moins<br />
provocatrices. L’expression «gassatim gehen» (aller par les rues), la «Gasse», ou<br />
ruelle – a d’ailleurs donné le terme de «cassation», quasi synonyme de sérénade,<br />
mais avec l’idée de l’aventure que l’on cherche – sérénade plus insolente, plus<br />
risquée, un brin interlope. Pour Olga Neuwirth, cette petite action provocatrice<br />
est une sorte de symbole de l’auto-affirmation <strong>du</strong> compositeur au 18 e siècle:<br />
«Au bout <strong>du</strong> compte, Haydn s’inventa lui-même. À l’âge de 29 ans, assez tard pour son<br />
époque, il passa <strong>du</strong> statut de musicien gassatim, donc de sérénades, à celui de vice-maître<br />
de chapelle à la cour d’Eisenstadt, puis au rang de ‹préféré de la nation›, comme l’écrivit le<br />
magazine Wiener Diarium en 1776. De nos jours, une telle carrière ne serait plus possible<br />
pour un compositeur, ni surtout pour une compositrice. Haydn a pu devenir un ‹développeur<br />
de structures›, en particulier dans le domaine de la musique de chambre, et prendre une<br />
position de premier plan: il s’est émancipé pour incarner déjà la figure de l’artiste moderne.<br />
Haydn paraitra peut-être à certains comme un peu consentant, puisqu’il avait appris à<br />
maîtriser les conventions, à se mouvoir sur la scène des cours internationales, en s’opposant<br />
ainsi, en tant qu’employé mais à travers sa composition, à la raison quotidienne de la<br />
cour. […] Ce qui me fascine, c’est cet équilibre subtil qu’il sait garder entre l’intellectualité,<br />
la curiosité, et en même temps l’adaptation aux circonstances. De mon point de vue, je<br />
conseillerais à tout jeune compositeur qui ne veut pas ‹lâcher› et qui doit vivre de son art de<br />
marquer ainsi ses distances, afin de se ménager un espace de liberté intellectuel. Ce qui a sans<br />
doute aidé Haydn en cela, c’est son côté espiègle et son sens de l’expérimentation.» 2<br />
D’un point de vue musical, la «niche» faite par Haydn aux bien-pensants – qui<br />
seraient de nos jours collés devant leur télévision… – relève de la forme <strong>du</strong> quodlibet<br />
que l’on trouve dès le 17 e siècle: un collage plus ou moins dissonant de<br />
plusieurs mélodies, comme celui <strong>du</strong> mouvement des ivrognes dans les Sonates <strong>du</strong><br />
Rosaire de Heinrich Ignaz Franz Biber. Mais il s’agit en même temps chez Haydn<br />
d’un charivari spatialisé: on songe ici à la fascination des symphonistes <strong>du</strong> 19 e<br />
siècle pour les musiques disposées dans différents endroits et que l’art orchestral<br />
va imiter. Neuwirth utilise dans Gassatim-Konzert l’un des archétypes de cette<br />
transposition <strong>du</strong> plein air dans une salle fermée, à savoir le Tuba mirum <strong>du</strong> Requiem<br />
66
de Berlioz. La compositrice retravaille ici l’original, en sélectionnant des citations<br />
(presque comme un DJ ou comme avec un sampler), en supprimant le chœur et<br />
les clarinettes, mais en donnant à plusieurs musiciens un flexatone pour ajouter<br />
des glissandos, en faisant répéter l’accord final, et en l’associant, bien sûr, aux<br />
autres éléments <strong>du</strong> Gassatim-Konzert – de Satie à Jimi Hendrix, d’Olga Neuwirth à<br />
une marche funèbre roumaine. La tradition de l’espace où flottent et où se mêlent<br />
des fragments de musique passe également par Mahler, qui dé<strong>du</strong>isait ce qu’il<br />
nommait la «polyphonie universelle» de la symphonie de l’écoute d’un paysage<br />
sonore. C’est surtout Charles Ives qui fascine Olga Neuwirth pour son utilisation<br />
de la simultanéité. Henry Cowell relate à ce propos une l’expérience d’enfant <strong>du</strong><br />
futur compositeur, modèle de ses futurs quodlibets symphoniques:<br />
«Son père invita la fanfare d’un bourg voisin à venir soutenir son équipe de baseball à<br />
Danbury, alors qu’au même moment, la fanfare municipale apparut pour supporter l’équipe<br />
locale. La parade était organisée dans la rue principale, comme d’habitude, mais les deux<br />
fanfares prenaient leur départ aux points opposés de la ville, et on leur avait donné des pièces<br />
écrites dans des tonalités et mesures différentes. Quand elles s’approchèrent l’une de l’autre,<br />
les dissonances furent <strong>du</strong>res, d’autant que chaque musicien jouait de plus en plus fort pour<br />
couvrir les rivaux. Quelques-uns flanchèrent mais les deux groupes tinrent bon, passant l’un<br />
à côté de l’autre avec succès, et le son de leur joyeux désaccord disparaissait dans le lointain.» 3<br />
3<br />
cf. p. 72<br />
La musique de plein air est essentiellement liée aux cuivres: c’est eux qui prédominent<br />
aussi dans le happening d’Olga Neuwirth, qui emploie même une banda<br />
isolée, comme elle apparaît si souvent dans l’opéra italien: ici, c’est une petite<br />
fanfare «qui joue la marche funèbre Auf ewig de Dinu Stelian et qui, à 13’, se<br />
déplace d’est en ouest, traversant la place comme si de rien n’était, disparaissant<br />
vers 20’ au plus tard». En même temps, le plein air – lieu traditionnel de l’ouverture<br />
<strong>du</strong> <strong>festival</strong> rainy days depuis 2006 – demeure symboliquement le lieu de la<br />
collectivité: en arrangeant un concert gassatim sur la place publique, le musicien<br />
désire toucher l’ensemble de la communauté, et non seulement ce groupe de<br />
connaisseurs et spécialistes qui se concentrent d’habitude religieusement sur sa<br />
musique dans un lieu clos. Ce thème-là, celui de l’enjeu politique de la «symphonie»,<br />
de masses sonores qui «résonnent ensemble», fût-ce dans la discordance,<br />
est de plus en plus présent à partir de la fin de 19 e siècle: Scriabine, dans son<br />
mystère L’Acte préalable, voulait adjoindre aux groupes orchestraux des chœurs<br />
chuchotés, alors qu’à certains moments, les portes de la salle de concert devaient<br />
être ouvertes pour laisser pénétrer les bruits de la ville. Il s’agit à chaque fois de<br />
solliciter et d’envelopper l’auditeur, de transformer le rite <strong>du</strong> concert bourgeois<br />
en un rituel archaïque, pour «atteindre directement l’organisme», comme dira<br />
Antonin Artaud: «Si la musique agit directement sur les serpents, ce n’est pas par les<br />
notions spirituelles qu’elle leur apporte, mais parce que […] leur corps touche à la terre<br />
par sa presque totalité; et les vibrations qui se communiquent à la terre l’atteignent comme<br />
un message très subtil et très long: eh bien, je propose d’en agir avec les spectateurs comme<br />
avec les serpents qu’on charme et de les faire revenir par l’organisme jusqu’aux plus subtiles<br />
notions. Les sons, les bruits, les cris sont cherchés d’abord pour leur qualité vibratoire, ensuite<br />
pour ce qu’ils représentent.»<br />
Tirer une forme musicale vers un événement: c’est là une des lignes de force de<br />
l’esthétique de Neuwirth, dont la devise est souvent une sorte de «Anywhere out<br />
of the music» comme l’aurait dit Baudelaire. D’où son attrait pour des états de<br />
musique plutôt que de grandes narrations ou le déploiement de structures autonomes,<br />
l’injection d’une dose de théâtre musical et de sauvagerie corporelle dans<br />
les pièces instrumentales (toussotements dans Spleen pour clarinette basse, râles<br />
et tremblements dans le Quatuor à cordes «Akroate Hadal»…), ou encore pour des<br />
formes dont la cohérence est assurée par l’hybridation nouvelle avec un autre<br />
média – le cinéma avant tout, devenu à notre époque «l’emblème démocratique»,<br />
comme dit le philosophe Alain Badiou. Attirance enfin pour la culture populaire,<br />
où la musique contemporaine cherche la concurrence directe avec des icônes de<br />
la pop underground – dans Hommage à Klaus Nomi ou dans le film No more Secrets,<br />
No more Lies, où Georgette Dee, au bord d’une plage, chante l’amour contre vents<br />
67
et marées. Tout cela prolonge l’audace de Haydn: ouvrir les fenêtres, capter d’autres<br />
ondes, sortir l’art savant comme on promène son chien: celui, sans doute, que<br />
l’on verra apparaître comme musicien supplémentaire au sein <strong>du</strong> grand effectif<br />
démocratique <strong>du</strong> Gassatim-Konzert.<br />
Les musiciens (100 à 150) sont ici postés en neuf lieux dont une scène centrale.<br />
Chacun dispose d’un chronomètre et de petits clickers-grenouille. Le quatuor à<br />
cordes (qui joue pour l’essentiel le Terremoto, le tremblement de terre qui termine<br />
les Sept dernières paroles de Haydn) et deux des cuivres actionnent par ailleurs des<br />
flexatones. S’y ajoutent la banda/fanfare, un piano (le pianiste joue la Première<br />
Gymnopédie de Satie, la seconde fois plus lentement, la troisième fois de façon très<br />
accélérée), un chœur (chantant deux songs de Charles Ives), un ensemble (qui joue<br />
l’œuvre Diagonal Symphony de Neuwirth, entre 5’ et 16’, avant de quitter la scène),<br />
un ensemble de clarinettes (qui joue de brefs fragments découpés dans Octandre<br />
de Varèse), les quelques 50 cuivres jouant le Tuba mirum <strong>du</strong> Requiem de Berlioz, un<br />
guitariste jouant «Little wing» de Jimi Hendrix, etc.<br />
La partition se présente comme une chorégraphie ordonnée et subtile des fragments<br />
choisis, et elle évite soigneusement tout effet de mélasse musicale. Le tout<br />
est dirigé par un «maestro del gioco», un meneur de jeu positionné «sur un balcon<br />
(ou sur un fauteuil disposé sur un grand podium). S’il est sur un podium, il se lèvera d’un<br />
bond et tirera un coup de pistolet en l’air pour commencer le ‹jeu›. C’est lui qui tient le temps<br />
par le collier. Puis il se rassied, il attend, il ne fait qu’attendre. (S’il est sur un balcon, il se<br />
retirera). Peu avant 28’, il se lèvera ou apparaîtra de nouveau et (exactement à 28’) fera taire<br />
tout le monde ou bien donnera à tous le signe de jouer des clickers-grenouille et de faire des<br />
glissandos sur les flexatones. À 29’, il tirera encore une fois (en direction <strong>du</strong> DJ) mettant fin<br />
au bruit des pétards et flexatones. […] Le maestro del gioco disparaît ou quitte son fauteuil<br />
stoïquement et s’en va».<br />
Olga Neuwirth<br />
(photo: Beatrix Neiss)<br />
Le Gassatim-Konzert s’achèvera donc dans le bruit. Pendant les quatre à six dernières<br />
minutes, un DJ s’immisce dans cette texture en reprenant des fragments<br />
de ce qui a été enten<strong>du</strong>. Le «turntabliste» succède au chef, il apparaît comme le<br />
nouveau maître de jeu de notre époque, celui qui mixe le passé et le futur, les sons<br />
policés et les bruits insolents, toutes nos dissonances joyeuses.<br />
68
Brice Pauset / Johannes Ockeghem<br />
Samedi / Samstag / Saturday 20.11.2010 20:00<br />
Salle de Musique de Chambre<br />
Nicolas Hodges piano<br />
Capella de la Torre<br />
Katharina Bäuml chalémie, direction<br />
Birgit Bahr chalémie<br />
Stefan Legée saqueboute<br />
Annette Hils doulciane<br />
Brice Pauset, Olivier Pasquet electronics<br />
Brice Pauset: Trois Canons für Klavier solo (1989)<br />
5’<br />
Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Kyrie<br />
6’<br />
Brice Pauset: Cinq Canons für Klavier solo (1990–2002)<br />
21’<br />
Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Gloria<br />
9’<br />
Brice Pauset: Sept Canons für Klavier solo<br />
(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />
18’<br />
—<br />
Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Credo, Sanctus, Pleni sunt Coeli,<br />
Osanna<br />
14’<br />
Brice Pauset: Neuf Canons für Klavier solo<br />
(1998–2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />
11’<br />
Johannes Ockeghem: Missa Prolationum: Osanna, Benedictus, Agnus Dei<br />
9’<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
Dorothee Golz<br />
Der Perlenohrring/ The Pearl<br />
Earring. C-print/Diasec,<br />
188 x 140 cm (2009)<br />
© Dorothee Golz<br />
Brice Pauset: Perspectivae Sintagma I für Klavier und Elektronik (1997)<br />
19’<br />
72
Canons: architectures sonores<br />
Les Canons de Brice Pauset et la Missa Prolationum<br />
Alice Tacaille<br />
Le concert rassemblant la Missa Prolationum de Johannes Ockeghem (~1420–1497)<br />
et l’intégrale des Canons de Brice Pauset (1965) convie les auditeurs à écouter des<br />
œuvres distantes de quelques cinq cent ans. Ils sont placés dans la situation, rare,<br />
exceptionnelle, de laisser entrer en résonance deux univers créatifs très intimement<br />
liés et d’en ressentir toute la connivence.<br />
Pour bien entrevoir la portée de la Missa Prolationum, il faut se ressouvenir de<br />
quelques éléments importants de la composition au 15 e siècle. L’homme d’abord:<br />
né près de Mons, Johannes Ockeghem fait carrière auprès de Charles I er <strong>du</strong>c de<br />
Bourbon, mari d’Agnès de Bourgogne, sœur de Philippe le Bon, dont il orne la<br />
chapelle <strong>du</strong>cale. Il passe ensuite à Moulins (Allier), pour entrer enfin à la chapelle<br />
royale de France à partir de 1451. Là, il évolue de charge en prébende, et obtient<br />
notamment celle de trésorier <strong>du</strong> chapitre de Saint-Martin de Tours.<br />
Le lieu et la date importent: la première moitié <strong>du</strong> 15 e siècle, dans les moments les<br />
plus critiques de la domination anglaise, se révèle très difficile pour la couronne<br />
française quasiment ré<strong>du</strong>ite, en termes de territoire, au Val de Loire. Après Charles VII,<br />
dans la seconde moitié <strong>du</strong> siècle, Louis XI séjourne relativement souvent en son<br />
château de Plessis-les-Tours, et Ockeghem peut alors partager très efficacement son<br />
temps entre la cour et la basilique Saint-Martin de Tours, alors l’une des villes<br />
plus importantes de France. Il bénéficie, avançant en âge, d’autres revenus ecclésiastiques,<br />
notamment à Notre-Dame de Paris, ainsi qu’à Saint-Martin de Candé<br />
(près de Tours).<br />
En cela, la situation d’Ockeghem est très classique: la détention de bénéfices ne<br />
suppose pas, dans l’église médiévale, d’activité pastorale ni même d’activité tout<br />
court. En quelques sortes, la position d’Ockeghem est celle d’un engagé au sein<br />
d’une église de métier, comme nous parlons aujourd’hui d’une armée de métier.<br />
Nous avons ainsi affaire à l’église d’avant l’époque moderne, une église qui se<br />
trouve en outre responsable de la quasi-totalité des lieux d’enseignement: c’est<br />
donc à plusieurs titres que la vie d’Ockeghem est tissée avec l’institution. Cette<br />
situation, loin d’être l’exception, demeure la règle pour la plupart des compositeurs<br />
des 15 e et même 16 e siècles, et cela explique sans doute que la plus grande forme<br />
musicale travaillée à cette époque soit finalement une forme musicale adossée à<br />
la liturgie: la messe polyphonique.<br />
Mais c’est derrière l’écran que tout se passe. À l’abri de ce cadre, il faut regarder<br />
de plus près: depuis deux générations, Guillaume de Machaut (1305–1377) puis<br />
Guillaume Dufay (~1400–1474) posent les bases d’une réflexion sur ce que<br />
pourrait être une grande forme musicale en plusieurs sections. Le projet le plus<br />
ample que l’on puisse confier à un musicien <strong>du</strong> 15 e siècle est celui d’une messe<br />
entière en musique – ni symphonie ni opéra encore, naturellement. Or, il n’était<br />
pas acquis à cette époque que les différentes sections d’une messe formassent un<br />
tout esthétique. C’est l’immense apport <strong>du</strong> 15 e siècle musical que d’avoir tenté<br />
quasiment toutes les solutions possibles à ce problème très abstrait: comment<br />
plusieurs morceaux de musique, séparés, peuvent-ils former un tout?<br />
74
C’est ici que le concert propose un regard très pénétrant sur ce laboratoire musical<br />
<strong>du</strong> 15 e siècle: qu’est-ce que l’unité de l’œuvre en musique? Et les réponses que<br />
les compositeurs y ont apportées sont réellement très variées. Au 15 e siècle, on le<br />
sait trop peu, c’est le contrepoint qui a été le plus vigoureusement sollicité pour<br />
faire une grande œuvre en plusieurs sections, et plus particulièrement, au sein des<br />
techniques de contrepoint, le canon.<br />
Des neuf messes d’Ockeghem qui nous sont parvenues, la Missa Prolationum<br />
est celle dont le projet d’ensemble est fondé sur le principe <strong>du</strong> canon. Aucune<br />
des messes de ses prédécesseurs n’a placé ce projet au centre de la composition:<br />
Ockeghem va tenter de faire tenir toute la messe sur ce principe unique.<br />
Disposant d’un point de départ aussi ferme, Ockeghem aurait pu simplement<br />
en faire un catalogue des infinies possibilités <strong>du</strong> canon – pensons par exemple à<br />
L’Art de la Fugue. Ce qui distingue les œuvres que nous entendrons au concert,<br />
c’est qu’elles sont d’une certaine manière beaucoup plus ambitieuses encore: elles<br />
tentent d’épuiser le principe, de le traiter «jusqu’au bout». On ne feuillette pas ici<br />
