Sozialalmanach - Caritas Luxembourg
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und daraus lässt sich allemal noch genügend herausholen“). Während Margret Thatcher und Ronald Reagan der britischen und der US-amerikanischen Wirtschaft dieses Rezept in den 70er Jahren verordnet haben, und dann nach und nach auf der ganzen Welt selbst sozialdemokratische Regierungschefs wie Tony Blair und Gerhard Schröder in dasselbe Horn gestoßen haben, hat die Krise 2008/2009 die meisten wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und sie Keynes wieder aus dem Schrank holen lassen. Kaum aber hat sich die erste Aufregung gelegt und ist der Abschwung nicht mit der vorhergesagten Härte über uns gekommen, heißt es schon wieder: „Keynes in den Schrank, der Staat hat sich aus der Wirtschaft herauszuhalten, der Markt regelt alles zum Besten!“. Demgegenüber bemüht unser Regierungschef immer den schönen Satz vom Markt, der keine Solidarität schafft und der daher durch staatliche Organisation und Umverteilung ergänzt werden muss 4 . Im Konzert derer, die nun wieder den Rückzug des Staates verlangen und nicht mehr weiter auf die keynesianischen Rezepte bauen, gehört auch ein gewisser Professor Fontagné 5 , der kurz vor dem Beginn der Tripartite-Verhandlungen ein Memorandum 6 vorstellte, indem er zum exakten Gegenteil von keynesianischem Verhalten aufrief. Sein Rezept setzt sich zusammen aus einer Kürzung des Arbeitslosengeldes, einer Kürzung der Sozialbeiträge und einer Steigerung des Wettbewerbs auf den Gütermärkten mit Senkung der Gewinnmargen. Nicht mehr durch eine gestärkte Nachfrage soll der Ausweg aus der Wirtschaftskrise gesucht werden, sondern durch die Ermöglichung höherer Gewinne, die dann zu mehr Produktion und damit zu mehr Beschäftigung führen sollen. Abgesehen davon, dass wir diese These für grundlegend falsch halten, muss mit Nachdruck daraufhin gewiesen werden, dass es nicht gut sein kann, wenn die Gegensteuerung gegen die Krise zuerst während 2 Jahren durch Steigerung der Nachfrage bestimmt wird, um dann zu dem gegenteiligen Paradigma zu wechseln. Solche deflationistischen Handlungen, eine solche Kehrtwendung wird den noch immer hüstelnden Wirtschaftsmotor durch einen heftigen Hustenanfall wieder zum Stehen bringen. Wenn ein Medikament so langsam anschlägt stellt sich nicht die Frage, welches Gegenmittel man jetzt nehmen soll, sondern mit welcher Dosis man mit dem Medikament weiterfährt und wann man es absetzt. In diesem Zusammenhang empfiehlt die EU-Kommission Luxemburg (und anderen Ländern) einen Ausstieg aus der Konjunkturstützung in 2011. Und was im Vorfeld der 4 Siehe Gouvernement Luxembourgeois (2009b), Seite 4. 5 Hierbei handelt es sich um den gleichen Professor, der 2004 im Auftrag der Regierung ein Gutachten unter dem Namen « Une paille dans l’acier » abgab – siehe Fontagné (2004) – der aber angab, dieses Mal aus eigenem Antrieb und nicht im Auftrag der Regierung zu handeln. 6 Siehe Fontagné (2010). 79
Tripartite zu hören war, beabsichtigt die Regierung dieser Empfehlung nachzukommen, während für die Salariatsseite der Zeitpunkt noch zu früh ist. Wenn man sich also auf die Formel „Ausstieg ja, aber wann? und wie schnell?“ einigen könnte, so wäre schon viel geholfen, und das Gespenst eines kontraproduktiven Gegenkurses à la Fontagné wäre vom Tisch. Wird die Arbeitgeberseite dem folgen können? Es wäre letztlich auch in ihrem eigenen Interesse! Wenn man sich die nächsten 12 Monate auch genauer ansehen muss, wenn es darum geht, wie jetzt weiter regiert werden soll, so darf doch auch der langfristige Kurs nicht aus den Augen verloren gehen. Es wäre fatal, jetzt zu kurzfristig helfenden Maßnahmen zu greifen, die langfristig aber eher zu größeren Problemen führen würden. Wenn es auch gilt, die öffentlichen Finanzen in einem bestimmten Zeitrahmen zu sanieren 7 , so ist doch vor allem ihre Dauerhaftigkeit 8 zu sichern, und dies unter Wahrung der Grundsätze des Sozialstaats. Würden wir den Ausgang der Tripartite, respektive die Regierungspolitik der nächsten Jahre mitbestimmen können, so könnten wir uns Folgendes vorstellen: 1. Die zukünftige Politik sollte getragen sein von einer Kombination aus Universalismus und Zielgerichtetheit, sowie dies bereits 2002 im damaligen Gemeinsamen Bericht der EU-Kommission und des EU-Ministerrats zur Sozialen Inklusion 9 angeregt worden war. 2. Wie bereits im Kapitel 5 über das Staatsbudget dargelegt 10 , sollte die Sanierung der öffentlichen Finanzen über eine Maßnahmenkombination erreicht werden: –– Berücksichtigen, dass die krisenbedingten Mehrausgaben zukünftig nicht mehr oder nicht mehr in derselben Höhe anfallen. –– Allgemein Sparen: ein Durchforsten aller Ausgabenposten bei der Gemeinde Luxemburg hat zu Einsparungen von 8% geführt, ohne Leistungen einzuschränken. Würde das Gleiche beim Staatshaushalt geschehen, so wäre ein Großteil des notwendigen Einsparpotentials bereits erreicht. 