Sozialalmanach - Caritas Luxembourg
Sozialalmanach - Caritas Luxembourg
Sozialalmanach - Caritas Luxembourg
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
dass es deshalb auch schwierig sei, die richtige Politik festzulegen. Eine solche Vorsicht sei<br />
auch den drei Parteien angeraten. Es wäre fatal, im Angesicht ziemlichen Nebels und einer<br />
weit verbreiteten Unkenntnis über das zukünftige Geschehen, jetzt mit Brachialgewalt zu<br />
Politiken zu greifen, die dann gegebenenfalls zu einer Krise nach der Krise (oder in der Krise)<br />
führen, indem die vermeintlichen Anfänge eines langsam sich abzeichnenden Aufschwungs<br />
gleich wieder tot gewalzt werden. Behutsames auf Sicht Steuern, dazu eine Reihe von<br />
möglichen Antworten fertig im Rucksack, das wäre die richtige Haltung anlässlich einer<br />
solchen Ungewissheit. Dazu gehörigen keine markigen Worte à la „De Sozialstaat as ké<br />
Klésjen“, sondern vorsichtiges Abwägen gepaart mit langfristiger „wenn-dann“-Planung.<br />
6.2 Zukunft gestalten<br />
Im Gegensatz zu der Weltwirtschaftskrise die auf den Zusammenbruch von 1929<br />
hin folgte haben sich diesmal die Regierungen europaweit, und sogar weltweit, dazu<br />
durchgerungen, nicht nur die Finanzmärkte zu stützen, sondern mit milliardenschweren<br />
Konjunkturpaketen die zurückgehende private durch eine öffentliche Nachfrage zu ersetzen,<br />
umso die Konjunktur zu stützen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wie auch die gezielten<br />
Subventionen sollten helfen, die Umsatzrückgänge teilweise auszugleichen, und dadurch die<br />
Beschäftigung nicht zu weit zurück gehen zu lassen. Diese Methode des „deficit spending“<br />
in Konjunkturtälern, auch „antizyklisches Vorgehen“ genannt, weil es sich gegen den Trend<br />
des Konjunkturzyklus stemmt und diesen nicht noch durch gleichgelagertes Verhalten<br />
verstärkt, ist seit vielen Jahren mit dem Namen Keynes 3 verbunden. Seine Lehre baut<br />
darauf auf, dass Nachfrage zu Umsatz- und Produktionserhöhung führt, die wiederum eine<br />
Investitionsnachfrage nach sich ziehen wodurch sich ein sich selbst tragender Aufschwung<br />
ergibt. Da mit dieser Methode bisher erfolgreich ein allgemeiner Zusammenbruch verhindert<br />
wurde und selbst einzelne Einbrüche bisher nicht zu einem Flächenbrand geführt haben,<br />
ist nicht einzusehen, weshalb diese Methode jetzt plötzlich nicht mehr richtig sein sollte.<br />
Vielleicht muss man darauf hinweisen, dass keynesianisches Verhalten in den letzten<br />
Jahrzehnten in Ungnade gefallen war. Ein gewisser Milton Friedman und seine Chicago-<br />
Boys haben der Welt einen neuen Verhaltenskodex vorgelegt, nämlich dass der Staat sich<br />
weitestgehend aus der Wirtschaft herauszuhalten habe. Ein schlanker Staat mit wenig<br />
Eingriffsmöglichkeiten braucht auch weniger Geld, sodass die Steuern gesenkt werden können.<br />
Wenn dann durch die vermehrte Geldmenge die Wirtschaft läuft („die Pferde zu saufen<br />
anfangen“), dann fallen auch genügend Brotsamen für die Armen ab und die Gesellschaft<br />
kann sich Sozialpolitik leisten („die dicksten Pferde geben die dicksten Pferdeäpfel von sich,<br />
3 John Maynard Keynes, siehe z.B. sein Hauptwerk: Keynes (1936).<br />
78