les possibles visages <strong>du</strong> canon, on le poursuit jusqu’aux tréfonds.<br />
Mais est-ce simplement possible? Comment comprendre cette démarche? Dans<br />
le cas d’Ockeghem, la Missa Prolationum présente un type de canon différent par<br />
section de messe. Très systématiquement, très méticuleusement, Ockeghem fait<br />
varier les paramètres <strong>du</strong> canon jusqu’à arriver aux limites sonores acceptables.<br />
Comme il en va, puisque le canon est d’abord un jeu sur la contrainte que<br />
s’impose le musicien, les règles d’écriture lui laissent très peu d’espace de liberté:<br />
ce sont elles, in fine, que le travail d’Ockeghem interroge.<br />
Quelques mots sur le canon. Aujourd’hui, nous chantons des canons à l’unisson –<br />
nous ne chantons plus les canons qu’à l’unisson, faudrait-il dire: la seconde personne<br />
(et les suivantes) chantent la chanson à la même hauteur que nous l’avons<br />
entonnée, et non dans une autre tonalité. Ensuite, nous chantons aujourd’hui les<br />
canons à la même vitesse, que nous chantions en premier ou en second. Enfin, si<br />
nous chantons en canon à trois ou quatre voix, les voix sont décalées de la même<br />
manière, par exemple de quatre temps, il y a une régularité des entrées en canon.<br />
Autant de limitations que le 15 e siècle ne connaît pas. Dans le domaine des hauteurs<br />
de note, on peut en réalité faire chanter la réponse (la seconde voix) à une<br />
hauteur différente, «dans une autre tonalité». Mais bien enten<strong>du</strong>, cela occasionne<br />
des rencontres de notes plus difficiles à éviter. Le musicien peut aussi décaler les<br />
voix dans le temps comme il le souhaite, de manière variable, ce qui rend les rencontres<br />
encore plus difficiles à maîtriser. Ockeghem se sert enfin de l’ambivalence<br />
de la notation musicale de son époque (où une même note carrée peut revêtir<br />
plusieurs <strong>du</strong>rées, deux ou bien trois temps par exemple) pour faire chanter en<br />
canon mais à des vitesses différentes, un type de canon assez proche… d’un<br />
Himalaya musical. Et nous ne ferons que mentionner les canons rétrogrades, où<br />
les notes sont chantées à partir de la dernière, rendant l’air méconnaissable, ou<br />
encore les «miroirs», où tous les intervalles montants sont exécutés en descendant<br />
et réciproquement, avec la même conséquence sur la reconnaissance de la mélodie.<br />
Imaginons donc, pour approcher la Missa Prolationum, un ensemble de pièces<br />
vocales comme suit: il s’agit d’un double canon. Deux personnes chantent donc<br />
un canon pendant que deux autres chantent un autre canon. Mais il y a plus: dans<br />
chaque petite section, le compositeur leur impose de chanter dans une gamme<br />
différente l’un par rapport à l’autre: et par exemple, dès le Christe, il faut imaginer<br />
le premier (les premiers) chantant en «Do» et les seconds répondant en «Ré», avec<br />
les risques que cela comporte. Plus encore: de pièce en pièce, le compositeur varie<br />
la distance de décalage des seconds par rapport aux premiers, allant de deux ou<br />
trois temps à plusieurs minutes de décalage (comme dans le Christe, où les seconds<br />
rentrent… sur la dernière note des premiers!). Enfin, en plusieurs occasions (Kyrie I,<br />
75
Kyrie II, Osanna et d’autres passages), le compositeur les fait partir en même temps<br />
(ce qui est paradoxal pour un canon), mais enjoint aux seconds de «courir» plus<br />
vite – ou moins vite – que les premiers: leur décalage ira donc croissant au fur<br />
et à mesure que le temps passe. Pour ce dernier tour de force, Ockeghem utilise<br />
simplement deux signes de mesure différents, un pour chaque voix.<br />
La construction de cette messe, qui dévoile partie après partie son mobile, fait de<br />
cette œuvre un tout, qui ne prend pleinement son sens que lorsque l’ensemble<br />
des pièces est donné: c’est en ce sens qu’Ockeghem se sert <strong>du</strong> canon comme<br />
principe structurel de sa grande forme. Loin de penser ce type d’écriture comme<br />
un trait idiomatique, une forme de langue naturelle de la musique de son époque<br />
(et qu’il pratique merveilleusement), il en fait l’objet même de son inspiration et<br />
de sa construction, et au fond l’œuvre devient le témoin d’une organisation de la<br />
pensée <strong>du</strong> musicien.<br />
Le programme prévu par Ockeghem ne vise sans doute pas des oreilles humaines:<br />
à qui ne lit pas la musique sur le manuscrit, il est impossible de déceler le double<br />
canon à l’entrée <strong>du</strong> Kyrie I. Mais pour ceux qui l’exécutaient, et qui avaient<br />
sous les yeux l’une des deux versions que nous en avons conservées, le double<br />
canon est sans cesse sous le regard. Dans un des deux manuscrits d’ailleurs, celui<br />
<strong>du</strong> Vatican, le copiste n’a noté que l’air <strong>du</strong> premier canon et l’air <strong>du</strong> second, et<br />
non pas les quatre voix. Il faut entièrement dé<strong>du</strong>ire la partie des «répondants»<br />
directement à vue à partir de quelques indications sommaires, un double signe de<br />
mesure, un petit signe de congruence…<br />
Poursuivre une idée jusqu’au bout, en tirant de tous ses aspects les conséquences<br />
avec minutie et sans «reste», comme on dit d’une division qu’elle est sans reste,<br />
d’un calcul, qu’il tombe juste, tel est sans doute l’un des points saillants de la<br />
rencontre musicale que nous propose ce concert, et que Brice Pauset met également<br />
en avant dans la somme canonique qu’il nous livre. Il a accepté d’évoquer<br />
différents aspects des œuvres proposées au concert.<br />
Entretien avec Brice Pauset<br />
Brice Pauset, nous entendrons au cours de ce concert l’intégrale de vos canons aux côtés de la<br />
Missa Prolationum de Johannes Ockeghem. On sait tout l’intérêt que vous portez de longue<br />
date au canon, ainsi qu’à Ockeghem. La dernière de vos pièces, Neuf canons est dédiée au<br />
pianiste Nicolas Hodges.<br />
C’est bien sûr par amitié pour Nicolas Hodges que je lui ai dédié cette pièce,<br />
mais aussi parce qu’il a donné toutes mes pièces pour piano au cours d’un longue<br />
série de collaborations. J’aime aussi particulièrement sa posture de désaxement<br />
par rapport au fait musical, sa connivence toute particulière avec le passé, que<br />
je partage en grande partie: jouer le répertoire classique en toute actualité, et la<br />
musique contemporaine avec l’autorité d’un répertoire classique. Je me souviens<br />
par exemple de son travail sur un compositeur malheureusement mort très jeune,<br />
Bill Hopkins. Nicolas Hodges a fait une édition scientifique de l’œuvre pour<br />
piano de Bill Hopkins avec une approche musicologique, celle qu’on applique<br />
généralement aux compositeurs morts depuis longtemps.<br />
Ce rapport à l’histoire, que vous partagez, peut-il être mis sur le compte de votre formation<br />
philosophique?<br />
Je suis très partagé là-dessus car au fond, la philosophie n’a pas «besoin» de la musique,<br />
cela lui est strictement égal finalement. En revanche, en tant que musicien,<br />
on peut essayer de se faire une certaine idée, acquérir une certaine formation<br />
76
philosophique pour mieux saisir les enjeux de la musique elle-même et de la<br />
musique en relation avec ce qu’il y a autour d’elle. Effectivement, la musique est<br />
jalonnée de moments où il y a eu des tentatives de reformuler les choses de façon<br />
plus objective que dans le passé: ce sont des périodes-clés, ou encore des figures.<br />
À sa manière, Ockeghem est l’une de ces figures.<br />
Comment concevez-vous le rapport entre les Neuf canons et la Missa Prolationum?<br />
La messe entre en relation avec les Cinq Canons dans leur ensemble. Dans les<br />
Cinq Canons il y a une sorte d’absorption des différents paramètres et dimensions<br />
musicales que l’on trouve également dans la Missa Prolationum, par exemple le<br />
principe de la notation mensuraliste, cette manière très particulière de relier la<br />
notation à la temporalité.<br />
Il y aussi un aspect – qui est d’ailleurs rarement mis en acte, même par Ockeghem<br />
ou par moi-même! – et qui est de traiter un problème dans son entier, par exemple<br />
la question des canons mensuralistes ainsi que les intervalles propres à la liaison<br />
entre les voix, de manière un tant soit peu exhaustive et on le trouve aussi dans<br />
une certaine mesure dans la musique que j’écris.<br />
Cette persévérance de principe vous réunit-elle, au-delà de la distance chronologique, sur le<br />
terrain de l’unité de la pièce?<br />
Je considère en effet qu’il s’agit là chez Ockeghem d’un tour de force qui réside<br />
dans la réalisation de l’unité de la pièce à partir d’un projet à entrées multiples.<br />
Bien qu’on ne puisse pas tout à fait les confondre, le canon et l’imitation représentent<br />
deux techniques très proches, et Ockeghem a fait <strong>du</strong> canon un principe<br />
structurel dont il a tiré les conséquences à l’extrême.<br />
La relation avec Ockeghem vous semble-t-elle essentiellement structurelle, intellectuelle?<br />
La relation, il faut la chercher aussi simplement sur le plan de l’écoute affective<br />
(nb: sensible?). Cette messe, par exemple, n’est pas en rupture avec sa façon de<br />
composer habituelle, qui se présente plutôt sans imitation. On peut y voir un<br />
paradoxe, tant les deux techniques, imitation et canon, semblent proches. Dans la<br />
génération qui suivra immédiatement Ockeghem, on découvre un musicien qui<br />
a su trouver des ponts entre canon et imitation: je pense à Pierre de La Rue dans<br />
l’Agnus II de la Missa «De plus en plus», une pièce où l’instance canon est elle-même<br />
mise en danger <strong>du</strong> point de vue de l’écoute en tous cas et qu’on peut qualifier de<br />
tour de force.<br />
Ce qui m’importe, en outre, c’est que chez Ockeghem, la forme de la pensée se réalise<br />
dans l’écriture. Toute notre notation moderne s’en trouve d’ailleurs questionnée:<br />
si on prend le temps de lire la musique ancienne – celle d’Ockeghem par exemple –<br />
de la façon dont c’est écrit, cela pose des questions y compris sur l’interprétation.<br />
Pensez-vous que ce type d’approche a une incidence sur le son que nous devrions donner à la<br />
musique ancienne?<br />
Il me semble que des interprétations, qui ont fait date en leur temps, présentent<br />
de cette musique une image sonore très lisse, évanescente, presque New Age. Pourtant,<br />
quand on lit les remarques de Praetorius sur la vocalité, on n’a pas le sentiment<br />
de ce chant «planant», désincarné. Il y avait par exemple très certainement<br />
une ornementation. Et curieusement, ici encore, à propos d’historicité, on constate<br />
que les démarches les plus radicales et les plus historiques ont abouti aux résultats<br />
les plus exotiques, comme par exemple les recherches de Marcel Pérès. Il a essayé<br />
de s’adjoindre des recherches plus anthropologiques, et de se demander à quoi sert<br />
la musique dans un moment donné, à qui?<br />
77
Au fond nous revenons sur l’actualité de la musique ancienne…<br />
C’est également vrai pour la figure même <strong>du</strong> compositeur: Ockeghem a su articuler<br />
son existence de façon à préserver son travail de compositeur, et l’on peut faire le<br />
parallèle avec Bach. Il a su aussi se préserver, se désengager de nombre de tâches<br />
alimentaires et représente une des figures modernes de compositeur indépendant<br />
qui a su se composer et garder un espace créatif.<br />
Cet intérêt pour un musicien de la Renaissance, de la part d’un compositeur contemporain,<br />
rappelle un peu celui de Webern, Schoenberg, Berg pour l’Ars Nova et la Renaissance…<br />
Certainement, et l’on se souvient que Webern a soutenu un doctorat sur la musique<br />
d’Heinrich Isaac (~1450–1517). Pour continuer à réfléchir à une possible congruence<br />
entre philosophie et musique, je crois qu’une bonne façon de l’envisager est<br />
celle des invariants: chez les philosophes, il y a des questions contingentes, ren<strong>du</strong>es<br />
possibles par une situation historique donnée. Mais pour qu’il y ait philosophie,<br />
il faut qu’il y ait appui sur des invariants, des concepts. Cela ne va pas de soi<br />
lorsqu’on se tourne vers la musique. Le moment où, en musique, on se pose des<br />
questions est au fond très simple: il faut qu’une première chose soit posée puis<br />
une deuxième, qui par leur différence éclairent la catégorie qu’elles mettent en<br />
œuvre. Qu’il y ait concomitance, cohabitation de catégories: temporalités, hauteurs,<br />
ou autres, quel que soit le sujet, la catégorie envisagée, et quelle que soit la matière<br />
musicale dans laquelle elle s’incarnera, par le biais d’instruments, ou d’électronique,<br />
cela importe peu.<br />
Et pour que ce soit intéressant, il faut que la mise en œuvre de ces catégories soit<br />
capable de prendre en charge le phénomène dans son historicité d’une part,<br />
et manifeste d’autre part l’actualisation <strong>du</strong> concept, la mise en acte <strong>du</strong> concept<br />
aujourd’hui, ce qui peut prendre précisément la forme d’une création contemporaine…<br />
Musicologue (agrégée<br />
et Docteur), maître de<br />
Conférences à l’Université<br />
de Paris-Sorbonne où elle<br />
enseigne la musique de la<br />
Renaissance, Alice Tacaille<br />
poursuit l’exploration de la<br />
place de la musique et <strong>du</strong> fait<br />
musical dans les sociétés <strong>du</strong><br />
16 e siècle, particulièrement<br />
en France. De l’analyse des<br />
œuvres au dépouillement<br />
des archives judiciaires, de<br />
la prononciation <strong>du</strong> français<br />
ancien à l’étude des sources<br />
manuscrites, son travail tente<br />
d’ouvrir des perspectives<br />
renouvelées à la compréhension<br />
de ces musiques<br />
aujourd’hui. Elle co-dirige<br />
l’équipe de recherches<br />
Patrimoines et Langages Musicaux<br />
depuis janvier 2010.<br />
78
Bernhard Lang / Joseph Haydn<br />
Dimanche / Sonntag / Sunday 21.11.2010 18:30 / 20:00<br />
Salle de Musique de Chambre<br />
18:30<br />
Arditti Quartet<br />
Irvine Arditti violon<br />
Ashot Sarkissjan violon<br />
Ralf Ehlers alto<br />
Lucas Fels violoncelle<br />
Bernhard Lang: Monadologie IX «The Anatomy of Disaster» (2009/2010,<br />
commande SWR/Donaueschinger Musiktage et <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg)<br />
Intro<strong>du</strong>zione<br />
Sonata I: «Pater, dimitte illis; non enim sciunt, quid faciunt»<br />
Sonata II: «Amen dico tibi: hodie mecum eris in paradise»<br />
Sonata III: «Mulier, ecce filius tuus, et tu, ecce mater tua!»<br />
Sonata IV: «Eli, Eli, lama asabthani?»<br />
Sonata V: «Sitio»<br />
Sonata VI: «Consummatum est»<br />
Sonata VII: «Pater in manus tuas commendo spiritum meum»<br />
Il Terremoto<br />
~60’<br />
20:00<br />
Auryn Quartett<br />
Matthias Lingenfelder violon<br />
Jens Oppermann violon<br />
Stewart Eaton alto<br />
Andreas Arndt violoncelle<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
back to the future<br />
(«Joseph Beuys 2010 / Mir<br />
wëlle bleiwe wat mir sinn»)<br />
photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />
Technique des Arts et Métiers<br />
Luxembourg-Limpertsberg<br />
(LTAM), voir p. 200 /<br />
siehe S. 200<br />
Joseph Haydn: Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze<br />
(Les sept dernières paroles <strong>du</strong> Christ en Croix) Hob. XX:1B<br />
(für Streichquartett, 1785/1787)<br />
Intro<strong>du</strong>zione<br />
Sonata I: «Pater, dimitte illis; non enim sciunt, quid faciunt»<br />
Sonata II: «Amen dico tibi: hodie mecum eris in paradise»<br />
Sonata III: «Mulier, ecce filius tuus, et tu, ecce mater tua!»<br />
Sonata IV: «Eli, Eli, lama asabthani?»<br />
Sonata V: «Sitio»<br />
Sonata VI: «Consummatum est»<br />
Sonata VII: «Pater in manus tuas commendo spiritum meum»<br />
Il Terremoto<br />
~50’<br />
82
Die Frage nach dem Original<br />
Die Monadologie IX und Die sieben letzten Worte<br />
Bernhard Lang im Gespräch mit Bernhard Günther<br />
Auf den Noten deines neuen Streichquartetts mit dem Titel Monadologie IX «The Anatomy<br />
of Desaster» steht – entsprechend deiner Neigung zu <strong>du</strong>rchnummerierten Werkgruppen und<br />
zu Abkürzungen – «M_IX». Das ist einerseits ein Zufall, andererseits nicht unbezeichnend<br />
für deine Musik. Das Mischen von Dingen, die <strong>du</strong> zusammenbringst, zieht sich <strong>du</strong>rch viele<br />
deiner Werke, eines deiner Stücke heißt sogar Remix. Was hat die Monadologie IX mit<br />
dem Phänomen des Zusammenmischens von Dingen zu tun?<br />
Die Monadologie IX ist ein Remix, nur würde ich es niemals so nennen (ich wurde<br />
heute schon einmal darauf angesprochen), weil der Remixvorgang mehr oder<br />
weniger auf eine neue Ebene verschoben wurde. Dahingehend, dass ich in früheren<br />
Stufen Audiosamples prozessiert, remixed habe – ich hätte früher quasi Haydn<br />
aufgenommen, geloopt, granuliert, gefiltert, was auch immer. Der Zwischenzustand<br />