7 Wobei es nicht gottgegeben ist, dass dieser Zeitrahmen das Jahr 2014 als Ziel ansieht, ebenso wenig wie eine Sanierung heißen muss, dass bis dorthin die Nettoschuldaufnahme des Staates auf 0 zurückgeschraubt sein muss, wie es die Anfang des Jahres nach Brüssel geschickte 11. Aktualisierung des Stabilitäts-und Wachstumsprogramms darlegt, siehe Gouvernement Luxembourgeois (2010). 8 Vgl. das Gutachten des Conseil Supérieur pour le Développement Durable über die nachhaltige Entwicklung der Staatsfinanzen: CSDD (2008). 9 Siehe Europäische Kommission (2002): “Universality: ensuring increased levels of adequacy, access and affordability of mainline policies and provisions with the view to improving their coverage, uptake and effectiveness. A level playing field: addressing specific disadvantages that can be overcome by the use of appropriate policy (e.g. lack of skills). Solidarity for human dignity: compensating for disadvantages that can only be partially (or not at all) overcome (e.g. disabilities).” 10 Siehe Urbé (2010d). 80
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und daraus lässt sich allemal noch genügend herausholen“). Während Margret Thatcher<br />
und Ronald Reagan der britischen und der US-amerikanischen Wirtschaft dieses Rezept<br />
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sozialdemokratische Regierungschefs wie Tony Blair und Gerhard Schröder in dasselbe<br />
Horn gestoßen haben, hat die Krise 2008/2009 die meisten wieder auf den Boden der<br />
Tatsachen zurückgeholt und sie Keynes wieder aus dem Schrank holen lassen. Kaum aber<br />
hat sich die erste Aufregung gelegt und ist der Abschwung nicht mit der vorhergesagten<br />
Härte über uns gekommen, heißt es schon wieder: „Keynes in den Schrank, der Staat hat<br />
sich aus der Wirtschaft herauszuhalten, der Markt regelt alles zum Besten!“. Demgegenüber<br />
bemüht unser Regierungschef immer den schönen Satz vom Markt, der keine Solidarität<br />
schafft und der daher durch staatliche Organisation und Umverteilung ergänzt werden<br />
muss 4 .<br />
Im Konzert derer, die nun wieder den Rückzug des Staates verlangen und nicht mehr<br />
weiter auf die keynesianischen Rezepte bauen, gehört auch ein gewisser Professor Fontagné 5 ,<br />
der kurz vor dem Beginn der Tripartite-Verhandlungen ein Memorandum 6 vorstellte, indem<br />
er zum exakten Gegenteil von keynesianischem Verhalten aufrief. Sein Rezept setzt sich<br />
zusammen aus einer Kürzung des Arbeitslosengeldes, einer Kürzung der Sozialbeiträge und<br />
einer Steigerung des Wettbewerbs auf den Gütermärkten mit Senkung der Gewinnmargen.<br />
Nicht mehr durch eine gestärkte Nachfrage soll der Ausweg aus der Wirtschaftskrise gesucht<br />
werden, sondern durch die Ermöglichung höherer Gewinne, die dann zu mehr Produktion<br />
und damit zu mehr Beschäftigung führen sollen. Abgesehen davon, dass wir diese These für<br />
grundlegend falsch halten, muss mit Nachdruck daraufhin gewiesen werden, dass es nicht<br />
gut sein kann, wenn die Gegensteuerung gegen die Krise zuerst während 2 Jahren durch<br />
Steigerung der Nachfrage bestimmt wird, um dann zu dem gegenteiligen Paradigma zu<br />
wechseln. Solche deflationistischen Handlungen, eine solche Kehrtwendung wird den noch<br />
immer hüstelnden Wirtschaftsmotor durch einen heftigen Hustenanfall wieder zum Stehen<br />
bringen. Wenn ein Medikament so langsam anschlägt stellt sich nicht die Frage, welches<br />
Gegenmittel man jetzt nehmen soll, sondern mit welcher Dosis man mit dem Medikament<br />
weiterfährt und wann man es absetzt.<br />
In diesem Zusammenhang empfiehlt die EU-Kommission Luxemburg (und anderen<br />
Ländern) einen Ausstieg aus der Konjunkturstützung in 2011. Und was im Vorfeld der<br />
4 Siehe Gouvernement <strong>Luxembourg</strong>eois (2009b), Seite 4.<br />
5 Hierbei handelt es sich um den gleichen Professor, der 2004 im Auftrag der Regierung ein Gutachten<br />
unter dem Namen « Une paille dans l’acier » abgab – siehe Fontagné (2004) – der aber angab, dieses Mal<br />
aus eigenem Antrieb und nicht im Auftrag der Regierung zu handeln.<br />
6 Siehe Fontagné (2010).<br />
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