war dann das: In der Mitte der 2000er habe ich angefangen, Samples zu<br />
transkribieren, d.h. ich habe Samples in automatische Transkriptionsprogramme<br />
geschickt und diese dann wieder musikalisch als Partituren weiterverarbeitet.<br />
Ein Anknüpfungspunkt dieser Transkriptionen war übrigens Philip Jeck, der im Schlusskonzert<br />
der rainy days zu hören ist…<br />
…und für den ich jetzt gerade wieder ein neues Stück schreibe, mit dem [Ensemble]<br />
Alter Ego, ein einstündiges Werk, Tables are Turned, das eigentlich ein Remix-<br />
Stück ist, für nächstes Jahr. Also, das Thema Remix zieht sich eigentlich <strong>du</strong>rch<br />
das ganze Stück <strong>du</strong>rch, nur ist es hier so, dass der Klang zunächst aus der Partitur<br />
gezogen wird, das Sample wird aus der Partitur gezogen, d.h. ich lege die Partitur<br />
auf einen Scanner. In den Computer kommt ein MIDI-File. Und dieses MIDI-File<br />
prozessiere ich ganz genau so, wie ich früher die Audiosamples prozessiert habe.<br />
Ich übertrage quasi Techniken des Audiosamplings, des Audio-Scratchings und<br />
-granulierens auf Partiturkontexte.<br />
Das lässt sich zum Teil sehr gut hören, z.B. am Beginn der Sonata VI «Consumatus<br />
est», die so federleicht beginnt, und man merkt nach einigen Sekunden, dass das eigentlich<br />
Haydn’sche Harmoniefolgen sind.<br />
Das ist quasi ein Originalsample, das aber granuliert wird: Das Sample wird zum<br />
Beispiel schrittweise wiederholt mit einem Offset, es rückt immer ein Stückchen<br />
weiter, und das ist eigentlich ein Vorgang, der vom Vinyl her kommt, von den<br />
Turntables. Nur, der Vorgang ist wie gesagt so abstrakt, dass ich es nicht mehr als<br />
Remix bezeichnen würde, weil das niemand mehr verstehen würde, wenn ich es<br />
nun Remix nenne.<br />
Die Spannweite zwischen einem ganz klar erkennbaren Zitat (wie zum Beispiel dem im<br />
Terremoto, im abschließenden Satz kurz aufblitzenden, ganz glasklaren Haydn-Zitat) und<br />
dem, was quasi wie eine hängen gebliebene CD oder DVD klingt, ist relativ groß. Es gibt<br />
viele Formen der Wiederholung: aufgefächerte, mehrschichtig übereinander gelagerte, leicht<br />
veränderte, immer mehr verzerrte Wiederholungen… Das Ganze ist entstanden mithilfe<br />
eines Computerprogramms, an dem <strong>du</strong> seit vielen Jahren arbeitest. Wie weit unterschiedet<br />
Das Gespräch fand<br />
am 15.10.2010 in<br />
Donaueschingen statt.<br />
89
sich jetzt diese Monadologie IX von den vorigen Werken, einerseits von den früheren<br />
Monadologien und dann auch von der Differenz/Wiederholung-Serie, wo die Wiederholungen<br />
noch sehr klar und blockhaft nebeneinander stehen?<br />
Es gibt in diesem Stück sozusagen eine Erinnerung an die Differenz/Wiederholung-<br />
Serie, wo zum Schluss sieben Mal dieses merkwürdige Motiv erklingt. Das ist wie<br />
aus der alten Serie herausgeholt, als Epilog. Aber der wesentliche Unterschied zur<br />
Differenz/Wiederholung-Serie ist, dass die Einzelwiederholungen alle mutierend<br />
fortschreiten, und es ist jede Wiederholung gegenüber der vorhergehenden einem<br />
iterierten Mutationsprozess unterzogen, d.h es verästelt sich alles ununterbrochen,<br />
es ist praktisch keine Wiederholung irgendwie identisch. Das äußert sich schon in<br />
der Notation, dass das Wiederholungszeichen mit «Wiederholung drei Mal» nicht<br />
mehr existent ist, sondern dass das ein ausgeschriebener Wiederholungsprozess ist,<br />
der mit unglaublich vielen Verschiebungen und auch tonalen Differenzierungen<br />
arbeitet. Bei der Differenz/Wiederholung-Serie habe ich ein Sample als Sample genommen,<br />
und in einem Sample kann man wieder rauf- und runtertransponieren,<br />
aber ich kann den Inhalt des Samples nicht verändern. Jetzt verändern die<br />
Maschinen wirklich, wie <strong>du</strong> erkannt hast, verzerrend, sie können quasi den<br />
Inhalt wirklich verzerren, mutieren, Metamorphosen <strong>du</strong>rchlaufen lassen, d. h ich<br />
differenziere jetzt also nicht nur die Zeit, sondern auch die Tonhöhengestaltung.<br />
Es gibt zumindest zwei Sachen, die sich beim Hören – bei allen Parallelitäten in der Form<br />
und im Ausgangsmaterial – auch abgesehen von diesen genannten Mutations-Remix-<br />
Verarbeitungsprozessen ganz klar von Haydn unterscheiden. Das eine sind formale Abläufe,<br />
die ganz anders passieren als bei Haydn, und das andere ist der Ausdrucksgehalt – ich<br />
benutze jetzt mal ganz bewusst dieses klassisch musikanalytische Wort «Ausdrucksgehalt»,<br />
denn die Musik ist sehr ausdrucksstark. Auch wenn es beispielsweise eine Fläche gibt, wo<br />
der Klang und der Gestus und die Harmonie, wie schon gesagt, ‹hängen bleiben›, gibt es<br />
anschließend eine Generalpause, einen Bruch, es kommt etwas völlig Neues, das vollkommen<br />
anders wirkt. Auf den ersten Satz, die Intro<strong>du</strong>ktion mit ihren im Gewühl aufblitzenden<br />
Akkorden, folgt der zweite Satz, der fast statisch leise beginnt, in ständiger Bewegung bleibt,<br />
viele liegende Klänge plus Pizzicati; dann der dritte, der als erkennbares Zitat beginnt,<br />
aber sehr ruhig, und erst nach vier Minuten kommt etwas Bewegung auf; der vierte Satz,<br />
der völlig anders klingt, sehr leise, lange liegende Flageolett-Akkorde. Es gibt immer wieder<br />
Momente im Stück – zum Beispiel bei der Sonata VI «Consumatus est» oder bei der<br />
Sonata VII – wo man sich denkt: «Oh, das klingt jetzt wieder völlig anders als alles, was<br />
wir bislang hatten». Dieses Spiel mit den Ausdruckscharakteren, das (wenn man die banale<br />
Erklärung zu dem Haydn-Stück nimmt, nämlich «es sind einfach neun langsame Sätze»,<br />
was so ja auch nicht ganz stimmt) auf den ersten Blick mit Haydn nichts zu tun hat – da<br />
entsteht bei mir der Verdacht, dass <strong>du</strong> das doch nicht einfach ‹nur so› gemacht hast, weil <strong>du</strong><br />
dir gedacht hast: «and now for something completely different», sondern dass das schon auch<br />
aus der Beschäftigung mit dem Ausgangsmaterial entstanden ist.<br />
Absolut. Ich muss ehrlich sagen: Das Ausgangsmaterial, der Charakter der Sätze,<br />
hat mich zunehmend vereinnahmt und zu einem Dialog aufgefordert. Wo es heißt:<br />
«Vater, Vater, warum hast <strong>du</strong> mich verlassen» und so weiter – das sind einfach<br />
Dinge, die sofort persönliche Assoziationen wecken, ob man will oder nicht. Auch<br />
wenn man in einer ganz technischen Arbeit, in einer Recherche begriffen ist,<br />
kommen diese Dinge immer mehr rein und erzeugen natürlich eine Art Dialog.<br />
Ich hatte das Gefühl, ich spreche mit Haydn in gewisser Hinsicht, indem ich<br />
seinen Text überschreibe, und da rutschen auch Subtexte herein, die dann an die<br />
Oberfläche kommen. Was mich zum Beispiel an der Schöpfung unglaublich gestört<br />
hat, war diese Ausbruchslosigkeit, dieses im Wohlgefallen Verharren, das für mich<br />
unerträglich ist. Und der abgängige Satan in der Schöpfung, der schon irgendwo<br />
aufs Tapet treten muss, diese luziferische Kraft…<br />
Es gibt das Gewürm.<br />
90
Das Gewürm gibt es, ok, aber in einer dramaturgisch nicht wirklich… Es gibt das<br />
Wehklagen der gefallenen Engel, aber der Meister kommt nicht vor.<br />
Zur Dramaturgie des Haydn-Streichquartetts.<br />
Die ist mystisch, eine mystische Dramaturgie. Man steht im Kontext der gesamten<br />
Quartettgeschichte der damaligen Zeit einem Rätsel gegenüber. Dass jemand<br />
sagt: «Wie kann so ein Stück aus so vielen langsamen Sätzen überleben?», und<br />
dann zum Abschluss das Erdbeben, das quasi wie ein letzter Anhang dranhängt,<br />
das eigentlich nur wie ein Kommentar ist, dass bei Christi Tod die Erde zu<br />
zittern beginnt, und das aber gestisch vollkommen aus dem bisher Dagewesenen<br />
herausfällt – das hat eine ganz hohe Rätselhaftigkeit. Es gibt ja auch Zitate von<br />
Haydn selbst, wo er die Tragfähigkeit dieser acht langsamen Sätze <strong>du</strong>rchdenkt.<br />
Soviel ich weiß, hat es auch Texte gegeben, die zwischen den einzelnen Sätzen<br />
gesprochen wurden. Das war für mich schon eine Herausforderung: Was ist mit<br />
dem Stück los, was ist dahinter für ein Geheimnis verborgen? Diese schaurige<br />
Thematik, und dann mit Es-Dur-Sätzen und B-Dur-Klägen, die so rokokomäßig<br />
heiter daherkommen – da muss irgendetwas Besonderes dahinter sein, es muss<br />
irgendein verborgener Code sein, der hier wirkt. Und in diesem Dialog mit den<br />
Ausgangstexten tauchen dann diese Katastrophen auf, dieses katastrophische Element,<br />
das mich in diesen Stücken so stark interessiert hat – dass solche Entwicklungen<br />
plötzlich dem Unfassbaren begegnen und aufbrechen oder hängen bleiben<br />
oder wie auch immer.<br />
Diese katastrophischen Episoden, die, wenn ich das richtig sehe, auch mithilfe des Computers<br />
systemtheoretisch, wissenschaftstheoretisch simuliert und in<strong>du</strong>ziert werden, also zum<br />
Beispiel das wie bei einem Herzinfarkt plötzliche Zusammenbrechen der Komplexität und<br />
Hängenbleiben – hast <strong>du</strong> die bei Haydn in gewisser Weise auch schon gefunden?<br />
Nein. Bei Haydn ist das noch viel zu sehr im höfischen System gefangen. Da steht<br />
vom Ausdruckssystem her die höfische Maske vor allem. Zu diesem Zeitpunkt<br />
gibt es das romantische Ausdrucksempfinden, das um 1800 auftritt und im Sturm<br />
und Drang irgendwie schon propagiert wird, noch nicht. Es gibt bei Haydn die<br />
Überraschung, das überraschende Moment, die plötzliche Mo<strong>du</strong>lation in eine<br />
ganz entfernte Tonart, die für die damalige Zeit sicherlich schon katastrophischen<br />
Charakter hatte. Für das damalige Ohr um 1780 hatte das den Charakter eines<br />
Schocks. Auch die Verwen<strong>du</strong>ng des übermäßigen Quintsextakkords oder übermäßigen<br />
Terzquartakkords war schon eine kleine Katastrophe, etwas ganz Besonderes.<br />
Oder ein Trugschluss oder ähnliches, das waren die kleinen Rufzeichen. Aber<br />
darüber hinaus ist man in der Ausdruckswelt dieser Zeit, der Klassik, des klassischen<br />
Menschenbilds, nicht gegangen, weil das, besonders vor 1789, in diesem Gesellschaftmodell<br />
bleiben muss. Das heißt, die Katastrophe, die ich inszeniere, schaut<br />
einfach anders aus: Das ist wirklich ein Herzinfarkt, ein Systemkollaps – etwas,<br />
was das System an sich angreift und infrage stellt, ein neues Spannungsverhältnis<br />
generiert. Etwas, was natürlich im Lauf dieser Studien mit diesen zellulären Automaten<br />
[am Computer] auch tatsächlich immer wieder auftaucht: Dass sich das<br />
System über zwanzig Iterationen entwickelt, und plötzlich fällt alles zusammen<br />
und es bleibt in einer Figur hängen.<br />
Das ‹Hängenbleiben› als schöne Stelle – das ist ein Phänomen, das zum Beispiel von einem<br />
der großen ‹Smash Hits› der neuen Musik bekannt ist: von Mouvement (– vor der Erstarrung)<br />
von Helmut Lachenmann (der übrigens auch im Rahmen des Festivals rainy days<br />
ausführlich zu hören sein wird – Accanto in Kombination mit Mozarts Klarinettenkonzert,<br />
und nahezu das gesamte Klavierwerk). Bei Mouvement (– vor der Erstarrung) hatte ich<br />
immer ein bisschen den Eindruck, dass es eine Art Missverständnis ist, dass viele das für<br />
Lachenmanns wirkungsvollstes, effektvollstes, schönstes Stück halten, denn ich glaube, dass<br />
gerade der Moment der Erstarrung von vielen genossen wird. Wie ist das zum Beispiel am<br />
Schluss der Monadologie IX: Ist das ein Happy End, wenn sich plötzlich alles koordiniert,<br />
alles in einem gemeinsamen Raster ist, alles regelmäßig wird?<br />
91
Das war für mich eigentlich ein Witz. Für mich ist das ein Joke, der da zum Schluss<br />
kommt. Ich habe das mehr oder weniger in dem Gedanken gemacht: so, jetzt,<br />
wo das vorbei ist … da habe irgendwie auf die alte Serie zurückgeschaut, darauf,<br />
wie ich früher mit Loops umgegangen bin, und wie das sozusagen in dem Stück<br />
verschwindet. Eigentlich ist das Stück schon vorher aus: Mit dieser Haydn-Triolen-<br />
Stelle bricht es irgendwie ab, und dann ist es quasi nochmal ein Zitieren einer<br />
Maschine, eines maschinellen Apparates, wo alle sozusagen ein Ding sind und<br />
das Ding – wie ein Uhrwerk, das zu Ende geht – einfach stehen bleibt. Und dieses<br />
Selbstzitat von einem nicht gescratchten «Dead Loop» – diese Schallplatte, die<br />
sich im Kreis dreht, und irgendjemand zieht den Regler einfach runter –, das war<br />
fast wirklich ironisch als Schlusspunkt hineingesetzt.<br />
Hat sich, in den Dialogen zwischen dir und Joseph Haydn, Haydn je über dich beschwert?<br />
Nicht dass ich wüsste.<br />
Habt ihr gestritten?<br />
Ich habe eher ihm immer vorgeworfen, dass ich ihn nicht verstehe, habe gesagt:<br />
«Ich kann viele Dinge einfach nicht verstehen.» Wie man menschliches Leiden<br />
und eine Hinrichtung mit dieser Leichtigkeit, solchen Übertitelungen, solch<br />
leichten Farben zeichnen kann, und dabei das Gesicht bewahrt. Das war natürlich<br />
ein Missverständnis, ich verstehe das jetzt viel besser. Das hängt mit unserem Verständnis<br />
der Tonarten im 18. Jahrhundert zusammen. Das hat man zu der Zeit<br />
anders verstanden als heute. Dass «<strong>du</strong>rus» oft wirklich vom Wort her «etwas Hartes»<br />
heißen kann, dass das Dur-Geschlecht tatsächlich etwas Hartes, Schmerzvolles<br />
sein kann. Und einfach die Erkenntnis, dass Haydn ein unglaublich vielschichtiger<br />
Mensch war, mit vielen persönlichen Geheimnissen, der nach außen hin sich<br />
wahrscheinlich hinter einer Art von Harmlosigkeit versteckt hat. Wahrscheinlich,<br />
wenn man seine Geschichte anschaut – seine ganze Chorknaben-Geschichte ist<br />
eine einzige Camouflage. Da hat er in einer Camouflage gelebt und hat sein<br />
Auskommen mit Betrügerei gefunden. Und ich glaube auch seine Geschichte<br />
mit der Sängerin und den Söhnen und all diesen Sachen, die so in Parallelwelten<br />
abgelaufen sind, nach außen hin immer im Takt geblieben sind – diese fast unterwürfige<br />
Treue, bei seinem Herrn zu bleiben und dort sein Auskommen zu fristen,<br />
obwohl er die ganze zweite Hälfte des Jahrhunderts erfunden hat, kompositionstechnisch…<br />
Das ist für mich ein Mensch, der viele Oberflächen hat und viele<br />
Schichten darunter, und das habe ich in der Arbeit mit dem Stück erkannt. Oder<br />
meine ich zu erkennen. Vielleicht stimmt das alles ja auch gar nicht.<br />
Für einen heute arbeitenden Komponisten hält Haydn was bereit an Lernmöglichkeiten,<br />
Hilfsmitteln, Anregungen, Widerspruchsgelegenheiten?<br />
Im Rahmen des Systems aus dem System zu springen; dass es selbst im restriktivsten<br />
System immer Möglichkeiten gibt, aus dem System heraus zu springen.<br />
Dann die niemals versiegende Experimentierfreude, trotz aller Vorschriften und<br />
stilistischer Eingrenzungen. Die Nicht-Orientierung an zeitlichen Moden, sondern<br />
eher das dauernde Streben nach der Formulierung der eigenen Sprache. Die<br />
Perfektionierung einer eigenen Idee, die er vielleicht 30 Jahre vorher entdeckt hat<br />
und die er dann wirklich konsequent ausarbeitet. Ich glaube, das sind wirklich<br />
vorbildhafte Sachen. Aber auch strukturelles Denken – die Monothematik als<br />
Bild des Organischen, das ist sicherlich ein sehr starker struktureller Gedanke, und<br />
wenn man die monothematischen Verfahrensweisen Haydns <strong>du</strong>rchleuchtet, dann<br />
merkt man, wie viel intellektuelle Kraft dahinter steht und am Wirken ist, um<br />
dieses auch im Detail auszuführen. Ich glaube, das sind alles Sachen, bei denen er<br />
unglaublich ertragreich ist. Andererseits: Als wir [mit dem Kabinetttheater Wien]<br />
damals [2009] das Musiktheater mit Puppen gemacht haben, Haydn in der Hölle,<br />
das dann offiziell Haydn bricht auf hieß, war das von der Erkenntnis begleitet:<br />
«Haydn ist super fad. Der hat in seiner Person keine Skandale, er wühlt nicht<br />
92
auf, er ist so bescheiden, er ist so brav … was fangen wir mit dem überhaupt an,<br />
repräsentativ, auf dem Musiktheater?» (Abgesehen davon, dass Haydn selbst sehr<br />
viele Puppenopern komponiert hat.) Und das liegt eben daran, dass Haydn keine<br />
Person für den ersten Blick ist. Er ist ein komplexeres Wesen, vielschichtiger,<br />
jemand, der in der Repräsentation schlechter funktioniert als im geheimnisvollen,<br />
introspektiven Erfindertum.<br />
Klammer auf: Es gab in seiner Jugend ein paar Momente, wo er sich bewusst erlaubt hat,<br />
außer Kontrolle zu geraten. Olga Neuwirth hat sich für die Eröffnung des Festivals rainy<br />
days dieses Jahr eine Collage einfallen lassen mit 100 Musikern auf einem Platz in der Stadt<br />
Luxemburg, die inspiriert ist von einer Aktion, die Haydn als 20-Jähriger gemacht hat:<br />
Er hat alle möglichen Freunde und Bekannten gebeten, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf<br />
einem bestimmten Platz zusammenzukommen, jeder spielte das, was ihm gerade einfiel,<br />
und die Aktion dauerte so lange, bis die Polizei kam, der es nur gelungen ist, die Pauke zu<br />
verhaften.<br />
Klar, aber man darf nicht vergessen, dass das konzeptuell gesehen das ein Jugendstreich<br />
ist, das hatte auf sein Werk und auf seine Herangehensweise so viel Einfluss<br />
[er zeigt mit Daumen und Zeigefinger eine Distanz von Null]. Wenn er das in<br />
irgendeiner Weise in sein Werk integriert hätte… Haydn war ein Schelm, das ist<br />
ganz klar. Aber das ist ein inszenierter Jugendstreich, und ich glaube, da hat er sich<br />
von seinen Zeitgenossen nicht wesentlich unterschieden, dass sie damals solche<br />
Faxen angestellt haben. Es gibt so viele Geschichten von dieser Chorsingerei –<br />
was die da alles manövriert haben. Aber nach außen hin: guter Junge. Massenszenen,<br />
wo er Tumult organisiert, gibt es in seinem Werk keine. Im Werk ist er dem Tumult<br />
fern. Bei Haydn ist es sogar umgekehrt: Je mehr er Massenstruktur verwendet,<br />
desto ziviler wird er. Also gerade die großen Sinfonien und Chorwerke sind<br />
wesentlich ziviler als seine Klaviersonaten und Streichquartette, in denen seine<br />
Paradigmenbrüche enthalten sind.<br />
Trotz gelegentlicher Überraschungen auch in den Sinfonien.<br />
Ja, aber viel geringerer Art. Das, was in den «Sonnen-Quartetten» vorkommt oder<br />
in den späten Sonaten, das kommt in keiner Sinfonie vor. Die Sinfonie, die Großstruktur,<br />
ist zu der Zeit noch Repräsentationsstruktur. Das ist noch nichts für die<br />
«Könner und Kenner».<br />
Eine letzte Frage: Ich weiß, dass es sehr vieler Erklärungen bedarf, wenn man einem heutigen<br />
Publikum beispielsweise Musik aus der Barockzeit vermitteln will (wir haben von der Schockwirkung<br />
gesprochen). Es ist seit Haydns Streichquartett sehr viel Zeit ins Land gegangen.<br />
Ist die Monadologie IX ein bisschen der Versuch einer Übersetzung in die Gegenwart<br />
für ein heutiges Publikum, oder sind es zwei Stücke, bei denen sich die Hörsituation der Uraufführung<br />
der Sieben letzten Worte niemals mit der Situation der Uraufführung am<br />
15. Oktober 2010 in Donaueschingen oder der Aufführung am 21. November in der<br />
<strong>Philharmonie</strong> Luxembourg vergleichen lassen wird?<br />
Ich glaube, das sind zwei fensterlose Monaden, diese beiden Ereignisse. Und ich<br />
glaube, dass man die Monadologie IX, die ich von jetzt an immer M_IX nennen<br />
werde, auch ohne Kenntnis des Haydn-Stücks sehr wohl hören kann – und dass<br />
man auch erahnen kann, um was es hier geht. Aber es ist keine Neudeutung<br />
von Haydn, kein Versuch, Haydn in die Jetztzeit zu bringen. Das ist sicherlich<br />
auch gleichzeitig ein bisschen der Schwachpunkt: dass man das Referenzsystem<br />
einerseits voraussetzt, aber dass man andererseits genau weiß, dass es ganz selten<br />
in der Rezeption vorhanden ist.<br />
Man ist beim Hören immer ein wenig auf der Suche nach dem Haydn-Klang.<br />
Das ist interessant. Ich habe immer Angst gehabt, dass ich ihn zu viel ‹raushängen›<br />
lasse. Wenn man die Partitur ansieht, ist so viel Original-Haydn drin, dass ich<br />
93
mich manchmal wirklich erschreckt habe – wirklich ganze Passagen Original-<br />
Haydn. Nur, wie gesagt, ist es natürlich dann eben rein intoniert, mit Viertel- und<br />
Sechsteltönen, das verändert den Klang komplett, man erkennt es nicht mehr.<br />
Oft ist das Ganze in Flageolett-Tönen drei Oktaven nach oben transponiert, der<br />
gleiche Haydn-Satz. Aber das ist auch für mich diese Unsicherheit in den Monadologien<br />
gewesen: Einerseits Monadologien zu schreiben, die auf meine eigenen<br />
Materialien zurückgreifen und dann andere, die auf historische Materialien zurückgreifen.<br />
Es ist in dem Diskurs, wenn man solche Remixes macht, immer die Frage<br />
nach dem Original. Wie referenziere ich das Original? Setze ich das beim Zuhörer<br />
voraus, ist es recht, wenn er es kennt, ist es notwendig, dass er es kennt, oder ist<br />
es ohnehin schon vollkommen egal? Das sind Dinge, die sind ein wenig ungelöst.<br />
Wie definiert man überhaupt ein Remix, wenn das Original verschwunden ist?<br />
Das kann man bei dieser Art von Musik teilweise fortsetzen: Ich habe in Dresden<br />
zwei Richard-Strauss-Remixes gemacht [Monadologien II & III] – mit dem<br />
Problem, dass den Richard Strauss niemand mehr erkannt hat, obwohl dort<br />
Original-Zitate drin waren. Die Orchestermusiker haben es erkannt, haben gelacht<br />
und gesagt: «das ist ja Don Quixote rauf und runter», aber die Leute haben es<br />
nicht mehr erkannt, obwohl sie sich als Strauss-Kenner bezeichnen. Und in dieser<br />
Hinsicht ist das natürlich ein schwieriges Spiel. Nur in dem Fall, wenn man das<br />
Thema Streichquartett in den Raum setzt, ist es recht einfach, denn da führen alle<br />
Wege nach Haydn.<br />
Darf ich nach der letzten noch eine allerletzte Frage stellen?<br />
Ja.<br />
Welche kompositorischen Arten, im 20. und 21. Jahrhundert mit der Vergangenheit<br />
umzugehen, haben dich besonders beeindruckt?<br />
Philip Jeck, Helmut Lachenmann, John Cage. Dieb13. Und Martin Arnold.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
[Nachsatz beim Verlassen des Interview-Raums:]<br />
Es hat mich schon etwas gewundert, dass <strong>du</strong> bei dem, was man als Komponist von Haydn<br />
lernen kann, nicht den Humor genannt hast.<br />
Humor kann man nicht lernen. Den hat man, oder man hat ihn nicht.<br />
94
Noise Watchers<br />
Mercredi / Mittwoch / Wednesday 24.11.2010 20:00<br />
Église Saint-Martin, Dudelange<br />
Francesco Filidei orgue<br />
Luciano Berio: Fa – Si (1975)<br />
8’<br />
Giovanni Damiani: Invece di una fuga cerchi concentrici intorno a<br />
«malheur me bat» (création / Uraufführung)<br />
8’<br />
Philipp Maintz: ferner, und immer ferner (2007/2008)<br />
16’<br />
—<br />
Claude Lenners: Quasimodo (2004)<br />
10’<br />
Toshio Hosokawa: Cloudscape (2000)<br />
7’<br />
Iannis Xenakis: Gmeeoorh (1974)<br />
18’<br />
Organisé par Noise Watchers Unlimited a.s.b.l.<br />
en coopération avec le Festival International de Musique d’Orgue, Dudelange (FIMOD) et la <strong>Philharmonie</strong><br />
100
Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />
Vendredi / Freitag / Friday 26.11.2010 20:00<br />
Grand Auditorium<br />
Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />
Roland Kluttig direction<br />
Shizuyo Oka clarinette<br />
Johann Sebastian Bach: Das Musikalische Opfer (L’Offrande musicale)<br />
BWV 1079. N° 5: Ricercar (arr. Anton Webern) (1747/1934/1935)<br />
8’<br />
Anton Webern: Sechs Stücke für großes Orchester op. 6 (1909)<br />
Etwas bewegte Achtel<br />
Bewegt<br />
Zart bewegt<br />
Langsam<br />
Sehr langsam<br />
Zart bewegt<br />
13’<br />
Wolfgang A. Mozart: Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur (la majeur)<br />
KV 622 (~1787?/1791)<br />
Allegro<br />
Adagio<br />
Rondo: Allegro<br />
25’<br />
—<br />
Einführung mit Helmut Lachenmann (D)<br />
Helmut Lachenmann: Accanto. Musik für einen Klarinettisten mit Orchester<br />
(1975–1976)<br />
29’<br />
Dans le cadre de «Orchestres en fête!»<br />
En coopération avec le Lycée classique de Diekirch, Luxemburger Wort et login:music –<br />
le département é<strong>du</strong>catif de l’Orchestre Philharmonique <strong>du</strong> Luxembourg<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
back to the future<br />
(«A tribute to Thomas Ruff:<br />
Nacht, 1992»)<br />
photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />
Technique des Arts et Métiers<br />
Luxembourg-Limpertsberg<br />
(LTAM), voir p. 200 /<br />
siehe S. 200<br />
Orchestres<br />
en fête<br />
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«75 e anniversaire de Helmut Lachenmann»<br />
Samedi / Samstag / Saturday 27.11.2010 19:00 / 20:00 / 21:00 / 22:00<br />
Salle de Musique de Chambre<br />
Elizabeth Keusch, Sarah Wegener soprano<br />
Helmut Lachenmann, Klaus Steffes-Holländer, Yukiko Sugawara,<br />
Cornelis Witthoefft piano<br />
Experimentalstudio des SWR / Joachim Haas réalisation électronique<br />
19:00<br />
Johann Sebastian Bach: Präludium N° 1<br />
(Das Wohltemperierte Klavier I BWV 846) (–1722) – 2’<br />
Frédéric Chopin: Prélude en ut majeur (C-Dur) op. 28 N° 1 (Agitato)<br />
(1836–1839) – 1’<br />
Frédéric Chopin: Prélude en la mineur (a-moll) op. 28 N° 2 (Lento)<br />
(1836–1839) – 2’<br />
Franz Schubert: «Nacht und Träume» (Mignon) op. 43 N° 2 D 827<br />
(Matthäus von Collin, –1823) – 4’<br />
Helmut Lachenmann: 5 Variationen über ein Thema von Franz Schubert<br />
(Deutscher Tanz cis-moll [ut dièse mineur] D 643 N° 1) (1956) – 6’<br />
Helmut Lachenmann: Wiegenmusik (1963) – 4’<br />
Helmut Lachenmann: Guero (1970/1988) – 4’<br />
Georg Friedrich Haas: … wie stille brannte das Licht für Sopran und Klavier<br />
mit Texten von Georg Trakl, Theodor Storm, August Stramm und Else<br />
Lasker-Schüler (2009, création / Uraufführung) – 15’<br />
20:00<br />
Claude Debussy: Children’s Corner: 1. Doctor Gra<strong>du</strong>s ad Parnassum<br />
(1906–1908) – 2’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 1. Hänschen klein (1980) – 1’<br />
Claude Debussy: Children’s Corner: 2. Jimbo’s Lullaby – 3’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 2. Wolken im eisigen Mondlicht – 2’<br />
Claude Debussy: Children’s Corner: 3. Serenade for the Doll – 3’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 3. Akiko – 1’<br />
Claude Debussy: Children’s Corner: 4. The Snow is Dancing – 2’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 4. Falscher Chinese, ein wenig<br />
besoffen – 2’<br />
Claude Debussy: Children’s Corner: 5. The Little Shepherd – 2’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 5. Filterschaukel – 5’<br />
Claude Debussy: Children’s Corner: 6. Golliwog’s Cake-Walk – 2’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 6. Glockenturm – 2’<br />
Helmut Lachenmann: Ein Kinderspiel: 7. Schattentanz – 4’<br />
21:00<br />
Mark Andre: iv 1 pour piano – für Yukiko Sugawara und Helmut Lachenmann<br />
(2009/2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création /<br />
Uraufführung) – 18’<br />
Helmut Lachenmann: Got Lost (Sarah’s Song) für Sopran und Klavier<br />
(2007–2008) – 26’<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
Helmut Lachenmann<br />
photo: Astrid Karger<br />
22:00<br />
Luigi Nono: sofferte onde serene pour piano et bande magnétique (1976) – 14’<br />
Helmut Lachenmann: Serynade. Musik für Klavier (1997–1998) – 30’<br />
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Schönheit?<br />
Zu Schubert, Webern, Alban Berg und «… wie stille brannte das Licht»<br />
Georg Friedrich Haas im Gespräch mit Bernhard Günther<br />
Wenn <strong>du</strong> dir aus der Musikgeschichte eine Sammlung von Wahlverwandten zusammenstellen<br />
könntest, mit denen <strong>du</strong> dich besonders intensiv auszutauschen die Gelegenheit hättest,<br />
wer läge da nahe?<br />
Mit dem Ausdruck «Wahlverwandtschaften» tu ich mich schwer, denn wenn man<br />
– um einen Komponisten zu nennen, der im Programm [des Konzerts am<br />
27.11.2010] vorkommt – manche Werke von Franz Schubert hört oder liest, dann<br />
fragt man sich, woher man überhaupt den Mut nimmt, noch einen Bleistift in die<br />
Hand zu nehmen beziehungsweise Noten in den Computer zu tippen. Aber es<br />
gibt eine Reihe von Komponisten, denen ich mich sehr eng verbunden fühle. Am<br />
deutlichsten erkennt man das vielleicht an denjenigen, mit deren Werken ich mich<br />
unmittelbar kompositorisch auseinandergesetzt habe. Das sind in chronologischer<br />
Reihenfolge bis jetzt Josquin Desprez, Mozart, Schubert, Mendelssohn und<br />
Skrjabin.<br />
Diese Auseinandersetzungen reichen von der Instrumentation bis zur Verwen<strong>du</strong>ng des<br />
gleichen Instrumentariums. Morgen steht bei den Donaueschinger Musiktagen die Uraufführung<br />
eines Werks für sechs Klaviere im Zwölfteltonabstand und Orchester auf dem<br />
Programm. Auch dieses Phänomen «sechs Klaviere im Zwölfteltonabstand» ist nicht ohne<br />
Anknüpfungspunkte…<br />
…zu Ivan Wyschnegradsky…<br />
…ich möchte es noch weiter fassen: zum Archiv dessen, was Komponisten bislang erfunden<br />
und geprägt haben. Dieses Spektrum der Arten von Auseinandersetzung mit Musik, die<br />
es schon gibt, hast <strong>du</strong> ziemlich weit <strong>du</strong>rchschritten. Was waren für dich Erfahrungen dabei,<br />
beispielsweise bei den Instrumentationen von Schubert?<br />
Ich fühle mich da auch schon nicht wohl, wenn man dazu Instrumentation sagt.<br />
Denn Torso – diese Beschäftigung mit Schuberts C-Dur-Sonate [D 840, 1825], das<br />
sicher das umfangreichste meiner Werke ist unter denen, die sich mit anderen<br />
Stücken auseinandersetzen – ist zwar, wenn man das in eine Schublade stecken<br />
möchte, eine Instrumentation, aber eigentlich ist es eine Klangfarbenkomposition<br />
auf der Basis der Schubert-Vorlage und vor allem auch auf der Basis der Analyse<br />
des Notentextes. Die Vorgaben bei jedem einzelnen Stück sind ganz andere. Wie<br />
gesagt, Torso, das ist eine Sonate, an deren Komposition Schubert gescheitert ist,<br />
weil das, was er sich erträumt hat, in der Sprache des frühen 19. Jahrhunderts noch<br />
nicht lösbar war. Nur ein Beispiel: Er bringt eine variierte Wiederholung eines<br />
Menuett-Satzes, und diese variierte Wiederholung ist einen Halbton höher als das<br />
Original. Und sobald die Tonalität auf diese Art gesprengt ist, kann auch der dritte<br />
Satz der Sonate nicht mehr zu Ende geführt werden. Und da ist jetzt die Frage:<br />
Wie können wir das heute wahrnehmen? Gerade dieses Beispiel, eine Phrase einen<br />
Halbton höher zu wiederholen, kennen wir als Modell trivialer Unterhaltungsmusik,<br />
und wir können eigentlich nicht mehr emotional nachvollziehen – nicht mal ich<br />
kann das mehr –, welch revolutionärer Akt das ist, dass Schubert Dinge macht,<br />
die eben zufällig 150 Jahre später im deutschen Schlager als Trivialrepertoire<br />
Das Gespräch fand<br />
am 16.10.2010 in<br />
Donaueschingen statt.<br />
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wiederkommen. Und wir können das nicht vergessen, was wir gehört haben. Und<br />
hier war meine Absicht, <strong>du</strong>rch eine möglichst abgründige Klangfarbenkomposition<br />
– <strong>du</strong> merkst, ich vermeide den Begriff «Instrumentation» – diese Brüche, diese<br />
Wagnisse, diese revolutionären Akte erkennbar zu machen. Gegenbeispiel: Die<br />
Auseinandersetzung mit Mozarts Skizzen, Fragmenten zu seinem Requiem. Auch<br />
das ist ein Torso, genauso wie bei Schubert. Aber während Schubert bis zu einem<br />
bestimmten Punkt alles komponiert und dann einfach aufhört weiterzuschreiben,<br />
ist das bei Mozart anders. Er skizziert das Skelett des Ganzen und führt das dann<br />
später aus, und in dem Fall der Requiem-Skizzen haben wir das Skelett oder die<br />
Urform eines Musikstückes, von dem wir keine Ahnung haben, wie das wirklich<br />
ausgesehen hätte, wenn Mozart diese Skizzen zu Ende geführt hätte. Und da war<br />
jetzt meine Absicht, nichts anzutasten an diesen Skizzen und diese Skizzen in<br />
ihrer unendlich traurigen Kahlheit stehen zu lassen und zwischen<strong>du</strong>rch, zwischen<br />
diese Skizzen hinein, Klangräume zu setzen, die nichts, aber auch gar nichts mit<br />
dem Mozart’schen Original zu tun haben und die nur den einzigen Sinn haben,<br />
dass unsere Ohren dazu kommen, jedes dieser Fragmente von Neuem als Katastrophe<br />
oder als Re<strong>du</strong>ktion eines nie verwirklichten utopischen Ganzen wahrnehmen<br />
zu können. Das sind also völlig diametrale Gegensätze. Oder noch ein anderes<br />
Beispiel: Meine Komposition über Mendelssohn, Traum in des Sommers Nacht, wo<br />
ich Beispiele, Zitate von Mendelssohns Musik genommen habe und ausgehend<br />
von der analytischen Erkenntnis, in welcher Weise diese Musik revolutionär war<br />
– ein revolutionärer Akt, der <strong>du</strong>rch den Wohlklang, <strong>du</strong>rch das ungeheuer stimmig<br />
und musikalisch fein Ausgehörte dieser Musik fast unkenntlich gemacht wird und<br />
daher auch übersehen wird –, versucht habe, diesen revolutionären Akt wiederum<br />
an die Oberfläche, in den Vordergrund zu stellen. Das sind jedes Mal ganz andere<br />
Grundlagen.<br />
Vielleicht nochmal kurz zurück zu diesem nicht uninteressanten Punkt, wie man unterschiedliche<br />
Arten der Auseinandersetzung mit Musik, die es schon gibt, benennt. Ist Anton<br />
Weberns – ich finde keinen neutralen Begriff – «Verarbeitung», «Weiterführung», «analytische<br />
Durchdringung» des Ricercars aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian<br />
Bach, das am Vorabend deiner Uraufführung in der <strong>Philharmonie</strong> zu hören sein wird, eine<br />
Instrumentation oder ist auch das bedeutend mehr?<br />
Als Instrumentation ist Weberns Werk höchst problematisch. Als Komposition<br />
ist es genial. Wenn man das Ricercar als Instrumentation betrachten wollte, wäre<br />
das absurd, denn das ist es ja nicht. Es ist eine Auseinandersetzung mit einem<br />
weit entfernten Original, dessen Brisanz und Spannung der Komponist bewusst<br />
machen will. Anton Weberns Ricercar ist sicherlich einer der Schlüsselpunkte<br />
gewesen für die Auseinandersetzung mit älterer Musik. Ein zweites ist der Zyklus<br />
Re-Visionen von Dieter Schnebel. Den Einfluss von Schnebels Schubert-Fantasie<br />
auf den Torso merkt man sofort. Schnebel setzt vielleicht noch am deutlichsten<br />
diesen Ansatzpunkt. Vielleicht wäre das sogar der beste Titel für das Webern-Bach-<br />
Ricercar: «Re-Visionen».<br />
Eine weitere Kategorie, die die Auseinandersetzung von Komponisten gerade im 20. Jahrhundert<br />
mit älterer Musik beschreibt, ist die des Bruches, des Bruchs mit dem Material,<br />
wie Helmut Lachenmann das nennt, beispielsweise anlässlich seiner Mozart-Reflexion<br />
in Accanto (ein weiteres Werk, das beim Festival zu hören sein wird in Verbin<strong>du</strong>ng mit<br />
Mozarts Klarinettenkonzert). Accanto ist 1975 geschrieben und ein ganz anderer<br />
Zugang als der einer Revision. Wir haben bereits von der «Distanz» gesprochen, aber<br />
inwieweit hat für dich diese Kategorie des «Brechens» von etwas Vorhandenem mit deiner<br />
Auseinandersetzung mit dem Alten zu tun?<br />
Ich glaube nicht, dass dieser Begriff für meinen Zugang passend wäre. Dass sich<br />
Komponisten mit Musik der Vergangenheit auseinandersetzen – und im 20. und<br />
21. Jahrhundert viel stärker, als das früher der Fall war –, hängt natürlich mit der<br />
Situation zusammen, dass Musik der Vergangenheit in einem viel stärkeren Ausmaß<br />
präsent ist, als sie das jemals vorher in der Musikgeschichte war, und dass man ja<br />
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gar keine Chance hat, dieser Auseinandersetzung zu entgehen. Denn wenn Ton<br />
Koopman Bach interpretiert, dann ist das auch Musik der Gegenwart, obwohl der<br />
Notentext ein alter ist. Hier ist Musik, die früher geschrieben wurde, in einem viel<br />
stärkeren Ausmaß als früher ein Bestandteil der Gegenwart. Noch ein Unterschied:<br />
Wenn Mozart komponiert, komponiert er mit dem unausgesprochenen Anspruch,<br />
die Gesamtheit des Lebens in der gesamten Bandbreite ausfüllen zu können. Ich<br />
kann alles – vom Tanzfest bis zum Requiem – mit Mozarts Musik bestreiten. Mit<br />
Lachenmanns Musik geht das schon sehr schwer. Und das hängt damit zusammen,<br />
dass Lachenmanns Musik (und auch meine Musik) eben nicht in einem musikalischen<br />
Umfeld steht, das praktisch nur aus Gegenwartsmusik beziehungsweise aus<br />
ritualisierter religiöser Gebrauchsmusik besteht, sondern ein ganz kleines Segment<br />
eines Musikbetriebes ist, dessen Schwerpunkt nach wie vor auf historischer Musik<br />
liegt. Und da muss man mit dem, was musikalisch um uns herum ist, umgehen –<br />
und wir tun es auch ständig. Ganz egal, ob wir jetzt bewusst ein Stück hernehmen<br />
und das brechen oder beleuchten oder instrumentieren oder Grenzen wahrnehmen.<br />
Aber allein schon, wenn ich ein Streichquartett schreibe, schreibe ich das ja nicht<br />
aus dem Nichts heraus, sondern dann schreibe ich es eben in einer historischen<br />
Situation, wo die bedrohlichen oder geliebten Monumente der Vergangenheit<br />
um mich herum sind. Wenn ich auf das Stück komme, das im Programm steht<br />
– … wie stille brannte das Licht in der Fassung für Klavier und Sopran – dann<br />
kann ich einfach nicht vergessen, dass es Liederzyklen schon gibt und dass diese<br />
Liederzyklen der Vergangenheit ganz zentrale und irgendwo auch gegenwärtige<br />
Kompositionen sind. Der Satz am Anfang der Winterreise beispielsweise, «Fremd<br />
bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus», ist – egal, ob ich die Melodie<br />
dazugebe oder nicht – eine <strong>du</strong>rchaus brennend aktuelle Aussage.<br />
Dieses sehr romantische Thema der unerfüllten Liebe, das in … wie stille brannte das<br />
Licht präsent ist, wäre im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich eher auf eine<br />
Weise reflektiert worden, die viel stärker mit diesem Phänomen des Brechens zu tun hat.<br />
Es wurde in sehr vielen ästhetischen Debatten rund um die neue Musik in den Jahrzehnten<br />
davon geredet, dass die Schönheit etwas ist, das unmöglich geworden ist…<br />
…aber wie schön ist Gran Torso [Helmut Lachenmanns erstes Streichquartett von<br />
1971] – das ist doch eine unglaublich schöne Musik!<br />
In deiner Musik ist oft ein frappierendes Maß an Schönheit vorhanden. Bis hin fast zu<br />
einer Art des Umschlagens dieser Schönheit. Auf jeden Fall ist das keine Kategorie mehr,<br />
um die <strong>du</strong> als Komponist einen Bogen zu machen versuchst, weil es ein Tabu-Thema ist, das<br />
gebrochen oder mit Nicht-Beachtung bedacht werden muss.<br />
Zuerst muss ich etwas Inhaltliches richtig stellen: … wie stille brannte das Licht handelt<br />
eben nicht von unerfüllter Liebe, sondern von erfüllter. Ich weiß nicht, ob es mir<br />
gelungen ist – das ist nämlich noch viel schwerer zu machen als bei unerfüllter –,<br />
aber ich wollte die Vision eines Zusammenkommens von zwei Menschen in diesem<br />
Stück beschwören und darstellen. Auch die Auswahl der Texte sagt das ja in einer<br />
ganz klaren Weise: Das Gedicht von August Stramm beschreibt sehr klar auch<br />
eine körperliche Vereinigung. Und dieses unendlich schöne Liebesgedicht von Else<br />
Lasker-Schüler zeigt ja gerade, dass eine Begegnung stattgefunden hat, aber dass<br />
diese Begegnung, obwohl sie stattgefunden hat, immer noch zu einer Fremdheit<br />
der sich begegnenden Personen führt. Das ist das Ende des Stückes. Und das ist<br />
vielleicht auch ein Unterschied: Wenn im 19. Jahrhundert die unerfüllte Liebe<br />
so ein zentrales Thema war, hängt das ja auch mit der gesellschaftlichen Realität<br />
dieser Zeit zusammen, wo ja das Zusammenfinden von zwei Menschen <strong>du</strong>rch<br />
Hindernisse blockiert war, deren Ausmaß wir uns gar nicht mehr vorstellen können.<br />
Siehe Schumann.<br />
Schumann – oder, um ein Beispiel zu nennen, das mir bei meiner Beschäftigung<br />
mit Hölderlin aufgefallen ist: Wir wissen alle nicht, was jetzt wirklich zwischen<br />
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Hölderlin und Susette Gontard passiert ist, aber für den Mann, für die Familie<br />
von Susette Gontard hat es gereicht, um zu verbieten, dass sie im Familiengrab<br />
begraben wird. Und jetzt überlegen wir: Was war da? Sie hatte einen Flirt, würde<br />
man heute sagen, eine romantische Episode. Das, was zwischen Hölderlin und<br />
Susette Gontard war, wäre heute höchstens Anlass zu einer vorübergehenden<br />
Ehekrise, die so bagatellisiert wird, dass sie kaum mehr ein Thema ist. Deswegen<br />
hat es auch keine Sinn, diese Thematik der unerfüllten Lieben heute in derselben<br />
Weise zu formulieren, wie das im 19. Jahrhundert möglich und notwendig war.<br />
Ich glaube, dass dieses Thema – «zwei Menschen, die sich lieben und zusammenkommen<br />
oder eben doch nicht» – noch immer aktuell ist und das sicher auch<br />
die nächsten paar hundert Jahre aktuell bleiben wird. Und ich habe versucht,<br />
dafür eine dramatische und dann eine musikalische Lösung zu finden. Aber im<br />
Vergleich mit den großen historischen Vorbildern: Eine dem August-Stramm-Text<br />
vergleichbare Vereinigung wird weder bei Schumann noch in den Schubert’schen<br />
Liederzyklen formuliert.<br />
Ich möchte nochmal zurück auf den Begriff der Schönheit kommen: Wie weit hat sich<br />
– abgesehen davon, dass sich das Verhältnis von Liebenden seit der Zeit Schumanns und<br />
Schuberts bis in die Gegenwart rapide verändert hat – der Umgang mit dem Schönen<br />
verändert? Nehmen wir gar nicht einmal diese riesige Zeitspanne von Schubert bis heute,<br />
sondern nur die von 1975 bis heute.<br />
Hat sich da wirklich so viel verändert? Ich weiß es nicht. Ich verwende ja immer<br />
wieder Klänge, die in der traditionellen Musik konsonant sind, insbesondere<br />
Obertonakkorde. Da gibt es ein ganz wunderbares Beispiel im Wozzeck [von Alban<br />
Berg, 1915–1921]: An der Stelle in der Oper, an der das gesamte Drama schon<br />
exponiert wurde – wir haben also gesehen, in welcher Weise Wozzeck seinen<br />
Körper und sein Leben verkauft, um seine Familie erhalten zu können, wir haben<br />
den Treuebruch von Marie erlebt, dann gibt es einen Dialog zwischen Wozzeck<br />
und Marie, wo Wozzeck über die Armut spricht, «wir arme Leut» – ist ein großer<br />
expressiver Klang im zwölftönigen Feld, und dann bleibt ein Pianissimo-C-Dur-<br />
Akkord über, ein wunderschöner, reiner C-Dur-Akkord, und dazu kommt der Text<br />
«Da ist wieder Geld, Marie». Oder wir können auch Alban Bergs Violinkonzert<br />
nehmen: Etwas Grausigeres als diese schönen Klänge am Schluss kann man sich<br />
ja kaum vorstellen. Ich glaube, dass spätestens seit Berg – bei Mahler gibt es auch<br />
schon Ansätze dazu – dieses scheinbar Schöne in Wirklichkeit das eigentlich<br />
Unschöne, Beklemmende ist. Ich habe einmal ein Konzert geschrieben für<br />
Schlagzeug und Klavier mit dem Titel Wer, wenn ich schriee, hörte mich… Das ist<br />
ein Zitat aus einem Gedicht von Rilke, bei dem es dann weitergeht (diesen Teil<br />
hab ich nicht vertont, aber das könnte als Motto über meinem ganzen Schreiben<br />
stehen): «Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch<br />
grade ertragen.» Ich glaube, auch wenn man in meiner Musik Wohlklänge hört,<br />
so sind die – so hoffe ich zumindest – immer beklemmend. Wenn sie affirmativ,<br />
bestätigend wären – «Hurra, wir sind wieder im tonalen Zentrum, hurra, in<br />
den schönen Wohlklängen» –, dann ist es aus. Ein Beispiel aus meine Oper<br />
Melancholia, im letzten Teil: Wenn es um die Liebe zwischen Lars und Helene<br />
geht, dann nützen die umgestimmten Streichinstrumente alle Möglichkeiten aus,<br />
um möglichst schräge, reibungsgeladene Intervalle aufzubauen; und wenn der<br />
spießbürgerliche Onkel auftritt, dann kommt der reine Obertonakkord mit seiner<br />
ganzen Schönheit dieser sogenannten Konsonanz, die aber genau das Gegenteil<br />
bewirkt. Und wenn man diese Oper hört an der Stelle, dann möchte ich den<br />
Menschen sehen, der glücklich ist, dass jetzt dieser schöne Klang kommt. Im<br />
Gegenteil – man findet es beklemmend, dass nach diesen wunderschönen viertel-,<br />
zwölftel-, achtel-, sechsteltönigen Reibungsklängen dieser grauenvolle konsonante<br />
Klang hereinbricht. Und deswegen tue ich mich mit dem Begriff «Schönheit» so<br />
schwer, weil das, was scheinbar schön ist, für mich das Beklemmendste ist.<br />
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«Ein metaphysischer Road Trip<br />
nach innen»<br />
Zu «iv 1» für Klavier solo<br />
Mark Andre im Gespräch mit Bernhard Günther<br />
An Helmut Lachenmanns 75. Geburtstag wird deine Komposition iv 1 uraufgeführt.<br />
Das Stück ist ihm und seiner Frau Yukiko Sugawara gewidmet, die es auch uraufführt.<br />
Du kennst Helmut Lachenmann lange und gut, vielleicht kannst <strong>du</strong> kurz etwas zu diesem<br />
Anlass der Aufführung sagen.<br />
Es ist mir eine besondere Ehre, diese Uraufführung in diesem Kontext, in dieser<br />
Konstellation erleben zu dürfen. Ich bin auch dir sehr dankbar für dein Vertrauen<br />
und die Treue. Es ging um einen ganz besonderen Bereich in der Zusammenarbeit<br />
mit Yukiko – wir haben das Stück zusammen entwickelt, es ging viel um Austausch<br />
und Zusammenarbeit in der Arbeitsphase des Stücks. Es ist mir eine besondere<br />
Ehre, denn ich hatte damals das Glück, dass ich bei Helmut Lachenmann studieren<br />
konnte, drei Jahre lang in einem Studiengang in Stuttgart, und es geht für mich<br />
am 27. November in Luxemburg um historische Momente. Das könnte vielleicht<br />
emphatisch klingen, aber es geht doch um historische Momente aus vielen<br />
Gründen, und jetzt möchte ich vielleicht einen erwähnen: Es gibt ganz wenige<br />
Komponisten in der Geschichte der Musik, deren Kunst das Hören, das Zuhören,<br />
die Kategorien der Wahrnehmung des Komponierens, entwickelt und geändert<br />
hat. Und Helmut Lachenmann, so wie Gustav Mahler und Anton Webern, um<br />
nur drei Namen zu nennen, gehören zu dieser sehr begrenzten und besonderen<br />
Kategorie.<br />
Helmut Lachenmann hat in ganz besonderer Weise Klänge entdeckt, die den Instrumenten<br />
innewohnen, die aber vor Helmut Lachenmann eher bewusst ausgeblendet worden sind, um<br />
nicht zu sagen einfach nicht beachtet oder vergessen. Inwieweit spielt das eine konkrete Rolle<br />
für dein Stück iv 1, das an dem Abend zu hören ist?<br />
Es spielt eine wichtige Rolle, aus pädagogischen Gründen. Ich erwähne jetzt die<br />
Problematik der Selbstpädagogik: Nachdem man studiert hat, ist man mit sich<br />
selbst konfrontiert. Und soweit ich täglich beim Komponieren versuche, die<br />
Botschaft von Helmut zu reflektieren und weiter darüber nachzudenken, geht es<br />
um die Indivi<strong>du</strong>alisierung, um die Selbstentdeckung – und das ist eine permanente<br />
Herausforderung. Manchmal geht es um einen Kampf gegen sich selbst.<br />
Es geht aber mit Sicherheit auch um eine Kategorie außerhalb des Selbst des Komponisten,<br />
die Helmut Lachenmann sehr wichtig ist, nämlich um die des Materials. Auch bei iv 1 geht<br />
es um das sehr genaue Hinhören, um das sehr genaue Ausloten der Klangmöglichkeiten, in<br />
diesem Fall des Klaviers. Wie war der Weg hin zu dem speziellen Klang von iv 1?<br />
Ich habe mit Yukiko (und auch selber zu Hause in Berlin) kompositorische Klangsituationen<br />
entwickelt. Es ging auch um die Entwicklung von Notationsprotokollen,<br />
manche Sachen wurden noch nie notiert, und deswegen musste eine andere<br />
und <strong>du</strong>rchsichtige Notation dafür entwickelt werden.<br />
Das heißt — Zwischenfrage —, der Klang war zuerst da, und dann stelltest <strong>du</strong> dir die Frage:<br />
Wie schreibe ich das auf?<br />
Das Gespräch fand<br />
am 16.10.2010 in<br />
Donaueschingen statt.<br />
139
Ja, das heißt: Durch das Experimentieren, auch <strong>du</strong>rch die Fantasie und die Interaktion,<br />
den Austausch mit Yukiko und wirklich <strong>du</strong>rch die Experimente – ich<br />
habe bei mir sehr viel experimentiert und mit ihr darüber gesprochen – ging es<br />
erstens um eine Sammlung von kompositorischen Situationen und Aktionen.<br />
Und dann kam die Problematik der Typologisierung, der Kategorisierung dieser<br />
Elemente. Und dann, nachdem die Typologisierung, die Kategorisierung gemacht<br />
war, ging es um die Problematik der Entfaltung dieser Materialien im Stück, um<br />
eine Form oder einen Bogen entwickeln zu dürfen. Und das war für mich das<br />
Wichtige, die zentrale Problematik. Das heißt, ich würde das Stück als eine Art…<br />
vielleicht doch: metaphysischen Road Trip nach innen beschreiben. Es gibt die<br />
Abkürzung iv, das Anagramm von Introvertiertheit. Es geht um die Suche, die<br />
Reise nach innen, «im Innersten» auf der Suche nach existenziellen, aber auch<br />
metaphysischen Spuren. Beispielsweise: Wie kann man Spuren der Präsenz von<br />
Jesus von Nazareth irgendwie erleben und das künstlerisch, kompositorisch<br />
übertragen?<br />
Dieser spirituelle Aspekt ist etwas, das in gewisser Weise mit dem großen metaphysischen<br />
Apparat zu tun hat, der dem Klavier als einem sehr abstrakten, neutralen, aber auch<br />
unglaublich historisch gefüllten Instrument anhaftet. Im Konzert dieses Abends der Uraufführung,<br />
das mit Bach beginnt, mit Chopin sich fortsetzt (der wiederum auf Bach Bezug<br />
nimmt), dann mit Schubert und dem ersten Stück von Helmut Lachenmann weitergeht<br />
(das wiederum auf Schubert Bezug nimmt), steckt auch der Versuch, ein paar dieser Zusammenhänge<br />
– dieses Gespinst, dass die Klavierliteratur <strong>du</strong>rchzieht – ein wenig greifbar zu machen.<br />
Angesichts dieser metaphysischen Komponente der Klavierliteratur würde mich die Frage<br />
besonders interessieren, welche Klaviermusik der vergangenen Jahrhunderte dich besonders<br />
beeindruckt hat.<br />
Du hast einige von diesen Werken ins Programm aufgenommen. Zum Beispiel<br />
sind für mich die Serynade und Ein Kinderspiel unglaubliche, fantastische Werke.<br />
Als Student habe ich während Jahren der Nähe zu Helmut erlebt, dass für ihn<br />
latent, direkt/indirekt, die metaphysische Ebene eine Rolle spielt. Deswegen lief<br />
es zwischen uns auch auf eine ganz besondere Art und Weise – es war für mich<br />
fantastisch, dass er das bei mir respektiert hat und mir auch geholfen hat, das<br />
zu entwickeln. Es geht keineswegs um Proselytismus – ich respektiere Menschen<br />
aus allen Religionen, auch Atheisten, Agnostiker, Freimaurer; soweit es um eine<br />
Art von Humanismus geht, ist das alles sehr schön und legitim. Aber kommen<br />
wir zu etwas, das ich sehr bewundere. Worüber reden wir jetzt gerade? Wir reden<br />
aus meiner Perspektive über kompositorische Zwischenräume, die sich zwischen<br />
Polaritäten entwickeln, die fluktuierend und zerbrechlich sind. Und ich erlebe<br />
diese Elemente zum Beispiel bei den Werken von Beethoven. Das bleibt für<br />
mich vielleicht die größte, die absolute Referenz, was die Klaviermusik angeht.<br />
Es geht immer um die Vorstellung, die Darstellung von Polaritäten. Und dazwischen<br />
– <strong>du</strong>rch die Wahrnehmung, <strong>du</strong>rch die Intuition und die Sensibilität – rekonstruiert<br />
oder entwickelt man Zwischenräume, und das sind für mich sehr wichtige<br />
Elemente. Man hört in diesem Stück auch diese lange, aber sichere Entwicklung<br />
zwischen verschiedenen kompositorischen Räumen und Aktionen. Es wird auch<br />
ganz deutlich, dass man auf der Tastatur anfängt, und langsam, ganz allmählich<br />
entwickelt es sich hin zu «kleinen Flügeln». Allmählich ändert sich der idiomatische<br />
instrumentale Apparat. Es geht auch um eine der formalen Ebenen des Stücks.<br />
Als Helmut Lachenmann 1975 seine Komposition Accanto geschrieben hat, die ebenfalls<br />
im Festival rainy days zu hören ist, war eine Parallelität ganz besonders wichtig – die<br />
zwischen der Liebe zur vorhandenen Musik, zum vorhandenen Material einerseits (in dem<br />
Fall zu Mozarts Klarinettenkonzert) und der Erkenntnis andererseits, dass es gilt, mit<br />
diesem Material zunächst einmal zu brechen, um es wieder neu zu erschließen. Seitdem<br />
sind 35 Jahre vergangen. Wie sieht es für dich heute aus, wenn <strong>du</strong> zum Beispiel jetzt von<br />
Beethoven und seinen Leistungen auf dem Gebiet der Klaviermusik sprichst, wenn <strong>du</strong> als<br />
Komponist Klaviermusik schreibst – ist dieses bewusste «Brechenmüssen» des Vorhandenen<br />
noch eine Kategorie, oder gehst <strong>du</strong> anders um mit der Vergangenheit?<br />
140
Es darf, könnte eine Kategorie sein, aber vielleicht als Ergebnis, weil ich, wie<br />
gesagt, versuche, Polaritäten zu entwickeln, und reflektiere, was dazwischen<br />
passiert. Wo liegen die kompositorischen Zwischenräume, die noch latent sind?<br />
Wie könnte ich das entfalten oder eine Interpolation zwischen diesen Polaritäten<br />
entwickeln? Um zum Beispiel etwas aus diesem Stück ganz präzise zu benennen,<br />
was das Material betrifft: Die Kategorie der Flageolette. Es gibt harmonische<br />
Flageolette, es gibt auch disharmonische oder inharmonische, die man auch hört.<br />
Das sind für mich Polaritäten, diese zwei Begriffe aus derselben Kategorie. Und<br />
die Idee ist: Was macht man mit dem latenten Zwischenraum, der existiert, wenn<br />
man das als Polaritäten reflektiert, was das Material betrifft? Zum Beispiel wird<br />
in Momenten der Fuge im op. 106 bei Beethoven die Thematik manchmal in<br />
verschiedene Regionen auf der Tastatur hineinprojiziert. Aber wenn er das in das<br />
tiefe Register des Flügels hineinprojiziert, geht es um eine andere Klangkategorie,<br />
dann geht es eher um die Harmonizität und Disharmonizität <strong>du</strong>rch die<br />
Pedalisierung, <strong>du</strong>rch die relativ geräuschhafte und inharmonische Gestalt, die<br />
man hört. Und das ist, aus meiner Perspektive, von ihm ganz bewusst komponiert<br />
worden. Das heißt, es geht nicht nur um eine Entwicklung zwischen Tonalitäten<br />
und so weiter, sondern auch um eine Durchführung zwischen Gestalten, zwischen<br />
kompositorischen Situationen, die Gestalt haben. Dort liegen die Polaritäten,<br />
dazwischen befinden sich aus meiner Perspektive diese kompositorischen Räume.<br />
Und das ist für mich sehr inspirierend. Es gibt kein Zitat von Beethoven im<br />
Stück, aber das war sehr inspirierend. Natürlich, deine Bemerkung war richtig:<br />
Als Ergebnis kann man das erleben, als eine Entwicklung, oder als Änderung, als<br />
Paradigmenwechsel…<br />
Glaubst <strong>du</strong>, der Umgang mit der Vergangenheit ist freier, lockerer geworden als in den<br />
1970er Jahren?<br />
Das ist eine wichtige Frage. Er ist bestimmt anders geworden, vielleicht, weil die<br />
Präsenz der Vergangenheit irgendwie stärker geworden ist… auch quantitativ.<br />
Natürlich, aus meiner Perspektive, muss das akzeptiert werden – das ist auch<br />
okay und legitim. Aber andererseits stellt sich die Frage: Wie reagiert man? Mit<br />
seinem Feedback, mit seiner Indivi<strong>du</strong>alität? Es ist eine Herausforderung, das zu<br />
reflektieren –die Vergangenheit ist da, auch die Gegenwart und vielleicht auch<br />
die Zukunft. Es geht hier nur um meine Wahrnehmung – aber zu versuchen, die<br />
Ausstrahlung und die Kraft der Präsenz von Jesus von Nazareth zu übertragen<br />
oder zu typologisieren, das war für mich ganz zentral in diesem Stück. Deswegen<br />
war es für mich auch ganz wunderbar, als Student zu erleben, dass Helmut das<br />
nicht nur akzeptiert hat, sondern mir bei dieser Art Selbstentdeckung geholfen<br />
hat. Das war, wie gesagt, nicht nur respektvoll, sondern auch sehr schön. Aus der<br />
Perspektive seiner Biographie ist das auch sehr interessant – ich wusste anfangs<br />
nicht, dass er der Sohn eines Pfarrers ist. Er spricht nicht viel von Religion, es<br />
bleibt sehr dezent, aber es spielt doch für ihn und mich eine sehr große Rolle.<br />
Man kann iv 1 wie gesagt ohne jeden Proselytismus hören. Es ist ‹nur› ein Klavierstück.<br />
Aber ich wünsche mir doch, dass die Räume, die Zwischenräume, die<br />
aus diesem Stück ausstrahlen, auch diese metaphysische Ebene suggerieren und<br />
übertragen.<br />
141
«In Nomine»<br />
Dimanche / Sonntag / Sunday<br />
28.11.2010 18:00 / 19:00<br />
Salle de Musique de Chambre<br />
ensemble recherche<br />
Martin Fahlenbock flûte<br />
Shizuyo Oka clarinettes<br />
Jaime González hautbois<br />
Åsa Åkerberg violoncelle<br />
Melise Mellinger violon<br />
Barbara Maurer alto<br />
Klaus Steffes-Holländer piano<br />
Christian Dierstein percussion<br />
Gérard Pesson: In Nomine nach John Taverner (1490–1545) für Flöte, Oboe,<br />
Bassklarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine Viola und Violoncello (2001) – 2’<br />
Emilio Pomàrico: In nomine. Fantasia (quasi) una Passacaglia. Notturno e<br />
fuggitivo für Flöte, Bassklarinette, Schlagzeug, Klavier/Celesta, Violine,<br />
Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />
Brian Ferneyhough: In Nomine a 3 für Piccolo, Oboe und Klarinette (2001) – 2’<br />
Bryn Harrison: In nomine after William Byrd für Flöte, Oboe, Klarinette,<br />
Vibraphon, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1999) – 3’<br />
Toshio Hosokawa: A Song from far away – In Nomine for six players<br />
für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Violine, Viola und Violoncello (2001) – 5’<br />
Sebastian Claren: In Nomine für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Klavier,<br />
Violine, Viola und Violoncello (2000) – 4’<br />
Robert HP Platz: Broken Book Skizze für Violine, Viola, Violoncello und Flöte<br />
(1999) – 5’<br />
Jörg Birkenkötter: in nomine… für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug,<br />
Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1999) – 4’<br />
Henry Purcell/Brice Pauset: In Nomine of Six Parts. écoute composée<br />
pour six instruments pour flûte basse, cor anglais, clarinette basse, violon,<br />
alto et violoncelle (1680/2001) – 2’<br />
—<br />
152
Thomas Tallis/Gérard Pesson: In nomine – instrumentation colorée II<br />
für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Vibraphon, Violine, Viola und<br />
Violoncello (1999) – 2’<br />
Malin Bång: perpetual revival für Klarinette, Klavier, Schlagzeug, Violine,<br />
Viola und Violoncello (2007) – 5’<br />
Picforth/Johannes Schöllhorn: in nomine für Violine, Viola und Violoncello<br />
(~1570/1994) – 2’<br />
Rolf Riehm: Harryzehn (In Nomine actualiter) für Flöte, Englischhorn,<br />
Bassklarinette, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1999) – 1’<br />
Xu Shuya: In nomine für Flöte, Claves, Violine, Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />
Isabel Mundry: Der letzte Seufzer für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug,<br />
Violine, Viola und Schlagzeug (2000) – 2’<br />
Bernhard Lang: Monadologie VI: In Nomine für Flöte, Klarinette, Schlagzeug,<br />
Violine, Viola und Violoncello (2008) – 5’<br />
Georg Friedrich Haas: In Nomine für Bassflöte, Englischhorn, Klarinette,<br />
Vibraphon, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />
Wolfgang Rihm: cnts.frms. für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Klavier,<br />
Violine, Viola und Violoncello (1999) – 1’<br />
Johannes Schöllhorn: in nomine für Altflöte, Oboe, Bassklarinette,<br />
Schlagzeug, Klavier, Violine, Viola und Violoncello (1998) – 1’<br />
Walter Zimmermann: «Dit» für einen Cellisten und Tonband (1999) – 3’<br />
Salvatore Sciarrino: In Nomine Nominis. Alcuna autosomiglanze per otto<br />
esecutori für Flöte, Englischhorn, Bassklarinette, Schlagzeug, Klavier,<br />
Violine, Viola und Violoncello (2001) – 4’<br />
Henry Purcell/Brice Pauset: In Nomine of Seven Parts – an objective<br />
interpretion für Flöte, Englischhorn, Klarinette, Vibraphon, Klavier, Violine,<br />
Viola und Violoncello (1680/2010) – 2’<br />
153
«Fast Forward» – Clôture <strong>du</strong> <strong>festival</strong><br />
Dimanche / Sonntag / Sunday<br />
28.11.2010 20:00<br />
Grand Auditorium<br />
John Oswald Disklavier, electronics<br />
Philip Jeck turntables, electronics<br />
Wolfgang Mitterer keyboards, organ, electronics<br />
DJ Spooky that Subliminal Kid turntables, electronics<br />
The Telos Ensemble<br />
Ye Young Hwang violin<br />
Ye Hyun Hwang viola<br />
Anik Schwall violoncello<br />
John Oswald: Goldberg Aria (Johann Sebastian Bach/Hosanna Banjo Bitches)<br />
as played by Glenn Gould/Doll Egg Nun (1981), electronically transcribed<br />
(by Ernest Cholakis) and Panorama (conceived by Reginald Godden)<br />
for remote piano with Glenn Gould/Golden Lung vocal transcription<br />
(by Benjamin & Christopher Butterfield) for the ballet So is This (1999) – 4’<br />
Philip Jeck: Ark Variations after «An Ark for the Listener» (2010) – ~10’<br />
John Oswald/Dash Onjowl: It’s a Small World* at 100 th the Speed of Light<br />
(2010) – 0’12” (*Richard M & Robert B Sherman)<br />
Aria. Glenn Gould’s performance as ‹heard› and transcribed by computer<br />
(monitored by John Oswald) for remote piano (1989) – 3’10<br />
John Oswald: 7 th (Ludwig van Beethoven/New Evolving Butthead)<br />
for tape loops as performed by ‹The Gun-View Love Band› (1988) – 4’<br />
DJ Spooky that Subliminal Kid: Bach’s Goldberg Variations Remix<br />
for DJ and string trio (2010) – ~10’<br />
John Oswald: Invaria for the ballet So is This (1999), an inversion of the<br />
Goldberg Aria (Johann Sebastian Bach/Bathos Enchains Banjo) as played by<br />
Glenn Gould/Ed Null Gong (1981) 3’10<br />
Wolfgang Mitterer: Sample Playing. Improvisation für Orgel und Elektronik<br />
nach «Music for checking emails» (2010) – ~10’<br />
John Oswald: dblRite (Igor Stravinsky/Tsar Rosy Viking) for remote piano<br />
(2005) – ~15’<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
John Oswald<br />
Garth Brownsteen (preplexed)<br />
(~1992)<br />
DJ Spooky that Subliminal Kid: Acoustica 2010 for four improvisers<br />
(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung) – ~10’<br />
158
John Oswald, Glenn Gould,<br />
rascali klepitoire, and plunderphonics<br />
(1999/2000)*<br />
The National Ballet of Canada’s «A Disembodied Voice» featured a score by John<br />
Oswald for the recorded voice of Glenn Gould (1932–1982), robot piano, ghost<br />
pianist, and orchestra. The piece premiered in the programme entitled «Inspired<br />
by Gould» which ran from November 20 th to the 27 th 1999 at the Hummingbird<br />
Centre in Toronto.<br />
The half hour composition is in 10 sections, each of which takes a different angle<br />
on Gould’s musical preoccupations. Several technological innovations were<br />
utilized by a team under the direction of Oswald which researched and created<br />
materials <strong>du</strong>ring most of 1999.<br />
A major bit of sonic archeology was the dissecting of Glenn Gould’s 1981 recording<br />
of the Aria of the Goldberg Variations by Johann Sebastian Bach (published in<br />
1741). First the piano was filtered out of the recording as much as possible, leaving<br />
Gould’s inadvertent vocalizations as a more prominent element. Christopher<br />
Butterfield in Victoria made a phonetic and music notation transcription of this<br />
vocal line. Where there was difficulty ascertaining a sound the team studied a<br />
video tape of the Gould recording session to see what Glenn’s mouth was doing.<br />
Eventually Christopher’s brother, opera tenor Benjamin Butterfield, was recorded<br />
repro<strong>du</strong>cing a version of Christopher’s transcription, with his own revisions.<br />
Christopher was also recorded, and several takes of his version were layered in<br />
combination with Benjamin’s solo version to pro<strong>du</strong>ce a chorus of Glenns near the<br />
end of the Aria. To this Oswald added a klangfarbenmelodien-like arrangement<br />
(this is a technique where a melody line is passed from instrument to instrument,<br />
changing its timbral colour over time) for live orchestra, which gra<strong>du</strong>ally added<br />
clues as to the source.<br />
For the performances the monophonic voice of Gould ‹walked› via routing through<br />
several hidden speakers from behind a canopied area on stage to the orchestra pit<br />
where it was joined by the chorus.<br />
John Oswald<br />
Music Sleeves (1988–)<br />
Meanwhile in Toronto, Ernest Cholakis, who is best-known for designing the<br />
groove templates found in various sequencers, worked on making a very precise<br />
MIDI transcription of Gould’s piano performance of the Aria. This transcription<br />
was designed to be played back on a Yamaha Disklavier very similar to the piano<br />
Gould played for the original recording. The result was a repro<strong>du</strong>ction of the<br />
piece, minus Gould’s voice, which is much more realistic than any hi fi system<br />
could ever recreate using the original recording. Audiences remarked about the<br />
ghostly presence of performances of this, in a sense, live acoustic piano recreation.<br />
These two Aria derivations were the bookends of a composition which featured<br />
abstractions and plunderphonic derivations of Gould’s own music and some of<br />
his favorite pieces, including works by Richard Wagner and Petula Clark. Bach and<br />
Mozart clash in one section, and the Disklavier was a featured soloist throughout.<br />
160
Pattern + Variation: DJ Spooky<br />
featuring The Telos Ensemble<br />
Bach’s Goldberg Variations Remix for DJ and string trio<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky that Subliminal Kid<br />
For me, Bach’s Goldberg Variations stand as one of the most compelling pieces<br />
of music written in the last several centuries and as such, they represent a kind<br />
of interpretation of how the idea of repetition and motif came to be the dominant<br />
form of music in our age. The Variations are a bridge between several manifestations<br />
of music forms that have now become ubiquitous in the 21 st century – they<br />
explore themes of musical ‹ornamentation› through ascending and descending<br />
motifs that construct a series of modal movements. Glenn Gould once said of<br />
Bach: «[He was] first and last an architect, a constructor of sound, and what makes<br />
him so inestimably valuable to us is that he was beyond a doubt the greatest<br />
architect of sound who ever lived.» What I want to explore in my Variations Remix<br />
is a step into the highly structured world of Bach and to apply DJ techniques<br />
of sampling, layering, and re-interpreting several of the main structures of the<br />
earlier composition. For this project, I will be applying several mix layers from<br />
my «DJ Spooky» iPad/iPhone application, and using that to interact with a string<br />
ensemble that will be playing my transposition of Bach’s material into string trio<br />
format. Much in the same way that Shostakovich wrote his Preludes and Fugues<br />
based loosely on Bach’s Well-Tempered Clavier I want to explore what happens when<br />
a composer uses the tools of one era, to examine the musical forms of another era.<br />
The piano material of the original Goldberg Variations has been transposed into<br />
a string trio format, and its original notes have been remixed – note for note, and<br />
written out. I’ll present this with musical accompaniment from my iPad which<br />
takes the electronic forms of the motifs and translates them into algorithm form.<br />
What you hear is the collision between electronics and live ensemble. The philosopher<br />
Friedrich von Schelling once said that «architecture is nothing but frozen<br />
music.» What this composition does is look at that statement from a 21 st century<br />
viewpoint where sound and structure mirror one another, to paraphrase and remix<br />
Goethe, «liquid architecture.»<br />
Johann Sebastian Bach<br />
166
Asymmetries<br />
Acoustica 2010 for four improvisers<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky that Subliminal Kid<br />
«The creative act is not performed by the artist alone; the spectator brings the work in contact<br />
with the external world by deciphering and interpreting its inner qualifications and thus<br />
adds his contribution to the creative act.»<br />
(Marcel Duchamp)<br />
As a DJ, you’re only as good as your archive. Marcel Duchamp once said that he<br />
felt that all art was a game of compositions in interaction. This improvisational<br />
quartet takes several radically different approaches to ‹found sound› and explores<br />
the theme that we hear when we experience complexity. For me, organized<br />
sound isn’t only a complex system of information, but when we record acoustic<br />
phenomena – recorded documents must be activated – you realize that memory<br />
is an archive that we access at every level of mental life. A record is an act of<br />
memory that has been frozen. What we explore as a quartet is a way of playing<br />
recordings of phenomena that we all know, but explore from a view point that<br />
says – «there is no one way of recalling anything.» Historically, the quartet as<br />
a music form was popularized by Joseph Haydn. He once wrote of his music:<br />
«There was no one near to confuse me […], so I was forced to become original.»<br />
We can look at that statement through the prism of digital media – in our era<br />
where everyone walks around with headphones shutting out the rest of the world,<br />
we are forced to seek new ways of experience well-known recordings because,<br />
well… To do anything else would be boring. And I guess that means we salute<br />
complexity by use of the paradox of ‹live› playback of records made new again.<br />
DJ Spooky<br />
167
Installations sonores / Klanginstallationen<br />
19.–28.11.2010<br />
Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain<br />
InfoLab<br />
41, rue Notre-Dame, L-2013 Luxembourg<br />
Tél (+352) 22 50 45, Fax (+352) 22 95 95, E-mail info@casino-luxembourg.lu<br />
DJ Spooky that Subliminal Kid: From A to B and Back Again. New Sounds<br />
from Old Songs. DJ Spooky iPhone App mix station, version 2.0<br />
(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />
En coopération avec Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain<br />
Entrée: 4 € (3 € pour jeunes < 26 ans, seniors > 60 ans, groupes)<br />
Entrée gratuite: Enfants et jeunes < 18 ans, Étudiants, Journalistes, Les Amis des Musées Luxembourg, ICOM /<br />
ICOMOS / AMGR / IKT / AICA, Détenteurs <strong>du</strong> «Laissez-Passer» et/ou «muséeskaart», LuxembourgCard, Kulturpass<br />
Nocturne gratuite tous les jeudis de 18:00–20:00<br />
Heures d’ouverture / Öffnungszeiten:<br />
19.11. 11:00–19:00<br />
20./21.11. 11:00–18:00<br />
22.11. 11:00–19:00<br />
23.11. fermé<br />
24.11. 11:00–19:00<br />
25.11. 11:00–20:00<br />
26.11. 11:00–19:00<br />
27./28.11. 11:00–18:00<br />
<strong>Philharmonie</strong><br />
Grand Foyer<br />
Jacques Rebotier: Für Ludwig. Postklanginstallation.<br />
Une installation postale et sonore de Jacques Rebotier<br />
(2010, commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung)<br />
Jacques Rebotier textes et musique<br />
Virginie Rochetti scénographie<br />
Bernard Valléry design sonore<br />
Les emprunts à L’Oreille droite sont joués et dits par Alexandre Tharaud<br />
Une pro<strong>du</strong>ction de la <strong>Philharmonie</strong> Luxemburg et de la Compagnie voque<br />
en copro<strong>du</strong>ction avec le Festival Amadeus/Grange de la Touvière (Suisse)<br />
Heures d’ouverture / Öffnungszeiten:<br />
19.11. 19:00–22:30<br />
20.11. 19:00–22:30<br />
21.11. 17:30–22:30<br />
24.11. 19:00–22:30<br />
26.11. 19:00–22:30<br />
27.11. 18:00–23:00<br />
28.11. 17:00–22:30<br />
22./23./25.11. fermé<br />
172
From A to B and Back Again.<br />
New Sounds from Old Songs<br />
DJ Spooky iPhone App mix station<br />
Paul D. Miller a.k.a. DJ Spooky that Subliminal Kid<br />
We always use the compositional tools of our era, and the tools then in turn<br />
shape the music that is made. It’s a reflexive thing. Imagine how jazz would be<br />
if Adolphe Sax hadn’t invented the saxophone in 1841. Would an entire genre<br />
of music be non-existent? For me, the tool for music composition of our era is<br />
software. My iPhone app explores the iTunes archive as a way of allowing the<br />
end user to get out of the playlist mentality and to mix and layer any song that<br />
has been imported into its architecture, and that means that the iPhone and iPad<br />
become compositional tools in their own right.<br />
DJ Spooky iPhone App<br />
173
Cher Ludwig,<br />
Depuis 1982, j’entretiens avec toi une<br />
correspondance suivie, malheureusement à sens unique.<br />
J’ai beau te clamer mon enthousiasme, poster d’un peu partout des<br />
lettres enflammées, dans des enveloppes hautement personnalisées,<br />
souvent confectionnées avec mes moyens <strong>du</strong> bord, ou au contraire<br />
pourvues de l’en-tête le plus officiel, chapardé dans les couloirs des<br />
ministères ; dûment affranchies au tarif en vigueur ou timbrées à<br />
la va-comme-je-te-pousse ; de chez moi, France, ou de tout autre<br />
pays <strong>du</strong> monde, Monde : inexorablement elles me reviennent.<br />
Luigi, pourquoi restes-tu sourd à mes appels ?<br />
Au fil des années ce dialogue fantôme a fini par virer en un<br />
dialogue avec la poste elle-même. Les retours à l’envoyeur, leurs<br />
annotations, cachets, tampons, me sont peu à peu apparus euxmêmes<br />
des messages, et témoignages : de la continuité, ou<br />
discontinuité, d’un service public, <strong>du</strong> sens de l’investigation de son<br />
département recherche, de la sagacité d’un postier.<br />
Hommage à ce guichetier anonyme assez au fait de<br />
la biographie <strong>du</strong> maître pour être capable de m’informer<br />
qu’il a « déménagé » ! Merci à ces autres, sentinelles ultimes d’un<br />
bien collectif rongé par l’accumulation capitale, qui poussent la<br />
conscience professionnelle et l’enquête assez loin pour pouvoir in<br />
fine tamponner « n’habite plus à l’adresse indiquée » ; ou bien que<br />
Luis B. est parti sans en laisser, quand ce n’est pas pour toujours :<br />
« décédé », « dece<strong>du</strong>to », « gestorben » !<br />
Mais honte à l’employé ignare qui ose écrire de<br />
toi « unbekannt », inconnu » ! Qu’il soit licencié sur-le-champ !<br />
Engagez des vacataires Bac + 9 payés Bac – 9, cela ira beaucoup<br />
mieux ! Pom-pom-pom-pom. Luigi, ou Lewis, wo ist <strong>du</strong> ?<br />
Mais dove ? Donde ? Clovis, ubi es ?<br />
Il est sûr que le dénommé van B. écrivait lui-même des lettres, ne<br />
serait-ce qu’à une certaine Élise. On sait depuis peu que la destinataire<br />
vient d’être identifiée : Elisabeth Roeckel. J’ai donc bon espoir.<br />
Cher Louis, ne me contrains pas à user de la force, ou de plus<br />
grands moyens encore : placarder partout des wanted infâmants,<br />
mettre ta tête à vil prix sur la toile d’araignée, exhiber dans une<br />
exposition au pilori les 267 lettres que ton silence m’a retournées,<br />
lancer un avis théâtral de recherche sur les scènes de l’univers, y jeter<br />
un super-inspecteur pianiste, lui-même un peu timbré, à 88 bords<br />
dentelés noir et blanc et à oreille droite dressée sur tes traces.<br />
Ô mon bien-aimé lointain, si tu lis ce message, écris plutôt au plus<br />
tôt à Poste restante, ou ce qui en restera, écris-moi n’importe où,<br />
mais vite, ça m’arrivera, ça viendra, il arrivera bien un jour que tout<br />
arrive.<br />
Vale.
Ludwig? Inconnu à l’adresse indiquée<br />
Entretien avec Jacques Rebotier<br />
Hélène Pierrakos<br />
Quand a débuté cette entreprise des lettres adressées à Beethoven?<br />
Il y a vingt-cinq ans. Au début j’écrivais des lettres, ou à des inconnus dont le nom<br />
et l’adresse faisaient sens, non pas à Beethoven, comme un certain monsieur Dieu<br />
qui habitait rue de l’Enfer, ici-même, à «Ichy», 77890. Ou à monsieur et madame<br />
Lenvoyeur, avec l’espoir que l’enveloppe me revienne tamponnée d’un «retour à<br />
l’envoyeur»… ce qui s’est effectivement pro<strong>du</strong>it! Cette lettre «originelle» m’a paru<br />
la métaphore de l’acte lui-même d’écrire, de soi-même à soi-même, avec beaucoup<br />
de circonvolutions entre les deux. Peu à peu, j’ai adressé mes messages à des compositeurs,<br />
des collègues en quelque sorte, histoire de connaître leurs tuyaux, de leur<br />
demander conseil, leur confier des petits secrets. Un journal de bord, par-delà la mort.<br />
Qu’écriviez-vous dans ces lettres?<br />
Top secret! L’idée est que cela reste dans l’intime et habite, ou plutôt hante l’exposition,<br />
sous forme de point d’interrogation. Le contenu des lettres fera l’objet<br />
d’un oratorio épistolaire, la prochaine étape de travail, purement musicale, celle-là.<br />
Le sujet de l’installation, c’est le voyage, le cheminement, de l’expéditeur à …<br />
l’expéditeur. J’ai corsé le propos en chipant un peu partout des enveloppes à entête<br />
– d’abord au Ministère de la Culture où j’ai jadis travaillé. Cette enveloppe-ci<br />
est de la Sacem, il y en a d’autres de théâtres où j’ai réalisé des spectacles, des hôtels<br />
de tous pays, celle-ci porte le sigle des impôts, celle-ci celui <strong>du</strong> Centre Pompidou.<br />
De partout dans le monde, envoyer partout dans le monde des lettres à Beethoven;<br />
là où il aurait pu passer, là où il aurait dû passer. Pour chaque lettre, une adresse<br />
inventée, «Eroïca Straße», ou encore «Edis, Edis, Edis, Edis Straße, 1809», allusion<br />
à la Cinquième Symphonie. Celle-ci, est «aux bons soins de Bettina Brentano», «rue<br />
Romain Rolland». Celle-là est adressée au «Centre de Cryogénie universelle».<br />
Les timbres sont devenus peu à peu un autre lieu de perversion: timbres à l’effigie<br />
de Beethoven, de chanteurs en vogue, d’autres compositeurs. Comment Beethoven<br />
prendra-t-il le fait de recevoir cette enveloppe avec un timbre représentant Claude<br />
François? J’ai aussi fabriqué de faux timbres, certains de mon propre visage, cela<br />
me reviendra-t-il?<br />
Beaucoup de hasard dans ces petites impostures postales, <strong>du</strong> hasard, et <strong>du</strong> jeu, au<br />
sens de pari. Le trajet lui-même est de l’ordre de l’inconnu, donc <strong>du</strong> rêvé.<br />
Il y en a une centaine, aujourd’hui, et je continue encore.<br />
Cela finit par former une histoire de la Poste, d’autant qu’en vingt-cinq ans, les<br />
choses ont changé; avec la mise à mort des services publics, les lettres reviennent<br />
moins souvent, par exemple.<br />
Les différentes mentions apposées par la Poste avant de me les retourner sont<br />
évidemment significatives: d’«adresse insuffisante» à «unbekannt»: inconnu, ou<br />
parti sans laisser d’adresse; plusieurs me sont revenues, d’Allemagne et de Suisse,<br />
avec la mention «gestorben»: «décédé». Merci au postier inconnu qui conclut<br />
«gestorben» au vu <strong>du</strong> nom de Ludwig van Beethoven!<br />
Page de gauche / Linke Seite:<br />
Jacques Rebotier<br />
Lettre à Ludwig<br />
175
C’est un travail parallèle à vos autres créations?<br />
D’abord, c’est une étape dans une trilogie: l’expo elle-même, le spectacle L’Oreille<br />
droite, pour un pianiste-acteur, et inspecteur en sons, et un oratorio à venir, écrit<br />
pour un ensemble instrumental et des acteurs-danseurs.<br />
L’expo elle-même est le reflet d’un petit journal de bord, un cheminement au long<br />
cours, et à petits cailloux, qui accompagne l’écriture. Je prends des notes sur mon<br />
travail de compositeur, sur ce que je vois, je demande son avis à Beethoven sur<br />
tel ou tel point… Un dialogue avec un inconnu, qui est une figure tutélaire des<br />
compositeurs.<br />
Et cela vous a fait avancer dans votre travail?<br />
Mais cela fait partie <strong>du</strong> travail! C’est <strong>du</strong> postal art, si vous voulez. Un lieu de<br />
perversion entre les arts, au croisement entre art plastique, théâtre en action,<br />
écriture littéraire et musique. Un écho à cette idée, qui me poursuit, d’un concert<br />
qui n’en soit pas un, d’un work in progress. Quelque chose en résonance avec mes<br />
Théâtres impossibles (publiés aux Éditions Harpo &), ou ce Théâtre des questions, que<br />
j’ai mené pendant dix ans avec ma compagnie, et qui consistait à lutter contre le<br />
DMI (Déficit Mondial Interrogatif) en recueillant par tous les moyens et partout<br />
dans le monde, des questions. L’idée aussi d’une œuvre impossible, que je travaille<br />
dans un texte intitulé «Le Cours de la langue», un texte qui n’a jamais commencé et<br />
qui ne s’arrêtera jamais.<br />
Imaginez par exemple un concert fait de tous les sons enten<strong>du</strong>s en un endroit de<br />
la planète, et mis bout à bout, depuis 2000 ans jusqu’à aujourd’hui, en prenant<br />
tous les sons qui ont été émis à tel endroit de la planète.<br />
Cette exposition est une installation – Klanginstallation – une installation plastique,<br />
sonore et postale. Car il y aura des sons, textes, et musiques, un dispositif de voyage<br />
intérieur, propice à un recueillement, en hommage au compositeur inconnu.<br />
Y a-t-il eu une progression, justement, dans cet ensemble de lettres ou est-ce une simple<br />
accumulation dans le temps?<br />
Il y a accumulation qui, comme toutes les accumulations, génère une dramaturgie.<br />
Mais j’ai aussi évolué dans l’action d’envoyer des lettres sur toute cette période.<br />
Accumulation et aussi, comme un thème à variations. Thème, l’envoi d’une lettre.<br />
Variations, le lieu d’expédition et de réception, l’enveloppe, l’adresse, le timbre,<br />
les flammes et cachets de hasard, mentions diverses qui portent traces d’une<br />
circulation…<br />
Il y a aussi comme un jeu secret avec le langage, mots qui passent en douce les<br />
frontières philatéliques et musicales, en changeant de sens. On parle en musique<br />
de «timbre», et d’«enveloppe» d’un son, non? Le mot «lettre» lui-même me fascine<br />
qui, en français, dit le caractère typographique (Buchstabe), puis la lettre adressée,<br />
puis les lettres – métonymie de toute la littérature, etc. Il y a déjà un processus de<br />
poupée russe dans ce simple mot de «lettre». Mais l’idée première est au fond celle<br />
de l’«adresse» à un inconnu, une bouteille ou une lettre à la mer. C’est Jean Paul,<br />
l’écrivain allemand, qui disait qu’un livre n’est autre qu’une lettre envoyée à un<br />
ami inconnu, quelqu’un dont on suppose qu’il va aimer ce que l’on a fait. C’est<br />
pour moi le geste central de l’écriture, et sa métaphore profonde. Pourquoi écrit-on<br />
de la musique? C’est mystérieux, cette action de jeter une «œuvre» au vent, avec<br />
la supposition que quelqu’un pourra la recevoir, et en être touché. Tout cela fait<br />
journal de bord, pour moi.<br />
Comment avez-vous conçu le parcours sonore à partir de ces lettres?<br />
À trois dimensions: musiques, textes et sons (avec Bernard Valléry, le designer<br />
sonore avec qui je travaille pour presque tous mes spectacles). Musique, il y a des<br />
bribes d’œuvres de Beethoven, détournées, et aussi des œuvres de mon crû, inspirées<br />
ou non de Beethoven. La tente qui accueille l’expo porte à l’entrée «An den<br />
176
fernen Geliebten», transposition masculine de An die ferne Geliebte, le cycle de lieder<br />
(dont on entend des lambeaux dans l’installation sonore) écrit «À la bien-aimée<br />
lointaine». Mon exposition est pour sa part un hommage au compositeur inconnu!<br />
Le titre en est Für Ludwig, qui fait écho au fameux Für Elise, le morceau le plus<br />
galvaudé de Beethoven. On a découvert il y a seulement un an qui était cette<br />
Elise, une cantatrice. J’ai prolongé cette pièce, qui est écrite à partir d’un simple<br />
trille d’un Für E. bis, un thème à variations pour piano autour d’un trille, décliné<br />
en tous tempos et phrasés. Ces pièces sont tirées de L’Oreille droite, un spectacle<br />
que j’ai écrit en 2008 pour le pianiste Alexandre Tharaud. On peut aussi entendre<br />
un genre de reconstitution de la séquence <strong>du</strong> chant des oiseaux dans la Sixième<br />
Symphonie, réalisée à partir des oiseaux que Beethoven cite sur sa partition, rossignol,<br />
coucou, caille des prés, replacés en hauteur et tempo idoine. Back to super past, un<br />
rewind de la «Pastorale» en quelque sorte!<br />
Un deuxième espace sonore de l’exposition est fait de textes, des lambeaux de<br />
pensée sur Beethoven, sur le son des confidences. Enfant, j’apprenais le piano,<br />
je collectionnais les timbres aussi, notamment des timbres de compositeurs et<br />
d’animaux, surtout des oiseaux. C’est une façon extraordinaire de voyager quand<br />
on est gosse: on fait des rangements, on classe, on domine les choses, on créée un<br />
petit monde. On compose. Et on voyage en mystère; un timbre des Açores, on ne<br />
sait pas où cela peut bien être, on rêve… Les timbres ont aussi un langage à eux,<br />
des oblitérations, des flammes, des cachets, des dents, des bords dentelés ou non,<br />
des couleurs, les bistres, les sépias, c’est là un monde inconnu et immense, peuplé<br />
de mots magiques. Avec cette idée d’un monde clos, qui permet pourtant de<br />
voyager partout, petit tapis volant. Une île, ouverte et fermée sur le monde.<br />
Le piano et les timbres sont mêlés dans mes souvenirs d’enfance et de solitude.<br />
C’est un objet étrange, le piano, pour un œil d’enfant. Drôle d’animal, à trois<br />
pattes, et ces longues rangées de dents, dont beaucoup sont cariées! Se mêlaient<br />
aussi le désir de voyager et le désir que j’ai eu à l’adolescence, de devenir compositeur.<br />
La vie de Bach, Cöthen, Leipzig, Mühlhausen, je revivais en pensée ces<br />
voyages dans l’espace et dans le temps. C’est bien un voyage dans le temps<br />
d’aimer la musique classique. Cette envie de faire soi-même le voyage, on appelle<br />
cela plus tard «une carrière»… On fait le voyage à travers des œuvres, d’œuvre en<br />
œuvre, puis les œuvres forment un catalogue, d’opus comme on dit.<br />
La troisième source sonore est faite de sons, de paysages sonores mentaux. Ces trois<br />
espaces s’interpénètrent, se rencontrent, formant un puzzle de pensées et de sons.<br />
Je ne suis pas fou de Beethoven, ce n’est pas mon compositeur-référence.<br />
Beethoven est ici le prototype <strong>du</strong> compositeur; c’est le premier à avoir conquis<br />
une certaine indépendance. Ce n’est plus un serviteur, mais un homme engagé, y<br />
compris politiquement. Et c’est aussi la référence absolue pour les pianistes. C’est<br />
lui qui a fait exploser le cadre <strong>du</strong> piano, utilisant tous les registres. Mon professeur<br />
de piano avait un buste de Beethoven sur son piano, qu’il m’a d’ailleurs légué.<br />
Ce qui est émouvant lorsqu’on voit cet ensemble des lettres que vous avez adressées à Beethoven,<br />
c’est que d’une certaine manière, vous avez créé un lien avec lui, même si ce n’est pas avec<br />
l’homme réel…?<br />
Mais quand on écrit de la musique, il y a toujours des ombres derrière vous, des<br />
gens, une histoire, des figures tutélaires. On écrit pour des auditeurs inconnus, mais<br />
aussi, consciemment ou non, en référence à des choses qu’on a enten<strong>du</strong>es, qu’on<br />
a aimées, ou détestées, qu’on a oubliées mais qui sont encore présentes dans la<br />
tête. Il y a des ombres derrière nous, et devant, nous balançons d’autres ombres.<br />
Vous ne les décachetez jamais, ces lettres? Vous ne savez plus ce que vous avez écrit au long<br />
de ces vingt-cinq années de correspondance avec Beethoven?<br />
177
Non. Mais le fait qu’il y ait <strong>du</strong> secret dans l’enveloppe est important pour l’exposition.<br />
Cela se sent. Se pose nécessairement la question de savoir ce qu’il y a<br />
dans ces lettres. C’est un peu comme la musique, en fait. Parfois, les gens vous<br />
demandent ce que vous avez voulu dire avec telle ou telle œuvre. D’une certaine<br />
manière, rien. La musique a son sens en elle-même. Si j’avais voulu, ou plutôt<br />
pu le dire, eh bien je l’aurais dit autrement! Pas en musique. C’est pareil ici. Je<br />
tourne autour de l’idée d’un message qui n’ait pas de sens, ou même qui n’existe<br />
pas. Je reçois une révélation si j’écoute l’Adagio <strong>du</strong> Quintette de Schubert à deux<br />
violoncelles. J’apprends quelque chose qui m’est absolument essentiel. Mais<br />
quoi? C’est une métaphore de la composition, le fait qu’il y ait un message dans<br />
chacune de ces enveloppes – mais lequel?<br />
Musicologue et critique<br />
musical, Hélène Pierrakos a<br />
collaboré avec Le Monde de<br />
la Musique, Opéra International,<br />
L’Avant-Scène Opéra,<br />
Ligne 8, et pro<strong>du</strong>it des émissions<br />
sur les radios: France<br />
Musique, France Culture,<br />
Radio Suisse Romande et<br />
Fréquence Protestante (où<br />
elle présente depuis trois<br />
ans l’émission La Malle à<br />
Musiques). Elle collabore<br />
régulièrement aux activités<br />
pédagogiques de la Cité de<br />
la musique. Réalisatrice de<br />
documentaires (Thierry<br />
Escaich au miroir de J.S. Bach,<br />
2007), elle est aussi l’auteur<br />
d’un ouvrage sur Chopin.<br />
[Question ajoutée à Virginie Rochetti]<br />
Comment les premières images et formes vous sont-elles venues, à partir de ces lettres?<br />
Nous cherchions, Jacques et moi, à situer tout cela dans un lieu un peu fermé,<br />
confiné, à l’intérieur d’un espace. Et Jacques a souhaité une sorte de tente, où on<br />
pénètre, dans laquelle on puisse s’installer. La couleur est noire, mais entourée de<br />
transparent, les fenêtres. Il y a à la fois de la lumière et de l’obscurité – rendant<br />
compte peut-être <strong>du</strong> fait que, dans ces enveloppes, on ne sait pas ce qu’il y a, c’est<br />
comme une boîte noire assez mystérieuse. Le noir donne aussi un côté plus intime –<br />
des couleurs vives auraient été trop présentes. Mais il y aura des guirlandes de<br />
lumière au plafond, un ciel étoilé de leds. Le hall de la <strong>Philharmonie</strong> est grand,<br />
lumineux, froid et assez imposant. Nous souhaitions donc que le visiteur de l’exposition<br />
puisse sortir de cet espace particulier <strong>du</strong> hall pour découvrir un lieu plus<br />
intime et chaleureux. Il y aura des tapis anciens, des fauteuils où l’on pourra se<br />
poser, écouter. Les enveloppes apparaîtront le long des parois transparentes, on<br />
pourra donc voir les deux côtés de l’enveloppe, selon que l’on se situe d’un côté<br />
ou de l’autre de la paroi de la tente. Entrer ou pas dans ce «Tombeau à Beethoven».<br />
Lettre aux illétristes<br />
Jacques Rebotier<br />
Si, comme le rappelle Sloterdijk, qui suit Jean Paul, on peut voir les livres comme de grosses lettres envoyées à<br />
des amis inconnus, on peut dire que les spectacles sont des lettres <strong>du</strong> même genre, à cette différence près qu’ils<br />
s’autodétruisent à mesure qu’ils se montrent. Pas de marque, pas de trace. Les gens n’avaient qu’à être là, assemblés<br />
dans le présent de la représentation. Sont-ce les sioux pour qui le sommet de la culture est de traverser une forêt<br />
sans laisser la moindre trace? Le théâtre est, de ce point de vue, résistance à la sédentarisation de la pensée, le<br />
théâtre est un art de la pensée nomade. Aussitôt unis, aussitôt désunis, dans le cercle défait des applaudissements.<br />
Le mot le plus important n’est peut-être pas ici «présent», mais «assemblés». Si les gens ne sont pas là, tant pis. Le<br />
théâtre crée <strong>du</strong> collectif ou ne créée rien. Il en va de même bien sûr pour les concerts improvisés, les spectacles de<br />
danse, les performances, lectures poétiques, tours de cirque, tous ces arts qui relèvent, comme on dit, <strong>du</strong> spectacle<br />
vivant.<br />
Les lettres sont-elles mortes? Assurément non; mais force est de constater qu’elles demandent à être incarnées,<br />
revivifiées, par une voix, fût-elle intérieure. Et c’est bien un miracle constamment recommencé, et recommençable à<br />
l’infini, que de voir un marmonnement de lèvres, ou sa simple pensée, redonner à la lettre la vie respirante de l’esprit.<br />
George Steiner nous dit même que l’écrit est un obstacle à la culture, car écran interposé devant la mémoire vive de<br />
la voix.<br />
Page de droite / Rechte Seite:<br />
Jacques Rebotier<br />
«Vous n’avez rien r’çu?»<br />
(extrait de la partition utilisée<br />
dans Für Ludwig)<br />
Les phonèmes, que portent nos voix, et les graphèmes, portés par l’encre sur le support des textiles, papyrus, peaux,<br />
papiers, voilà ce que s’efforcent de tenir ensemble les lettres. Elles opèrent pour cela des coupes dans le continuum<br />
<strong>du</strong> réel, le quantifie, à la manière de ces grilles que plaçaient devant leurs yeux les perspectivistes de la Renaissance<br />
pour le restituer. Les lettres sont les briques élémentaires, unités premières de nos langues «civilisées», et ces<br />
atomes langagiers opèrent très exactement une «vue de l’esprit»; ce qui suppose un parti pris, et un parti pris a<br />
toujours un prix.<br />
Qui a pensé le premier à capturer la voix, puis à la rouler en une pâte vocale propre à être découpée en petits dés,<br />
22, 23, 26? C’est plus manipulable, certes, on peut les bien classer, combiner, déranger – re-ranger, en édifier des jeux<br />
subtils de cubes, constructions à se transmettre de générations en générations. Qu’est devenu alors le grand son<br />
continu? La belle monade nomade, qui passait de stri<strong>du</strong>lations d’élytres sauterellesques en syrinx mésangiers, jabots<br />
rossignolets, sacs vocaux de grenouilles, sphincters cloacaux des serpents corails; de pets d’anus de harengs, via<br />
clics d’ailes de papillon, cantillations baleinières, sonars de chauve-souris ou cachalots, jusqu’en gorges humaines.<br />
Où passée? Où?<br />
Jacques Rebotier: Lettre aux illétristes. – Villeurbanne: URDLA, 2008. © URDLA<br />
178
SERVICE<br />
181
182
Compositeurs, interprètes<br />
& ensembles<br />
Index & Biographies<br />
Mark Andre composition (1964 F)<br />
• iv 1 pour piano (commande <strong>Philharmonie</strong> Luxembourg, création / Uraufführung) – 27.11.2010<br />
→ p. 120, 139, 155; www.edition-peters.de<br />
Mark André a étudié au Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris où il a obtenu ses premiers prix en<br />
composition, contrepoint, harmonie, analyse et recherche musicale. Une bourse d’études <strong>du</strong> Ministère des Affaires<br />
étrangères lui a permis de poursuivre ses études de 1993 à 1996 avec Helmut Lachenmann à la Hochschule für<br />
Musik de Stuttgart. Parallèlement, il a achevé ses études de musicologie à l’École Normale Supérieure de Paris et au<br />
Centre d’Études Supérieures de la Renaissance à Tours, soutenant une thèse sur l’Ars Subtilior, l’un des fondements<br />
de sa propre réflexion esthétique. Il a de plus suivi des master-classes de Brian Ferneyhough à la Fondation Royaumont.<br />
Compositeur en résidence à l’Akademie Schloss Solitude de Stuttgart en 1996, il a reçu la même année, le prix<br />
Kranichstein de l’Internationale Ferienkurse für Neue Musik de Darmstadt. En 1996, il a étudié la musique électronique<br />
avec André Richard dans le cadre d’une résidence à la Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR à Freibourg, et<br />
un prix international lui a été décerné à Stuttgart pour Le Trou noir univers pour orchestre, solistes et électronique<br />
(1992–1993). Compositeur en résidence à la SWR et de la ville de Baden-Baden de 1997 à 1998, à la Villa Medicis<br />
à Rome en 2001 et à l’Opéra de Francfort, il a reçu dans cette dernière ville, un prix pour …das O (troisième partie<br />
de …22,13…), créé par l’Ensemble Modern au Bockenheimer Depot. En 2004, Musiktheater-Passion in drei Teilen<br />
…22,13… a été créée au cours de la biennale musicale de Munich, au Staatstheater de Mainz, repris en septembre<br />
2004 à l’Opéra Bastille à Paris, dans le cadre <strong>du</strong> <strong>festival</strong> d’Automne. En 2005, Mark Andre était en résidence au<br />
DAAD Künstlerprogramm de Berlin. Il est lauréat <strong>du</strong> prix de composition Christoph et Stefan Kaske. Aujourd’hui Mark<br />
Andre reçoit des commandes des <strong>festival</strong>s européens les plus importants comme ceux de Donaueschingen et de<br />
Witten. Il écrit pour l’Ensemble Modern, l’ensemble recherche, le Klangforum Wien, les Percussions de Strasbourg,<br />
etc. Depuis 1997, il enseigne le contrepoint et l’orchestration au Conservatoire National de Région de Strasbourg et<br />
à la Musikhochschule de Francfort. Par ailleurs, il est résident <strong>du</strong> Südwestfunk de Baden-Baden et chef permanent<br />
de l’ensemble Zementwerk de Stuttgart. Mark Andre a reçu de nombreux prix de composition internationaux pour<br />
Fatal, Un-fini I et II, Le trou noir univers, Le loin et le profond. Il a reçu le Förderpreis 2002 de la Fondation Ernst von<br />
Siemens pour la musique et en 2007, le Giga-Hertz-Preis <strong>du</strong> ZKM et <strong>du</strong> Studio Freiburg. En septembre 2007, la Salle<br />
Pleyel a donné la création de sa pièce pour orchestre …auf…II.<br />
Arditti Quartet (D)<br />
→ p. 82; www.ardittiquartet.co.uk<br />
Das Arditti Quartet genießt weltweit einen herausragenden Ruf für seine lebendige und differenzierte Interpretation<br />
von Kompositionen der Gegenwart und des 20. Jahrhunderts. Seit Grün<strong>du</strong>ng des Quartetts 1974 <strong>du</strong>rch den Geiger<br />
Irvine Arditti sind mehrere hundert Streichquartette für das Ensemble komponiert worden, die aus dem Repertoire<br />
der zeitgenössischen Musik nicht mehr wegzudenken sind und dem Arditti Quartett einen festen Platz in der Musikgeschichte<br />
geben. Die Bandbreite seines Repertoires beweisen Uraufführungen von Komponisten wie Adès, Andriessen,<br />
Aperghis, Bertrand, Birtwistle, Britten, Cage, Carter, Denisov, Dillon, Dufourt, Dusapin, Fedele, Ferneyhough, Francesconi,<br />
Gubai<strong>du</strong>lina, Guerrero, Harvey, Hosokawa, Kagel, Kurtág, Lachenmann, Ligeti, Maderna, Nancarrow, Reynolds, Rihm,<br />
Scelsi, Sciarrino, Stockhausen, Xenakis unter vielen anderen. Die Diskographie des Arditti Quartet umfasst über<br />
170 CDs. Allein bei dem französischen Label Montaigne Naive sind 42 Aufnahmen erschienen, die eine Vielzahl zeitgenössischer<br />
Komponisten präsentieren, aber auch die erste Digitalaufnahme sämtlicher Streichquartette der Wiener<br />
Schule. Bei diesem Label ist auch das berüchtigte Helikopter-Quartett von Stockhausen erschienen. Zu den neuesten<br />
Veröffentlichungen gehören die vollständigen Streichquartette von Luciano Berio, die wie die meisten Aufnahmen in<br />
Anwesenheit des Komponisten entstanden sind, von Harvey, Rihm und Lachenmann. Das Arditti Quartet hat im Laufe<br />
der letzten 30 Jahre zahlreiche Preise erhalten, darunter mehrfach den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Den<br />
Gramophone Award für die beste Aufnahme zeitgenössischer Musik errang es 1999 und 2002. 1999 wurde ihm der<br />
prestigeträchtige Ernst-von-Siemens-Musikpreis für sein «musikalisches Lebenswerk» verliehen. Im Jahr 2004 erhielt<br />
es den Coup de Cœur der Académie Charles Cros für seinen Beitrag zur Verbreitung der Musik unserer Zeit.<br />
Auryn Quartett (D)<br />
→ p. 82; www.auryn-quartett.de<br />
«Tu, was <strong>du</strong> willst!» Dieser lapidare Leitsatz ist in Michael Endes Roman Die unendliche Geschichte auf der Rückseite<br />
eines magischen Amuletts zu lesen, das seinem Träger Inspiration verleiht und ihm hilft, den Weg seiner Wünsche<br />
zu gehen. Das Auryn – so der Name des Amuletts – wurde 1981 zum Taufpaten für vier junge Musiker, die sich entschlossen<br />
hatten, ihren künstlerischen Weg fortan als Streichquartett gemeinsam zu gehen. Schon im darauffolgenden<br />
Jahr war das Auryn Quartett beim renommierten ARD-Wettbewerb in München und beim internationalen Streichquartettwettbewerb<br />
in Portsmouth erfolgreich. Die Spielweise des Auryn Quartetts wurde zunächst <strong>du</strong>rch das Studium<br />
beim legendären Amadeus Quartett in Köln geprägt. Hier galt das Prinzip eines homogenen, vom leicht dominierenden<br />
Oberglanz der ersten Geige gekrönten Ensembleklangs. Während eines Studienaufenthaltes beim Guarneri Quartett<br />
dagegen legte man größeres Gewicht auf Transparenz, Trennschärfe und Indivi<strong>du</strong>alität der Stimmen. Der Ausgleich<br />
zwischen diesen höchst gegensätzlichen Musizieridealen wurde zur Feuerprobe für das Auryn Quartett, das nach<br />
seiner Rückkehr aus den USA rasch in die Spitzengruppe der internationalen Quartettszene aufrückte. Seither hat das<br />
Auryn Quartett nahezu die gesamte Quartettliteratur bis in die Moderne hinein erarbeitet; hinzu kommen bedeutende<br />
Ur- und Erstaufführungen. Nach den hochgelobten Gesamteinspielungen der Streichquartette von Beethoven und<br />
Page de gauche / Linke Seite:<br />
back to the future<br />
photo: étudiants <strong>du</strong> Lycée<br />
Technique des Arts et Métiers<br />
Luxembourg-Limpertsberg<br />
(LTAM), voir p. 200 /<br />
siehe S. 200<br />
183
ack to the future<br />
Projet photographique pour le catalogue <strong>du</strong> <strong>festival</strong> rainy days 2010<br />
Lycée Technique des Arts et Métiers – LTAM<br />
Luxembourg-Limpertsberg<br />
Classe T3AR1<br />
Rebecca Bremin<br />
Julie Ditomaso<br />
Camille Ebuen<br />
Jenny Fischer<br />
Annick Groben<br />
Océane Prost<br />
Claire Roef<br />
Tom Waldbillig<br />
Julie Zorn<br />
Classe T2AR3<br />
Samantha Bourg<br />
Sinja Braschel<br />
Christine Eckardt<br />
Thierry Ehr<br />
Lena Godelet<br />
Thierry Harpes<br />
Roger Hautcoeur<br />
Lisa Wengler<br />
Ylenia Wiltzius<br />
Professeurs<br />
Joseph Tomassini<br />
René Kockelkorn<br />
Présentation des photos réalisées pour les rainy days 2008–2010<br />
au Grand Foyer de la <strong>Philharmonie</strong> pendant le <strong>festival</strong> rainy days 2010<br />
Heures d’ouverture / Öffnungszeiten:<br />
19.11. 19:00–22:30<br />
20.11. 19:00–22:30<br />
21.11. 17:30–22:30<br />
24.11. 19:00–22:30<br />
26.11. 19:00–22:30<br />
27.11. 18:00–23:00<br />
28.11. 17:00–22:30<br />
200